Gedichte auf W.A. Mozart.

[181] Auf Mozart sind sehr viele mehr und minder schöne Gedichte gemacht worden; vielleicht sind mehre davon den Verehrern des grossen Meisters nicht unwillkommen, wesshalb wir folgende zu geben uns unterstehen:


Mozart.


So süss wie Liebeshauch vom Rosenmunde,

So fühl' ich Mozart's Töne mich umschweben,

Als säh' ich sanft der Jungfrau Brust sich heben,

So sinkt's und steigt's im Harmonieen-Bunde.


Doch plötzlich schlägt die Geisterstunde.

Ha! da beginnt ein ahnungsvolles Leben!

Ich soll dem Geist die Hand zum Pfande geben:

Er bringt aus seiner Welt mir grause Kunde.
[181]

Wie Töne in des Aethers Meer verhallen,

So kamst auch Du, ein Meteor, hernieder;

Zu bald sah'n wir entflieh'n den Sphärenboten.


Doch fort soll Dein Gesang auf Erden schallen;

Du hauchtest Deinen Geist in heil'ge Lieder,

Und sangst noch scheidend: »Ew'ge Ruh' den Todten!«


Sonettenkranz. Mozart.


Auf gleichen Boden hat mit Dir gestellet

Die Wiege mir des mächt'gen Schicksals Hand,

Und dunkle Thränen hat im Jugendland

Dein Blitzesstrahl mir wunderbar erhellet.


Um's zarte Herz, von hoher Lust geschwellet,

Schlangst Du Dein zaub'risch Harmonieenband,

Und hobst empor bis an der Sterne Stand

Auch mich mit Tausenden, von Dir beseelet.


So weit ein Ton an Ohr und Herzen schläget,

In einer Brust der heil'ge Funken glühet,

Bist Du die Sonne nun der Sängerwelt!


In Deinem warmen Himmelsstrahl' erblühet,

Was sich an's Licht aus stillem Busen weget,

Sich Deinem Geiste strebend nun vermählt.


An Mozart's Geburtstags-Feyer.


Wen sich die Himmlischen mit Göttersegen

Zu ihrem treu'sten Liebling ausersehn,

Dem ziehen sie am ersten Tag' entgegen

Und mögen gern an seiner Wiege stehn;

Sie folgen ihm auf seines Lebens Wegen

Und führen ihn zu ihren heit'ren Höh'n.

Beglückt, wen die Unsterblichen so lieben,

Dass keines Gottes Gunst ihm ausgeblieben!


Du, Mozart, hast diess schöne Glück erfahren:

Kaum da die Muse Dich als Kind geküsst,

Da nahen auch die andern Götterschaaren,

Nicht einer ist, der Dich nicht freundlich grüsst.

Dich lehrt Apoll Geheimes offenbaren,

Merkur verlieh erfindungsreiche List,

Den Grazien magst Du Huld und Anmuth danken,

Minerva gab die Tiefe der Gedanken.
[182]

So lebtest Du im Ganzen und im Schönen,

Da ward ein jedes Werk ein Götterbild;

Du hast uns nicht mit unbestimmtem Sehnen,

Mit trüber Ahnung nur die Brust erfüllt,

Und locktest Du in uns're Augen Thränen,

Nie liessest Du das Hoffen ungestillt;

Aus Tönen schufst Du wirkliche Gestalten,

Die ewig sich der Jugend Reiz erhalten.


So lange Menschenherzen fühlend schlagen,

Wird Don Juan sie rühren und erfreun;

Des Titus Milde, wie Constanzens Klagen,

Den Meistern werden sie ein Vorbild seyn.

Spät in der Zeiten allerfernsten Tagen

Wird man der Zauberflöte Scherz erneu'n,

Und Engel werden mit der Tuba Klängen

Am Weltgericht' zuletzt die Gräber sprengen.


Da wir nun aber hier beym Gläserklange

Am heit'ren Tag' Dein schönstes Fest begehn,

So sey begrüsst mit fröhlichem Gesange,

Mit Saitenspiel und munterem Getön;

Heut' war uns nicht um guten Vorrath bange,

Du hast uns mit dem Trefflichsten versehn,

Und die Dir sonst mit Ruhm und Liebe dienen,

Du riefst, da sind sie Alle gern erschienen.


Susanna wird, die Zarte, heut' nicht fehlen,

Und Donna Anna mit der Stimme Pracht;

Donna Elvira mit dem Ton' der Seelen;

Im Strahlenkranz' die Königin der Nacht.

Wir dürfen auf Belmont, Octavio zählen;

Sarastro hat gewiss sich aufgemacht;

Auch Don Juan, der nirgends seines Gleichen:

Sie Alle wollen Dir den Lorber reichen.


Und wie sich alle Herzen zu Dir neigen,

Zu Dir, wie nach dem schönsten Sterne, schau'n,

So nennet Deutschland Dich mit Stolz sein eigen,

Wir werden ewig uns an Dir erbau'n.

Du trägst den Kranz von immer grünen Zweigen,

Und gilt es Kampf, wir dürfen Dir vertrau'n.

Heil, Mozart, Dir, der uns den Sieg geschenket,

Und Heil dem Vaterland', das Dein gedenket! –


[183] An Mozart gesandt.


Wenn ängstig und fieb'risch Dein Saitenspiel bebt,

Durchfrieren uns Schauer und Angst. Doch belebt

Uns Freude, wenn Töne sich necken und scherzen.

Wenn wimmernd und dumpf, wie des Grabes Getön,

Die klagenden Lieder die Ohren umweh'n,

Ertönen auch Wehmuth die Saiten der Herzen.


Sieh! Deutschland, Dein Vaterland, reicht Dir die Hand,

Nach Sitte der Deutschen, und löset das Band

Der Freundschaft mit Fremdlingen auf, und verehret

In Dir nun den deutschen Apoll, und versöhnt

Sich so mit Germaniens Musen, und höhnt

Des schielenden Neides, der selbst sich verzehret.


(Im Namen einer zahlreichen Gesellschaft

Musikfreunde aus Prag.)


Zur Ouvertüre von Mozart's Don Juan.


Es zucken Blitze durch des Himmels Höhen,

Es rollen Donner durch der Erde Tiefen,

Gewecket sind die Todten, die da schliefen,

Dass sie hervor zum Werk' der Rache gehen.


Doch Paukenschall, Trompetenklänge wehen

Die Schrecken fern, die Juan kalt umliefen,

Und, Gott und Engeln trotzend, die ihn riefen,

Wagt er zugleich, der Hölle Macht zu schmähen.


So steht er da, der rasende Verbrecher,

Obwohl verflucht, doch gross in seinen Sünden –

So fährt er hin in ew'ge Flammenquaalen.


Diess Bild, zu trüb', zu fürchterlich dem Sprecher,

Darf nur Musik geheimnissvoll verkünden,

Darf Mozart nur, der Herr der Töne, malen.


An Mozart.


Bey Vorstellung seiner Oper: Figaro. 1785.


Was soll ich die Musen, begeistert von Dir,

Um Beystand beschwören? Sey Muse Du mir!

Sey Du mir des Pindus berauschende Quelle!

Ich hört' Dich, melodischer Denker, und priess

Dein Schopfertalent, und in's Wonnemeer riss

Mich bald der Empfindungen mächtigste Welle.
[184]

Zwar rollen bey Deinem Getöne nicht Wald,

Nicht Felsen herbey; nicht fabelhaft hallt

Dein sprechendes Spiel dem gefrässigen Tiger.

Doch bist Du der Fühlenden Orpheus mehr,

Bist Herrscher der Seelen, Dir fröhnt das Gehör

Der Kinder, der Mädchen, der Männer, der Krieger.


Wenn Liebe Dein schmelzendes Saitenspiel tönt,

Sucht trunken der Jüngling sein Liebchen, und stöhnt,

Und heftiger hämmert der Busen dem Liebchen.

Sie winkt den Geliebten zum Göttergenuss,

Und mit in Dein Saitenspiel lispelt ein Kuss

Von Lippen des Jünglings, von Lippen des Liebchen.


Bey Erblickung des Kupferstichs von Mozart.


Ein Strahl, entströmt den lichten Regionen,

War Mozart's Geist. Die Götter senden ihn,

Verwandte Geister, so im Staube wohnen,

Durch himmlisches Getön empor zu zieh'n.

Doch Mozart's Geist hielt kein Gewand vom Staube:

Der Strebende die Hülle früh zerbrach.

Nach seiner Heimath eilt' er wie die Taube:

Wir seh'n ihm wonnetrunken weinend nach.


Ich soll Mozart und Rossini vergleichen? – Dieser ist

Eine schöne Tulpe; Mozart eine Aloe, die nur alle hundert Jahre blüht.


»Solch ein Genius, solch ein Kind!« O wahrlich, ich sag' Euch:

Werdet ihr so nicht, ihr kommet nie in den Himmel der Kunst.


Mozart's Operschöpfungen.


Vor herrscht hier der Gesang? Das Orchester? Dir, ewiger Mozart,

Ist, allgrosse Natur! Alles Ein innigstes All.


Nur Er.


Anderer Dichtung durchgründ' ich allmählig: Du, Shakespear-Mozart,

Beutst mir, wie die Natur, unerschöpflichen Stoff.


[185] Text am Jahrestage von Mozart.


Musik von Danzi.


Die Tonkunst tran'rt. In dumpfen Klagetönen

Beginnt ihr Saitenspiel ein feyerliches Lied:

Der Liebling unter ihren Söhnen,

Ihr Mozart war's, der heute schied.

Er schied. Doch seines hellen Geistes Spuren

Liess er als Studium der Kunst, zum Erbtheil für die Nachwelt.

Wer staunt nicht dieses Geistes Fülle in seinen Werken an?

Sie sind der Nachwelt Eigenthum,

Und unvergänglich ist sein Ruhm.

Ja, unvergänglich. Wie sichtbar ist in ihnen das schöpferische Werde,

Wodurch sein Saitenspiel

Gedanken, Anmuth und Gefühl

Und Leben manchem Dichterwerke gab,

Das längst vergessen wäre,

Wenn seine Zauberharmonie

Nicht allgemeinen Reiz hineingelegt.

Der Zeitgenoss hat ihn geehrt;

Die Nachwelt fühlt noch seinen Werth:

Und diess Gefühl von seinem Werth vereinigt uns in diesen kleinen Zirkel, den Manen

Dieses grossen Mannes ein feyerliches Jahresfest zu weih'n.

Es steige in schwellenden Tönen

Das Loblied des Edlen empor!

Mit seiner allmächtigen Leyer

Besänftigt und rührt er die Herzen,

Weckt wieder zum Scherz und zur Freude

Nach Stürmen des Schicksals sie auf.

Diesem Geber froher Stunden

Weih'n wir uns're Dankbarkeit,

Und für das, was wir empfunden,

Lohne ihn Unsterblichkeit!


Mozart.


In Salzburg war ein Wunderknabe,

Dem seine Muse früh erschien.

Beschenkt mit ihrer Himmelsgabe,

Schwand jedes Spielwerks Reiz für ihn.[186]

Mit kühner Dichtung süsser Töne

Beflügelt er sich seine Zeit,

Vorahnend, dass dereinst ihn kröne

Der Lorber der Unsterblichkeit.


Fünf Lenzen blühten erst dem Kleinen;

Da war er am Clavier ein Held.

Jetzt sollt' er als ein Stern erscheinen,

Sein Vater führt' ihn in die Welt.

Umstaunt beherrscht' er wie ein Meister

Von Land zu Land das Saitenspiel;

Doch war der Jubel roher Geister

Kein Ehrenlohn, der ihm gefiel.


Er sagte kühl: Was kann mir frommen

Der Layen wüstes Lobgeschrey!

Den grössten Meister lasst mir kommen;

Und was ich gelte, sag' er frey!

Kam nun ein Fürst der Kunst und lauschte,

Und sprach ein Wörtchen mild und hold,

Das hob sein Herz und er vertauschte

Des Kenners Beyfall nicht um Gold.


In Welschland hört' er einst, dass leise

Bey seinem Spiel die Rede ging:

Der Deutsche zwingt geheimer Weise

Durch seinen mächt'gen Zauberring.

So raunten kunstbeflissne Jünger

Von Neid befangen sich in's Ohr:

Er aber zog den Ring vom Finger

Und spielte schöner, als zuvor.


Die Jahre stärkten ihm die Schwingen,

Und leicht und kräftig flog der Aar,

Der Bühne manchen Schatz zu bringen,

Voll Urgeist aber sonnenklar.

Wie glänzt die gold'ne Liederkette,

Die er dem span'schen Wüstling schuf!

Diess Wunderwerk der Tonkunst hätte

Allein verewigt seinen Ruf.


Der Kummer floh von jeder Wange,

Und das Gemüth war frey von Schmerz,

Betrat er nur mit einem Klange

Die Brücke zwischen Ohr und Herz.[187]

Der König ward von ihm erheitert,

Das Hirtenmädchen sang sein Lied.

So hatte Keiner noch erweitert

Der edlen Tonkunst Machtgebiet.


Doch schwankend neigte sich zur Erde

Des grossen Geistes enges Haus,

Und dass es bald verfallen werde,

Sprach ahnendes Gefühl ihm aus.

Es flog ihn an, als in sein Zimmer

Einstmals ein Unbekannter trat

Und dringend mit des Goldes Schimmer

Um eine Seelenmesse bat.


Der Künstler, lenksam zum Gewähren,

Gelobte sie: der Fremde schied.

Und jener sprach mit leisen Zähren:

Ich dichte mir mein Todtenlied.

Und noch vom alten Geist durchdrungen,

Der Ruhm und Herzen ihm erwarb,

War schier sein Schwanenlied gesungen,

Dann neigt er sanft sein Haupt und – starb.


In diesen Stunden sank er nieder

Auf seiner halben Erdenbahn,

Und Schaaren seelenvoller Lieder,

Sie flohen mit ihm Himmelan.

Wer seiner Töne Zauber hörte,

Beklagt, dass sein Geschick ihn rief,

Und eine heit're Welt zerstörte,

Die noch in seinem Busen schlief.


Ihm prangt kein Denkmal, starr bewundert,

Ihn zeigt kein Standbild hoch und hehr.

Doch von Jahrhundert zu Jahrhundert

Lebt er unsterblich wie Homer.

Wenn Tausend gleichen Flug auch wagen,

Sie holen seinen Flug nicht ein.

Er wird, so lange Herzen schlagen,

Der Liebling jedes Herzens seyn.


(Zu seiner Todtenfeyer am 5. Decbr. 1824.)


[188] Bey Anhörung des Mozart'schen Requiem.


In schwarzer Trauer tiefer Nacht gehüllet

Steh'n bang' die Freunde an dem Grab und weinen.

Kein Hoffnungsstrahl will ihrem Schmerz erscheinen,

Kein Trost ist, der der Liebe Klagen stillet.


Des Weltgerichtes Schreckenstag erfüllet

Mit bangem Schauer selbst den Geist des Reinen:

Es zittern um des Todten Ruh die Seinen,

Dass bebend ihr Gesang zum Himmel quillet.


Und drey Mal zu dem Heiland dringt ihr Sehnen:

Lamm Gottes, gieb dem Todten ew'gen Frieden!

Da schwebt der Geist herab auf heil'gen Tönen.


Des Himmels Ruh' erquickt die Schmerzensmüden,

Zur leisen Klage wird ihr lautes Stöhnen,

Und ihres Todten Asche ruht im Frieden!


Vom Requiem.


Von Heldenkraft erzeugt in glüh'nder Stunde,

Kühn hingeworfen der Natur in Schoos,

Ob er, der Sohn, ergeben seinem Loos,

Er sterbe, ob er zum Unsterblichen gesunde.


Und er erwuchs, der Heldensohn. Vom Bunde

Des Hergebrachten reisst sein Arm sich los;

Kühn blickt sein blaues Aug', auch schmachtend gross

Steht er und hört aus kalter Richter Munde:


Verweg'ner, wühlst Du auf der Menschheit Grauen?

Nur Kreuz, nicht Palme lässt Dein Glaube schauen,

Nur seine Thräne, ohne sein Vertrauen?


Nacht deckt mich, doch vom Stern der Lieb' erhellt

(Ihr seht den nicht) so bin ich aufgestellt,

Ein Bild des Werdens überird'scher Welt.


Das Requiem.


Amadeus sitzt im kleinen Zimmer,

Still und eigen in sich selbst gekehrt.[189]

Durch die Scheiben blinkt des Mondes Schimmer,

Kühl der Nachtwind durch die Blumen fährt.

Stumm ist's allzumal,

Und in süsser Quaal

Zucken dumpfe Schmerzen durch die Brust.


Plötzlich wird er leise angerühret,

Und es steht vor ihm ein später Gast.

»Wer hat nur Dich noch herein geführet?

Ist es doch um Mitternacht schon fast. –«

»Thür und Angel wich;

Als ich kräftiglich

Pochte, ward mir aufgethan.


Bin der Diener eines grossen Herren.

Kennst ihn wohl, und er weiss auch von Dir.

Weltlust konnte Dich nicht von ihm zerren.

Höre nur, was er gebeut, von mir.

Einen Todtensang,

Einen Trauerklang

Sollst Du setzen, Amadeus, schnell.


Dreyer Tage Licht ward Dir gegeben,

Nach drey Tagen schau'st Du mich auf's Neu'.

Auf! o Amadeus, und das Leben

Setze gern an diese Melodey:

Deiner Künstlerschaft

Krone, Blüth' und Kraft

Lod're d'raus in ew'gen Flammen her.


Denn an eines grossen Todten Grüften

Soll's ertönen wie ein Sphärenlied.

Sagen soll es den entzückten Lüften,

Dass ein Himmelssohn von hinnen schied.

Herrlich ist der Lohn.

Du, mein lieber Sohn,

Lebe wohl; sey meines Spruchs gedenk.«


Leise, wie er kam, so geht er wieder,

's ist, als wehte ihn die Nachtluft fort.

Amadeus starrt zur Erde nieder:

»Wer war dieser? – Welch ein seltsam Wort!

Floss es nicht wie Licht

Von dem Angesicht?

Blitzt' es nicht wie Sterne durch die Nacht?
[190]

Wem soll ich zur ew'gen Ruhe tönen?

Wer ist dieser hohe Himmelssohn?

Warum zählt mich dieser zu den Söhnen?

Und was ist des Werkes Preiss und Lohn?«

Also quält und fragt

Er sich, bis es tagt,

Und ein kurzer Schlummer ihn umfängt.


Wie nun Helios in bunten Lichtern

Deinen heil'gen Graus, o Nacht, begräbt,

Sagt der Töne Meister leis' und schüchtern

Trauter Gattin, was er hat erlebt.

»Liebes Herz, das hat

Irgend ein Magnat

Dir geboten, folge dem Geheiss.« –


»Frau, mit nichten; dieser Jüngling mahnet

An ein hohes, ewig fernes, Bild.« –

»Herzchen, wie Du schwärmst! Was mir nun ahnet,

Ist ein Beutel, reich mit Gold gefüllt.

Mach' es gut und schön,

Und wir werden seh'n,

Wie der fremde Herr die Kunst belohnt.« –


Und der leichten Rede leichte Wellen

Spülen tief'res Ahnen aus der Brust.

Heiter geht er zu der Kunst Gesellen,

Ruft den Tönen in gewohnter Lust.

»Schon zwey Tage hin –

Denk' an den Gewinn,

Denke uns'rer Noth und eile Dich.«


»Noch war nicht die Stund', o Frau, gekommen:

Tagelöhnern kann ich einmal nicht.

Ist der Weihe Funken erst entglommen,

Strahlt es schnell hervor in Feu'r und Licht.

Aber Mühe dringt –

Aber Sorge ringt

Keine Töne ab dem Genius.«


Und der zweyte Abend schwimmt im Rothe,

Und die Hand ist nicht an's Werk gelegt.

»Kehrt nun morgen wieder jener Bote,

Traun! mit vollem Flug' sein Zorn sich regt.«[191]

»Eine Nacht ist mein –

Wirst nicht thörigt seyn –

Gieb den Kuss mir noch – Nun, gute Nacht!«


Drauf verschliesst er sich in seine Klause,

Da wird ihm so hoch und ernst und weh.

»Dunkel waltet nun im ganzen Hause;

Aber gülden blickt's von jener Höh'.

Himmel, gross und hehr!

Erde, schwarz und schwer!

Du, mein Herz, immitten voll und heiss!«


Silbern durch den Garten Lilien glänzen

Glühwurm zieht die kleine helle Spur.

Droben kreisen nun in ew'gen Tänzen

Leyer, Schwan und Wagen und Arctur.

Manche Blüthe keimt,

Und die Erde träumt

Von verlorner Unschuld Paradies.


Amadeus kühlt den Brand der Wange

An dem offnen Fenster – blickt hinauf,

Blickt hinab, und steht und sinnet lange,

Endlich rinnt der Thränen milder Lauf.

»Ach vielleicht wie bald

Lieg' ich stumm und kalt

In dem engen Breterkämmerlein.


Leben, Leben, wie die Blase nichtig!

Tod, Du unerbittlich finst're Macht!

Irdisch spielen, eitel, leer und flüchtig!

Der langen, langen, stummen Nacht!

Lange währt die Nacht,

Aber in ihr lacht

Von drey Lichtern rosenroth der Schein!


Glaube, Liebe, Hoffnung, heil'ges Scheinen!

Winkt vom Himmelsbogen sanft mir zu.

Lasst, ihr müden Augen, ab vom Weinen:

Christus lebt und schenkt euch süsse Ruh'.

Kommt, ihr Klänge, gleich:

Ich beschwöre euch,

Tönet, tönet mir von Tod und Grab.«


Zu dem Tische treibt es ihn zu schreiten.

Aus den Augen glüht Begeist'rung vor.[192]

Wundersame Weisen ihn umgleiten,

Achtsam lauschet das entzückte Ohr.

Ob's von innen singt,

Ob's von draussen klingt,

Scheiden die entflammten Sinne nicht.


Was er hört, das muss er emsig schreiben;

(So ersteht der Töne dauernd Bild)

Kann vor süssem Schmerze fast nicht bleiben,

Durch die Adern jagt das Blut ihm wild.

