*276. [an L. Hagenauer in Salzburg]

[268] Wienn den 30 Jenner 1768.


Etwas für Sie allein!

Es ist nun Zeit eine mehrere und Klärere Nachricht von unsern weis nicht glücklich oder unglücklichen umständen zu geben, und Dero freundschafftliche Meynung zu hören. Wenn das geld die einzige glückseeligkeit der Menschen ausmacht; so sind wir sonder zweifel dermahl zu bedauern; indeme wir, wie Ihnen bekannt ist, so viel von dem unsern ausgelegt, daß wenig scheinbare Hofnung übrig ist, uns wieder erhohlen zu Können. Ist hingegen die gesundheit, und die geschicklichkeit in wissenschaften das beste gut des Menschen; so sind wir (gott sey gelobt) noch wohl daran. Der gefährlichste Haubtsturm ist überstanden; wir sind alle durch die gnade gottes gesund, und meine Kinder haben gewiß nichts vergessen, sondern, wie es sich zeigen wird, grössern fortgang gemacht.

Nichts wird Ihnen nun unbegreiflicher seyn, das weis ich, als wie das zugehet, daß unsere Sachen keinen bessern fortgang haben. Ich werde es Ihnen so gut ich kann, erklären: obwohl ich die sachen, die der feder nicht anzuvertrauen sind, weglassen muß. Daß die Wieñer in genere zu reden nicht begierig sind ernsthafte und Vernünftige [268] sachen zu sehen, auch wenig oder gar keinen Begrief davon haben, und nichts als närrisches Zeug, tanzen, teufel, gespenster, Zaubereyen, Hanswurst, Lipperl, Bernardon, Hexen, und Erscheinungen sehen wollen, ist eine bekannte Sache und ihre theater beweisen es täglich. Ein Herr, auch mit einem Ordensband, wird wegen einem hanswurstischen Zotte oder einfältigen spas mit den Händen klatschen, lachen, daß er fast aus dem athem kömmt, hingegen bey der ernsthaftesten scene, bey dem rührend, und schönsten action, und bey dem sinnreichesten Redensarten mit einer dame so laut schwätzen, daß andre ehrliche Leute kein Wort verstehen können. Das ist nun der Haubtgrund. Die Hauswirthschaft des Hofs, die ich hier nicht beschreiben kann, ist eine Sache die viele folgen nach sich ziehetwelche zu erklären und mit exemplen Klar zu machen zu weitläuftig seyn würde, und dieß ist der zweyte grund. Aus diesen zwey gründen entspringen unzahlbare wunderliche Sachen: weil alles von dem puren Blinden und ungefähren glück, auch öfters von einer abscheulichen, doch nicht allen Menschen gegebenen Niederträchtigkeit oder gar von einer recht Keken und Verwegenen Windmacherey abhängt. Nun auf unsere Sache zu Kommen, so haben sich Viele andere wiedrige zufälle eraügnet. Bey unserer Ankunft konnten wirnichts anders thun, als uns dem Eingang nach Hofe zu eröffnen. allein Sr Mayst: die Kayserin hält keine Musik mehr bey sich, sie gehet weder in die opera, noch in die Komedie und ihre lebensart ist so von der Welt entfernt, daß ich es ohnmöglich genug beschreiben Kann. Sie ließ uns an den Kayser anweisen. allein, da dieser Herr alles dasjenige was einige ausgaabe nach sich ziehen möchte in Höchsten grade verabscheut, so gieng es lange her, bis er zu einem Entschluß kamm, daß entzwischen die trauerige begebenheit der Prinzessin Braut, und alles dasjenige dazwischen kamm, was Ihnen aus meinen briefen schon bekannt ist. Nach unserer zurückkunft aus Mähren kammen wir zu den höchsten Herrschaften ohne das wir daran dachten. Kaum wurde der kayserin erzehlt was mit uns in ollmitz Vorgegangen, und das wir zurückgekommen, so erhielten wir den tag und Stunde wenn wir erscheinen sollten. allein was hilft alle [269] die Erstaunliche gnade, die unbeschreibliche Leutseeligkeit! was ist die Wirkung davon? nichts, als eine Medaille, die zwar schön ist, aber so wenig beträgt, daß ich gar nicht einmahl deren Werth hersetzen mag. Sie überläst das übrige dem Kayser: und dieser schreibt es in das Buch der Vergessenheit ein und glaubt ganz gewiß, daß er uns mit seinen gnädigsten unterredungen bezahlt habe. Nun werden sie mich fragen, was denn die übrige Noblesse in Wieñ thut? – – – Was sie thut? – – Die ausgaben schrenken sie alle ein, so viel es möglich ist, um sich dem Kayser gefällig zu machen. Verschwendet das Oberhaupt, so läst jederman das Rädl laufen: Ist hingegen das oberhaupt sparsam; so will ein jeder der beste Hauswirth seyn. – – – –

so lange der fasching dauert denkt man hier auf nichts als auf das tanzen. In allen Eken sind ball: aber NB: alles auf gemeine Unkösten; sogar die Redoute bey Hofe ist für paares geld. und wer hat den Nutzen davon? – Der Hof: den alle tänze, Redouten, Ball und alle spectacul sind verpachtet. andere haben den Nammen und der Nutzen wird zwischen dem Hof und Pachter so zu sagen getheilet. wer also dahin gehet, erweiset auch dem Hof einen guten Dienst. Dieß sind demnach die politischen ausgaaben der Noblesse. Wir haben die grösten Personen derNoblesse zu unserer Protection. Der fürst Kaunitz, der duc de Braganza. die fräulein von guttenberg die das linke aug der Kayserin ist, der obriststahlmeister graf dietrichstein, welcher alles beym Kayser Vermag, sind unsere freunde. aber, welcher zufall! noch haben wir den fürsten Kaunitz nicht sprechen können, weil er die Schwachheit hat, die Blattern so zu förchten, daß er leute scheuet, die auch nur noch rothe flecken im gesichte haben: folglich, da der Wolfgangerl noch Viele rothe flecken die zwar klein sind, bey der Kälte aber doch sichtbar sind in gesicht hat, so ließ er uns nur durch unsern freund de logier sagen, daß er für unser intresse in der Fasten sorgen werde, indem man itzt die Noblesse zur faschingzeit nicht unter einem Hut zusammen bringen kann.

