Einige Nachrichten von seinen Werken.

[67] Es ist fast kein Zweig der Tonkunst, in welchem Mozart nicht mit entschiedenem Glücke seine Kräfte versucht hätte.

Dramatische Musik, und die Klavierkompositionen haben ihm am meisten Ruhm erworben. Wenn man seine Werke besonders die theatralischen nach der Zeitfolge ihrer Entstehung betrachtet, so merkt man deutlich den Gang seines zur Vollkommenheit schreitenden Geistes. In den frühern, z.B. in der Oper Idomeneo und der Entführung aus dem Serail, auch noch zum Theil im Figaro strömt das ganze Feuer einer jugendlichen Phantasie und eine Fülle üppiger Empfindung ohne Gränzen. Es ist mehr Wärme als Licht darinn – die Massen des Gesanges und der Harmonie sind nicht so bestimmt, wie in den spätern Werken, in welchen dieser Strom der Empfindung immer[67] sanfter sich in sein Beet zurückzieht; alles leichter, einfacher und korrekter wird. Nirgends ist diese Reife Geschmackes sichtbarer, als in der Clemenza di Tito. Daraus läßt es sich schließen, was man noch von Mozart zu erwarten berichtiget war?1

In Wien wurden seine italienischen Opern nicht mit einem so großen Beyfall aufgenommen, als in Prag und in andern Städten Teutschlands. Der Grund davon lag nicht sowohl im Publikum – welches von seinen teutschen Opern bezaubert war – als vielmehr in dem Einfluße der Welschen, und der Verfassung des Hoftheaters. Das ist um so glaubwürdiger, weil die Clemenza di Tito bey ihrer mehrmaligen Aufführung in den Benefizkonzerten der Wittwe Mozart, so außerordentlich gefallen hat, und noch gefällt. Für Italien aber sind sie unersteigliche Gebürge – da dort bekanntermassen die Musik sehr stark von ihrer Vollkommenheit herabsinkt, und ein auffallender Mangel an geschickten Blasinstrumentisten herrscht. Selbst der große Haufen der Sänger ist zu unwissend in der Kunst der richtigen Intonation, um Mozarts Gesänge würdig ausführen zu können. Auch das Nationalvorurtheil verschließt ihnen den Eingang. Es sind Früchte vom teutschen Boden.

Sein Figaro wurde doch auf einigen Theatern gegeben, aber erbärmlich schlecht und mit Auslassung der Finalen. In Florenz hat man den 1 ten Akt des Don Juan nach neun mißlungenen Proben, für unausführbar erklärt!!1[68]

In Paris werden jetzt seine Sinfonien und Singstücke in großen Konzerten aufgeführt. Einige Kunstrichter haben mit sinnreicher Feinheit zwar die Vortrefflichkeit seiner Instrumentation, d.i. den mehr mechanischen Theil der Kunst anerkannt, aber das, was blos Sache des Genies ist, die Singparthie getadelt, – sie haben behauptet, Mozart sey hierinn nicht so groß, als in der Instrumentalparthie. Die Gränzen dieser Erzählung1 erlauben es nicht, die Grundlosigkeit davon zu zeigen, oder die Werke Mozarts von dieser Ansicht zu betrachten. Die Tadler mögen indessen nur beherzigen, daß gerade diese Seite seiner Werke von gründlichen und berufenen Richtern immer am meisten bewundert worden ist. Was konnte denn in seinen Opern und den übrigen Singkompositionen so sehr gefallen, wenn es der Gesang nicht war? Das Volk versteht wenig von der Schönheit des Instrumentalsatzes; gerade dieser Theil seiner Werke, der große Geschicklichkeit der Subjekte erfodert, wird gewöhnlich schlecht aufgeführt – und doch brachten die meisten seiner Singkompositionen so viel Wirkung, so viel Enthusiasmus hervor? dieß konnte nur der einfache, schöne, rhythmische Gesang bewirken. Warum singt man seine Melodien so gern nach? Warum sind so viele davon Volksgesänge geworden? Wie wahr, wie lebhaft weiß Mozart den Sinn der Worte des Dichters auszudrücken? Dringt sein Gesang nicht überall dem Zuhörer ans Herz? Wenn dieß der höchste Zweck der Tonkunst ist, wer hat ihn vollkommener erreicht als Mozart?