Doch er lässt nicht ab,

Riss' es ihn in's Grab,

Müsst' er geben d'rum sein Leben hin.


Rastlos schreibt er fort durch manche Stunde.

Zu dem Zeichen fügt das Zeichen sich.

Eins! ertönet aus der Glocke Munde,

Eben zieht die Hand den letzten Strich.

Nun erschöpft zurück

Sinkt er, und sein Blick

Heftet brechend sich an's hohe Werk.


Horch! Da schallen ernste Harfentöne,

Dämmernd fällt's hinein wie Morgenroth.

Leuchtend in erhab'ner Himmelsschöne

Steht der Fremdling da, der ihm gebot.

Gold'ner Haare Licht

Kränzt das Angesicht,

Von den Schultern sinkt ein Flügelpaar.


Kein Gewand verhüllt die schlanken Glieder,

Um die Ferse fliesst ein gold'ner Dunst.

Lock' und Licht und mächtiges Gefieder

Künden Dich, o Engel schöner Kunst!

Aber mild und weich,

Einer Flöte gleich,

Oeffnet bald die hohe Lippe sich:


»Amadeus, Du hast Wort gehalten,

Sollst empfahen den verheiss'nen Lohn.

Muss der Leib auch eine Weil' erkalten,

Gehst Du selber doch zu Vaters Thron.

Morgen Abend bringt –

Morgen Abend singt

Dich zuerst Dein Requiem in Ruh.
[193]

Würdig so, vom Schwanenlied umklungen,

Mein erwähltes Kind hinüber zieht.

And're Meister hätten's nicht gesungen,

Welch ein helles Licht der Kunst verglüht!

Sangst es selber vor

Dir im Trauerchor,

Und Dein Engel heischte dieses Lied.


Sage Lebewohl der grünen Erde,

Schau sie froh und kräftig noch'mal an!«

Spricht's, und küsst mit liebender Geberde

Sanft die Stirne dem verzückten Mann.

Schnell das Leben weicht,

Seine Wange bleicht,

Schmerzlos sinket Amadeus hin.


Mittag ist's. Die Gattin weint und klaget,

An der festverschloss'nen Thüre drückt.

»Sagt, ihr guten Leute, mir, o saget:

Habt ihr meinen Gatten nicht erblickt?«

Jünger, fromm und treu

Ahnend, wo er sey,

Stemmte an die Pforte sich vereint.


Endlich wankt die festgefügte Platte,

Schloss und Riegel springt – hinein die Schaar.

Und was Jeder schwer gefürchtet hatte,

Schauen sie, schau'n ihn des Lebens bar.

Lächelnd, unentstellt

Mit der Rechten hält

Fest an's Herz er ein beschrieb'nes Blatt.


Zahllos strömen bitterheisse Thränen

Aus des Grames dunklem, tiefem Born.

»Musstest Du so frühe Dich verklären,

Gatte, Vater, Meister, Ziel und Sporn?

Lässt uns einsam stehn,

Lässt uns traurig gehn,

Und wir blicken ewiglich nach Dir.«


Sanft der ält'ste Jünger ihm entwindet,

Was die Hand gefasst im Todesstreit,

Und mit schmerzlichem Entzücken findet

Er die Weise von der Ewigkeit,[194]

Zeigt sie Allen hin:

»Wer hegt frommen Sinn,

Bringt sie Meisters letzter Ehre dar.«


Ernsthaft stehn des Domes weite Hallen

In der Kerzen, in der Ampeln Glanz.

Süsse Weihrauchdüfte wehn und wallen,

Auf dem schwarzen Sarge grünt der Kranz.

Vor dem Hochaltar

Weilt der Jünger Schaar,

In den Gängen ein unzählig Volk.


Jetzo hauchen wehmuthreiche Flöten

Und Clarinen sanftes Klaggetön.

»Tod, warum das frische Leben tödten?

Glüht's und blüht's von Blumen doch so schön!

Blume, Frucht und Laub,

Werden soll's ein Staub?«

Fragen lange bange weinend sie.


Plötzlich schmettert, dass die Hallen zittern,

Der Trommete Ruf durch diesen Laut:

»Schweig', o Klag'! In leuchtenden Gewittern

Naht der Todtenrichter. Aufgeschaut!

Sünder, schüttelt euch,

Fromme, freuet euch!

Das Verborgene wird offenbar.«


Aber milde, wie ein Maienregen,

Fliesset nun das Friedenslied herab.

Alle Töne künden frey den Seegen,

Den der Mittler uns am Kreuze gab.

»Hölle, Deine Macht

Ist zu Schanden bracht,

Fried' im Himmel und auf Erden spriesst.«


Stille wird's, da redet Keiner Worte,

In gewalt'ger Rührung bricht das Herz,

Schaurig öffnet sich die dunkle Pforte;

Doch nach Oben blickt der heil'ge Schmerz.

Nieder sinkt der Sarg,

Aber den er barg,

Hört im Blau der Engel sel'gen Chor.


[195] Auf Mozart's Tod.


Wohin, nach seinem Tod', wohl Mozart's Geist geeilet,

Bleibt jedem Grübler unbewusst;

Ward er dem düstern Ort der Busse zugetheilet,

So wandelt ihn sein Spiel alsbald zum Ort der Lust;

Und kam er in das Reich der Freuden,

So müssen seine Kunst die Seraphim beneiden!


Mozart's Tod.


Der Herr der Götter öffnete die Himmel

Und blickte auf das irdische Gewimmel,

Als Phöbus aus dem Meere stieg.

Hier hob die Freude jubelnd ihre Arme,

Dort stöhnt der Jammer flehend sein »Erbarme!«

Und ihre Laute mischen sich.

Durch Jammerruf und Freudenjubel dringen

Sich Saitentöne, die sich aufwärts schwingen

Bis zu der Götter hohem Haus.

Was sind die Töne, die so rein erschallen

Und durch die Wolken zu den Himmeln wallen?

Ruft Jupiter voll Staunen aus.

Ist Orpheus auf die Unterwelt gestiegen?

Sind's Phöbus Töne, die zum Himmel fliegen?

Wer zaubert diesen Himmelslaut?

Nicht Orpheus, spricht Merkur, stieg auf die Erde,

Und Phöbus leitet seine Sonnenpferde

Dahin, im weiten Göttersaal'.

Die Saitentöne, die so rein erschallen,

Und durch die Wolken zu den Himmeln hallen,

Schuf Mozart dort im Donauthal'.

Da sendet Zeus mit flüchtigem Gefieder

Den Götterboten zu der Erde nieder,

Den Sterblichen zu holen zum Olymp;

Der nah't sich ihm auf leisen, luft'gen Schwingen,

Doch als des Meisters Harmonie'n erklingen,

Eilt er zurück zum Götterthron'

Und spricht: Herr, dessen Töne dort erklingen,

Er ist ein Gott! ich kann ihn Dir nicht bringen,

Unsterblich ist er, Göttersohn![196]

Da sendet Zeus von seinem Himmelsthrone

Der Tonkunst sanfte Gottin zu dem Sohne,

Ihn abzuholen zum Olymp.

Die weht ihm Schlummer auf die Augen nieder,

Wiegt ihn in Schlaf und singt ihm Himmelslieder,

Und schlummernd raubt sie ihn der Welt.

Am Götterthron' verhallen ihre Lieder,

Er öffnet die geschloss'nen Augen wieder

Und staunt den Glanz der Gottheit an.

Zu gross war'st Du, für Menschen nicht geboren,

Und Deine Harmonie'n bestimmt für Götterohren,

Spricht Zeus, d'rum rief ich Dich.

