230. Herr Roman Zäch in Wien.91

[414] Wien 6. Dez. 1783.

Da ich nicht vermuthen konnte, daß Sie mir eher nach Wien schreiben würden, ehe ich Ihnen meine Ankunft allda berichtete, so ging ich erst heute zum Peißer, um wegen eines Briefes Nachfrage zu thun, allwo ich denn Ihr Schreiben vom 21. November fand, welches schon 12 Tage hier lag.

Sie werden sich erinnern, daß als Sie nach München kamen als ich die große Opera schrieb [S. 260] Sie mir die Schuld von 12 Louisd'or, so ich an Hrn. Scherz in Straßburg gemacht habe [S. 210], vorhielten – mit den Worten: »Mich verdrießt nur Dein weniges Vertrauen so Du zu mir hast – genug ich habe halt nun die Ehre 12 Louisd'or zu bezahlen.« – Ich reiste nach Wien, Sie nach Salzburg. Nach Ihren Worten mußte ich glauben, daß ich mich wegen diesem nichts mehr zu besorgen hätte; ferner, wenn es nicht geschehen wäre, so würden Sie mirs schreiben und nun, da ich bei Ihnen war, mündlich sagen. Stellen Sie sich nun meine Verlegenheit und Erstaunen vor, als vorgestern Jemand aus des Hrn. Bankier Oechsers Schreibstube zu mir kam und mir einen Brief brachte; der Brief war von Hrn. Hafner in Salzburg [S. 366 u.a.], worin ein Einschluß von Hrn. Scherz war. – – Weil es nun ganze 5 Jahre sind, so sind auch die Interessen verlangt[414] worden, worauf ich aber ganz gerade sagte, daß da nichts daraus wird, indem es nur ein auf 6 Wochen ausgestellter Wechsel, folglich ein verfallener Wechsel sei. Jedoch in Betrachtung der Freundschaft des Hrn. Scherz zahle ich das Kapital, keine Interessen sind nicht verschrieben, folglich bin ich auch keine schuldig. – Ich verlange nichts bei Ihnen, liebster Vater, als daß Sie die Güte haben nur bis einen Monat bei Hrn. Hafner oder vielmehr Triendl für mich gut zu stehen. – Sie als ein Mann von Erfahrung können sich leicht vorstellen, daß es mir eben jetzt sehr ungelegen wäre mich zu entblößen.

Was92 mir bei der ganzen Sache am unangenehmsten ist, ist daß Hr. Scherz nicht die beste Meinung von mir haben wird, – ein Beweis, daß Ungefähr, Zufall, Umstände, Mißverstand und was weiß ich Alles öfters einen Mann unschuldigerweise um seine Ehre bringen können! Warum hat Hr. Scherz die ganze lange Zeit nichts mehr von sich hören lassen? Mein Name ist doch nicht so verborgen! Meine Oper [Entführung], welche in Straßburg aufgeführt worden, hat ihn doch wenigstens müssen vermuthen lassen, daß ich in Wien war? Und dann seine Correspondance mit dem Hafner in Salzburg! Hätte er sich das erste Jahr gemeldet, so hätte ich ihn auf der Stelle und mit Vergnügen gezahlt; ich werde es auch jetzt thun, aber auf der Stelle bin ich es nicht im Stande.

Nun von etwas Anderem. – Es fehlen nur noch drei Arien, so ist der erste Act von meiner Opera [L' oca del Cairo] fertig. Die Aria buffa, das Quartett und das Finale kann ich sagen, daß ich ganz vollkommen damit zufrieden bin und mich in der That darauf freue. Darum wäre mir leid, wenn ich eine solche Musik müßte umsonst gemacht haben, das heißt, wenn nicht das geschieht was unumgänglich nöthig ist. Weder Sie noch der Abbate Varesco, noch ich haben die Reflexion gemacht daß es sehr übel lassen wird, ja die Opera wirklich fallen muß, wenn keine von den zwei Haupt-Frauenzimmern[415] eher als bis auf den letzten Augenblick auf das Theater kommen, sondern immer in der Festung auf der Bastei oder Rempart herumspazieren müssen. Einen Act durch traue ich den Zusehern noch so viel Geduld zu, aber den zweiten können sie unmöglich aushalten, das kann nicht sein. Diese Reflexion machte ich erst in Linz – und da ist kein ander Mittel, als man läßt im zweiten Act etwelche Scenen in der Festung vorgehen – camera della fortezza. Man kann die Scene machen, wie Don Pippo Befehle gibt die Gans in die Festung zu bringen, daß dann das Zimmer in der Festung vorgestellt wird, worin Celidora und Lavina sind. Pantea kömmt mit der Gans herein – Biondello schlüpft heraus – man hört Don Pippo kommen, Biondello ist nun wieder Gans. Da läßt sich nun ein gutes Quintett anbringen, welches desto komischer sein wird, weil die Gans auch mitsänge. – Uebrigens muß ich Ihnen sagen, daß ich über die ganze Ganshistorie nur deswegen nichts einzuwenden hatte, weil zwei Männer von mehr Einsicht und Ueberlegung als ich sich nichts dagegen einfallen ließen, und das sind Sie und Varesco. Jetzt ist es aber noch Zeit auf andere Sachen zu denken. Biondello hat einmal versprochen daß er in den Thurm hineinkommt; wie er es nun anfängt, ob er durch eine gemachte Gans oder durch eine andere List hineinkömmt, ist nun einerlei. Ich dächte, man könnte viel komischere und natürlichere Sachen vorbringen, wenn auch Biondello in Menschengestalt bliebe. Zum Beispiel könnte die Nachricht, daß sich Biondello aus Verzweiflung daß es ihm nicht möglich wäre in die Festung zu kommen den Wellen übergeben hätte, gleich am Anfange des zweiten Acts geschehen, er könnte sich dann als ein Türk oder was weiß ich verkleiden und Pantea als eine Sklavin (versteht sich als eine Mohrin) vorführen. Don Pippo ist Willens die Sklavin für seine Braut zu kaufen; dadurch darf der Sklavenhändler und die Mohrin in die Festung um sich beschauen zu lassen. Dadurch hat Pantea Gelegenheit ihren Mann zu cujoniren und ihm tausend Impertinenzen anzuthun, und bekommt eine bessere Rolle; denn je komischer die wälsche Opera ist, desto besser. – Nun bitte ich Sie dem Herrn Abbate Varesco meine Meinung recht begreiflich zu[416] machen, und ich ließe ihn bitten fleißig zu sein – ich habe auf die kurze Zeit geschwind genug gearbeitet. Ja, ich hätte den ganzen ersten Act fertig, wenn ich nicht noch in einigen Arien in den Wörtern Veränderungen brauchte, welches ich aber bitte ihm jetzt noch nicht zu sagen.

Meine deutsche Oper »Die Entführung aus dem Serail« ist in Prag und in Leipzig sehr gut und mit allem Beifall gegeben worden. Ich bitte Sie schicken Sie sobald als möglich meinen »Idomeneo«, die 2 Violinduetten [die er in Salzburg für M. Haydn geschrieben hatte, Köchel Nr. 423] und Seb. Bach's Fugen. Idomeneo brauche ich, weil ich diese Fasten (nebst meiner Academie im Theater) 6 Subscriptionsacademien geben werde, wo ich auch diese Oper produciren möchte.

Nun Adieu. – Ich bitte den Varesco recht zu bereden und zu pressiren. Bitte bald die Musiken zu schicken. Die Grethl, den Heinrich und die Hanni küssen wir. Der Grethl werde ich nächster Tage schreiben. Dem Heinrich lasse ich sagen, daß ich in Linz und hier schon vieles zu seinem Vortheil geredet habe. Er soll sich recht auf das Staccato begeben; denn nur in diesem können die Wiener den La Motte nicht vergessen. Adieu.

Am 10. Dezember meldet Mozart dem Vater daß die Lange zu einer ihr bewilligten Vorstellung seine Entführung aus dem Serail gewählt hätte und schreibt dazu: »Thun Sie Ihr Möglichstes daß mein Buch gut ausfällt. Ich wollte wünschen, ich könnte die zwei Frauenzimmer auch im ersten Act, wenn sie die Arie singen, von der Bastei herabbringen, will ihnen gern erlauben, daß sie das ganze Finale oben singen.« In dem folgenden, bisher ungedruckten Briefe, dessen Copie ich ebenfalls der Güte des Herrn Dr. Faust Pachler verdanke, wird die Sache nochmals näher abgehandelt.

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Der Herr Besitzer, k.k. Ministerial-Officiat, hat mir mit liebenswürdiger Bereitwilligkeit eine Copie dieses Briefes, der früher im Besitze der Frau von Baroni-Cavalcabo war, sogleich eingesandt.

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Von hier bis zum Schluß dieses Absatzes nach Jahn II, 324, Anm., da die Zäch'sche Copie diese ohne Zweifel ächte Stelle seltsamer Weise nicht hat.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 414-417.
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