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[92] Mayland den 5ten Januar anno hinten wie vorn, und in der mitte doppelt (1771)


Kaum finde so viel Zeit dir zu schreiben, denn täglich gehen wir in die opera folglich um halbe 2 oder gar 2 uhr in der Nacht schlaffen, weil wir nach der opera auch etwas essen wollen; in der frühe stehen wir also späth auf und der ohnehin itzt sehr kurze Tag wird demnach noch kürzer. Wir hätten so viele Besuche zu machen, daß wir nicht wissen, wie wir zurecht kommen werden. Am Donnerstag speisten wir bey derMadame v Asteburg, oder ehemals Troger mariandl, die uns mit Leberknödl und Sauerkraut, so sich der Wolfg: ausgebetten, nebstbey aber mit anderen guten speisen darunter ein herrlicher Capaun und Fasan war, aufs prächtigste [92] bewirthet hat. Gestern war eine kleine Accademie bey Sr Exll: Graf Firmian, wo h: Dr Prittj eine Cantate gesungen und dem Wolfg: ein neues schönes und schweres Concert zum spielen vorgelegt. Er hat unsCompl: von euch ausgericht, und alles erzehlet was vorgegangen, und die Nannerl sehr angerühmt. Heute speisen wir wiederum bey Sr Excll: und kommenden 11ten oder 12ten werden wir nach Turin gehen, uns aber nur etwa 8 tage alda aufhalten und dann nach Mayland zurücke kehren, wo wir erst alles recht zusamm packen, und nach Venedig gehen werden. Es wird aber unser Aufenthalt in Mayland alsdann doch über 4 Täge sich nicht erstrecken; und dann werden wir die an Opera hier aufführen sehen. Die Opera unseres Sohnes geht mit allgemeinem Beyfall fort, und, wie die Italiener sagen: ist alle Stelle! nun sind wir schon seit der 3ten Aufführung bald im Parterre, bald in den Lochen oder Balchi zuhörer und zuseher, wo jedermann mit dem Sgr. Maestro zu reden und ihn in der nähe zu sehen begierig ist: die ganze Zeit deropera gehen wir bald da bald dort hin, wo es uns beliebt. dann der Maestro ist nur verbunden 3 Abend die opera im orchester zu dirigieren; wo beym 2tenClavier der Maestro Lampugnani accompagniert, welcher, da der Wolfg: nicht mehr spielt nun das erste, der Maestro Melchior Chiesa aber das zweyteClavier spielt. Wenn man mir vor ungefehr 15 oder 18 Jahren, da Lampugnani in Engelland und Melchior Chiesa in Italien so vieles geschrieben, und ich ihre opera Arien und Sinfonien gesehen, damals gesagt hätte, diese Männer werden der Musick deines Sohnes dienen und wenn er vom Clavier weggehet, hinsitzen und seine Musik accompagnieren müssen, so würde ich einen solchen als einen Narren ins Narrenspittai verwiesen haben. Wir sehen also, was die Allmacht Gottes mit uns Menschen machet, wenn wir seine talent, die er uns gnädigst mittheilet nicht vergraben.

Schreibe du ordentlich alle freytäge und schicke, wie sonst, die Briefe an h: Troger, bis ich dir etwas anders anordne. Ich möchte so gar gerne wissen, wenn dann eigentlich die Secunditz seiner Hochf: Gnaden unsers Gnädigsten herrn seyn wird. schreibe mir es, wenn [93] du es erfahren kannst: es wäre mir wegen vielen Ursachen zu wissen nothwendig.

Hier schlüsse die hiesige Zeitungen, die eben bekommen habe. ganz am Ende werdet ihr die opera finden. An ganz Salzb: meine Compl: wir küssen euch 1000000 Mahl und bin der alte

Mozart


Diese Zeitungen bitte Se Hochf: Gnaden zu schicken, du darfst es nur zu Sr Excll: Obersthofmeister tragen.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 3. München/ Leipzig 1914, S. 92-94.
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