Die Erdenhülle hemmt des Geistes Flügel,

Dort schiebt der Körper schwere Eisenriegel

Vor's Heiligthum der Grazien!

Vernimm nun hier die Sphären-Harmonieen

Und töne Deine reinen Melodieen

In aller Sterne Feyer-Tanz.


Mozart's Ende.


1.


Schon neigt sich dämmernd meines Lebens Tag,

Schon seh' ich seine frischen Farben schwinden;

Es kündet mir des Herzens matter Schlag:

Bald wird mein Geist den Weg zum Lichte finden.

So sey es denn! Was auch da kommen mag,

Des Höchsten Wille lässt sich nicht ergründen;

Doch heimwärts, fühl' ich, strebet meine Seele,

Zu flieh'n des Leibes morsche Kerkerhöhle.


2.


Ich habe nicht gegeizet mit dem Leben,

Die süsse Gabe hab' ich rasch verzehrt;

Nicht fesseln konnt' ich meiner Kräfte Streben,

Des Blutes Trieben hab' ich nicht gewehrt.

Wer aber kann an dem Einförm'gen kleben,

Der im Gemüth' unlöschbar Feuer nährt?

Und frühe liess ich reich in Tönen blühen,

Was liebend mir mein Genius verliehen.


[197] 3.


In deinem Schooss', o Kunst, ward ich geboren,

Mit weih'nder Huld hast du mich angeblickt;

Es tranken deine Zauber meine Ohren,

In deinem Himmel ward ich früh entzückt;

Dir hab' ich frühe heil'ge Treu' geschworen,

Und täglich ward ich mehr in Dir beglückt;

All meiner Kindheit goldgewebtes Träumen

Erging sich nur in deinen heitern Räumen.


4.


Du locktest oft des weichen Knaben Thränen,

Sein regsames Gemüth belebtest du;

Ich dachte, fühlte, träumt' und wacht' in Tönen,

In dir nur fand ich Wirken, fand ich Ruh'.

Nur deine Blüthen sollten einst mich krönen,

D'rum schloss mein Herz ich allen Dingen zu,

Die an Alltäglichkeit den Menschen ketten,

Die deine Huld mir leicht entzogen hätten.


5.


So sprosst' ich auf, als wie genährt von Klängen,

Und mir erschien die Welt ganz Harmonie;

Es drohte fast des Knaben Brust zu sprengen,

Was mir, o Göttin! deine Huld verlieh;

Es strebte frühe sich an's Licht zu drängen,

Was mir lebendig schuf die Phantasie;

Ich reifte schnell, es durften meine Schwingen

Früh nach des Ruhmes steilem Gipfel ringen.


6.


Doch war ich nie vom stolzen Wahn' befallen,

Als käm', was ich geleistet, nur aus mir:

Vernahm ich, Knabe noch, mir Beyfall schallen

In fernen Reichen, er gehörte dir.

In meinem Ring' ist Thoren eingefallen

Zu wähnen Zauberkraft; ich that von mir

Des Fingers Schmuck, damit ich ihnen zeigte,

Dass reiner Liebe nur die Kunst sich neigte.


7.


Ermessen hab' ich, Tonreich, deine Tiefen,

Des Neuen und des Grossen viel gestaltet;[198]

Viel Zauber, die noch ungehört da schliefen,

Die dunkel mir im Innersten gewaltet,

Die an das Licht nicht Gluck noch Händel riefen,

Und deren Macht mir selbst das Herz gespaltet:

Ich rief sie, weckte sie, und wie sie rauschten,

So schien mir oft, als ob die Engel lauschten.


8.


O Liebe, hab' ich nicht dein glüh'ndes Sehnen,

Hab' ich nicht alle deine Zärtlichkeit,

Dein Schmachten, deine Wonne, deine Thränen

An meiner Lieder bunten Kranz gereiht?

Auch süssen Scherzen, Tändeley'n und Wähnen

Hab' ich manch zart gehauchtes Lied geweiht;

Und wie mich selber deine Gluth durchdrungen,

Hab' ich sie Andern tief ins Herz gesungen.


9.


Gleich Blumen, die auf Wiesen dar sich bieten,

Verjünget sie der Lenz mit frischem Segen;

So kam, wenn deine Flammen mich durchglüh'ten,

Begeisterung! gern jeder Ton entgegen.

Wie Westhauch, der um Blumen spielt, wie Wüthen

Des Wettersturms, gleich raschen Donnerschlägen

Ist mir's geglückt, die Hörer zu erschüttern;

Ich sah' sie schmachten, weinen, jubeln, zittern.


10.


So lange wohl Thaliens Tempel stehen,

Wo tiefe Regung sich, Gefühles Drang

Des menschlichen Gemüths begleitet sehen

Von recht gewähltem seelenvollem Glanz:

Wird, hoff' ich, nie mein Name untergehen,

Wird mit den Meistern von dem ersten Rang,

So lang' die Muse wandelt hier auf Erden,

Mit Lieb' und Achtung stets genennet werden.


11.


Dir selbst, Allhöchster! reicht' ich Feyerklänge,

Sie durften in der Kirche hehren Hallen

Zu Deinem Preiss bey festlichem Gepränge,

Und zur Erweckung heisser Andacht schallen.

Ein schwacher Dank nur sollten die Gesänge

Für Deine Vaterhuld zum Himmel wallen:[199]

Da alle Kunst nur dann erst froh gedeih't,

Wenn sie ihr Streben Deiner Ehre weih't.


12.


Nimm meinen Dank! Durch Dich ist mir's gelungen,

Was ich zu schaffen feurig war bemüh't;

Durch Deine Huld hab' ich das Ziel erschwungen,

Nach welchem schon mein Knabenherz geglüh't.

Dein Engel hielt mich liebevoll umschlungen,

Liess mich, von schönern Träumen stets umblüht,

Die Harmonie'n der seel'gen Geister hören,

Und nicht der Erde Tand mein Herz bethören.


13.


Ein weich gestimmtes Kind bin ich geblieben,

Und lebte, wie die Laune mir's gebeut;

Nachgiebig meinen wandelbaren Trieben,

Hab' ich den kalten Ernst von mir gescheut.

Ich fühlt' es brennend mir in's Herz geschrieben,

Dass ich nicht lebte für die Spanne Zeit,

Die mir auf Erden hier war zugemessen,

D'rum hab' ich ihrer Güter leicht vergessen.


14.


Du, treue Gattin! hast es wohl erfahren,

Wie ich das Leben sorglos hingeträumt;

Dass ich ein and'res suchte zu bewahren,

Als was mir tönend in der Brust gekeimt.

Ach Deiner Liebe, der unwandelbaren,

Bedurft' ich sehr, da Alles ich versäumt,

Was von dem Mann und Gatten heischt das Leben

An Sorgfalt, Müh' und häuslicherm Bestreben.


15.


Wie schnell war alles oft der Hand entronnen,

Die ich stets offen zum Verschwenden hielt,

Was meine Kunst an frohem Lohn gewonnen,

Mit Allem hatt' ich kinderhaft gespielt;

Versäumt, vertändelt hatt' ich unbesonnen,

Wonach der selbstbedachte Fleiss nur zielt.

Und alle Sorgen meidend, alle Plagen,

Liess ihre Last ich Dich, o Gute! tragen.


[200] 16.


Verzeihe mir, wenn ich nun früh erblasse,

Den leichten Sinn, der nicht mich sorgen liess,

Dass ich die Gattin, die ich bald verlasse,

Und der mein Ruhm ein glücklich Loos verhiess,

Bedroht vom herben Mangel hinterlasse.