Man könnte zahlreiche Beyspiele anführen, wo Mozart mit einem feinen ästhetischen Sinne selbst die Worte und Ideen des Dichters durch schöne Wendungen der Melodie erhoben und verbessert hat. Sein Gesang haucht den Worten meistentheils erst Wärme und Leben ein; fast immer liegt darinn noch mehr Sinn und Empfindung, als in den Worten. Daher haben selbst elende Poesien blos durch seine Komposition gefallen. Die Zauberflöte und Cosi fan tutte sey Beweis.[69] Welcher Komponist kann sich mit Mozart in vielstimmigen Kompositionen, Finalen und Chören messen?1

»Aber Mozarts Werke sind so schwer, so kritisch, voll Kunst und so wenig für das Gehör.«

Auf gleiche Art klagen oft Schulknaben über die Dunkelheiten und Schwierigkeiten des Horaz. Man muß darüber lächeln! Wen trifft hier der Vorwurf? Schrieb Mozart bloß für Schüler? oder ist dasjenige, was er für sie schrieb, nicht leicht und verständlich? Das Schwere in seinen Werken ist nicht Absicht, ist nur Folge der Größe und Originalität seines Genies. Dieß hat Mozart mit allen großen Künstlern gemein. Populär durften alle seine Werke nicht seyn; wo Popularität nöthig war, da hat er sie vollkommen erreicht. Findet in seinen Singspielen nicht der Kenner und der blos Liebhaber Gerüchte für seinen Gaum? Auch die erhabensten Sachen von seiner Hand, wo er sich in der ganzen Stärke seiner Kunst des Kontrapunktes zeigt, haben so viel Schönheit an sich, daß sie auch uneingeweihten Ohren gefallen, wenn sie nur richtig, und geschmackvoll vorgetragen werden. Aber hier liegt der Knoten – das ist größtentheils der Grund solcher Klagen. Ueberdieß erheischt seine Musik ein reines Gefühl, ein unverdorbenes Ohr: wer dieses nicht mitbringt, für den hat Mozart nicht geschrieben.2

Der Tadel einer Klasse von Menschen, denen seine Musik nicht gefällt, entscheidet nichts gegen ihre Vortrefflichkeit; so wie Rafaels Ruhm nicht geschmählert wird, wenn dem ehrlichen Schneiderjungen ein buntes Allerley von einem Schmierer besser ins Auge fällt, als Rafaels Meisterstücke. Oder gab es nie Ohren, welchen die rauhe Pfeife des Waldgottes entzückender schien, als die himmlischen Töne Apollos? Wem Mozarts Musik nicht genug fürs Gehör zu seyn scheint, der dürfte wohl den Fehler eigentlich in seinen Ohren suchen.[70] Was würden so delikate Ohren zu der Musik einiger jüngern Tonsetzer sagen?

Mit seinen Werken wird nun von den Uebersetzern und Musikhändlern ein wahrer Unfug getrieben, wobey das Publikum oft angeführt, und der Name des großen Meisters größtentheils geschändet wird. Man hängt ihn erstens als Anempfehlungsschild so manchem Machwerk vor, das seines Geistes ganz unwürdig ist; noch häufiger ist der Fali, daß unbefugte Uebersetzer aus seinen größern Werken Klaviersachen zusammenstoppeln, die dann als Originalwerke verkauft werden, und nothwendig schlechter seyn müssen, als seine übrigen Klavierkompositionen.

Eben so nachtheilig für seinen Ruhm ist es, daß man so häufig, aus Mangel an neuern Werken von seiner Meisterhand, ältere Kompositionen, zum Theil aus seiner frühen Jugend herausgiebt, ohne diesen Umstand dem Publikum zu sagen. Solche Werke sind größtheils seinen spätern ganz unähnlich, und können den Stempel der Vollkommenheit an sich nicht haben.

Wäre wohl eine korrekte und authentische Ausgabe seiner schönsten Werke aus den Originalpartituren, die die Wittwe besitzt, für das musikalische Publikum nicht wünschenswert?1

Seine Werke können zur bessern Uebersicht in 11 verschiedene Klassen eingetheilt werden. Zur ersten rechnen wir die dramatischen. Mozart schrieb 9 italienische Opern, – und 3 teutsche.


