75. [an den Vater]

[67] gestern als den 1ten october war ich abermahl beym graf Salern. und heut als den 2ten speiste ich gar da. diese 3 täge spiellte ich mir genug; aber doch recht gern. der Papa därf sich aber nicht einbilden ich wäre gern wegen – – beym salern, nein, dann diese ist leider im Dienst, mit hin niemalen zu haus, aber morgen werde ich frühe um 10 uhr en Compagnie der Made. Hepp vormalige Tosson freulle zu ihr nach hof gehen. dan am Samstag vereist der hof, und kommt erst den 20ten wieder. Morgen speise ich bey der fr. und frl.de Branca; welche iezt eine halbe scolarin von mir ist, dann Siegl kommt selten, und Beeché ist nicht hier, der ihr sonst mit der flauten hilft. beym graf salern spielte ich die drei täge durch viell sachen von kopf, dan die zwei Casationen für die gräfin, und diefinal musick mit den Rondeau auf die letzt, auswendig. sie können sich nicht einbilden waß der graf Salern für eine freude hatte: er versteht doch die Musique, dann er sagte allzeit Bravo, wo andere Cavalier eine Prise taback nehmen – – sich schneuzen, räuspern – – oder einen discurs anfangen – – – ich sagt ihm, ich wünschte nur, daß der Churfürst da wäre, so könnte er doch was hören – – er weis nichts von mir. er weis nicht was ich kan. Das doch die herrn einem jedem glauben, und nichts untersuchen wollen. ja das ist allzeit so. ich lasse es auf eine Probe ankommen. er soll alle Componisten von [67] München herkommen lassen, er kan auch einige von italien und franckreich, teutschland, England und spanien beschreiben, – ich traue mir mit einem jedem zu schreiben. ich erzählte ihm was mit mir in italien vorgegangen ist. ich bath ihn wen ein discurs von mir wäre, diese sachen anzubringen, er sagte: ich bin der wenigste, aber was bey mir besteht, von ganzen herzen. er ist halt auch der Meinung, daß wen ich so hier bleiben könte unterdessen, die sache hernach von sich selbst gieng. für mich alleine wäre es nicht ohnmöglich mich durchzubringen, dann von graf Seau wollte ich wenigstens 300 fl. bekommen; für das essen dürfte ich mich nicht sorgen; dan ich wäre immer eingeladen, und wäre ich nicht eingeladen, so machte sich Albert eine freude mich bey sich zu tisch zu haben. ich iss wenig, trincke wasser auf die lezt zur frucht ein klein glas wein. ich würde den contract mit graf Seau (alles auf Einrathen meiner guten freunde) so machen. alle jahre 4 teutsche opern, theils Buffe und serie, zu liefern, da hätte ich von einer jeden eine sera oder einnahme für mich; daß ist schon so der brauch. das würde mir allein wenigstens 500 fl: tragen, das wäre mit meinem gehalt schon 800 fl: aber gewis mehr. dan der Reiner Comediant und finger nahm in seiner sera 200 fl: ein; und ich bin hier sehr beliebt. und wie würde ich erst beliebt werden, wen ich der teutschen National bühne in der Musik empor hälfe? – und daß würde durch mich gewis geschehen; dann ich war schon voll begierde zu schreiben, als ich das teutsche singspiell hörte. die Erste sängerin heißt keiserin, ist eine kochstochter von einem grasen hier ein sehr angenehmes mädl. hübsch auf den theater. in der nähe sah ich sie noch nicht. sie ist hier gebohren. wie ich sie hörte war es erst das dritte mahl daß sie agirte. sie hat eine schöne stimm. nicht starck doch auch nicht schwach. sehr rein. gute intonation. ihr lehrmeister ist valesi; und aus ihrem Singen kennt man daß ihr meister so wohl das singen als daß singen lehren versteht. wen sie ein Paar tact aus hält, so hab ich mich sehr verwundert wie schön sie das Crescendo und Decrescendo macht. den Triller schlägt sie noch langsam; und das freut mich recht; dann er wird nur desto reiner und klarer, wen sie ihn einmahl geschwinder [68] machen will. geschwind ist er ohnehin leichter. die leute haben hier eine rechte freud mit ihr – – – und ich mit ihnen. meine Mama war in Parterre, sie gieng schon um halbe 5 uhr hinein um Plaz zu bekommen; ich gieng aber erst um halb 7 uhr. dan ich kan überall in die logen gehen. ich bin ja bekannt genug. ich war in der loge von Haus Branca. ich betrachtete die keiserin mit meinen fernglas, und sie lockte mir öfters eine zähre ab; ich sagte oft Brava, bravissima. Dan ich dachte immer, daß sie erst das dritemahl auf den theater ist. Daß stück hiess. das fischermädchen. eine nach der Musick des Picini1 sehr gute übersezung. originalstücke haben sie noch nicht. Eine teutsche opera seria möchten sie auch bald geben – – und man wünscht halt, daß ich sie Componirte. der gemeldte Professor huber ist auch von den wünschenden Persoñen. nun muß ich ins bett; es thuts nicht mehr anderst. iust Puncto 10 uhr! –