Doch wenn die Welt nicht heuchelnd meist mich priess,

So wird sie, denk' ich, selber sich zu Ehren,

Von Dir, Constanze! Noth und Kummer wehren.


17.


O schone nun der Thränen! Diesen Waffen,

Geliebtes Weib! erliegt mein sieches Herz.

Lass mich den letzten Muth zusammenraffen,

Dass nicht absinge mir der Trennung Schmerz:

Lass schauen mich auf das, was ich geschaffen,

Damit ich freudig schaue himmelwärts;

Denn was in mir gelebt, ich hab's ergossen:

So sey denn meiner Tage Kreis geschlossen.


18.


Zwar hätt' ich gern noch Grösseres vollendet!

Denn Grösseres noch, als ich je vollbracht,

Wozu dem Himmel ich die Tön' entwendet,

Was nur das Ohr der Seraphim gedacht,

Hätt' ich der Welt zum Abschied gern gespendet;

Es reget sich in mir mit heft'ger Macht;

Das Niegehörte möcht' ich gern noch wagen,

Doch was es ist, ich weiss mir's nicht zu sagen.


19.


Allein der Funken hat nun ausgeglühet,

Der Himmelsfunken, der mich einst belebt;

Das Reich der heitern Phantasie verblühet,

Des Geistes Flügel, der so hoch gestrebt,

Er ist erlahmt! Des Leibes Bürde ziehet

Zur Grufft mich, wo kein süsser Laut mehr schwebt.

Ermattet, ach! gebrochen ist die Kraft;

So sprenge denn, o Seele, Deine Haft!«


20.


Still saass, die blassen Wangen feucht von Thränen,

Der Meister an der lieben Gattin Hand;[201]

In seinem Auge glüht' ein tiefes Sehnen,

Zum Himmel blickt' es lang' und unverwandt.

Es war ja leider! auch kein eitles Wähnen,

Was er im Innern jetzt so wahr empfand:

Ganz hingegeben seinem Todesahnen

Erging sein Geist sich schon auf lichtern Bahnen.


21.


Constanzen war nicht aller Trost entschwunden,

Es dämmert ihr noch schwacher Hoffnungsschein,

Der theure Gatte könne noch gesunden,

Es sey noch Hülf' in kräft'gen Arzeney'n.

Die zarte Pflege lindert ihre Wunden,

Die stets um ihn sie hiess geschäftig seyn.

Ach, Hülfe, so wir Leidenden erzeugen,

Sie heisst des Busens eig'ne Leiden schweigen.


22.


Da pocht es an der Thüre mit drey Schlägen;

»Was für Besuch am Morgen früh? Herein!«

Rief Meister Wolfgang sanft, und ihm entgegen

Tritt eine hohe Mannesbildung ein.

Schwarz, wie wir es um Tode trauernd pflegen,

War sein Gewand, und bleich wie Mondenschein

Sah das mildernste Antlitz; in den Zügen

Und Blicken schien geheimer Schmerz zu liegen.


23.


Den Meister fasst ein ungewohntes Bangen,

Wie Grabes Hauch umweh'ts ihn leis und kalt;

Zu Schnee entfärben schnell sich seine Wangen,

Doch freundlich nahend spricht die Mannsgestalt:

Mich treibt zu Dir, o Meister! ein Verlangen,

Das Du nur, der den Scepter der Gewalt

Im Tonreich führt, vermagst recht zu erfüllen;

Vernimm denn ruhig meinen Wunsch und Willen.


24.


Es lös'te, ferne Dir, die ird'sche Bande

Von einer hohen Seele jüngst der Tod,

Sie heim zu führen in des Friedens Lande,

Wie es der ew'ge Vater ihm gebot.

Sie flog empor aus ihrem Nachtgewande,

Sie schwang sich froh zum schönern Morgenroth.[202]

Doch hier auf Erden liess sie tiefe Trauer

Ob ihres frommen Wandelns kurzer Dauer.


25.


Der Abgeschied'nen oft noch zu gedenken,

Zu sänftigen der Hinterlass'nen Schmerz,

Sollst Du der Welt ein herrlich Denkmal schenken,

Das bleibender, als Marmor sey und Erz.

Weg von der Erde nach dem Himmel lenken

Soll es der Menschen sündenbanges Herz,

Soll es versöhnen mit den Machtgedanken

An seines Daseyn's engbemess'ne Schranken.


26.


Wie Rauch und Nebel soll vor ihm zerfliessen

Der Erdengüter bunte Flitterpracht;

Der Zukunft Pforte sich dem Geist erschliessen,

Damit er, wie aus schwerem Traum erwacht,

Froh den Verklärungsmorgen möge grüssen,

Zum Licht eingehend aus der trüben Nacht;

Ermuthigt und ersehnend Gott zu schauen,

Von sich abwerfe Todesfurcht und Grauen.


27.


Und solch erhab'nes Denkmal zu vollenden,

Hat Deine Kunst die Reife nun erlangt,

Da Deine Blicke sich nun heimwärts wenden,

Da nach dem Ew'gen Deinen Geist verlangt.

Ermanne Dich! Gott wird noch Kraft Dir spenden,

Vollbring' es kühn, wie auch davor Dir bangt:

Tod und Gericht, Verklärung und Vernichtung

Sey Deiner Muse letzte schönste Dichtung.


28.


Und mit dem letzten Wort war er verschwunden.

Woher er kam, wohin sein Fuss ihn trug?

Man hatte nimmer eine Spur gefunden.

Doch in des Meisters bange Seele schlug

Ein heller Blitz; er meinte zu gesunden,

Er fühlt sich stark genug, den höchsten Flug

In's Zauberreich der Töne noch zu wagen,

Und gält' es auch den Rest von seinen Tagen.


[203] 29.


Lang' saass er sinnend, tief in sich versunken,

Die Hände faltend über seine Brust;

Sein Auge glänzt von neuen Lebensfunken,

Er schien kaum halb sich seiner selbst bewusst.

Dann blickt er aufwärts, ganz gedankentrunken,

Und lächelt wie entzückt in Himmelslust,

Bis er aufathmend, wie nach tiefem Schlafen,

Umschauet und sein Weib die Blicke trafen.


30.


Er sprach: Woher ist dieser Traum gekommen,

Da mich umleuchtet klar des Tages Licht?

Hab' ich nicht deutlich jedes Wort vernommen?

Noch tönt es mir, wie seine Stimme spricht.

Mein ganzes Inn're fühl' ich heiss entglommen!

Tod, Untergang, Verklärung und Gericht

Soll ich in nie gehörten Weisen singen –

Ach, müder Geist, wie wirst Du diess vollbringen!


31.


Ein Todesengel bist Du mir erschienen,

Du fremde, düsterfreundliche Gestalt!

Ein ernstes Mahnen sprach aus seinen Mienen,

Es fasste mich mit heimlicher Gewalt.

Der schönste Kranz soll meinen Sarg umgrünen,

Mit dem die Kunst je Lieblingen vergalt:

Was ich geahnt, es wird nun doch geschehen,

Wie ich es soll, ich hab' es jetzt ersehen.


32.


Klar schwebt mir vor das Werk, das ungeheu're,

Es rauscht ein Strom, der alle Ufer brach,

Dass ich dadurch den eig'nen Hintritt fey're,

Ich glaub' es fast, geliebtes Weib! denn ach!

Auch mir hat es gegolten, mir, o Theure!

Was ernst des Todesboten Lippe sprach;

Ich bin der Schwan, der mit melod'schen Schwingen

Sein schönstes Lied, sein Sterbelied soll singen.