La finta semplice, opera buffa für Kaiser

Joseph1768

Mitridate, opera seria für Mayland;

im Jahr1770

Sulla,1772

Giardiniera, opera buffa für Kaiser

Joseph. im I.1774

Idomeneo, opera seria für München, im J.1780[71]

Figaro, opera buffa für Wien im J.1786

Don Giovanni, opera buffa für Prag1787

Cosi fan tutte, opera buffa für Wien1790

La Clemenza di Tito, opera seria für Prag1791


Teutsche Singspiele:


Die Entführung aus dem Serail für Wien1782

Der Schauspieldirektor ein kleines Singspiel für

den Kaiser Joseph nach Schönbrunn im Jahre1786

Die Zauberflöte für das Theater des

Schikaneders1791


Idomeneo ist eines seiner größten, und gedankenreichsten Werke; der Stil ist durchgehends pathetisch und athmet heroische Erhabenheit. Da er diese Opera für große Sänger und für eines der besten Orchester von Europa schrieb, so fühlte sein Geist keinen Zwang, und entfaltete sich darinn am üppigsten. Aber Idomeneo muß besser aufgeführt werden, als es zu Prag vor einigen Jahren in Sommer geschah, wo ihn der Opern-Unternehmer im eigentlichen Verstande prostituirte. Es war ein drolligter Gedanke eine der größten Opern ohne Sängerinnen und Orchester aufzuführen. Denn beydes fehlte, und ward durch Substituten ersetzt. Auch hütte man sich diese Opera, so wie jede von Mozart nach mittelmässigen Klavierübersetzungen zu beurtheilen!

Figaro wird von Musik-Kennern am meisten geschätzt; wahr ist es, daß Mozart bey ihrer Ausarbeitung am fleißigsten studirt habe. An Gedanken-Reichthum gleicht sie dem Idomeneo, an Originalität weicht sie keiner andern.[72]

Don Juan ist anerkannt das größte Meisterstück seines Genies – die höchste Kunst mit der größten Anmuth ist darinn in lieblicher Eintracht gepaart.21

Cosi fan tutte oder die Schule der Liebenden ist die lieblichste und scherzhafteste Musik voll Charakter und Ausdruck.2

La Clemenza di Tito wird in ästhetischer Hinsicht als schönes Kunstwerk, für die vollendeteste Arbeit Mozarts gehalten. Mit einem feinem Sinne faßte Mozart die Einfachheit, die stille Erhabenheit des Charakters des Titus, und der ganzen Handlung auf, und übertrug sie ganz in seine Komposition. Jeder Theil, selbst die gemäßigte Instrumentalparthie trägt dieses Gepräge an sich, und vereinigt sich zu der schönsten Einheit des Ganzen. Da sie für ein Krönungsfest, und für zwey ganz eigends dazu angenommene Sänger aus Italien geschrieben war, so mußte er nothwendig brillante Arien für diese zwey Rollen schreiben. Aber welche Arien sind das? Wie hoch stehen sie über dem gewöhnlichen Troß der Bravour-Gesänge?

Die übrigen Stücke verrathen überall den großen Geist aus dem sie gefloßen. Die letzte Scene oder das Finale des 1 ten Aktes ist gewiß die vollkommenste3 Arbeit Mozarts; Ausdruck, Charakter, Empfindung, wetteifern darinn den größten Effekt hervorzubringen. Der Gesang, die Instrumentation, die Abwechslung der Töne, der Wiederhall der fernen Chöre – bewirkten bey jeder Aufführung eine Rührung und Täuschung, die bey Opern eine so seltene Erscheinung ist. Unter allen Chören, die ich gehört habe, ist keiner so fließend,[73] so erhaben und ausdrucksvoll, als der Schlußchor im 2ten Akte; unter allen Arien, keine so lieblich, so voll süßer Schwermuth, so reich an musikalischen Schönheiten, als das vollkommene Rondo in F, mit dem oblig: Baßethorne, Non piu di Fiori im 2ten Akte. Die wenigen instrumentirten Rezitative sind von Mozart, die übrigen alle – was sehr zu bedauern ist, – von einer Schülerhand.

Die Oper, die jetzt noch immer mit Entzücken gehört wird, gefiel das erstemal bey der Krönung nicht so sehr, als sie es verdiente. Ein Publikum, das vom Tanz, von Bällen und Vergnügungen trunken war, in dem Geräusche eines Krönungsfestes, konnte freylich an den einfachen Schönheiten Mozartscher Kunst wenig Geschmack finden!

Unter den teutschen Singspielen zeichnet sich die Entführung aus dem Serail an Empfindung und Schönheit des Gesanges aus. Man sieht es ihr an, daß sie bald nach Idomeneo gedichtet ward.