Baron Rumling machte mir neulich das Compliment; spectakln sind meine freude. gute acteurs undactrices, gute sänger und sängerinen, und dann einen so brafen Componisten darzu wie sie. – – – Daß ist freylich nur geredet – – und reden läst sich viell. doch hat er niemalen mit mir so geredet. ich wünsche eine gute nacht. bis morgen, wenn gott will, habe ich die Ehre wieder mit ihnen, Mein Allerliebster Papa, schriftlich zu sprechen. Den 2ten october No. 4 im 2ten stock2.

Den 31ten october: schreibe ich dieses. Morgen vereist der hof, und kömmt vor den 20ten nicht. wen er hier geblieben wäre hätte ich immer meine schritte gemacht; wäre noch eine zeit hier geblieben, so aber hoffe ich mit meiner Mama kommenden Dienstag meine Reise fortzusezen; doch so; daß unterdessen die Compagnie histori veranstaltet wird, von welcher ich neulich geschrieben habe; damit wir, wens uns nicht mehr freut zu reisen, einen sichern ort haben. Hr. von krimmel war heut beym bischof in kiemsee, er hat mit ihm viell zu thun, ebenfals auch wegen den Salz. er ist ein curioser mann. hier heist man ihn Euer gnaden. daß ist bediente. Er, der nichts mehr wünschte, als daß ich hier bliebe, sprach mit dem fürsten sehr eifrig [69] wegen meiner. er sagte mir, lassen sie nur mich gehen, ich rede mit den fürsten, ich kann schon recht mit ihm reden, ich habe ihm oft viell gefälligkeiten erwiesen. der Fürst versprach ihm, daß ich gew is in dienst kommen werde, aber so geschwind kann die sache nicht gehen. er wird bey der Retour des hofs mit den Churfürsten mit allen Ernst und Eifer reden. heut um 8 uhr frühe war ich beym graf Seau; machte es ganz kurz, sagte nur. ich bin nur da Euer Excellenz mich und meine sache recht zu erklären; es ist mir der vorwurf gemacht worden, ich sollte in italien reisen. ich war 16 Monath in italien, habe 3 opern geschrieben, daß ist genug bekannt. was weiter vorgegangen werden Euer Excellenz aus diesen papiern sehen. ich zeigte ihm die Diplomata: ich zeige und sage EuerExcellenz dieses alles nur, damit, wenn eine rede von mir ist, und mir etwa unrecht gethan würde, sich EuerEccellenz mit grund meiner anehmen können. er fragte mich ob ich iezt in frankreich gienge, ich sagte, ich würde noch in teutschland bleiben, er verstand aber in München, und sagte vor freude lachend; so, hier bleiben sie noch? ich sagte, nein, ich wäre gern geblieben; und die wahrheit zu gestehen, hätte ich nur dessentwegen gern von Churfürst: etwas gehabt, damit ich Euer Eccellenz hernach hätte mit meinerComposition bedienen können, und ohne allen interesse. ich hätte mir ein Vergnügen daraus gemacht. er rückte bey diesen Worten gar seine schlafhauben. um 10 uhr war ich bey der gräfin salern bey hof. sie hat die Arien schon bekommen. Die Robinischen reden und sagen halt was ihnen einfällt. hernach speiste ich im haus Branca. der H. Geheime rath von Branca war beym französischen gesandten eingeladen, folglich nicht