162. Mozarteum.

[303] Wien 4. Juli 1781.

An Graf Arco habe ich nicht geschrieben und werde auch nicht schreiben, weil Sie es zu Ihrer Beruhigung also verlangen. Ich hatte mir es schon eingebildet, Sie fürchten sich zu sehr, und doch haben Sie sich gar nicht zu fürchten; denn Sie – Sie sind so gut als ich beleidiget. Ich verlange nicht, daß Sie einen Lärm machen sollen oder sich im mindesten beschweren sollen; allein der Erzbischof und das ganze Gesindel müssen sich fürchten von dieser Sache mit Ihnen zu sprechen, denn Sie, mein Vater, können ohne mindester Furcht (wenn man Sie dazu bringt) frei sagen, daß Sie sich schämen würden, einen Sohn auferzogen zu haben, welcher von einem solchen infamen Hundsfut wie der Arco ist, sich so geradezu schimpfen ließe, und Sie könnten alle versichern, daß wenn ich heute das Glück haben würde ihn zu treffen, ihm so begegnen würde, wie er es verdiene, und daß er sich gewiß sein Lebetag meiner[303] erinnern wird. Das ist was ich verlange und sonst nichts, daß Ihnen jedermann ansieht, daß Sie sich nicht zu fürchten haben. Stille sein; wenns aber nothwendig ist, reden, und so reden, daß es geredet ist. Der Erzbischof hat unter der Hand dem Kozeluch [beliebtem Clavierspieler und Componist in Wien, später Mozarts eifrigem Gegner] 1000 Fl. antragen lassen; dieser hat sich aber bedanken lassen mit dem Zusatz: daß er hier besser stünde, und wenn er es nicht verbessern könnte, würde er niemals weggehen. Zu seinen Freunden sagte er aber: »Die Affaire mit dem Mozart schreckt mich aber am meisten ab; wenn er so einen Mann von sich läßt, wie würde er es erst mir machen.« Nun sehen Sie, wie er mich kennt und meine Talente schätzt!

Wenn der Mr. Marchal oder der Capitelsyndikus nach Wien reiset, so würden Sie mir sehr viel Vergnügen machen, wenn Sie mir meine Favorituhr schicken wollten; ich wollte Ihnen die Ihrige zurückschicken, wenn Sie mir auch die kleine schicken wollten: das wäre mir sehr lieb. Wegen den Messen habe ich Ihnen schon letzthin geschrieben. Die drei Cassationen brauchte ich gar nothwendig, wenn ich nur unterdessen die ex F und B habe; die ex D könnten Sie mir mit Gelegenheit abschreiben lassen und nachschicken, denn das Copiaturgeld trägt hier gar zu viel aus, und sie schreiben gar zu unchristlich. – Nun muß ich nur noch geschwind vom Marchand schreiben, so viel ich weiß.70 Der kleinere hat, wenn ihn sein Vater bei Tisch corrigirt hat, ein Messer genommen und gesagt: »Hier sehen Sie Papa, wenn Sie nur ein Wort sagen, so schneid ich mir den Fingerwurz ab, und dann haben Sie mich als einen Krüppel und müssen mir zu fressen geben.« Und beide haben öfters schlecht von ihrem Vater bei den Leuten gesprochen. Sie werden sich wohl der Mademoiselle Boudet erinnern, die im Hause ist; nun die sieht der Alte gern, und da sprachen die 2 Buben infam davon. Dieser Hennerle, als er 8 Jahr alt war, sagte er zu einem gewissen Mädchen:[304] »In Ihren Armen würde ich freilich besser schlafen, als wenn ich wach werde und habe dafür das Kopfkissen.« Er machte ihr auch eine förmliche Liebeserklärung und Heirathsantrag mit dem Beisatz: »Jetzt kann ich Sie freilich nicht heirathen, aber wenn mein Vater todt sein wird, da bekomme ich Geld, denn er ist nicht leer, und da wollen wir recht gut zusammen leben; unterdessen wollen wir uns lieben und ganz unsere Liebe genießen; denn was Sie mir jetzt erlauben, dürfen Sie mir hernach nicht erlauben.« Ich weiß auch, daß in Mannheim kein Mensch mehr seine Buben hingelassen hat, wo des Marchands seine waren, denn sie sind erwischt worden, wie sie sich selbst einander – – geholfen haben. Uebrigens ist es sehr schad um den Burschen, und Sie, mein Vater, glaube ich, werden ihn ganz umwenden können; denn der Vater und Mutter Comödiant, den ganzen Tag hören sie nichts als von Liebe, Verzweiflung, Mord und Tod reden und laut lesen; der Vater ist denn noch für sein Alter ein wenig zu schwach, mithin ist kein gutes Exempel da. –

70

Marchand war Theaterdirector in Mannheim gewesen. Mozarts Vater hatte seinen Sohn Heinrich zu seiner Ausbildung ins Haus genommen; später nahm er auch die Tochter Margaretha zu sich.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 303-305.
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