33.


So schlagt denn auf noch einmal lichterlohe,

Ihr letzten Flammen meiner Lebenskraft![204]

Noch einmal fasse mich, o Himmels frohe

Begeist'rung, die mich oft empor gerafft;

Hauch' Glut mir ein, dass ich das Ziel, das hohe

Erflieg', eh' mir zerfällt der Seele Haft;

Ein'n Riesenstrom soll der Gesang hinrauschen,

Die Erd' erstaunt an seinen Ufern lauschen.


34.


Vergiss mein Ohr nun üppig weicher Klänge,

Mit welchen ich die Herzen süss durchdrang;

Erfinden will ich niegewagte Gänge,

Zu singen, was kein Sterblicher noch sang.

Lasst mich belauschen eure Festgesänge,

Lasst mich umrauschen eurer Harfen Klang,

O Engel, die ihr singt auf gold'nen Sternen

Des Höchsten Lob durch alle Himmelsfernen!


35.


Er eilt an's Werk, von muthigem Vertrauen

Auf höh'ren Beystand, glühend angefacht;

Den Prachtpallast von Tönen aufzubauen,

Gönnt' er sich keine Ruhe Tag und Nacht;

Gern möcht' er durch des Grabes Dunkel schauen

Um jener Harmonieen Schreckensnacht,

Die, wenn die Welten einst in Staub versinken,

Erbraussen werden – kühnen Ohr's zu trinken.


36.


Der grossen Arbeit Hälfte zu vollbringen –

Es war dem Meister bald und schön geglückt;

Doch galt es wohl ein stetes heises Ringen

Mit schwerem Siechthum, so ihn niederdrückt:

Da brachen, ach! des Geistes muth'ge Schwingen,

Er liegt der Blume gleich, vom Sturm zerknickt,

Der, ob sie wohl das welke Haupt schon neiget,

Im Sterben auch noch süsser Duft entsteiget


37.


Im Kampf mit immer wachsend herben Leiden,

Mit einem Fuss schon auf des Grabes Rand,

Will er doch nicht der Arbeit Zehrglut meiden,

Wie auch die Kraft ihm stündlich mehr entschwand,

Bis er zuletzt sich schmerzlich muss bescheiden,

Und trauernd legt die Feder aus der Hand;[205]

Da pocht es an der Thüre mit drey Schlägen,

Und ernst tritt ihm der Todesbot' entgegen.


38.


Er spricht: Bald ist nun Deine Zeit verronnen:

Noch fehlt im Kranze, den Du Dir gewunden,

Die schönste Blum', erblüht an wärmern Sonnen,

Ihr stilles Thal, Du hast es aufgefunden;

Halb hat die unverwelkliche gewonnen

Dein frommer Muth in trüben Leidensstunden;

Lass nimmer ab, vollendet soll es werden,

Womit sich Deine Wallfahrt schliesst auf Erden.


39.


»So werd' es, möge Gott mir Kraft noch senden!

Rief Mozart aus, von Himmelsgluth durchweht.

Wie nun auch bittend Freund' an ihn sich wenden,

Wie trostlos ihn die treue Gattin fleht,

Er wolle kurze Rast sich manchmal spenden:

Vergebens; denn der Todesbote steht

Nur sichtbar ihm, nun stets vor seinen Blicken,

Nichts kann sein hohes Ziel ihm mehr entrücken.


40.


So steigt in dunkler Nacht die Sternrakete

Mit raschem Aufschwung in den Aether auf;

Hoch in den Lüften, wähnet man, nun tödte

Ein Hauch sie, schon geendet sey ihr Lauf:

Sie fällt; und sieh', wie gold'ne Morgenröthe

Schliesst jetzt sie stralend erst ihr Inn'res auf;

Die halb verlosch'ne prangt in blauen Fernen

Erst wunderherrlich noch mit tausend Sternen.


41.


»Geschaffen ist's, vollendet, darf ich sehen

Mein liebstes Werk! Ich dank' es höh'rer Macht.

Nimm jetzt mich, Herr! Dein Wille soll geschehen,

Durch Deine Hülfe hab' ich es vollbracht.

Schon fühl' ich Himmels Lüfte mich umwehen,

Von meinem Auge sinkt der Erde Nacht;

Wie strebt und sehnet sich mein Geist zu fliehen

Empor in's Reich der ew'gen Harmonieen.


[206] 42.


Du siehst mich an, o Werk! dem Leichensteine

Vergleichbar, welcher meinen Staub verschliesst;

Auf dem, bald wandelnd über mein Gebeine,

Der Fremdling des Entschlaf'nen Leben lies't.

Nur einen Wunsch, Allgütiger! verneine

Mir nicht, eh' mich der starre Schlaf umschliesst:

»Die Töne, so da seelenlos nun schweigen,

Lass sie belebt vor mir zum Himmel steigen.«


43.


So Mozart: Zu erfüllen sein Verlangen,

War eifrig schnell der Freunde Schaar bemüht;

Denn solcher Schöpfung Labsal zu empfangen,

War sehnlich wünschend Jeder längst entglüht.

Auch sah'n sie ja mit kummervollem Bangen,

Dass nur unwillig noch sein Geist verzieht,

Auf diesem Tönesturm sich zu erheben

Und in der Ruhe stille Welt zu schweben.


44.


Und eines Morgens sah man alle Söhne

Euterpen's, die das künstlerische Wien

Herbergte, wo die holde Ton-Kamöne

Gern thronte, nach des Domes Hallen zieh'n,

Zu wecken hier das kühne Heer der Töne,

Das auf den Pulten rings zu schlummern schien,

Damit an seiner letzten, schönsten Gabe

Des Meisters krankes Herz sich scheidend labe.


45.


Da kommt er selbst mit zögernd wankem Schritte,

Ach! leichenblass, von Freunden sanft geführt;

Noch ein Mal seh'n sie ihn in ihrer Mitte,

Ihn, dessen Wink sie feurig sonst regiert;

Jetzt naht' er ihnen mit der letzten Bitte,

Wie innig waren Alle sie gerührt!

Und als sie ihn gegrusst mit vielem Neigen,

Ergoss sich tiefes, feyerliches Schweigen.


46.


Und horch! es tönt wie leise Wehmuthsklage,

Wie sanftes Geisterfleh'n in hoher Luft,[207]

Das nach dem frohen Auferstehungstage,

Das um Erbarmen auf zum Himmel ruft;

Als ob es vor's Gericht die Seufzer trage

Der Todten, so nun steigen aus der Gruft,

Und, gleich als mehrte sich stets ihre Menge,

So schwellten immer voller die Gesänge.


47.


Und in ein brünstig lautes Gnaderufen

Geht über bald das leise, scheue Fleh'n;

Es dringt bis an des höchsten Thrones Stufen,

Es will die Wolken fort vom Himmel weh'n.

Der Andacht Brunst, so diese Töne schufen,

O wie erbaut's den Meister, sie zu seh'n!

Er selber betet, Blick und Händ' erhoben,

Und höret kaum, wie alle Freund' ihn loben.


48.


Doch plötzlich, wie mit hundert Ungewittern,

Vom Sturm getragen, und umhüllt die Nacht,

Von Donnern, die der Erde Grund erschüttern,

Umhallt, verlöschend Sonn' und Sternenpracht,

Erscheint der Tag, dem alle Wesen zittern,

Der Tag des Zornes der allmächt'gen Macht,

Der ew'gen Macht, auf deren schrecklich Winken

In Asche muss das Welten-All versinken.


49.


