120.

[189] Paris le 1 may. 1778


Mon trés cher Pére!


wir haben ihren brief von 12ten Aprill richtig erhalten, das war eben die ursache warum ich ihnen so lange nicht geschrieben, weil ich auf einen brief von ihnen hab warten wollen; und sie müssen mir nicht übel nehmen, wenn ich sie bisweilen lang auf einen brief warten lass; die briefe kommen hier gar theuer, und wenn man nicht gar was nothwendiges zu schreiben hat, so ist es ja nicht der mühe wehrt 24 ja auch öfters mehr sous auszugeben. ich habe immer geglaubt ich [189] will so lange das schreiben verziehen, bis ich ihnen etwas neues, und mehr von unsern umständen schreiben kan; allein nun bin ich doch gezwungen, ihnen, von wenigen und noch zweifelhaften sachen nachricht zu geben. Der kleine violoncellist zygmontofscky und sein schlechter vatter ist hier, das werde ich ihnen vielleicht schon geschrieben haben – – ich thue es nur im vorbey gehen, weil ich just darauf gedacht habe, daß ich ihn in jenen ort gesehen habe, wovon ich ihnen nun meldung thun will; daß ist, nehmlich bey der Mad: La Duchesse de Chabot.1 Mr grimm gab mir einen brief an sie, und da fuhr ich hin. der inhalt dieses briefs war hauptsächlich, mich bey der Duchesse de Bourbon2 (die damals im kloster war) zu recomandiren, und mich neuerdings bey ihr wieder bekant zu machen, und sich meiner erinern zu machen. Da giengen 8 täg vorbey ohne mindester nachricht; sie hatte mich dort schon auf über 8 täg bestellt, und also hielte ich mein wort, und kamm. Da muste ich eine halbe stund in einen Eiskalten, ungeheizten, und ohne mit Camin versehenen grossen zimmer warten. Endlich kam die D: chabot, mit gröster höflichkeit, und bat mich mit denClavier vorlieb zu nehmen, indeme keins von den ihrigen zugericht seye; ich möchte es versuchen. ich sagte: ich wollte von herzen gern etwas spiellen, aber izt seye es ohnmöglich, indemme ich meine finger nicht empfinde für kälte; und bat sie, sie möchte mich doch aufs wenigste in ein zimmer wo ein Camin mit feuer ist, führen lassen. O oui Monsieur, vous avés raison. das war die ganze antwort. Dann sezte sie sich nieder, und fieng an eine ganze stund zu zeichnen en compagnie anderer herrn, die alle in einen Circkel um einen grossen tisch herumsassen. da hatte ich die Ehre eine ganze stunde zu warten. fenster und Thürn waren off. ich hatte nicht allein in händen, sondern in ganzen leib und füssn kalt; und der kopf fieng mir auch gleich an wehe zu thun. Da war also altum silentium. und ich wuste nicht was ich so [190] lange für kälte, kopfweh, und langeweile anfangen sollte. oft dachte ich mir. wenns mir nicht um Mr grimm wäre, so gieng ich den augenblick wieder weg. Endlich, um kurz zu seyn, spiellte ich, auf den miserablen Elenden Pianforte. was aber das ärgste war, daß die Madme und alle die herrn ihr zeichnen keinen augenblick unterliessen, sondern immer fortmachten, und ich also für die sessel, tisch und mäuern spielten muste. bey diesen so übel bewandten umständen vergieng mir die gedult – ich fing also die fischnerischen variationen an. spiellte die hälfte und stund auf. Da warn mengeEloges. ich aber sagte was zu sagen ist, nemlich daß ich mir mit diesen Clavier keine Ehre machen könnte und mir sehr lieb seye, einen andern tag zu wählen, wo ein besseres Clavier da wäre. sie gab aber nicht nach, ich muste noch eine halbe stunde warten, bis ihr herr kam. Der aber sezte sich zu mir, und hörte mit aller aufmercksamkeit zu, und ich – ich vergas darüber alle kälte, kopfwehe, und spiellte ungeachtet den Elenden clavier so – wie ich spielle wenn ich gut in laune bin. geben sie mir das beste clavier von Europa, und aber leute zu zuhörer die nichts verstehen, oder die nichts verstehen wollen, und die mit mir nicht Empfinden was ich spielle, so werde ich alle freude verlieren. ich hab den Mr grim nach der hand alles erzehlt. sie schreiben mir daß ich braf visiten machen werde, um bekandtschaften zu machen, und die alten wieder zu erneuern. Daß ist aber nicht möglich. zu fuß ist es überall zu weit – oder zu kothicht, denn in Paris ist ein unbeschreiblicher Dreck. in wagen zu fahren – hat man die Ehre gleich des tags 4 bis 5 livres zu verfahren, und umsonst. denn die leute machen halt Complimenten und dann ists aus. bestellen mich auf den und den tag; da spielt ich, dan heißts. O c'est un Prodige, c'est inconcevable, c'est étonnant. und hiemit addieu. ich hab hier so anfangs geld genug verfahren – und oft umsonst, daß ich die leute nicht angetrofen habe. wer nicht hier ist, der glaubt nicht, wie fatal das es ist. überhaubt hat sichParis viell geändert. die franzosen haben lang nicht mehr so viell Politesse, als vor 15 jahren. sie gränzen izt starck an die grobheit. und hofärtig sind sie abscheulich. Nun muß ich ihnen eine beschreibung vomConcert [191] spirituel machen. Das muß ich ihnen geschwind im vorbey gehen sagen, daß meine Chör-arbeit so zu sagen umsonst war. denn das miserere von holzbauer