zu haus. man heist ihn Exzelenz. die frau ist eine französin. kann fast gar nichts teutsch, mit ihn habe ich beständig französisch gesprochen. ich sprach ganz kek. sie sagte mir, ich rede gar nicht schlecht, und ich hätte eine gute gewohnheit, das ich langsam spräche, dan durch dieses mache ich mich sehr gut verstehen. sie ist ein rechte brafe frau; voll lebens-art. Die freulln spiellt artig. daß tempo fällt ihr noch. ich habe geglaubt, sie, oder ihr gehör seye die ursache, aber ich kan keinen menschen schuld geben, als ihren lehrmeister. er [70] hat zu viell nachsicht. er ist gleich zufrieden. Ich habe heut mit ihr Probiert. ich wollte wetten, daß wen sie 2 Monathe bey mir lernete, sie recht gut, und accurat spiellen würde. sie hat mich ersuchet ich möchte ein Compliment von mir an sie alle beyde, und an das ganze Robinische haus schreiben. sie war mit der frl. louise zur nämlichen zeit in kloster. hernach eine gewisse frl: lindnerin, welche iezt beym graf salern gouvernante über die 2. kleinen Comteßen ist, bath mich auch, alles erdenckliche an die Robinischen und die frl. louise von schidenhofen zu schreiben, mit welcher sie im kloster war. um 4 uhr gieng ich zur Fr: von Tosson, wo meine Mama schon dort war, und auch Fr: von Hepp. Da spiellte ich bis 8 uhr: Dan giengen wir nachhaus. beylausig um halbe 10 uhr, kam eine kleine Musique von 5 personnen, 2 clarineti, 2 Corni, und 1 fagotto. Hr: Albert (dessen Nammens-tage morgen ist) liesse mir und ihm zu Ehren diese Musique machen. sie spiellten gar nicht übel zusammen. es waren die nämlichen leute, die bey albert im saal aufmachen. man kennt aber ganz gut, das sie von Fiala3 abgerichtet worden. sie bliesen stück von ihm; und ich mus sagen, das sie recht hübsch sind. er hat sehr gute gedancken. Morgen werden wir eine kleine schlackademie zusammen machen. auf den Elenden Clavier Nota bene. auweh! auweh! auweh. ich wünsche halt eine rechte ruhsame nacht, und bessere einen guten wunsch, in hören, bald zu hoffen, daß daß der gesunde völlig Papa ist. ich Verzeihung um bitte wegen meiner abscheulichen schrift, aber Dinten Eule, schlaf, traum, und alles halt. – – – ich Papa ihnen, Mein allerhändigster küssen, 1000 mahl die liebsten, und meine umarmung, die Herzen, schwester ich von ganzen Canaglien, und bin von nun an bis in Ewikeit amen

Wolfgang gehorsamster dero

amadé Mozart sohn4.


München den 3t octob: 1777

an alle gute freund und freundinen üble freund und freundinen [71] gute freund und freundinen üble freund und freundinen alles erdenekliche!

Fußnoten

1 Piccinnis »la pescatrice« von 1766.


2 Folgt eine Nachschrift der Mutter.


3 Der Oboist Joseph Fiala, der früher am Salzburger und Wallersteiner Hofe tätig und seit August 1777 in der Münchener Kapelle angestellt war.


4 Antwort des Vaters: 6. Oktober.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 72.
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