229. K.K. Hofbibliothek in Wien.90

[412] Linz 31. Oct. 1783.

Wir sind gestern, den 30. October früh um 9 Uhr glücklich hier angelangt. Den ersten Tag haben wir in Vöcklabruck übernachtet. Den folgenden Tag sind wir Vormittags in Lambach angekommen, und ich kam eben recht, um bei dem Amte das Agnus Dei mit der Orgel zu begleiten. Der Hr. Prälat hatte die größte Freude, mich wieder zu sehen, erzählte mir auch die Anecdote zwischen ihm und Ihnen in Salzburg. Wir blieben den ganzen Tag allda, wo ich auf der Orgel und auf einem Clavichord spielte. – Ich hörte, daß den andern Tag zu Ebersberg bei Hrn. Pfleger Steurer (dessen Gemahlin die Schwester der Frau von Barisani ist) eine Oper aufgeführt wird, mithin ganz Linz alldort versammelt sein wird. Ich entschloß mich also auch dabei zu sein, und fuhren dahin. Da kam gleich der junge Graf Thun (Bruder zu dem Thun in Wien) zu mir und sagte, daß sein Hr. Vater schon vierzehn Tage auf mich wartete, und ich möchte nur gleich bei ihm anfahren, denn ich müßte bei ihm logiren. Ich sagte, ich würde schon in einem Wirthshause absteigen. Als wir den andern Tag zu Linz beim Thore waren, war schon ein Bedienter da, um uns zum alten Grafen Thun zu führen, allwo wir nun auch logiren. Ich kann Ihnen nicht genug sagen, wie sehr man uns in diesem Hause mit Höflichkeiten überschüttet. Dienstag als den 4. November werde ich hier im Theater Academie geben, und weil ich keine einzige Sinfonie bei mir habe, so schreibe ich über Hals und Kopf an einer neuen, welche bis dahin fertig sein muß. Nun muß ich schließen, weil ich nothwendigerweise arbeiten muß. Meine Frau und ich küssen Ihnen die Hände, bitten Sie um Verzeihung, daß wir Ihnen so lange Ungelegenheit gemacht haben, und danken nochmals recht sehr für alles Empfangene. Nun leben Sie wohl. Die Grethel, den Heinrich [Marchand, vgl. S. 304], von welchen wir hier schon viel gesprochen, und die Hanni grüßen wir von Herzen, – besonders der Grethel laß[413] ich sagen, sie solle im Singen keinem Fuchsschwanz gleichen; denn die Leckereien und Küssereien sind nicht allzeit angenehm. Nur dumme Eseln kann man mit so etwas betrügen. Ich wenigstens will lieber einen Bauernkerl gedulden, der sich nicht scheut vor meinem Angesicht zu sch– und zu br-, als daß ich mich durch so falsche Kalfaltereien übertölpeln lassen könnte, die doch so übertrieben sind, daß man sie mit Händen greifen kann. –

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Die wortgetreue Abschrift verdanke ich der Güte des Hrn. Dr. Faust Pachler in Wien.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 412-414.
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