[111] Aristides

oder der bürgerliche Philosoph, aus dem Französischen übersetzt 1771.

[111] Der Uebersetzer

an den Herrn Wolfgang Mozart,

Hochfürstl. Salzburgischen Concert-Meister.


Verwundern Sie sich nicht, mein Herr, daß ich eine Schrift aus dem Französischen übersetzet habe, welche Ihnen zur Ehre auf Ihrer Reise durchs Schweitzerland von einer durchlauchtigen Feder (wie man muthmaßet) ist aufgesetzet worden.

Ich suche nicht damit Dero Ruhm zu vergrößern, den Sie schon von gekrönten Häuptern einige Zeit her sich erworben haben. Ach nein! Dieses wäre eine Thorheit von mir, und eben so viel, als wenn ich dem in vollen Flammen stehenden Vesuvio ein kleines Nachtlicht wollte anhängen, um denselben noch sichtbarer zu machen.

Das hat mich darzu bewogen, daß der durchlauchtige Redner in Ihnen nicht nur den natürlichen, sondern auch den sittlichen Menschen beobachtet und gefunden hat; fürwahr ein schöner Gegenwurf, der einer Betrachtung würdig ist1 ......

Fußnoten

1 Später folgt die Uebersetzung einer am 11. October 1766 in Lausanne gehaltenen, in einem Wochenblatt(Aristide ou le citoyen, XVI; à Lausanne chez François Grasset et Comp.) erschienenen Rede. Der Verfasser derselben spricht von der Verschiedenheit der natürlichen Anlagen des Menschen, von den Zufälligkeiten, Umständen und Bedingungen, von denen die Entwickelung derselben abhängig ist, und schreibt schließlich dem glücklichen Umstande, daß der Vater Mozart's selbst ein so tüchtiger Tonkünstler und zugleich ein so vortrefflicher Erzieher und Lehrer war, die frühzeitige Ausbildung des musikalischen Talentes des jungen Mozart, die Vereinigung des sittlichen und natürlichen Menschen in ihm zu. Einige Stellen aus dem Aufsatz mögen hier stehen.

»Ich habe unsern jungen Künstler vielmals gesehen, ich habe denselben aufmerksam betrachtet.«

»Die Empfindlichkeit und Richtigkeit des Gehörs sind bey dem jungen Mozart so groß, daß ihn falsche, unleidliche und zu sehr gezwungene Klänge weinen machen. Seine Einbildungskraft ist eben so musikalisch, als sein Gehör.«

»Dieser junge Knab hat viele angebohrne Gaben und Geschicklichkeit, er ist liebenswerth, er hat ungemeine Wissenschaft von der Musik.«

»Man kann nicht ohne alle Bewegung ansehen alle die Merkzeichen seiner Zärtlichkeit gegen einen Vater, welcher sich bemühet hat, um ihn so tugendhaft als künstlich zu machen, und welcher von der guten Auferziehung mit eben so vieler Einsicht redet, als von der Musik.«

Ein Exemplar des Aufsatzes, den auch Nissen (Biogr. Anh. S. 214) und O. Jahn (Biogr. 2. Ausg. I. 47) erwähnen, befindet sich im Mozarteum zu Salzburg.


Quelle:
Mozartiana. Nach aufgefundenen Handschriften herausgegeben von Gustav Nottebohm, Leipzig 1880, S. 112.
Lizenz:
Kategorien: