73. Mozarteum.

[85] Mannheim 8. Nov. 1777.

Ich habe heute Vormittag bei Hrn. Cannabich das Rondo zur Sonate für seine Mademoiselle Tochter geschrieben, folglich haben sie mich nicht mehr weggelassen. Der Churfürst, sie und der ganze Hof, ist sehr mit mir zufrieden. In der Academie, alle zweimal wie ich spielte, so ging der Churfürst und sie völlig neben mir zum Clavier. Nach der Academie machte Cannabich, daß ich den Hof sprechen konnte. Ich küßte dem Churfürsten die Hand. Er sagte: »Es ist jetzt, glaube ich, 15 Jahr, daß Er nicht hier war.« – »Ja, Euer Durchlaucht, 15 Jahr, daß ich nicht die Gnade gehabt habe.« – »Er spielt unvergleichlich.« Die Prinzessin, als ich ihr die Hand küßte, sagte zu mir: »Monsieur je vous assure, on ne peut pas jouer mieux.«

Gestern war ich an dem Ort mit Cannabich, wo die Mama schon geschrieben hat [bei den natürlichen Kindern Carl Theodor's]. Da sprach ich den Churfürst wie meinen guten Freund. Er ist ein recht gnädiger und guter Herr. Er sagte zu mir: »Ich habe gehört, Er hat zu München eine Opera geschrieben« [La finta gardiniera]. »Ja, Euer Durchlaucht. Ich empfehle mich Euer Durchlaucht zu höchster Gnade, mein größter Wunsch wäre hier eine Oper zu schreiben: ich bitte auf mich nicht ganz zu vergessen. Ich kann Gott Lob und Dank auch deutsch«, und schmutzte. »Das kann leicht geschehen.« – Er hat einen Sohn und drei Töchter. Die älteste und der junge Graf spielen Clavier. Der Churfürst fragte mich ganz vertraut um alles wegen seiner Kinder. Ich redete ganz aufrichtig, doch ohne den Meister zu verachten. Cannabich war auch meiner Meinung. Der Churfürst, als er ging, bedankte sich sehr höflich bei mir.

Heute nach Tisch gleich um 2 Uhr ging ich mit Cannabich zum Flötisten Wendling. Da war alles in der größten Höflichkeit.[85] Die Tochter, welche einmal Maitresse von dem Churfürsten war, spielt recht hübsch Clavier. Hernach habe ich gespielt. Ich war heute in so einer vortrefflichen Laune, daß ich es nicht beschreiben kann. Ich habe nichts als aus dem Kopf gespielt, und drei Duetti mit Violine, die ich mein Lebtage niemals gesehen und deren Autor ich niemals nennen gehört habe. Sie waren allerseits so zufrieden, daß ich – – die Frauenzimmer küssen mußte. Bei der Tochter kam es mir gar nicht hart an; denn sie ist gar kein Hund.

Hernach gingen wir abermals zu den natürlichen Kindern des Churfürsten. Da spielte ich recht von ganzem Herzen. Ich spielte 3 Mal. Der Churfürst ersuchte mich allzeit selbst darum. Er setzte sich allzeit neben mich und blieb unbeweglich. Ich ließ mir auch von einem gewissen Professor ein Thema zu einer Fuge geben und führte sie aus.

Nun folgt die Gratulation!

Allerliebster Papa!

Ich kann nicht poetisch schreiben; ich bin kein Dichter. Ich kann die Redensarten nicht so künstlich eintheilen, daß sie Schatten und Licht geben; ich bin kein Maler. Ich kann sogar durchs Deuten und durch Pantomime meine Gesinnungen und Gedanken nicht ausdrücken; ich bin kein Tänzer. Ich kann es aber durch Töne; ich bin ein Musikus. Ich werde auch morgen eine ganze Gratulation sowohl für dero Namens- als Geburtstag bei Cannabich auf dem Clavier spielen. Für heute kann ich nichts als Ihnen, mon très cher père, alles von ganzem Herzen wünschen, was ich Ihnen alle Tage, morgens und abends wünsche: Gesundheit, langes Leben und ein fröhliches Gemüth. Ich hoffe auch, daß Sie jetzt weniger Verdruß haben, als da ich noch in Salzburg war. Denn ich muß bekennen, daß ich die einzige Ursache war. Man ging mit mir schlecht um; ich verdiente es nicht. Sie nahmen natürlicherweise Antheil – – aber zu sehr. Sehen Sie, das war auch die größte und wichtigste Ursache, warum ich so von Salzburg weg eilte. Ich hoffe auch mein Wunsch ist erfüllt. – Nun muß ich mit einer musikalischen Gratulation schließen. Ich wünsche Ihnen, daß Sie so viele Jahre leben möchten, als man Jahre braucht, um gar nichts Neues mehr[86] in der Musik machen zu können. Nun leben Sie recht wohl; ich bitte Sie recht unterthänig, mich noch ein bischen lieb zu haben und mit diesem schlechten Glückwunsch unterdessen vorlieb zu nehmen, bis in meinem engen und kleinen Verstandeskasten neue Schubladen gemacht werden, wo ich den Verstand hinthun kann, den ich noch zu bekommen im Sinn habe.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 85-87.
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