Da ich nun diese Sache am besten überlegte, und bedachte, daß ich bereits so vieles geld ausgelegt, und wenn ich itzt ohne etwas [270] anders abzuwarten, nach Hause reisen wollte, es Vielleicht eine grosse thorheit seyn würde: so eraignete sich eine ganz andre Begebenheit. Ich erfuhr nemlich, daß alle Clavieristen und Componisten in Wienn unserm fortgang sich wiedersetzten, ausgenohmen der einzige Wagenseil1, der aber, da er Krank zu Hause ist, nichts helfen oder wenig zu unsern Vortheil beytragen kann. Die Hauptmaxime dieser Leute war alle gelegenheit uns zu sehen und die Wissenschaft des Wolfgangerl einzusehen, sorgfältigst zu vermeiden: und Warum? – – – damit sie bey dem so vielen fällen, da sie gefragt würden, ob sie diesen Knaben gehört hätten, und was sie davon hielten, allzeit sagen Konnten, daß sie ihm nicht gehört haben, und daß es ohnmöglich wahr seyn Könnte, daß es spiegelfechterey, und harlequinade wäre, daß es abgeredte Sachen wären, da man ihm Musik zu spiellen giebt, die er schon Kennt, daß es lächerlich seye zu glauben daß er componirt. xx sehen sie dessentwegen fliehen sie uns. Denn der gesehen und gehört, der Kann nicht mehr so reden ohne sich in gefahr zu setzen, seine Ehre dabey zu Verlieren. Einer von dieser art leute habe ich in das garn bekommen. Wir hatten es mit jemand abgeredetuns in der Stille Nachricht zu geben wenn er da ist. Er sollte aber dahin Kommen, um dieser Person ein recht außerordentlicht schweres Concert zu überbringen. welches man dem Wolfgangerl Vorlegen sollte. wir Kammen also dazu: und er hatte hiemit die gelegenheit seinconcert von dem Wolfgangerl so wekspielen zu hören, als wüste er es auswendig. Das erstaunen dieses Compositors und Clavieristen seine ausdrücke und Redensarten, deren er sich bey seiner Bewunderung bedienet gab uns alles zu Verstehen, was ich Ihnen oben schon gesagt habe. und letztlich sagte er: ich Kan als ein Ehrlicher Mann nichts mehr sagen, als das dieser Knahe der gröste Mann ist, welcher dermahlen in der Welt lebt. Es war unmöglich zu glauben. – – – Nun um nun das Puplicum zu überzeugen, was aigentlich an der Sache ist, so habe es einmahl auf etwas ganz außerordentliches ankommen zu lassen mich [271] entschlossen. nämlich, er soll eine opera fürs theater schreiben. – – – und was glauben Sie, was für ein Lärmen unter der Hand unter denen Componisten entstanden? – – was? – heut soll man einen gluck und morgen einen Knaben von 12 Jahren bey dem flügel sitzen und seine opera dirrigiren sehen? – – – ja, trotz allen Neider! Ich habe so gar den gluck auf unsere Seite gebracht, so zwar, wenn es ihm auch nicht gänzlich Von Herzen geht, so darf er es nicht merken lassen, denn unsere Protectores sind auch die seinigen, und um mich wegen der acteurs sicher zu stellen, die dem componisten gemeiniglich die grösten Verdruß machen, so habe ich die Sache mit ihnen selbst angefangen, und einer Ihnen selbst muste mir alle anschläge dazu geben. Den ersten gedanken aber, den Wolfgangerl eine opera schreiben zu lassen, gab mir die Wahrheit zu bekennen, der Kaiser selbst, indeme er den Wolfgangerl 2 mahl fragte, ob er lust hätte eineopera zu componiren und selbe zu dirigieren? Er sprach freylich ja, allein der Kayser konnte auch mehr nicht sagenindeme die opera den Affligio angehen. Die folgen (wenn gott uns hilft solches zu Ende zu bringen) von diesen unternehmen sind so groß, aber auch so leicht einzusehen, daß sie Keiner Erklärung bedärfen. Nun därf ich mir aber Kein geld gereuen lassen: denn es wird wohl heute oder morgen wieder kommen. Wer nichts wagt; gewinnt nichts; ich muß die Sache recht an das Licht bringen. Es muß gehen oder brechen! [und] was ist dazu geschickter dazu als das theater? Die opera wird aber erst nach ostern seyn, das Versteht sich. Ich werde um die Erlaubniß länger hier zu bleiben nachstens schreiben. – – – Es ist aber keine opera seria, den es wird keine opera seria mehr Itzt; und man liebt sie auch nicht, sondern eine opera buffa.2 Nicht aber eine kleine opera buffa, sondern zu 21/2 bis 3 Stunden lang. Zu seriosen opern sind keine Sänger hier, selbst die traurige opera die Alceste vom gluck ist von lauter opera buffa sängern aufgeführt worden. ietzt macht er auch eine opera buffa: den für die opera buffa sind excellente leute da: sgr. Caribaldi, Sgr: Caratolj. Sgr. Poggi. Sgr. Laschi. [272] Sgr. Polinj, die Sga: Bernasconj, Sgra. Eberhardi, Sgra. Baglionj.

Was sagen Sie dazu, ist der Ruhm eine opera für das Wieñer theater geschrieben zu haben, nicht der beste weg nicht nur einen Credit in teutschland sondern in Italien zu erhalten? leben Sie wohl:


den 3ten february 1768.

Fußnoten

1 G. Chr. Wagenseil (1715–1777). hervorragender Musiker Wiens.


2 Wolfgangs »La finta semplice«.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 273.
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