B.

Die gefälschten und untergeschobenen

Mozart-Bildnisse

[92] 1. Angeblich: Der Greuzesche Mozart


Besitzer (1910): Kunsthändler A.S. Rambo in Paris. Ölbild, Brustbild. 45×34. Maler: angeblich Jean Baptiste Greuze. Gemalt: angeblich 1766 in Amsterdam.

Zur Geschichte des Bildes: Es ist erst im Jahre 1909 im Besitze des genannten Kunsthändlers aufgetaucht. Weder die Mozartischen Familienbriefe noch die Biographen Mozarts oder Greuzes erwähnen es. Es ist unsigniert.

Rambo sandte es Anno 1909 dem Salzburger Mozartmuseum »zur Begutachtung der Echtheit«. Dieses von Joh. Evangelist Engl verfaßte Gutachten lautete nach dem XXX. Jahresbericht des »Mozarteums« (S. 71): »Der erste Anblick machte schon den bestimmten Eindruck, daß hier wieder einmal ein echtes in der Reihe der überhaupt so wenig echten existierenden Mozart-Porträte vorliegt. Auch fand sich der Name Greuze in den niederländischen Reisenotizen des Leopold Mozart vor, die D.F. Scheurleer aus dem Mozart-Museum zu veröffentlichen die Erlaubnis erhielt, und zwar in seinem Druckwerke: ›Het Musiekleven in Nederland‹, 2. Band, pag. 322, welchen Namen des Künstlers L. Mozart, wie anzunehmen ist, unrichtig, vielleicht nur dem Hören nach als ›Kreuser‹, jedoch unter der Überschrift ›Amsterdam‹ niederschrieb und auch nicht verbesserte, als er dort bei demselben persönlich vorgesprochen hatte. Wir konnten demnach nicht bloß nach unserem Urteile die Echtheit des Porträts behaupten, sondern diese auch noch durch die von Jean Martin [dem Kustos des Greuze-Museums in Tournus bei Mâcon] bestätigte gleichzeitige Anwesenheit Greuzes in Amsterdam und den vorgefundenen Namen in Leopolds Handschrift, daher weiteres auch auf sozusagen urkundlicher und historischer Grundlage bekräftigen ...« Wer sich die kleine Mühe macht, Scheurleers »Het Musiekleven in Nederland« aufzuschlagen, findet im Band II, S. 323 (also eine Seite weiter als oben angegeben) die wissenschaftlich unanfechtbare Erläuterung, daß Leopold in seinen Amsterdamer Reisenotizen mit den klar und deutlich geschriebenen »2 Kreuser« die Brüder Adam Kreusser und Georg Kreusser, beide Amsterdamer Konzertmeister jener Zeit, gemeint haben muß. (Vgl. dazu im vorliegenden Buche das Faksimile bei S. 45.) Übrigens hatte Engl als damaliger Sekretär des Mozarteums ja die Urschrift jederzeit vor Augen.

Mit jener »auf sozusagen urkundlicher und historischer Grundlage« beruhenden Beglaubigung ist das Bild leider als »der Greuzesche Mozart« durch die Ausstellungen von Europa gegangen. Ob es den damals verlangten Kaufpreis von 30000 Frs. erzielt hat, ist mir nicht bekannt.

Die »Photographische Gesellschaft zur Verbreitung klassischer Kunst« hat das Bild in einer Gravüre in den Handel gebracht. Es ist eine geschickte moderne Fälschung!

Abbildung: bei Schurig. Mozart II, Tafel 45.


[93] 2. Angeblich: Der zehnjährige Mozart


Besitzerin: Frau Emilie verw. Landgerichtsrat Hörner, Stuttgart. Ölbild, Kniestück, 61×52. Maler: angeblich Dominicus van Smissen. Gemalt: angeblich im Frühjahr 1766 in Holland. Aufschrift (rechts): Wolfgang Mozart – pinxit 1766 D.v. Smissen.

