74. [an den Vater, München, 29.-30. September 1777]

[64] Daß ist wahr! sehr viel gute freunde: aber leider die meisten die nichts oder wenig vermögen. ich war gestern um halbe 11 uhr beym graf Seau und habe ihn aber viel ernsthafter und nicht so natürlich wie das erste mahl befunden. Doch war es nur schein. dann heute war ich beym Fürst zeil und der hat mir folgendes mit aller höflichkeit gesagt. »Ich glaube hier werden wir nicht viell ausrichten. ich habe bey der tafel zu Nümphenburg heimlich mit den Churfürsten gesprochen. er sagte mir. iezt ist es noch zu früh. er soll gehen, nach italien reisen, sich berühmt machen. ich versage ihm nichts. aber iezt ist es noch zu früh.« – Da haben wirs. Die meisten grossen herrn haben einen so entsezlichen Welschlands-Paroxismus. Doch rieth er mir zum Churfürsten zu gehen, und meine sache vorzutragen wie sonst. ich habe heut mit H. wotschicka1 über tisch heimlich gesprochen; und dieser bestellte mich morgen um 9 uhr, da will er mir eine audienz gewis zuwegen bringen. Wir sind nun gute freunde. er hat absolument die Person wissen wollen, ich sagte ihm aber; seyen sie versichert daß ich ihr freund bin und bleiben werde, ich bin ihrer freundschaft auch völlig überzeugt; und das seye ihnen genung. Nun wieder auf meine schistori zu kommen. der bischof in Chiemsee sprach auch ganz allein mit der Churfürstin; die schupfte die achseln, und sagte: sie wird ihr möglichstes thun. allein sie zweifelt sehr. Nun kommts wegen graf Seau; graf Seau fragte den fürst zeil, (nach dem dieser ihm alles erzehlt hatte): Wissen sie nicht, hat den der Mozart nicht so viell von haus, daß er mit ein wenig beyhülfe hier bleiben könte. ich hätte lust ihn zu behalten. Der bischof gab ihn zur [64] antwort. ich weis nicht. aber ich zweifle sehr; doch dürfen sie ihn ja nur darüber sprechen; das war also die Ursache warum er folgenden tag so gedankenvoll war. hier bin ich gern; und ich bin der Meynung wie vielle meiner guten freunde, daß wen ich nur ein jahr oder zwey hier bliebe, ich mir durch meine arbeit verdienst und meriten machen könnte, und folglich ehender von hof gesucht würde, als suchen sollte. Herr Albert hat seit meiner ankunft ein Project im kopf, dessen ausführung mir nicht unmöglich scheinet. nämlich er wollte 10 gute freunde zusammen bringen, wo ein jeder Monatlich nur 1Ducaten spendiren dürfte, daß sind das Monath 10Ducaten, 50 gulden, jährlich 600 fl:, wen ich nun hernach von graf Seau nur jährlich 200 fl: hätte, wären es 800 fl: – – wie gefällten den Papa dieser gedancke? – – ist er nicht freundschaftlich? – – ist es nicht anzunehmen, wen es allenfals ernst würde? – – ich bin vollkommen damit zufrieden; ich wär nahe bey Salzburg. und wen ihnen, Mein allerliebster Papa, ein gusto kömmete (wie ich es doch von ganzen herzen wünschte) Salzburg zu verlassen, und in München ihr leben zu zubringen, so wäre daß Ding sehr lustig und leicht. Den wenn wir in Salzburg mit 504 fl: leben musten, so könnten wir wohl in München mit 600 oder 800 fl: leben? – – –

Ich habe 100000 Complimenten von der gräfin la rosè auszurichten. Daß ist wohl eine liebenswürdige Dame! und unser sehr gute freundin. H. von Dufresne sagte mir neulich, das sie zwey oft mit der Praesidentin unserer wegen zankten. Der Papa steht in grossen gnaden bey der gräfin larosé. sie sagt sie hat nicht bald einen so vernünftigen Mann gesehen! – und er hats auch schon im gesicht! – ich gehe alle tag zu ihr. ihr bruder ist nicht hier.

