233. [an L. Hagenauer in Salzburg][202] 1

Wasserburg den 11ten Juni 1763


Monsieur mon trés cher ami!


Das heist auf der schneckenpost gereiset! – – aber nicht aus unserer schuld. 2 Stund ausser Wasserburg brach uns ein hinteres Rad in Stücken. Da fassen wir. zum glücke war es heiter und schön, und noch zum grössern Glücke war in der Nähe eine Mühle. Man kam uns mit einem Rad das zu klein und doch im Hauffen zu lange ware, zu Hilfe. wir musten frohe seyn, daß wir dieses hatten, und gleichwohl ein klein bäumchen abhauen, um es vor das Rad zu binden, daß es nicht ablauffen konnte; das zerbrochene Rad schlugen wir gar in Stücke, um das Eysenwerk mit zu nehmen. Den Reiff musten wir unter den wagen-kasten binden um ihn fortzubringen. Dieß sind nur die Hauptumstände, die uns über ein Stund auf der freyen Strasse aufhielten. Den übrigen Weeg machte ich und der Sebastian im Nahmen Gottes per pedes apostolorum fort um mit unsern schweren Cörpern dem blessierten wagen kein neues Ungemach zuzuziehen. [202] Da wir also um 10 uhr in Wasserburg hätten eintreffen können, musten wir zu frieden seyn um 1 viertl nach 12 uhr alda anzulangen. Nun ward der Wagner und schmid geruft um ein neues Rad zu verfertigen. Es war nothwendig auch dem anderen Rad die Puls zu fühlen. Und die Vota unanimia des Consilij gieng dahin; daß auch dieß Rad in der grösten Gefahr wäre, durch einen gähen schlag gerührt plötzlich dahin zu fallen. Ich muste es um so eher glauben, als die h: Wagen Doctores, ja so gar der h: Doctor Niderl selbst, solches mir einen tag vor der Abreise Prophezeyten.

Es hieß der Wagen würde bis heut frühe, folglich in Tag und Nacht restituirt seyn. – – aber ja! Einen blauen teufl! – – wir hoften bis nach tische weiter zu kommen. – – vergebens! Der Wagner hackte, und schnitt; der schmied sengte und brennte, und schlug dapfer darauf. letzterer würde uns den Patienten geschwind auf die füsse gestellt und im Gang gebracht haben, wenn der erste den kranken eher hätte aus seinen händen liefern können. Was war nun zu thun? – – Gedult mit Unwillen hieß es! und so heist es diesen Augenblick noch, als ich dieses schreibe. Dann vor der Nacht wird die Cur nicht zu Ende seyn. Es heist also: sitz auf, und bleibe heut nacht noch hier. Daß beträchtlichste bey der Sache sind die kösten. Denn wenigst habe ich die Ehre die Pferd und den Kutscher zu verzehren. In gottes Nahmen; Es ist besser zehen Räder als ein fuß oder ein paar finger. Wir sind, Gott sey Dank, gesund. wie wir auch von Euer Wohl Edlen, und dero sammten Hause, ja von allen meinen guten freunden, denen ich mich empfehle, hoffe. Dero fr: Gemahlin machen wir sonderh: unser Compliment; und Sie möchte die Mühe nehmen, und im Cabinetl im Kasten in der mittern und in der obern Stelle suchen, wo sie in einer schachtl etwas weniges Zuckerwerk, und in einem Papier ein Stück lebzelten finden wird. was immer von solchem Zeuge unter die hände kommt, bitte aufzehren zu lassen: sonst verdierbt es.

Sie wird auch im mittern Zimmer in dem alten hohen kasten, der hinter der thür stehet, zwey alte schaben-gefrässige schwarze zeugene Röck, und einen Contusch von Canefas mit [.] wohl ausgenäht[203] finden, die fr: gemahlin möchte solche jemand Armen bedürftigen schenken: auch sonst wenn sie etwas altes finden, so den schaben möchte zur Nahrung dienen.

Der Rosslehner bittet, daß Sie es möchten in seinem Hause melden lassen, daß er den Künftigen Erchtag abends nach Hause zu kommen hoffet: denn morgen abends, wen gott will, werden wir hoffentlich in München seyn. folglich wird er wohl mit den leeren Pferden in 2 tägen nach Hause reitten. Das Neueste ist, daß, um uns zu unterhalten, wir auf die Orgl gegangen, und ich dem Wolferl das Pedal erkläret habe. Davon er dann gleich stante pede die Probe abgeleget, den schammel hinweg gerückt, und stehend praeambulirt und das pedal dazu getretten, und zwar so, als wenn er es schon viele Monate geübt hätte. alles gerüeht in Erstaunen und ist eine neue Gnad Gottes, die mancher nach vieler Mühe erst erhält. wir empf: uns, ich bin in aller Ergebenheit dero

gehors. dr

Mozart


P:S: heut Mittags war jemand von Branau im Wirtshause,

und ich hörte mit Erstaunen zu, wie er unserm Wirth die

Menge der schulden erzehlte, die h: Falser hinterlassen. Die Sache

ist ganz abscheulich, sonderlich wegen Puppillengeldern x:

Fußnoten

1 Hier beginnen die Briefe der Reise der Familie Mozart nach Paris und London.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 204.
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