Auf der Rückseite des Bildes steht die (spätere) handschriftliche Bemerkung: »Mozart als Jüngling, gemalt von van Smissen.« Diese Notiz ist wissenschaftlich unmöglich, denn Dominicus van Smissen ist am 6. Januar 1760 in Altona gestorben, was dem Anbringer der vorderen Aufschrift offenbar unbekannt war.

Um das Bildnis als Mozartbild zu retten, hat man nun allerlei Umdeutungen des verräterischen Geistes versucht, der aus dem famosen D vor dem gefälschten Namen v. Smissen weht. Da man das Werk auch dem Sohne des Dominicus van Smissen: Jakob van Smissen (1735–1813) nicht zuschieben konnte, so ist man auf die lächerliche Idee geraten, das Signum als »Devotus van Smissen« zu erklären, weil Smissen ein frommer Mennonit gewesen sein soll. Derlei ist natürlich unhaltbar. Aber auch noch ein zweiter Umstand spricht gegen die Möglichkeit, daß der (überdies dem sicher beglaubigten Bilde von 1762 gänzlich unähnlich) Dargestellte der junge Mozart sei: das Bild hat rehbraune Augen, während Mozart blaue hatte. Gerade da der Maler die Größe der Augen übertreibt, um sie zur Dominante seines Porträts zu machen, hat er sich gewiß treu an die Farbe der Wirklichkeit gehalten.

Dieses untergeschobene Bildnis muß endgültig aus der Reihe der Mozartbildnisse ausscheiden.

Abbildung: bei Schurig, Mozart II. Tafel 46.


3. Angeblich: Mozart mit der [Noten]rolle


Besitzer (seit 1874): Herr G.B. Davy in Spean Lodge (Nordengland). Ölbild, Hüftbild in Lebensgröße, 53,5×44. Maler: angeblich Pompeio Batoni. Gemalt: angeblich im Juli 1770 in Rom.

Das Bildnis ist nicht beglaubigt. Es ist allbekannt durch den schlechten Stahlstich von H. Adlard. Eine andere Nachbildung (Kupferstich) findet sich in: John Ella, Musical eketches, 1869: eine dritte bei St. Foix (Bd. I, S. 291/292): wiederholt bei Schiedermair. Tafel 14. Das Original ist höchstwahrscheinlich nicht von Pumpeio Batoni. Der im dunkelgrünen Rocke Dargestellte hat ausgesprochen braune Augen. Die angebliche Notenrolle ist wohl eine Landkarte.

Herkunft: dunkel. Das Bild hat mit Mozart nichts zu tun!

Abbildung: bei Schurig I. Tafel 11.


4. Angeblich: Mozart an der Harfe


Original: (1892) im Besitze von Herrn W. Barclay, London. Ölbild, Hüftstück. Maler: unbekannt. Mitunter ohne jeglichen Grund Pompeio Batoni zugeschrieben. Gemalt: angeblich im Juli 1770 in Rom.

Herkunft des Bildes: legendär. Auch hier ist die Augenfarbe braun. Mozart wäre empört, sähe er sich als Harfenist![94]

Im »Mozart« von Gustav Thormälius (Volksbücher der Musik, Velhagen & Klasing, Nr. 67) findet sich (S. 27) eine Nachbildung mit der falschen Angabe »im Besitz des Herrn Tomaselli zu Salzburg«. Ein untergeschobenes Bild!

Abbildung: bei Schurig I, Tafel 12.


5. Angeblich: Mozart als Kind


Besitzerin: Gräfin Lamberg-Waldstein, Schloß Embsburg. Kreidezeichnung mit aufgesetzten weißen Lichtern, 17×13,5. Zeichner: angeblich Karl Christian Klaß (1747–1793) aus Dresden. Gezeichnet: angeblich im November 1772. (Klaß war 1772 in Italien: aber das Bildchen ist gar nicht signiert.)

Abbildung: bei Schurig I, Tafel 15.


6. Angeblich: Mozart als Knabe


In Elfenbein geschnitten. Im Mozartmuseum in Salzburg. (Katalog, 4. Aufl., S. 38.)

Abbildung: bei Schurig I, Tafel 13.