ist ohnedieß lang, und hat nicht gefallen, mithin hat man anstatt 4 nur 2 Chör von mir gemacht. und folglich das beste ausgelassen. Das hat aber nicht viell zu sagen gehabt, denn vielle haben nicht gewust, daß etwas von mir dabey ist, und vielle haben mich auch gar nicht gekennt. übrigens war aber bey der Prob ein grosser beyfall; und ich selbst (denn auf dasPariser-lob rechne ich nicht) bin sehr mit meinen Chören zufrieden. Nun aber mit der sinfonie Concertante hat es wieder ein Hickl-hackt. Da aber glaube ich ist wieder was anders dazwischen. ich habe halt hier auch wieder meine feinde. wo habe ich sie aber nicht gehabt? – Das ist aber ein gutes zeichen. ich habe die sinfonie machen müssen, in gröster Eyl, habe mich sehr befliessen, und die 4 Concertanten waren und sind noch ganz darin verliebt. Le Gros hat sie 4 täg zum abschreiben. ich finde sie aber noch immer an nemlichen Plaz liegen. Endlich den vorlezten tag finde ich sie nicht – suche aber recht unter den Musikalien – und finde sie versteckt. thue nichts dargleichen. frage den Le Gros. apropos. haben sie diesinf: concertant schon zum schreiben geben? – Nein – ich habs vergessen. weil ich ihm natürlicher weise nicht befehlen kan daß er sie abschreiben und machen lassen soll, so sagte ich nichts. gieng die 2 täg wo sie hätte executirt werden sollen ins Concert. da kamm Ramm und Punto im grösten feuer zu mir, und fragten mich, warum den meine sinfonie concert: nicht gemacht wird? – Das weis ich nicht. Das ist das erste was ich höre. ich weis von nichts. Der Ramm ist fuchswild worden, und hat in den Musiquezimmer französisch über den Le gros geschmält, daß das von ihm nicht schön seye etce: was mich bey der gantzen sache am meisten verdriest, ist, daß der Le gros mir gar kein wort davon gesagt hat, nur ich hab nichts darvon wissen dürfen – wenn er doch eine excuse gemacht hätte, daß ihm die zeit zu kurz wäre, oder dergleichen, aber gar nichts – ich glaub aber, da ist der Cambini3 [192] ein welscher maestro hier, ursache, dann dem habe ich, unschuldigerweis die augen in der ersten zusamenkunft beym le gros ausgelöscht. er hatquartetti gemacht, wovon ich eins zu Mannheim gehört habe; die recht hüpsch sind; und die lobte ich ihm dann; und spiellte ihm den anfang; da war aber der Ritter, Ram und Punto, und ließen mir keinen fried, ich möchte fortfahren, und was ich nicht weis, selbst dazu machen. Da machte ich es den also so. und Cambini war ganz ausser sich; und konnte sich nicht enthalten zu sagen, questa è una gran testa! Nu, das wird ihm halt nicht geschmeckt haben. wenn hier ein ort wäre, wo die leute ohren hätten, herz zum empfinden, und nur ein wenig etwas von der Musique verstünden, und gusto hätten, so würde ich von herzen zu allen diesen sachen lachen, aber so bin ich unter lauter vieher und bestien (was die Musique anbelangt) wie kan es aber anderst seyn, sie sind ja in allen ihren handlungen, leidenschaften und Passionen auch nichts anders – es giebt ja kein ort in der welt wie Paris. sie därfen nicht glauben, daß ich ausschweife, wenn ich von der hiesigen Musique so rede. wenden sie sich an wen sie wollen – nur an keinen gebohrnen franzosen – so wird man ihnen (wens jemand ist an dem man sich wenden kan) das nemliche sagen. Nun bin ich hier. ich mus aushalten, und das ihnen zu lieb. ich danck gott dem allmächtigen wenn ich mit gefunden gusto davon komme. ich bitte alle tag gott, daß er mir die gnade giebt, daß ich hier standhaft aushalten kan; daß ich mir und der gantzen teutschen nation Ehre mache, indemme alles zu seiner grösten Ehr und gloy ist, und das er zuläst daß ich mein glück mache, braf geld mache, damit ich im stande bin ihnen dadurch aus ihren dermalen betrübten umständen zu helfen, und zuwegen zu bringen daß wir bald zusammen kommen, und glücklich und vergnügt mit einander leben können. übrigens sein willen geschehe wie in himmel also auch auf Erden. ihnen, liebster Papa bitte ich aber, sich zu impegniren unterdessen, daß ich bald italien zu sehen bekomme. Damit ich doch hernach wieder aufleben kan. machen sie mir doch diese freude, ich bitte sie darum. Nun bitte ich sie aber recht lustig zu seyn – ich werde mich hinaushauen wie ich kann. wenn ich nur ganz [193] davon komme. addien. ich küsse ihnen 1000mahl die hände, und meine schwester umarme ich von ganzen herzen und bin dero gehorsamster sohn

Wolfgang Amadé Mozart4

Fußnoten

1 Eine Tochter des Grafen Stafford, gehörte zu dem Bekanntenkreis Grimms. S. über die damalige Pariser Gesellschaft den Brief des Vaters vom 5. Februar.


2 Eine Tochter des Herzogs von Orleans, die durch eine Duellgeschichte Sensation hervorgerufen hatte.


3 G. Cambini (1746–1825), ein Schüler P. Martinis, wurde von Gossec besonders protegiert.


4 Folgt eine Nachschrift der Mutter. – Antwort des Vaters: (29. April) 11. Mai.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 194.
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