heute als den 3ten gieng ich nach abrede mit Mr Wotschicka um 9 uhr nach hof. da war alles in jagduniform. Baron kern war dienender kammerherr. ich wäre gestern abends schon hinein gegangen, allein ich konnte Herrn Wotschicka nicht vor den kopf stossen, welcher sich selbst antrug mich mit den Churfürsten Sprechen zu machen. um 10 uhr führte er mich in ein enges Zimmerl so, wo S. Ch. Durchlaicht durchgehen müssen, um vor der jagd Mess zu hören. [65] graf Seau gieng vorbey und grüste mich sehr freundlich. befehl mich liebster Mozart! als der Churfürst an mich kamm, so sagte ich. Euer Churf. Durchlaicht erlauben das ich mich unterthänigst zu füssen legen, und meine Dienste antragen darf: ja, völlig weg von Salzburg? völlig weg. ja Euer Churf. Durchlaicht. ja warum denn, häbts eng z'kriegt? – – Ey beleybe, Euer Durchl., ich habe nur um eine Reise gebeten, er hat sie mir abgeschlagen, mithin war ich gezwungen diesen schritt zu machen; obwohlen ich schon lange im sinn hatte weg zu gehen. dann Salzbourg ist kein ort für mich. ja ganz sicher. Mein gott ein junger Mensch! aber der vatter ist ja noch in Salzbourg? – ja, Euer Churf. Durchlaicht, Er legt sich unterthänigstEct. ich bin schon dreymal in italien gewesen, habe 3opern geschrieben, mit Mittglied der accademie inBologna, habe müssen eine Probe austehen, wo vielle maestri 4 bis 5 stund gearbeitet und geschwizet haben, ich habe es in einer stund verfertiget: Daß mag zur Zeugniss dienen, das ich im stande bin in einen jedem hofe zu dienen. Mein einziger wunsch ist aber Euer Churf: Durchl: zu dienen, der selbst ein grosser = = ja mein liebes kind, es ist keine vacatur da. mir ist leid. wen nur eine vacatur da wäre. – Ich versichere Eur Durchl: ich würde München gewis Ehre Machen. ja das nuzt alles nicht. es ist keine vacatur da. Dieß sagte er gehend. nun empfahle ich mich zu höchsten gnaden. H. Wotschicka rieth mir; ich sollte mich öfters beym Churfürst: sehen lassen. heut Nachmittag gieng ichzum graf Salern2. Seine gräfin tochter ist nun kammerfreulle. sie ist mit auf die jagd. ich undRavani waren auf der gasse wie der ganze zug kam. Der Churf: und die Churfürstin grüften mich sehr freundlich. Die gräfin Salern kante mich gleich. sie machte mir sehr vielle Complimente mit der hand.Baron Rumling den ich in der Anti Camera vorher sahe, war niemahlen so höflich mit mir wie diesesmahl: wie es mit den Salern gegangen schreib ich aufs nächste. recht gut. sehr höflich. und aufrichtig.

P: S: Ma trés chere sœur, ich schreibe dir aufs nächsten eigenst einen brief ganz für dich. meine Empfehlung an A.B.C.M.R. [66] und mehr dergleichen buchstaben. Addio. iezt bitte ich recht obacht zu geben auf die gesundheit, ich küsse dem Papa 100000 mahl die hände und bin und bleibe.

gehorsamster sohn

Wolfgang Amadé Mozart


Einer bauete hier ein haus und schrieb darauf: Das bauen ist ein grosse lust, daß so viell kost, hab ich nicht g'wust. Ueber nacht schrieb ihm einer darunter. und das es so viell kosten thut, hättst wissen soll'n, Du fozenhut:3

Fußnoten

1 Frz. X. Woschitka (Woczitka), Violoncellist in der Münchener Hofkapelle.


2 Graf Jos. von Salern, ›oberster Direktor der Musik und Oper‹.


3 Folgt eine Nachschrift der Mutter. – Antwort des Vaters: 4. Oktober.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 67.
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