Wer liess Dich diese Schreckenstöne hören?

Wann lauschtest Du der Welten Untergang?

Ha! furchtbar tobend brauset das Zerstören,

Es wendet sich das Herz bey jedem Klang.

Ach! horcht, wie Erd' und Himmel sich empören!

Lass ab, eh' wir erliegen dem Gesang;

Du selbst erliegst, Du kannst es nicht ertragen,

Was Du so kühn zu singen konntest wagen.


50.


Mit mächt'gem Schalle dröhnet durch die Lüfte

Des Weltgerichts Posaune wunderbar;

Da bersten rings der weiten Erde Grüfte,

Auf wacht der Todten zahllos bleiche Schaar;

Es spalten krachend sich der Berge Klüfte,

Das Tiefverborg'ne wird nun offenbar.[208]

Der ernste Ruf, er ruft zu Gottes Throne,

Zur ew'gen Qual, so wie zum ew'gen Lohne.


51.


Ach! süss aufweinend hör' ich nun Dich fragen,

Was werd' ich meinem Richter, wenn er nah't,

Was werd' ich Armer! dann dem Strengen sagen?

Doch finden diese Töne nicht den Pfad

Zu seinem Ohr, wie sollen wir denn klagen?

Mit welchem Wort' anrufen seine Gnad'?

In diesen Tönen schmilzt die ganze Seele,

Und fleht Verzeihung, reuig ihrer Fehle. –


52.


Wer widersteht euch, zaubervolle Laute?

Wo ist ein Auge, das nicht heisse Fluth

Erbarmung fleh'nder Thränen niederthaute?

Ein Herz, das nicht zerschmolz in Feuergluth?

Und doch, wie vor dem Richterstuhl ihm grau'te,

Vor dem auch sinket des Gerechten Muth,

Wo aller Sünden Buch liegt aufgeschlagen,

Sich nicht von Hoffnung fühlt empor getragen.


53.


Wie Sturm den Hain durchrauscht mit Ungestüme

Gleich eines Stromfall's lautem Donnerschall,

Verkündet jetzt, es nahe Gott im Grimme

Der Majestät, der Töne hoher Schwall:

Doch Engel weinen nur mit solcher Stimme

Beklagend einer Seele tiefen Fall,

Wie jetzt aufsäuselnd flehen die Gesänge

Um Heil und Rettung, statt gerechter Strenge.


54.


Auf neuen Flammen will der Geist sich schwingen

Anbetungsvoll zum Thron des Herrn empor,

Da man das dreymal Heilig höret singen

Als tönt aus Lüften hoch der Seel'gen Chor;

Es wirbeln Pauken, die Trommeten klingen,

Und hingerissen lauschet jedes Ohr;

Demüthig hat sich jedes Knie gebeuget,

Als in die Wolken das Osanna steiget.


[209] 55.


Wie wenn das Meer vorher von Nacht umzogen,

Von wilder Wuth der Winde laut umbrüllt,

Bis an's Gewölbe hob die finstern Wogen,

Das Mond und Sterne düster ihm verhüllt;

Nun aber, da die Wolken fortgeflogen,

Der Sturm verhallt, das Toben sich gestillt,

Und auf der Spiegelfläche sich die Stralen

Der schimmernden Gestirne friedlich malen:


56.


So schwinden Todesgraus und Furcht und Beben;

Vorüber ist das schreckliche Gericht!

Und süsser, froher Jubellaute Schweben

Ergiesst um uns ein morgenhelles Licht.

Sie preissen ihn, der uns den Weg zum Leben

Geebnet, der die Macht der Hölle bricht;

Gebenedeyet schallen sie dem Frommen,

Der in des Herren Namen ist gekommen!


57.


O Meister! Herrlich ist das Werk gelungen,

Das Dich Dein hoher Genius gelehrt;

In Wonn' und Wehmuth hast Du jetzt gerungen,

Des Lebens Mark hat es Dir aufgezehrt!

Er achtet kaum der vielen Huldigungen

Von allen, so es staunend angehört;

Ihn bald bewundern, glühend in Entzücken,

Bald Trennung ahnend schmerzvoll auf ihn blicken.


58.


Die letzten Thränen muss sein Auge thauen,

Als die Gesäng' um ew'ge Ruhe fleh'n.

Da fühlt' er von des Paradieses Auen

Des Friedens Palmen kühl herüber weh'n.

Es strebt sein Geist das ew'ge Licht zu schauen,

Er sieht die Erde neblig untergeh'n:

Sanft lös't sein Engel ihm die ird'schen Bande

Und er entschwebt zum lichten Sternenlande.


[210] Mozart's Grab.


Wo ist Dein Grab? Wo duften die Cypressen?

Wo prangt der wappenstolze Marmorstein?

Hat denn die Welt den heil'gen Ort vergessen,

Der Deine Hülle schliesst in Dunkel ein?

Hat sie geglaubt, es wäre zu vermessen,

Dir eines Denkmals ird'sche Zier zu weih'n?

Und Jeder spricht: »Vergeblich ist Dein Fragen;

Durch jenes Thor ward er hinaus getragen.«


Wo ist ein Land, das rühmt sich Deines Gleichen,

Das einen Solchen hat der Welt geboren,

Dem Deinen Kranz die Nachwelt müsste reichen,

Weil sie Dein Bild aus ihrem Aug' verloren,

Weil Deine Glorie vor ihm erbleichen

Sie sah dort an des Tempels Strahlenthoren?

Und leise hallt's: »Wohl prangen neue Sterne,

Doch Mozart strahlet fort in hoher Ferne.«


Wo ist Dein Lohn, die Schätze, die Juwelen,

Die Deine Zeit als armen Dank Dir gab?

Wo der Palast, dess Mauern mir erzählen:

»Hier schwang der Meister seinen Zauberstab«?

Wollt Ihr mir neidisch Alles denn verhehlen?

Ein Jeder wendet schweigend sich mir ab.

Da sprach's: »Um dessen Stirn der Lorber pranget,

Dem ziemt es nicht, dass er nach Gold verlanget.«


So ist nur Prüfung Künstlers Erdenwallen,

Ob er in Feuersgluth bestehet rein?

Ob er entsagen kann den Freuden allen,

Die auch der ärmste Sterbliche nennt sein?

Ob ihm's genügt, zu wandeln in den Hallen,

Durch die das Weltgeräusch nicht dringet ein,

Durch die nur leise Geisterworte dringen,

Die nieder aus den hohen Sphären klingen?


Du gingst im Wald und mit Dir Deine Töne:

Du stand'st am Meer', sein Brausen ward Gesang:

Du hörtest in den Wogen Angstgestöhne,

Im Geist des Weltgerichts Posaunenklang:

Du lasest in der Sterne Wunderschöne

Auch da der Sphären-Melodieen Gang:[211]

Im Becherklang vernahmst Du süsse Lieder,

Im Taubenruf Cytherens Stimme wieder.


So schwebtest Du auf leichten Aetherwogen

Immitten durch des Zeitrads Brausen fort.

Von Himmelsahnung sanft hinauf gezogen,

Vernahmst Du, ach zu früh! das Schicksalswort.

Seht, wo die Leyer prangt am Himmelsbogen,

Dahin entfloh der Geist. Ich ahn' ihn dort.

D'rum lob' ich Dich in Deiner hohen Ferne,

In stiller Nacht, Du schönstes Bild der Sterne!

Quelle:
Nissen, Georg Nikolaus von: Anhang zu Wolfgang Amadeus Mozart's Biographie. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1828 [Nachdruck Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms, 1991], S. 181-212.
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