Das kleine Singspiel, der Schauspieldirektor ist blos ein Gelegenheitsstück für den Kaiserl. Hof in Schönbrunn. Was soll ich von der Zauberflöte sagen? Wer kennt sie in Teutschland nicht? Giebt es ein Theater, wo sie nicht aufgeführt ward? Sie ist unser Nationalstück. Der Beyfall den sie überall – überall erhielt, von dem Hoftheater an, bis zu der wandernden Bühne des kleinen Marktfleckens, ist bisher ohne Beyspiel. In Wien wurde sie nur im 1 ten Jahre ihrer Erscheinung mehr als hundertmal aufgeführt.1

In Prag führte man sie erst zwey Jahre teutsch auf, dann italienisch, endlich sogar böhmisch, und sie wird noch immer in dem neustädter Theater an Sonntagen in dieser Sprache gegeben.3[74]

Eine italienische Oper hat Mozart unvollendet gelassen. Die 2te Klasse seiner Werke begreift die Kompositionen fürs Klavier.1 Darunter glänzen am meisten die Klavierkonzerte, deren große, unübertreffbare Schönheiten seinen Ruhm ansehnlich vermehrt haben. Und doch soll er sie ungern geschrieben haben.

Die Sonaten aller Art mit und ohne Begleitung sind in jedermanns Händen. Unter denselben sind die Trio am originellsten geschrieben. Das berühmte Quintett fürs Klavier mit Begleitung einer Oboe, einer Klarinette, eines Waldhornes und Fagottes halten Kenner für sein Meisterstück in Rücksicht der Instrumentation; geschrieben im 1784 den 30ten Merz. Die vielen Variazionen zeichnen sich durch Reichthum, Manigfaltigkeit und Neuheit vor allen ähnlichen Werken aus. Die letzten, die er setzte, sind die über das Lied: Ein Weib ist das herrlichste Ding; den 15ten Merz 1791 komponirt. Diese Klasse seiner Werke ist die zahlreichste.

Die 3te Klasse begreift die Sinfonien; die schönsten davon, die er in den Jahren 1786 bis 1788 schrieb, sind folgende 4: in D, Eb, G mol und C mit der Fuge im letzten Stücke. Alle können den schönsten von Hayden an die Seite gesetzt werden; er entfaltete darinn seine Kunst der Komposition im höchsten Grade. Die Opernsinfonien sind bekannt und bewundert genug.

Zur 4ten Klasse gehören Gelegenheits-Kantaten mit vollstimmiger Begleitung. In dem Verzeichniße sind 3 aufgemerkt.

In die 5te Klasse können die einzelne Scenen und Arien gerechnet werden, die er für musikalische Akademien oder für besondere[75] Sänger schrieb. In dem Verzeichniße sind 22 solche enthalten, für allerley Stimmen.

6te Klasse: teutsche Lieder mit Klavierbegleitung allein; in dem Verzeichniße sind 20 Stücke aufgezeichnet, worunter die so bekannte Abendempfindung, das Veilchen und an Chloe, so voll Einfachheit, Ausdruck und Empfindung, kurz so schön sind, daß man sagen kann, Mozart hätte blos mit diesem sich unsterblichen Ruhm erworben. Daraus vorzüglich mögen seine Tadler sehen, ob er nicht groß in der Singkomposition war? Ob er den Worten Leben zu geben, auch ohne das Rauschen der Instrumente nicht verstand?

7te Klasse: Konzerte für verschiedene Instrumente schrieb er am seltensten.

In dem Verzeichniße sind nur folgende angemerkt: 1. Ein Andante zu einem Violinkonzert; 2) Ein Konzert für das Waldhorn. 3) Für die Harmonika; 4) für die Klarinette.

8te Klasse: Violinquarteten und Quintetten. Unter den Quartetten sind die 6, die er Joseph Hayden dedizirte die schönsten;1 Später im Jahre 1789 im Junius schrieb er 3 konzertante Quartetten für den verstorbenen König von Preußen; nebst diesen ist noch ein einzelnes Quartett aus D im Jahr 1786 geschrieben, und eine einzelne Fuge.

Originalquintetten sind in dem Verzeichniße nur 4 aufgezeichnet; aus C, G mol, D dur und Eb. Er schrieb2 auch einige Nachtmusiken á quadro mit Begleitung 2er Waldhörner, die man füglich, als Violinkonzerte betrachten kann – alle diese Sachen sind voll Gedanken und Schönheiten. Ein konzertantes Divertimento für 3 Stimmen, die Violin, Bratsche und das Violoncello ist vorzüglich schön und voll hoher Kunst.[76]

Die 2 Duetten für die Violin und Bratsche sind bekannt und beliebt genug.

