80. Mozarteum.

[102] Mannheim 29. Nov. 1777.

Heute Vormittag habe ich Ihren Brief vom 24. richtig erhalten und daraus ersehen, daß Sie sich nicht in Glück und Unglück schicken könnten, wenn wir allenfals so etwas übern Hals bekämen. Bis dato waren wir alle vier, wie wir sind, niemals glücklich noch unglücklich, und dafür danke ich Gott. Sie machen uns Beiden viele Vorwürfe, und ohne daß wir es verdienen. Wir machen keine Ausgaben die nicht nothwendig sind; und was auf der Reise nothwendig ist, wissen Sie so gut und besser als wir. Daß wir uns in München so lange aufgehalten ist kein Mensch Ursache als ich; und wenn ich allein gewesen wäre, so wäre ich ganz gewiß in München geblieben. Daß wir uns in Augsburg 14 Tage aufgehalten? – Ich sollte fast glauben, Sie hätten meine Briefe aus Augsburg nicht bekommen? – Ich wollte ein Concert geben, – ich wurde angesetzt; da waren 8 Tage weg. Ich wollte absolument verreisen, man ließ mich nicht, man wollte ich sollte ein Concert geben. Ich wollte gebeten sein, es geschah auch. Ich gab ein Concert. Da sind nun die 14 Tage. Daß wir gleich nach Mannheim sind? – Dieß habe ich in meinem letzten Brief beanwortet. Daß wir noch hier sind? – Ja, – können Sie denn glauben, daß ich ohne Ursache wo bleiben würde? – Aber man könnte doch dem Vater – – Gut, Sie sollen die Ursache, ja den ganzen Hergang der Sache wissen. Aber bei Gott, ich wollt davon nichts schreiben, weil ich (so wenig als heute) etwas Ausführliches schreiben konnte und Sie folglich mit einer ungewissen Nachricht (wie ich Sie kenne) in Sorgen und Kummer gesetzt hätte, welches ich allzeit zu vermeiden suchte. Wenn Sie aber die Ursache meiner Nachlässigkeit, Sorglosigkeit und Faulheit zuschreiben, so kann ich nichts als mich für[102] Ihre gute Meinung bedanken und von Herzen bedauern, daß Sie mich, Ihren Sohn, nicht kennen. Ich bin nicht sorglos, ich bin nur auf alles gefaßt und kann folglich alles mit Geduld erwarten und ertragen, – wenn nur meine Ehre und mein guter Namen Mozart nicht darunter leidet. Nun weil es halt so sein muß, so sei es. Ich bitte aber im Voraus sich nicht vor der Zeit zu freuen oder zu betrüben; denn es mag geschehen, was da will, so ist es gut, wenn man nur gesund ist; denn die Glückseligkeit bestehet – bloß in der Einbildung.

