§. 1.

[167] Die zusammengesetzte oder vermischte Applicatur will ich iene Art des Spielen nennen, wo bald die ganze bald die halbe Applicatur, itzt zur Nothwendigkeit, itzt zur Bequemlichkeit, und itzt zur Zierlichkeit nach Erforderung der Umstände gebraucht wird. Man könnte hiervon unzehliche Beyspiele beybringen; die aber einem fleissigen Violinisten, bey vor die Handnehmung unterschiedlicher musikalischer Stücke, auch von verschiedener Art vor Augen kommen werden. Wer wollte doch alle die oft recht mit vieler Mühe ausstudierten Passagen hersetzen? Giebt es denn nicht Violinisten, welche in die von ihnen selbst zusammengeschmierten Solo oder Concerte alle nur erdenkliche Gauckeleyen einflicken? Giebt es nicht andere, die mit den unverständlichsten Passagen alle Tonleitern durchwandern; die unverhoftesten, seltsamesten und wunderschönsten Bockssprünge anbringen; ja solche widrige Gänge unter einander mischen, die weder Ordnung noch Zusammenhang haben. Die Regeln die ich hier geben kann sind mehrentheils auf ordentliche gut gesetzte Compositionen gerichtet. Die Beyspiele sind plattweg und einfältig hingeschrieben, und ein und anderes aus guten Concerten entlehnet.

Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 167.
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