Vorwort.

Es ist wohl eine unwiderlegbare Behauptung, dassW.A. Mozart das grösste musikalische Genie nicht allein seines Zeitalters war, sondern dass er es auch höchstwahrscheinlich für alle künftigen Zeitalter bleiben wird.

Die Welt freuet sich daher mit Recht über ein so seltenes Geschenk der Natur und dankt es auf gleiche Weise der Vorsehung, die ihr Sinn für solch eine, allen Nationen verständliche Sprache gegeben hat.

Nicht weniger wird aber auch wohl jeder Freund der Musen, so wie jede edle Menschenbrust mit Trauer über das allzufrühe Dahinscheiden dieses grossen Meisters erfüllt, und spricht sich selbst nur damit einigen Trost, dass nach Erfahrungen früh entwickelte Blumen auch früher dahin welken, wie eben Mozart sich sehr früh zum unerreichbaren Koloss seines Faches hinaufschwang, und – kaum würdig erkannt, ging er wieder seiner Heimath zu.

Ihm bleibt sein Andenken; er war das Wunder seiner Zeit, und wird es aller der nachfolgenden bleiben, und so lange man seine genialen Schöpfungen zu empfinden fähig ist, wird der Quell seiner Verehrung und seines Ruhmes nicht versiegen.

Der Verfasser des Vorwortes zur nachstehenden Biographie kann dabey einem eigenen wehmüthigen Gefühle nicht widerstehen, und indem er gewiss mit Recht sein Zeitalter mit jenem des grossen Geistes vertauscht wünscht, glaubt er sich mehr als des vortheilhaften Tausches gewiss.

Die Völker fast aller Zeiten haben uns schon gezeigt, auf welche, wenn auch verschieden rühmliche Weise sie sich bemühten, das Andenken der Berühmten und Ausgezeichneten aus ihrer[8] Mitte auf die Nachwelt zu bringen; und indem ein Gleiches bereits von unserm Mozart und auch anderen berühmten Tonkünstlern – abgerechnet, dass sie sich die bleibendsten Denkmale in ihren Werken selbst aufstellten – den Nachkommen niedergelegt ist, folgten wir ihrem rühmlichen Muster.

So viel aber auch mehr oder weniger ausführliche Biographieen von Mozart erschienen seyn mochten, so war sich der den Seinigen und auch mir zu früh verstorbene Freund Nissen, obschon seinem Charakter gemäss bescheiden und ganz anspruchslos, doch und sicher nicht mit Unbill bewusst, wie sehr willkommen der Welt seine neue Bearbeitung der vorliegenden Biographie seyn könne; daher möge dieser besonnen und mit so grosser Vorliebe gewundene Kranz im Tempel der Musen seinen wohlverdienten Platz einnehmen, um so mehr, als der Geber die Blümchen dazu so lange und mit solcher Liebe pflegte.

Da ich längere Zeit mit Nissen und mit dem Plane der beabsichtigten Biographie bekannt war[9] und weiss, wie ihn nur Liebe zur Kunst und Verehrung der Manen des grössten musikalischen Meisters zu seinem so rühmlichen Unternehmen trieb, er also nur mit inniger Wärme eifrig und rasch arbeitete, mit welcher Anstrengung, selbst nicht ohne grossen Aufwand er seit mehren Jahren sammelte, vorzüglich in der letzten Zeit seines Lebens, wo er sich von seinen sonstigen Geschäften für den König von Dänemark mehr zurückgezogen hatte, um dem Werke selbst die möglichste Vollständigkeit zu geben; ferner, wie er eine so sichere Quelle an seiner Gemahlin hatte, und da mit ausserordentlicher Sorgfalt alles Benutzenswerthe gewissenhaft anbrachte und ordnete; da es wahr ist, wie zärtlich er um seine Gattin besorgt war und wie so sehr edel er sich an seinen Kindern bewiess, wovon die Welt schon weiss, was er an ihnen that, und wie er sich überhaupt als Mensch in seinem ganzen Leben von keiner andern als edlen und grossen Seite kund that, und so auch mit dem Bewusstseyn, nichts als Gutes gestiftet zu haben, aus der Welt gehen konnte, über welche seine Handlungen[10] ihm sein König von Dänemark (wie er ihn selbst zu nennen pflegte und dem er so gern und treu diente) die kräftigsten Beweise wiederholt zu geben geruhte, und so vieles Andere, was Alles uns auf den bedeutenden Gewinn seiner mehrjährigen Arbeit rechnen lässt; – so bin ich sehr bereit, diesen Beweis seines biedern Charakters zu unterschreiben, und ich kann dabey nur noch wünschen, dass das Werk selbst ihm dieses Zeugniss nicht versagen wolle.


Ob durch Nissen's Tod (denn er starb über seiner Arbeit am 24sten März 1826) noch mancherley Unbekanntes von und über Mozart unbekannt bleiben wird, weiss ich nicht; nur das, und zwar mit grossem Bedauern, kann ich bestätigen, dass er, nach Siebigke's Vorschlag, noch ein besonderes Capitel der allmähligen Ausbildung Mozart's und dem stufenweisen Gange seines Genie's gewidmet hatte, in so fern sie sich aus der Kritik einer chronologischen Sammlung seiner früheren und frühesten Werke erkennen lassen, was nun aber einem mit Mozart's sämmtlichen[11] Werken ganz Vertrauten überlassen bleiben muss.

Sollte ich die geistige Seite Nissens nur einigermaassen treffend angedeutet haben, so ist mein Zweck schon vollkommen erreicht.


Pirna a.d. Elbe, im July 1828.


D. Feuerstein.

Quelle:
Nissen, Georg Nikolaus von: Biographie W.A. Mozart's. Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1828 [Nachdruck Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms, 1991], S. 8-12.
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