9te Klasse: Parthien für blasende Instrumente zu Tafel- und Nachtmusiken. Hier in Prag sind mehrere bekannt. Ihre Schönheiten sind bezaubernd, und reißen auch das gefühlloseste Herz hin. Es existirt auch eine Nachtmusik aus 13 blasenden Instrumenten von seiner Arbeit.

10te Klasse: Tanzstücke. Mozart schrieb mehrere Parthien, Menuetten und teutsche Tänze für den Kaiserl. Redouten Saal zu Wien. Wie sehr diese Sachen von seiner Arbeit gesucht wurden, sieht man aus dem Verzeichniße, wo jeden Karneval eine Menge Menuetten, Teutsche, Walzer und Kontratänze angemerkt sind.

11te Klasse: Kirchenmusik, war das Lieblingsfach Mozarts. Aber er konnte sich demselben am wenigsten widmen. Die Messen, die von ihm übrig sind, wurden bey verschiedenen Gelegenheiten und Einladungen verfertigt. Alle die wir hier in Prag gehört haben, tragen den Stempel seines Genies. In dem Verzeichniße ist keine einzige Messe angezeigt – ein Beweis, daß alle, die wir haben, in frühere Zeiten seines Lebens zu setzen sind. Nur ein Graduale auf den Text: ave verum corpus hat er im Junius 1791 verfertiget. Man macht hier in Prag auf mehreren Kirchen- Chören einige Motetten von seiner Komposition voll Erhabenheit und Feyerlichkeit.1

Mozart würde in diesem Fache der Kunst seine ganze Stärke erst gezeigt haben, wenn er die Stelle bey St. Stephan wirklich angetreten hätte; er freute sich auch sehr darauf. Wie sehr sein Genie für den hohen Stil des ernsten Kirchengesanges gemacht war, beweiset seine letzte Arbeit, die Seelenmesse, die gewiß alles übertrifft, was in diesem Fache bisher ist geleistet worden.2[77]

Nebst diesen Gattungen seiner Werke hinterließ er 10 Canoni blos für Singstimmen; und zwar 8 vierstimmige, und 2 dreystimmige, sowohl komische, als ernsthafte. Sie sind nicht nur Meisterstücke in der Kunst, sondern auch sehr unterhaltend.

Zum Schluße setzen wir noch eine Anekdote her, die mehr als eine Lobrede sagt. Ein alter italienischer Impressarius einer Operngesellschaft in Teutschland, der es an seiner Kasse zu fühlen scheint,1 daß seit Mozart keine andern Opern, am wenigsten die von welschen Authoren gefallen wollen, pflegt2 immer, so ofter in seiner Opernregistratur auf eine Oper von Mozart kommt,3 mit einem Seufzer auszurufen: Der ist mein Unglück!


Die Quellen zu diesen Nachrichten, die der Verfasser benutzte, sind folgende:

1) Seine eigene Erfahrung und der Umgang mit Mozarts Familie und Freunden.

2) Die Zeugniße vieler glaubwürdigen Personen, die Mozarten in verschiedenen Lebens-Perioden gekannt haben.

3) Die Mittheilung aller Hülfsmittel, Schriften und Briefschaften, von seiner hinterlassenen Wittwe; der ich hier für ihre freundschaftliche Bereitwilligkeit, meinen Dank sage.

4) In Betreff der jüngern Jahre seines Lebens, diente mir als Hilfsmittel Schlichtegrolls Nekrolog.

Der Verfasser hat sich der größten Wahrheitsliebe befließen, und manches Interessante lieber ausgelassen, wenn ihm dessen Wahrheit etwas zweifelhaft schien.4

Fußnoten

1 Diese Nachrichten hörte der Verfasser aus dem Munde eines teutschen berühmten Opernkomponisten d. Hrn. W * * der sich in Italien lange aufhielt, und den Zustand der Musik daselbst genau kennt, weil er für einige große Bühnen Opern schrieb.


2 Noch heute als ich dieses schreibe, wurde sie wieder bey einem vollen Hause, von der Guardasonischen Gesellschaft nach 10 jähriger Vorstellung gegeben – diesen Winter schon das 10temal.


3 Das daurende Vergnügen an Mozartschen Werken in Prag ist um so bemerkenswerther, da hier seit einigen Jahren, durch die schlechten Produkte, die man uns aus Wien liefert, der Musikgeschmack sichtbar zu sinken anfängt!


Quelle:
Franz Xaver Niemetschek: Ich kannte Mozart. München 1987, S. 79.
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