106. Mozarteum.

[161] Paris 3. Juli 1778.

Allerbester Freund!

Für Sie ganz allein.

Trauern Sie mit mir, mein Freund! Dieß war der traurigste Tag in meinem Leben, – dieß schreibe ich um 2 Uhr Nachts. Ich muß es Ihnen doch sagen, meine Mutter, meine liebe Mutter ist nicht mehr! – Gott hat sie zu sich berufen, er wollte sie haben, das sehe ich klar, – mithin habe ich mich in den Willen Gottes zu geben. Er hatte sie mir gegeben, er konnte sie mir auch nehmen. Stellen Sie sich nur alle meine Unruhe, Ängste und Sorgen vor, die ich diese 14 Tage ausgestanden habe. Sie starb ohne daß sie etwas von sich wußte, löschte aus wie ein Licht. Sie hat drei Tage vorher gebeichtet, ist communicirt worden und hat die heilige Ölung bekommen. Die letzten drei Tage aber phantasirte sie beständig, und heute aber um 5 Uhr 21 Minuten griff sie in Zügen, verlor allsogleich dabei alle Empfindung und alle Sinne. Ich drückte ihr die Hand, redete sie an, sie sah mich aber nicht, hörte mich nicht und empfand nichts. So lag sie bis zum Verschied, nämlich in 5 Stunden, um 10 Uhr 21 Minuten Abends. Es war niemand dabei als ich, ein guter Freund von uns (den mein Vater kennt) Hr. Heina und die Wächterin. Die ganze Krankheit kann ich Ihnen heute unmöglich schreiben; ich bin der Meinung, daß sie hat sterben müssen, Gott hat es so haben wollen. Ich bitte Sie unterdessen um nichts, als um das Freundstück, daß Sie meinen armen Vater ganz sachte zu dieser traurigen Nachricht bereiten. Ich habe ihm mit der nämlichen Post geschrieben, aber nur, daß sie schwer krank ist, warte dann nur auf eine Antwort, damit ich mich darnach richten kann. Gott gebe ihm Stärke und Muth. Mein Freund! ich bin nicht jetzt, sondern schon lange her getröstet! Ich habe aus besonderer Gnade Gottes alles mit Standhaftigkeit und Gelassenheit ertragen. Wie es so gefährlich wurde, so bat ich Gott nur um zwei Dinge, nämlich um eine glückliche Sterbstunde für meine Mutter und dann für mich um Stärke und Muth, und der gütige Gott hat mich erhört und mir die zwei Gnaden im[162] größten Maße verliehen. Ich bitte Sie also, bester Freund, erhalten Sie mir meinen Vater, sprechen Sie ihm Muth zu, daß er es sich nicht gar zu schwer und hart nimmt, wenn er das Aergste erst hören wird. Meine Schwester empfehle ich Ihnen auch von ganzem Herzen. Gehen Sie doch gleich hinaus zu ihnen, ich bitte Sie, sagen Sie ihnen noch nichts, daß sie todt ist, sondern präpariren Sie sie nur so dazu. Thun Sie, was Sie wollen, wenden Sie alles an, machen Sie nur, daß ich ruhig sein kann und daß ich nicht etwa ein anderes Unglück noch zu erwarten habe. Erhalten Sie mir meinen lieben Vater und meine liebe Schwester. Geben Sie mir gleich Antwort, ich bitte Sie. Adieu, ich bin dero gehorsamster dankbarster Diener

W.A.M.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 161-163.
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