142.

[280] München den 31t Decbre 1778


Mon trés cher Pére!


Ich habe ihren brief1 diesen augenblick durch unsern freund Beccké erhalten; – ich habe an sie vorgestern in seiner behausung geschrieben – aber einen brief dergleichen ich noch niemalen geschrieben – denn dieser freünd redete mir so viell von ihrer vätterlichen und zärtlichen liebe – von ihrer nachsicht gegen mich, von ihrer nachgebung und Discretion wenn es darauf ankömmt mein künftiges glück zu befördern; – daß mein herz ganz zum weinen gestimmt wurde; – Nun aber durch ihres von 28t ersehe ich Nur gar zu klar, daß h: Beccké in seiner unterredung mit mir ein wenig übertrieben war; – Nun klar und deutlich; –

so bald die opera (Alceste) in scena ist, so werde ich abreisen – und soll der Postwagen den tag nach der opera gehen, oder gar in der nacht noch; – hätten sie doch mit der frau v: Robinig gesprochen, vielleicht hätte ich mit ihr nach hauß reisen können! – Nu, demm sey wie ihm wolle; den 11t ist die opera, und den 12t (wenn die Diligence abgeht) bin ich weg; – mein interesse wäre daß ich noch ein bischen länger bliebe, allein, daß will ich ihnen aufopfern [280] in der hofnung daß ich in Salzburg dopelt darfür werde belohnt werden – wegen den sonaten haben sie nicht den besten gedancken gehabt! – also, wenn ich sie nicht hätte, sollte ich gleich abreisen? – oder sollte ich mich vielleicht bey hofe gar nicht sehen lassen? – Dies könnte ich, als ein Mann der so bekant hier ist, nicht thun; – sorgen sie aber nicht; ich habe meine sonaten in kaysersheim bekommen; ich werde sie so bald sie gebunden sind, S: Ch. D: überreichen; –apropós: was will den dieß sagen, lustige träume? – über das träumen halte ich mich nicht auf, denn da ist kein sterblicher auf den gantzen Erdboden der nicht manchmal träumet! – allein lustige träume! – ruhige träume, erquickende, süsse träume! – das ist es; – träume, die, wenn sie wircklich wären, mein mehr traueriges als lustiges leben, leidentlich machen würden; – Den 1ten diesen augenblick erhalte ich durch einen Salzburgischen viturino ein schreiben von ihnen2, welches mich wircklich im ersten augenblick stutzen gemacht hat; – um gottes himmels willen glauben sie denn daß ich izt den tag meiner abreise bestimmen kan? – oder glauben sie etwa ich möchte gar nicht kommen? – wenn man einmal schon so nahe ist, so könnte man glaube ich ruhig seyn; – als mir der kerl seine reise ganz erkläret hatte, so kamm mir ein grosser lust mit zu gehen, allein, ich kann noch nicht; – morgen oder übermorgen werde ich S: Ch: D: erst die sonaten überreichen können, und dann werde ich doch (bey aller möglichen betreibung) etwelche täge auf ein present warten müssen; – Das verspreche ich ihnen bey meiner Ehre daß ich mich ihnen zu liebe entschließen will die opera gar nicht zu sehen – sondern gleich den tag nach empfang eines presents abreisen will – aber es kommt mir schwer an das bekenne ich – doch, wenns ihnen auf etwelche täge mehr oder weniger ankömmt, so seye es; – antworten sie mir gleich darüber; –

ich schreib wie eine Sau, weil ich so Eylen muß, indemm der kerl den augenblick fortfährt; –

Den 2ten Mündlich freue ich mich mit ihnen zu sprechen – da werden sie alles erst recht hören, wie meine sachen hier stehen – auf [281] Raaff darfen sie gar kein misstrauen oder Verdruß haben, das ist der Ehrlichste Mann von der Welt – er ist halt kein grosser liebhaber von schreiben; – Die hauptursache ist aber weil er nicht gern etwas zu frühe verspricht, und doch gerne hofnung giebt; übrigens hat er (wie auch Cannabich) schon mit händen und füssen gearbeitet; – nun leben sie recht wohl; – meine Empfehlung an alle gute freund, meine liebe schwester umarme ich von ganzem herzen, und sie, liebster vatter, küsse ich und dero hände 1000 mal und bin bis in tod

Dero gehorsamster sohn

Wolfgang Amadè Mzt

Fußnoten

1 Vom 28. Dezember.


2 Vom 31. Dezember.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 280-282.
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