7. Angeblich: Mozart um 1775–1777


Unbezeichnetes Ölbild, 52,5×39. Ehedem in der Sammlung Donebauer in Prag; jetzt (1919) im Besitze des Herrn Kunsthändlers Günther-Koch. München.

Das Bild hat keine bestimmte Herkunft. Es ist ohne jede Ähnlichkeit (Kegelkopf!).

Abbildung: bei Schiedermair, Tafel 17.


8. Mozart als junger Mann


Besitzerin: Frau Marie Gräfin von Hoyos. Wien. Miniatur, Hoch-Oval, 12×9. Maler: unbekannt. Gemalt: angeblich 1769 (eher wohl um 1776).

Diese Miniatur (in Perücke, blauem Samtrock) ist dem Maler Fr. von Ammerling (1803–1887) angeblich im Jahre 1828 in Salzburg von der Schwester Mozarts geschenkt und auf die jetzige Besitzerin vererbt worden.


9. Angeblich: Mozart in Mannheim


Besitzer: Herr Dr. med. Ludwig König, Kiel; jetzt (1919) Herr Albert v. Rönn in Altona. Ölbild, Kniestück, 60×48. Maler: unbekannt. Gemalt: angeblich 1777 in Mannheim.

Aufschrift auf der Rückseite: W.A.M. – M. 1777.

Dieses von einem minderwertigen Maler herrührende, malerischer Reize entbehrende wertlose Bild wurde im Jahre 1880 zusammen mit einem ebenso armseligen Frauenbildnisse mit der Aufschrift[95] A.M.M. – M. 1777 unter verdächtigen Umständen in einer Rumpelkammer in Mainz entdeckt. Der damalige Besitzer, »ein armer alter Mann«, wußte über die Herkunft der beiden Bilder nichts weiter zu sagen, als daß es »Herr und Frau Mozart« sei und daß er sie aus Mannheim mitgebracht habe, seinem früheren Wohnorte. Nach dem baldigen Tode des Mannes wurde das Bild zuerst in »Über Land und Meer« (Jahrgang 1883/84) veröffentlicht und seitdem an allen nur möglichen Stellen feilgeboten.

Wie wir wissen, kamen Mutter und Sohn Mozart in Mannheim am 31. Oktober 1777 an. Gerade aus der Mannheimer Zeit fehlt uns auch nicht ein einziger Brief des sehr regen Briefwechsels zwischen Wolfgang und Leopold Mozart. Nirgends wird ein in den beiden Monaten November oder Dezember etwa entstandenes Bild erwähnt. Die finanzielle Lage von Sohn und Mutter, ja der ganzen Familie, war der Not nahe. An den Luxus, sich porträtieren zu lassen, durften sie nicht denken. Reiche Gönner und wohlhabende Freunde fehlten ihnen. Somit ist es gar keine Frage, daß die Bilder nur durch einen Fälscher mit Wolfgang Mozart und seiner Mutter in Beziehung gebracht worden sind. Erwähnt sei, daß der angebliche Wolfgang in der Linken ein Glas Wasser trägt. Was dieses Attribut besagen will, ist nicht zu ersehen.

Um 1912 sind die beiden Bilder dem Mannheimer Stadtarchiv für 4500 Mark angeboten worden. Die dort angestellte genaue Untersuchung hat ergeben, daß die sämtlichen Aufschriften auf beiden Bildern neueren Ursprungs sind. Vordem waren sie leider vom Mozarteum unter der Annahme, daß die Aufschriften: »Wolfgang Amadeus Mozart, Mannheim 1777« und »Marie Anna Mozart, Mannheim 1777« zu lesen seien, für echt erklärt worden, obgleich hier unverkennbar dreiste Fälschungen und Unterschiebungen vorliegen. Auch das Mozarteum hat den Ankauf selbstverständlich abgelehnt. Seine wissenschaftlich denkenden Mitglieder bedauern das erwähnte Gutachten.

Nachbildungen beider Bilder findet man in den »Mitteilungen der Mozartgemeinde in Berlin«. IV. Folge, Heft 2 (November 1912); ebenso bei Schiedermair, Tafel 20 u. 21.


10. Mozart von 1778


Unbezeichnetes Wachsmedaillon. Im Besitze von Herrn Dr. Max Friedländer, Berlin.

