152. Mozarteum.

[284] Wien 19. Mai 1781.

Ich weiß auch nicht was ich zuerst schreibe, mein liebster Vater, denn ich kann mich von meinem Erstaunen noch nicht erholen und werde es nie können, wenn Sie so zu denken und so zu schreiben fortfahren. Ich muß Ihnen gestehen, daß ich aus keinem einzigen Zuge Ihres Briefes meinen Vater erkenne! – wohl einen Vater, aber nicht den besten liebevollsten, den für seine eigene und für die Ehre seiner Kinder besorgten Vater, – mit einem Wort, nicht – meinen Vater. Doch das war alles nur ein Traum, – Sie sind nun erwacht – und haben gar keine Antwort von mir auf Ihre Punkte nöthig, um mehr als überzeugt zu seyn, daß ich – nun mehr als jemals – von meinem Entschluß gar nicht[284] abstehen kann. Doch muß ich, weil meine Ehre und mein Charakter bey einigen Stellen am empfindlichsten angegriffen ist, etwelche Punkte beantworten. – Sie können es niemals gut heißen, daß ich in Wien quittirt habe? Ich glaube, daß wenn man schon Lust dazu hat (obwohl ich es dermalen nicht hatte, denn sonst würde ich es das erste Mal gethan haben) so würde es an dem Orte am vernünftigsten seyn, wo man gut stehet und die schönsten Aussichten von der Welt hat. – Daß Sie es im Gesicht des Erzbischofs nicht gut heißen können, ist möglich; – aber mir können Sie es gar nicht anders als gut heißen, ich kann meine Ehre durch nichts anders retten, als daß ich von meinem Entschlusse abstehe? – Wie können Sie doch so einen Widerspruch fassen? Sie dachten nicht, als Sie dieses schrieben, daß ich durch einen solchen Zurückschritt der niederträchtigste Kerl von der Welt würde. Ganz Wien weiß daß ich vom Erzbischof weg bin – weiß warum! – weiß daß es wegen gekränkter Ehre – und zwar zum dritten Male gekränkter Ehre geschah – und ich sollte wieder öffentlich das Gegentheil beweisen? – soll mich zum Hundsfut und den Erzbischof zu einem braven Fürsten machen? – Das erste kann kein Mensch und ich – am allerwenigsten, und das andere – kann nur Gott, wenn er ihn erleuchten will.

Ich habe Ihnen also noch keine Liebe gezeigt? – muß sie also erst jetzt zeigen? – können Sie das wohl sagen? – Ich wollte Ihnen von meinem Vergnügen nichts aufopfern? – – Was habe ich denn für ein Vergnügen hier? – Daß ich mit Mühe und Sorge auf meinen Geldbeutel denke! – Mir scheint, Sie glauben ich schwimme in Vergnügen und Unterhaltungen. O wie betrügen Sie sich nicht! – Das heißt dermalen! – Dermalen habe ich nur so viel als ich brauche. Nun ist die Subscription auf 6 Sonaten im Gang und da bekomme ich Geld. Mit der Oper [Entführung] ist es auch schon richtig, – und im Advent gebe ich ein Concert; dann geht es so immer besser fort – denn im Winter ist was ganz Gutes hier zu verdienen. – Wenn das Vergnügen heißt, wenn man von einem Fürsten los ist, der einen nicht zahlt und zu Tod cujonirt, so ist es wahr, ich bin vergnügt. Denn sollte ich von früh Morgens bis Nachts nichts als[285] denken und arbeiten, so würde ich es gern thun, nur um so einem – ich mag ihn gar beim rechten Namen nicht nennen, nicht um Gnade zu leben. – Ich bin dazu gezwungen worden, diesen Schritt zu thun, und da kann ich kein haarbreit davon mehr abweichen – unmöglich. – Alles was ich Ihnen sagen kann, ist dies, daß es mir (wegen Ihnen, nur wegen Ihnen, mein Vater) sehr leid thut, daß man mich so weit gebracht hat, – und daß ich wünschte daß der Erzbischof gescheuter gehandelt hätte, nur daß ich Ihnen noch meine ganze Lebenszeit widmen könnte. – Ihnen zu Gefallen, mein bester Vater, wollte ich mein Glück, meine Gesundheit und mein Leben aufopfern, – aber meine Ehre – die ist mir – und die muß Ihnen über alles sein. – Lassen Sie dieses den Grafen Arco lesen und ganz Salzburg. – Nach dieser Beleidigung, nach dieser dreifachen Beleidigung dürfte mir der Erzbischof in eigener Person 1200 Fl. antragen und ich nehme sie nicht, – ich bin kein Bursch, kein Bub, – und, wenn Sie nicht wären, so hätte ich nicht das dritte Mal erwartet, daß er mir Hütte sagen können: scheer er sich weiter, ohne es für bekannt anzunehmen. Was sage ich: erwartet! – ich, ich hätte es gesagt und nicht er! – Mich wundert nur, daß der Erzbischof so unbesonnen an einem Ort wie Wien ist, so unbesonnen hat handeln können! – Er soll also sehen, wie er sich betrogen hat. – Fürst Breiner und Graf Arco brauchen den Erzbischof, aber ich nicht. – Und wenn es auf das Aeußerste kommt, daß er alle Pflichten eines Fürsten, eines geistlichen Fürsten vergißt, so kommen Sie zu mir nach Wien. 400 Fl. haben Sie überall. – Was glauben Sie, was er sich hier beim Kaiser, der ihn ohnehin haßt, für Schande machen würde, wenn er das thäte! – Meiner Schwester würde es hier auch besser anstehen als in Salzburg – es sind viele Herrschaftshäuser wo man Bedenken trägt, eine Mannsperson zu nehmen – ein Frauenzimmer aber sehr gut bezahlen würde. – Das kann alles noch geschehen. –

Ich werde Ihnen mit nächster Gelegenheit, da etwa Hr. v. Kleinmayrn, Bönike oder Zetti nach Salzburg reiset, etwas schicken um das bewußte zu bezahlen, – das Dünntuch wird[286] Hr. Controleur, der heute weg ist, meiner Schwester bringen. –

Liebster, bester Vater, begehren Sie von mir was Sie wollen, nur das nicht, sonst alles – nur der Gedanke macht mich schon vor Wuth zittern. – Adieu.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 284-287.
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