78. [an den Vater, Augsburg, 14. Oktober 1777]

[80]1 Mithin haben wir uns nicht im Dato geirret, denn wir haben noch vor Mittag geschrieben; und wir werden glaube ich künftigen freytag als übermorgen wieder weg; Dann hören sie nur wie schön, generos die Hr: Augspurger sind! Ich bin noch in keinem ort mit so viellen Ehrenbezeugungen überhäuffet worden, wie hier. Mein erster gang war zum hr: stadtpfleger Longotabaro2; Mein hr: vetter, der ein rechter brafer, lieber Mann, und ein Ehrlicher burger ist, hat mich hin begleitet, und hatte die Ehre oben im vorhause wie ein laquais zu warten, bis ich von dem Erz-stadtpfleger herauskommen würde. ich ermangelte nicht, gleich vom anfang die unterthänigste Empfehlung vom Papa auszurichten. Er errinerte sich allergnädigst auf alles, und fragte mich: wie ists dem herrn immer gegangen? ich sagte gleich darauf. gott lob und Danck recht gut, und [80] ihnen hoffe ich wird es auch ganz gut gegangen seyn? – – Er wurde hernach höfflicher und sagte sie, und ich sagte Euer gnaden wie ich es gleich vom Anfang getan hatte. er gab mir keinen fried, ich muste mit ihm hinauf zu seinem schwiegersohn (im 2ten stock) und mein hr: Vetter hatte die Ehre unterdessen über eine stiege im Pflez zu warten. ich muste mich zurückhalten, mit allem gewalt, sonst hätte ich mit der grösten höfflichkeit etwas gesagt. ich hatte oben die Ehre in gegenwart des gestärzten hr: sohn, und der langhachsigten gnädigen jungen frau, und der Einfältigen alten frau so beyläufig 3/4 stunde auf einen guten Clavicord von stein zu spiellen. ich spiellte Phantasien, und endlich alles was er hatte Prima vista. unterandern sehr hübsche stücke von einem gewissen Edlmann3. Da war alles in der grösten höfflichkeit, und ich war auch sehr höfflich. dann meine gewohnheit ist mit den leuten so zu seyn, wie sie sind; so kömmt man am besten hinaus. ich sagte daß ich nach dem Essen zum stein4 gehen würde. Der junge hr: trug sich alsogleich selbst an mich hinzuführen. ich danckte ihm für seine güte, und versprach nach Mittag um 2 uhr zu kommen. ich kam. wir giengen mit einander in gesellschaft seines hr: schwagers, der einen völligen studenten gleich sieht. obwohlen ich gebeten hatte still zu haltenwer ich sey, so war hr. v. langenmantel doch so unvorsichtig, und sagte Zum hr: stein. hier habe ich die Ehre ihnen einen virtuosen auf dem Clavier aufzuführen, und schmuzie darzu; ich Protestierte gleich, und sagte ich wäre nur ein unwürdiger scolar von hr: Sigl in München, von dem ich ihm vielle 1000 Complim: ausgerichtet habe. – – Er sagte Nein mit dem kopf – – und endlich – – sollte ich wohl die Ehre haben den hr: Mozart vor meiner zu haben? – – O Nein, sprach ich, ich nenne mich trazom, ich habe auch hier einen brief an sie. er nahm den brief und wollte ihn gleich erbrechen. ich liesse ihm aber nicht Zeit, und sagte, was wollen sie denn iezt da den brief lesen, machen sie dafür auf, daß wir im saal hinein können; ich bin so begierig, ihre Piano forte zu sehen. Nu, meintwegen, Es seye wie es wolle; ich glaube [81] aber ich betriege mich nicht. er machte auf. ich lief gleich zum einen von den 3 Claviern die im Zimmer stunden. ich spiellte, er konnte kaum den brief auf bringen, vor begierde überwiesen zu seyn, er laß nur die unterschrift. O schrie er, und umarmte mich. er verkreuzigte sich, machte gesichter, und war halt sehr zufrieden. wegen seinen Claviern werde ich nachgehends sprechen. Er führte mich hernach gleich in ein Cofféhaus. wo ich, wie ich hinein trat, glaubte, ich müste wieder zurückfallen, für gestanck und Rauch vom taback. ich muste halt in gottes Namen eine stunde aushalten. ich ließ mir auch alles gefallen; obwohlen ich in der türkey zu seyn glaubte. er machte mir dan viell wesens mit einen gewissen graf, Compositeur5. (doch nichts als von flutenconcerts) er sagte mir daß ist ganz was besonderes. und was man halt übertriebenes sagen kann. ich schwizte im kopf, händ, und ganzem leibe vor angst. dieser graf ist ein bruder zu die zwey, wo einer im Haag, und der andere zu Zürch ist. er gab nicht nach und führte mich gleich zu ihm. Daß ist ein ganz Nobler Mann. er hatte einen Schlaffrock an, wo ich mich nicht schämmete, auf der gaffe ihn zu tragen. er sezt alle wörter auf stölzen; und macht gemeiniglich das maul ehender auf als er nur weis was er sagen will; – – manchmahl fällt es auch zu, ohne etwas zu tun gehabt zu haben. Er Producirte nach viellenComplimenten ein Concert auf 2 fluten. ich mußte die Erste violin spielten. Daß Concert ist so. gar nicht gut ins gehöre. nicht natürlich. er marschirt oft in die Töne gar zu – – Plump; und dieß alles ohne die mindeste hexerey. wie es vorbey war, so lobte ich ihn recht sehr; dann er verdient es auch. der arme Mann wird mühe genug gehabt haben. er wird genug studieret haben. Endlich brachte man ein Clavicord aus dem Cabinet heraus, (von hr: stein seiner arbeit) recht gut, nur voll mist und staub. h: graf, welcher Director hier ist, stund da wie einer der immer geglaubt hat ganz besonder in seiner Reise durch die töne zu seyn, und nun findet, daß man noch besonderer seyn kan, und ohne dem ohr wehe zu thun. mit einem wort, es war halt alles in verwunderung. Nun muß ich schliessen, sonst versäume [82] ich die Post die um 4 uhr schon weg gehet. nächstens die ganze Augspurgerische historie. ich küsse 1000 mahl die hände und bin

Wolfgang Mozart6

Fußnoten

1 Einleitende Worte der Mutter.


2 Von Langenmantel.


3 Wohl Joh. Friedr. Edelmanns Klaviersonaten.


4 Der weltbekannte Klavier- und Orgelbauer J.A. Stein (1728–1792).


5 Friedr. Hartmann Graf (um 1727–1795).


6 Antwort des Vaters: 18. Oktober.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 83.
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