Bei Schiedermair, Tafel 24.


11. Angeblich: Mozart


Besitzer des Originals: z.Z. unbekannt; vordem im Schloß Miltenburg. (1904 Auktion Hugo Helbing, München.) Ölbild auf Leinwand. 46×36; Brustbild.

Der Dargestellte hat dunkelblonde Locken, braune Augen; brauner Rock mit roten Aufschlägen.

Keine Ähnlichkeit mit Mozart.

Herkunft: dunkel.


12. Mozart


Unbezeichnete Miniatur. Im Besitze von Herrn W. Barclay, London.

Bei Schiedermair. Tafel 39.


[96] 13. Das angeblich Tischbeinsche Mozartbildnis


Original: im Musikverlag André, Frankfurt am Main. Ölbild, Kniestück, 68×53. Maler: angeblich (Anton Wilhelm) Tischbein. Gemalt: angeblich im Oktober 1790 in Mainz. Nicht signiert und nicht datiert.

Zur Geschichte des Bildes: Dieses ehedem vielumstrittene, heute im maßgebenden Urteile längst nicht mehr als Bildnis Mozarts geltende Porträt ist 1849 aufgetaucht. Mozarts Sohn Karl hat sich darüber am 17. September 1856 zum damaligen Besitzer C.A. André folgendermaßen geäußert: »Mit Bedauern sehe ich mich zur Steuer der Wahrheit gezwungen, zu bekennen, daß meine immer noch lebhaft erhaltene sichere Erinnerung in besagtem Gemälde keine Spur von Ähnlichkeit wahrzunehmen vermag, so zwar, daß, wofern es nicht ganz vollkommen erwiesen sein sollte, daß Tischbeins Originalgemälde wirklich das Porträt meines Vaters darstelle, ich sogar auf die Vermutung verfallen würde, daß ein Irrtum untergelaufen sei und es sich um eine ganz andre Person handle. Selbst in Nebendingen, wie zum Beispiel hauptsächlich in der Frisur, ist eine gänzliche Verschiedenheit von der von meinem Vater standhaft beibehaltenen Weise: es müßte höchstens sein, daß er sich aus Anlaß der Sitzung zu diesem Bilde absichtlich in diese so ganz von seiner gewöhnlichen abweichende Kostümierung versetzt hätte.«

Auch der Vergleich des Bildes mit der Stockschen Zeichnung von 1789 läßt es ganz unmöglich erscheinen, daß wir hier ein Porträt des Meisters aus dem Jahre 1790 vor uns haben sollten.

Abbildung: bei Schurig II, Tafel 49.


14. Mozart


Unbezeichnete Biskuitbüste. Im Besitze von Frau Ignaz Brüll. Wien.

Bei Schiedermair. Tafel 38.


15. Mozartbüste


Stich von T. Blood (um 1820). Ein Exemplar in der Musikbibliothek P. Hirsch, Frankfurt a.M. Bei Schiedermair, Tafel 40.


16. Miniatur


Von gutem Miniaturmaler. 55×45, auf Elfenbein. Angeblich 1780 gemalt. Profil nach rechts, mit gepuderter Perücke, blauem Rock, weißer Halskrause.

Besitzer: unbekannt (Auktionskatalog von Gilhofer & Ranschburg, Wien.)

Gegen die Echtheit spricht neben anderem die Größe des Ohres. Da Mozart anormale Ohren hatte (vgl Schurig II, 312), pflegte er sie verdeckt oder ziemlich verdeckt zu tragen. (Man vergleiche daraufhin die beglaubigten Bildnisse!)


17. Zeichnung


Eine angeblich zeitgenössische Zeichnung (um 1774?): Mozart am Klavier. Original im Museum Carolino-Augusteum zu Salzburg, bringt Erich W. Engel, W.A. Mozart, Tafel 58. (Mozart als etwa Achtzehnjähriger im Kreise von Bewunderern seines Spieles.)

Quelle:
Leopold Mozart: Reiseaufzeichnungen 1763–1771. Dresden 1920, S. 92-97.
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