§. 20.

[262] Viele, die von dem Geschmacke keinen Begriff haben, wollen bey dem Accompagnement einer concertirenden Stimme niemals bey der Gleichheit des Tactes bleiben; sondern sie bemühen sich immer der Hauptstimme nachzugeben. Dieß sind Accompagnisten vor Stümpler und nicht vor Meister. Wenn man manche italiänische Sängerin, oder sonst solche Einbildungsvirtuosen vor sich hat, die dasjenige, was sie auswendig lernen, nicht einmal nach dem richtigen[262] Zeitmaase fortbringen; da muß man freylich ganze halbe Täcte fahren lassen, um sie von der offentlichen Schande zu retten. Allein wenn man einem wahren Virtuosen, der dieses Titels würdig ist, accompagniret; dann muß man sich durch das Verziehen, oder Vorausnehmen der Noten, welches er alles sehr geschickt und rührend anzubringen weis, weder zum Zaudern noch zum Eilen verleiten lassen; sondern allemal in gleicher Art der Bewegung fortspielen: sonst würde man dasjenige was der Concertist aufbauen wollte, durch das Accompagnement wieder einreissen.5

Quelle:
Leopold Mozart: Versuch einer gründlichen Violinschule. Wien (1922), S. 262-263.
Lizenz:
Kategorien: