74. Mozarteum.

[87] Mannheim 13. Nov. 1777.

Wir haben die letzten 2 Briefe richtig erhalten. Nun muß ich auf alles genau antworten. Ich habe den Brief, in welchem steht, daß ich mich erkundigen soll um die Eltern des Becke [in Wallenstein S. 76], erst in Mannheim bekommen, folglich zu spät, um dieses ins Werk zu stellen; denn selbst wäre es mir gar nicht eingefallen, dieses zu thun, weil mir in der That gar nichts daran liegt. Nun, will der Papa wissen, wie ich von ihm bin empfangen worden? – – Recht gut und sehr höflich. Er fragte, wo ich hin ginge. Ich sagte glaublicherweis nach Paris. Er rieth mir dann Vieles, indem er sagte, er sei auch erst dort gewesen. »Mit Lectiongeben werden Sie sich viel machen, denn das Clavier wird in Paris sehr hochgeschätzt.« Er machte gleich Anstalt, daß man mich zur Offiziertafel nahm. Er machte, daß ich mit dem Fürsten sprechen konnte. Es war ihm sehr leid, daß er just Halswehe hatte (welches aber wirklich wahr war) und nicht selbst ausgehen konnte, um mir Unterhaltung zu verschaffen. Es war ihm auch leid, daß er mir zu Ehren keine Musik machen lassen könnte, weil die meisten diesen Tag eben aus Recreation zu Fuß bis was weiß ich, gereiset sind. Ich mußte auf sein Ersuchen sein Clavichord versuchen, welches sehr gut ist. Er sagte oft bravo. Ich phantasirte und spielte die Sonate ex B und D. Mit einem Wort, er war sehr höflich, und ich höflich aber ganz seriös. Wir wurden von unterschiedlichen Sachen zu reden, unter andern von Wien, daß nemlich der Kaiser [Joseph II.] kein großer Liebhaber von der Musik sei. Er sagte: »Das ist wahr, ein Kenner ist er vom Satz, sonst weiter nichts; ich weiß mich noch zu erinnern[87] (hier rieb er sich die Stirn), daß wie ich vor ihm spielen mußte, so wußte ich gar nicht, was ich spielen sollte; so fing ich denn an Fugen zu spielen und dergleichen Kindereien, wo ich heimlich selbst darüber lachte.« – – Ich habe geglaubt, ich kann mich nicht halten und muß ihm sagen: »Ich gebe Ihnen zu, daß Sie darüber gelacht haben, aber schwerlich so sehr wie ich gelacht haben würde, wenn ich Sie gehört hätte.« Weiters sagte er (wie es auch wahr ist), daß beim Kaiser im Cabinet Musik gemacht wird, daß die Hunde davon laufen möchten. Da sagte ich halt, daß ich allzeit, wenn ich mich nicht bald aus dem Staube mache, bei dergleichen Musiken Kopfweh bekomme. »O nein, das macht mir gar nichts; eine schlechte Musik greift meine Nerven nicht an, aber eine schöne, da kann ich Kopfweh bekommen.« Da dachte ich mir wieder: Ja, so ein seichter Kopf wie du bekommt freilich gleich Schmerzen, wenn er etwas hört, welches er nicht begreifen kann.

Nun etwas von hier. Gestern habe ich mit Cannabich zum Hrn. Intendant Graf Savioli gehen müssen, um mein Präsent abzuholen. Es war so wie ich mir es eingebildet habe: nichts in Geld, eine schöne goldene Uhr. Mir wären aber jetzt 10 Carolin lieber gewesen, als die Uhr, welche man mit Ketten und Devisen auf 20 Carolin schätzt. Auf der Reise braucht man Geld. Nun habe ich mit dero Erlaubniß 5 Uhren. Ich habe auch kräftig im Sinn, mir an jeder Hosen noch ein Uhrtaschl machen zu lassen und wenn ich zu einem großen Herrn komme, beide Uhren zu tragen (wie es ohnehin jetzt Mode ist), damit nur keinem mehr einfällt mir eine Uhr zu verehren. – Ich sehe aus des Papa Schreiben, daß Sie des Vogler's Buch27 nicht gelesen haben. Ich habe es jetzt gelesen, denn ich habe es vom Cannabich entliehen. Nun seine Historie ganz kurz. Er kam miserable her, producirte sich auf dem Clavier, machte ein Ballet; man hatte Mitleiden, der Churfürst schickte ihn nach Italien. Als der Churfürst nach Bologna kam, fragte er den P. Baloti wegen dem Vogler. O altezza, questo è un grand uomo! etc. Er fragte auch den P. Martini.Altezza, è buono; ma à poco à poco;[88] quando sara poco più vecchio, più sodo, si farà, si farà. Ma bisogna che si cangà molto. Als der Vogler zurückkam, wurde er geistlich und gleich Hofkaplan, producirte ein Miserere, welches, wie mir Alles sagt, nicht zu hören ist, denn es geht alles falsch. Er hörte, daß man es nicht viel lobte. Er ging also zum Churfürst und beklagte sich, daß das Orchester ihm zu Fleiß und Trotz schlecht spielte; mit einem Wort, er wußte es halt so gut herum zu drehen (spielte auch so kleine ihm nutzbare Schlechtigkeiten mit Weibern), daß er Vice-Capellmeister geworden. Er ist ein Narr, der sich einbildet, daß nichts Besseres und Vollkommeneres sei als er. Das ganze Orchester von oben bis unten mag ihn nicht. Er hat dem Holzbauer viel Verdruß gemacht. Sein Buch dient mehr zum Rechnen-lernen, als zum Componiren-lernen. Er sagt, er macht in 3 Wochen einen Compositeur und in 6 Monaten einen Sänger; man hat es aber noch nicht gesehen. Er verachtet die größten Meister. Mir selbst hat er den Bach [Johann Christian, Joh. Sebastians jüngsten Sohn, genannt »der Londoner Bach«] verachtet. Bach hat hier 2 Opern geschrieben, wovon die erste besser gefallen als die zweite. Die zweite war Lucio Silla. Weil ich nun die nämliche Oper zu Mailand geschrieben habe, so wollte ich sie sehen. Ich wußte vom Holzbauer, daß sie Vogler hat. Ich begehrte sie von ihm. »Von Herzen gern, morgen werde ich sie Ihnen gleich schicken; Sie werden aber nicht viel Gescheutes sehen.« Etliche Tage darauf, als er mich sah, sagte er zu mir ganz spöttisch: »Nun, haben Sie was Schönes gesehen, haben Sie was daraus gelernt? – – eine Aria ist gar schön. – Wie heißt der Text«, fragte er einen der neben ihm stand. – »Was für eine Aria?« – »Nun die abscheuliche Aria vom Bach, die Sauerey – – ja Pupille amate. Die hat er gewiß im Punschrausch geschrieben.« – Ich habe geglaubt, ich müßte ihn beim Schopf nehmen; ich that aber, als wenn ich es nicht gehört hätte, sagte nichts und ging weg. Er hat beim Churfürsten auch schon ausgedient.

Nun ist die Sonate für die Mademoiselle Rosa Cannabich auch schon fertig. – Vergangenen Sonntag spielte ich aus Spaß die Orgel in der Capelle. Ich kam unter dem Kyrie, spielte[89] das Ende davon und nachdem der Priester das Gloria angestimmt, machte ich eine Cadenz. Weil sie aber gar so verschieden von den hier gewöhnlichen war, so guckte alles um, und besonders gleich der Holzbauer. Er sagte zu mir: »Wenn ich das gewußt hätte, so hätte ich Ihnen eine andere Messe aufgelegt.« »Ja«, sagte ich, »damit Sie mich angesetzt hätten.« – – Der alte Toeschi und Wendling stunden immer neben mir. Die Leute hatten genug zu lachen. Es stand dann und wann pizzicato. Da gab ich allzeit den Tasten Batzeln, ich war in meinem besten Humor. Anstatt dem Benedictus muß man hier allzeit spielen. Ich nahm also den Gedanken vom Sanctus und führte ihn fugirt aus. Da standen sie alle da und machten Gesichter. Auf die Letzt nach dem Ita missa est spielte ich eine Fuge. Das Pedal ist anders als bei uns; das machte mich anfangs ein wenig irre, aber ich kam gleich drein.

Nun muß ich schließen. Schreib der Papa uns nur immer noch nach Mannheim. Die Sonaten von Misliweczeck [vgl. Nr. 64] weiß ich wie sie sind. Ich hab sie jetzt zu München gespielt. Sie sind ganz leicht und gut ins Gehör. Mein Rath wäre, meine Schwester, der ich mich unterthänigst empfehle, solle sie mit vieler Expression, Gusto und Feuer spielen und auswendig lernen. Denn das sind Sonaten, welche allen Leuten gefallen müssen, leicht auswendig zu lernen sind und Aufsehen machen, wenn man sie mit gehöriger Präcision spielt.

27

Tonwissenschaft und Tonsetzkunst. Mannheim 1776. 8.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 87-90.
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