89. [an den Vater]

[108] 1 Ich habe heute vormittag bey h: kanabich das Rondeau zur sonata für seine Madselle tochter geschrieben, folglich haben sie mich nicht mehr weggelassen. Der Churfürst, sie, und der ganze hof, ist mit mir sehr zufrieden. in der accademie, alle zweymal wie ich spiellte so gieng der Churfürst und sie völlig neben meiner zum Clavier. nach der accademie machte Canabich daß ich den hof sprechen konnte. ich küßte den Churfürsten die hand. er sagte, Es ist iezt glaube ich 15 jahr daß er nicht hier war. ja, Euer Durchleucht, 15 jahr daß ich nicht die gnade gehabt habe – – Er spiellt unvergleichlich. Die Prinzessin als ich ihr die hand küste sagte zu mir. Monsieur, je vous aßure, on ne peut pas jouer mieux. gestern war ich an den ort mit Cannabich wo die Mama schon geschrieben hat. Da sprach ich den Churf: wie meinen guten freund. er ist ein recht gnädiger und guter herr. er sagte zu mir. ich habe gehört er hat zu München eine opera geschrieben. ja, Euer Durchleucht. ich Empfehle mich Euer Durchl: zu höchsten gnad, mein gröster wunsch wäre hier eine opera zu schreiben; ich bitte auf mich nicht ganz zu vergessen. ich kan gott lob und Danck auch deutsch. und schmuzte. Das kan leicht geschehen. Er hat einen osun, und drly tscutlr. Die metlott und der fhngl grmi2 spielten clavier. Der Churfürst fragte mich ganz vertraut, um alles wegen seiner kfndlr3. ich redete ganz aufrichtig, doch ohne den alfotlr4 zu verachten. kanabich war auch meiner Meynung. Der Churf: als er gieng bedanckte sich sehr höflich bey mir. heut nach tisch gleich um 2 uhr gienge ich mit Canabich zum flutraversist wendling5. Da war alles in der grösten höflichkeit. Die tochter,6 welche isnamne Amftrlool vsn dla Cuhrihrotln7 war, spiellt recht hübsch Clavier. hernach habe ich gespiellt. ich war heunt in so einer vortreflichen laune, daß ich es [109] nicht beschreiben kann. ich habe nichts als aus dem kopf gespiellt; und dreyDuetti mit violin die ich mein lebetag niemahlen gesehen, und dessen author ich niemahlen nennen gehört habe. sie waren allerseits so zufrieden, daß ich – – die frauenzimmer küssen muste. bey der Tochter kam es mir gar nicht hart an; denn sie ist gar kein hund. hernach giengen wir abermahl zu die mnthrefculn kfndlr dlo Cuhrihrotln8. Da spiellte ich recht vom ganzem herzen. Ich spiellte 3 mahl. Der Churf: ersuchte mich allzeit selbst darum. er sezte sich allzeit neben mir, und blieb unbeweglich. ich liesse mir auch von einem gewissen Professor ein thema zu einer fugue geben, und führte sie aus. Nun folgt die gratulation.


Allerliebster Papa!


Ich kann nicht Poetisch schreiben; ich bin kein Dichter. ich kann die redensarten nicht so künstlich eintheilen, daß sie schatten und licht geben; ich bin kein mahler. ich kann sogar durchs deuten und durchPantomime meine gesinnungen und gedancken nicht ausdrücken; ich bin kein tanzer. ich kan es aber durch töne; ich bin ein Musikus. ich werde auch morgen eine ganze gratulation sowohl für dero Namens- als geburtstag bey Cannabich auf dem Clavier spielten. für heute kann ich nichts als ihnen, Mon trés cher Pére, alles vom ganzen herzen wünschen, was ich ihnen alle tage, Morgens und abends wünsche. gesundheit, langes leben, und ein fröhliches gemüth. ich hoffe auch, daß sie iezt weniger verdruß haben, als da ich noch in Salzburg war; denn ich muß bekennen, daß ich die einzige ursach war. man gieng mit mir schlecht um; ich verdiente es nicht. sie nahmen natürlicherweis antheil – – aber zu sehr. sehen sie, das war auch die gröste und wichtigste ursache warum ich so vom Salzurg weg eilte. ich hoffe auch mein wunsch ist erfüllet. Nun muß ich mit einer Musikalischengratulation schliessen. ich wünsche ihnen, daß sie so vielle jahre leben möchten, als man jahre braucht, um gar nichts neues mehr in der Musick machen zu können. Nun leben sie [110] recht wohl; ich bitte sie recht unterthänig mich noch ein bischen lieb zu haben, und mit diesen schlechten glückwunsch unterdessen vorlieb zu nehmen, bis in meinem engen und kleinen verstands-kasten neue schubladen gemacht werden, wo ich den verstand hinthun kann, den ich noch zu bekommen im sinn habe. ich küsse dem Papa 1000 mahl die hände, und verbleibe bis in tod


Mon trés cher Pére

gehorsamster sohn

wolfgang Amadé Mozart9


Mannheim den 8:ten Nov:bre 1777

Fußnoten

1 Zu Anfang steht ein ausführlicher Brief der Mutter.


2 Auflösung der Chiffren: sohn, und drey tochter. Die alteste und der iunge graf.


3 kinder (aus der Verbindung mit der Schauspielerin Seyffert [Gräfin Haydeck]).


4 meister.


5 Joh. Bapt. Wendling (um 1720–1797).


6 Auguste.


7 Auflösung der Chiffren: einmahl Maitresse von dem Churfürsten.


8 Auflösung der Chiffren: naturlichen kinder des Churfürsten.


9 Antwort des Vaters: 17. November.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 1. München/ Leipzig 1914, S. 111.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gedichte. Ausgabe 1892

Gedichte. Ausgabe 1892

Während seine Prosa längst eigenständig ist, findet C.F. Meyers lyrisches Werk erst mit dieser späten Ausgabe zu seinem eigentümlichen Stil, der den deutschen Symbolismus einleitet.

200 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon