§. 9.

[199] Es giebt auch kurtze Vorschläge, bey denen die Stärke nicht auf den Vorschlag, sondern auf die Hauptnote fällt. Der kurze Vorschlag wird so geschwind gemacht, als es möglich ist, und wird nicht stark, sondern ganz schwach angegriffen. Man braucht diesen kurzen Vorschlag, wenn mehr halbe Noten nacheinander kommen, deren iede mit einem Vorschlagnötchen bezeichnet ist; oder aber wenn auch manchmal nur eine halbe Note zugegen ist, die aber in einer solchen Passage stecket, welche gleich von einer zweyten Stimme in der höhern Quarte oder in der tiefern Quinte nachgeahmet wird; oder wenn man sonst vorsieht, daß durch einen langen Vorschlag die Regelmässige Harmonie und folglich auch die Ohren der Zuhörer beleidiget würden; und endlich wenn in einem Allegro, oder andern scherzhaften Tempo etwelche Noten Stuffenweise, oder auch Terzweise nacheinander absteigen, deren iede[199] einen Vorschlag vor sich hat; in welchem Falle man den Vorschlag schnell wegspielet, um dem Stücke durch das lange Aushalten der Vorschläge die Lebhaftigkeit nicht zu benehmen. Hier folgen die Beyspiele, wo der Vortrag mit langen Vorschlägen viel zu schläferig klingen würde.


9.

Bey diesen Septbindungen sollte man zwar allezeit erst bey der Achttheilnote (*) von dem Vorschlage in die Hauptnote einfallen, wie §. 5. gesagt worden: allein wenn eine zwote Stimme dabey ist, gefällt es mir gar nicht. Denn, erstlich, fällt die Septime erst mit der Grundnote ein, und hat ihre rechte Vorbereitung nicht; obwohl etwa einer sagen möchte: das Gehör werde durch das Semitonium des Vorschlags betrogen, und durch diesen Aufenthalt, als ein zierliche Suspension, dennoch schon vergnüget. Zweytens fallen die Töne im ersten halben Theile des Tactes so widrig zusammen, daß, wenn es nicht recht geschwind weggespielet wird, die Dissonanze dem Gehör unerträglich ist. Z.E.


9.

Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 199-201.
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