Den vergangenen Dienstag 8 Tage, nemlich den Tag vor Elisabeth ging ich vormittags zum Graf Savioli und fragte ihn, ob es nicht möglich wäre, daß mich der Churfürst diesen Winter behielte? ich wolle die junge Herrschaft instruiren. Er sagte: »Ja, ich will es dem Churfürst proponiren, und wenn es bei mir besteht so geschieht es gewiß«. Nachmittags war ich bei Cannabich und weil ich auf sein Anrathen zum Grafen gegangen bin, so fragte er mich gleich, ob ich dort war? Ich erzählte ihm Alles, er sagte mir: »Mir ist es sehr lieb wenn Sie den Winter bei uns bleiben, aber noch lieber wäre es mir, wenn Sie immer und recht in Diensten wären.« Ich sagte: »Ich wollte nichts mehr wünschen, als daß ich immer um Sie sein könnte, aber auf beständig wüßte ich wirklich nicht, wie das möglich wäre. Sie haben schon zwei Capellmeister, ich wüßte also nicht was ich sein könnte; denn dem Vogler möchte ich nicht nachstehen!« »Das sollen Sie auch nicht«, sagte er. »Hier steht kein Mensch von der Musik, unter dem Capellmeister, nicht einmal unter dem Intendant. Der Churfürst könnte Sie ja zum Kammercompositeur machen. Warten Sie, ich werde mit dem Grafen darüber sprechen.« – Donnerstag darauf war große Academie. Als mich der Graf gesehen hatte, bat er mich um Verzeihung daß er noch nichts geredet hat, indem jetzt die Gallatage sind; sobald aber die Galla vorbei sein wird, nemlich Montag, so wird er gewiß reden. Ich ließ 3 Tage vorbei gehen; und als ich gar nichts hörte, so ging ich zu ihm, um mich zu erkundigen. Er sagte: »Mein lieber Mr. Mozart (das war Freitag, nemlich gestern), heut war Jagd, mithin habe ich den Churfürsten unmöglich[103] fragen können; aber morgen um die Zeit werde ich Ihnen gewiß eine Antwort sagen können.« Ich bat ihn er möchte doch nicht vergessen. Die Wahrheit zu gestehen, so war ich, als ich weg ging, ein wenig aufgebracht und entschloß mich also, meine leichtesten 6 Variationen über den Fischerschen Menuett (die ich schon eigens wegen dessen hier aufgeschrieben habe) dem jungen Grafen zu bringen, um Gelegenheit zu haben, mit dem Churfürsten selbst zu reden. Als ich hin kam, so können Sie sich die Freude nicht vorstellen von der Gouvernante. Ich ward sehr höflich empfangen. Als ich die Variationen herauszog und sagte, daß sie für den Grafen gehören, sagte sie: »O das ist brav, aber Sie haben ja doch für die Komtesse auch was?« – »Jetzt noch nicht«, sagte ich, »wenn ich aber noch so lange hier bleibe, daß ich etwas zu schreiben Zeit habe, so werde ich« – »Apropos« sagte sie, »das freuet mich, Sie bleiben den ganzen Winter hier.« »Ich? – da weiß ich nichts!« – »Das wundert mich, das ist curios, mir sagte es neulich der Churfürst selbst. Apropos, sagte er, der Mozart bleibt den Winter hier.« – »Nu, wenn er es gesagt hat, so hat es derjenige gesagt, der es sagen kann, denn ohne den Churfürsten kann ich natürlicherweise nicht hier bleiben.« Ich erzählte ihr nun die ganze Geschichte. Wir wurden eins, daß ich morgen als heute nach 4 Uhr hinkommen und für die Komtesse etwas mitbringen würde. Sie werden (ehe ich komme) mit dem Churfürsten reden; und ich werde ihn noch antreffen. Ich bin heute hingegangen, aber er ist heute nicht gekommen. Morgen werde ich aber hingehen. Ich habe für die Komtesse ein Rondo gemacht. Habe ich nun nicht Ursache genug hier zu bleiben und das Ende abzuwarten? – Sollte ich etwa jetzt, wo der größte Schritt gethan ist, abreisen? – Jetzt habe ich Gelegenheit mit dem Churfürsten selbst zu reden. Den Winter glaube ich werde ich wohl vermuthlich hier bleiben, denn der Churfürst hat mich lieb, hält viel auf mich und weiß was ich kann. Ich hoffe Ihnen im künftigen Brief eine gute Nachricht geben zu können. Ich bitte Sie noch einmal sich nicht zu früh zu freuen oder zu sorgen und die Geschichte keinem Menschen als Hrn. Bullinger und meiner Schwester zu vertrauen. – Hier schicke ich meiner[104] Schwester das Allegro und Andante von der Sonate für die Mademoiselle Cannabich. Das Rondo folgt nächstens, es wäre zu dick gewesen alles zusammen zu schicken. Sie müssen schon mit dem Original verlieb nehmen, Sie können sich es leichter um 6 Kr. den Bogen abschreiben lassen, als ich um 24 Kr., finden Sie das nicht theuer? – Adieu. Sie werden wohl ein klein bischen von der Sonate gehört haben, denn beim Cannabich wird sie des Tages gewiß 3 Mal gesungen, geschlagen, gegeigt oder gepfiffen! – freilich nur sotto voce.

Quelle:
Mozarts Briefe. Nach den Originalen herausgegeben von Ludwig Nohl. Salzburg 1865, S. 102-105.
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