178.

[9] Salzb: den 12ten April 1778


Mein liebes Weib und lieber Sohn!


In der Hofnung durch die morgige Post etwas von euerem beyderseitigen Wohlstand zu hören, schreibe heute voraus, daß wir heute des seel: adlgassers, morgen des Haydn und Dienstag des Wolfgangs Lytaney machen. Sgr: Ceccarelli wird in der letzten Lytaney alle Solo, und bey den goldenenSalve das Regina Coeli singen, welches der Wolfg: für die Haydin gemacht hatte. alle abend, wenn nicht grosse Musik ist, kommt er zu uns, bringt allzeit eine Arie, und ein Motetto mit, ich spiel das violin, und die Nannerl accompagniert und macht die Solo die für die Violen oder für die blasenden Instrumenten vorkommen. Dann machen wir Clavier Concert, oder auch Violin Trio, wo der Ceccarelli das zweyte Violin spielt; da haben wir zu zeiten etwas zu lachen, dann hier hat er angefangen violin zu spielen, und spielt itzt im 6ten Monat. zu Ende des Aprils ist seine zeit aus. wenn er auf den Herbst wieder kommen, oder itzt da bleiben will, so will ihm der Erzb: jährlich 800 fl auf 6 Jahr geben. Er hat sich erklärt, daß er für dieses geld (aber nur auf 2 Jahr) kommen will, wenn ihm der Erzb: auch die Reisekösten bezahlt. Nun erwartet er antwort. kommt er wieder, so lasst er alle seine Arien bey uns, nimmt nur etliche mit sich, und ist den 1 November wieder hier. Er ist ganz betrübt, daß er euch nicht kennt, und bedauert, daß er nicht gleich anfangs mit uns bekannt geworden, er geht sonst mit niemand um. Er schiesst mit uns, hat 2 mahl das beste gewonnen, und da die gilowsky Catterl, nach ihrem gebrauch sehr frey mit ihm ist, so heist er sie La Mattarella, welches sie nicht versteht; wir haben sie mit der Harffe auf die scheibe mahlen lassen, und den Ceccarelli mit aufgesperrtem Maul, den Tact geben, und in der andern hand Notten haltend – wie er singt. – hl: graf Czernin ist mit seiner siedlerey bey hofe nicht zu frieden, er möchte auch dirrigieren, desswegen hat er nun eine dilettanten musik errichtet, die im graf Lodronischen Saal [10] alle Sonntag nach 3 uhr anfangen soll. graf Sigerl Lodron kamm zu uns, die Nannerl (als eine dilettantin) zum Clavier einzuladen; mich aber zu ersuchen die Secundviolinen in ordnung zu halten. Heute vor 8 tag den 5ten war also die erste Musik. Da war dann graf Czernin dasprimo violino, dann Baron Babbius, Lodron-Sigerl, junge weinrother, Kolb, des Kolbs Student vom Nunberg, und noch ein paar junge Studenten, die ich nicht kenne. Beym violin 2do Ich, Robini Sigerl, Cusetti, graf Altham Andretter Caietan, ein Student, und der Ceccarelli la Coda dei Secondi. Die 2 violen sind die zween exjesuiten Bullinger und wishofer. 2 oboen der Laquay Weber und der gewisse schulzen Sohn der bey der Linzer Comoedie agiert hat. 2 Durnergesellen blasen die Horn, violon geigen, Caßl und der graf Wolfegg, auch zu zeiten der Ranftl. violoncell. die neuen jungen Domherrn, graf Zeil und grafSpaur, der Hof Mölk, Andretter Sigerl und Ranftl. Die Nannerl accompagnierte alle Sinfonien, und da der Ceccarelli per l'appertura della Accademia di dilettanti eine Arie Sang, so accompagnierte sie ihm auch. Nach der Sinfonie spielte gr:Czernin ein schön Componiertes Concert vomSirmen alla Brunetti, und dann doppo un altra Sinfonia graf Altham ein fürchterlichesTrio, kein Mensch kann aber sagen ob es gekrazt oder gegeigt war – ob es im 3/4 oder geraden Tacte oder gar eine neue Erfindung eines bishero noch unbekannten Tempo war. Die Nannerl sollte ein Concert spielen: allein da die gräfin ihren guten fliegt (der nur Casus reservatus pro summo Pontifice ist) nicht herausgab, sondern nur der am fuß vergoldete Egrdacher fliegl da stand, so spielte sie nicht. am Ende mussten die 2 Lodronischen freulein spielen. Es war vorher nicht der mindeste antrag, daß sie spielen sollten, allein da sie nun, seit dem sie mich haben, alle augenblick etwas zu spielen im Stande sind, so machten sie mir beyde Ehre.


[11] Montag den 13ten.


Wir haben also heut keinen Brief von euch. Der Postbriefträger kam zwar – allein mit einem Brief vom Missliwetcek, der mir schreibt, daß er anstatt gehofter 25 bis 30 Duggaten für die abermahl neucomponierte und vom Erzb: angefriemte 6 Concertoni, 12 Duggatten a Titolo per il Viaggio erhalten. – Daß er am grünen Donnerstag von München abreisen werde x: und da er in iedem Brief, deren er mir viele schrieb, um ihm an die Hand zu gehen, alzeit einen schwank wegen derScrittura von Neapl und derselben Posttäglich gewissen Erwartung beysetzte, so schreibt er itzt: Finora da Napoli non ebbi la scrittura; ma spero di finir quest' affare alla mia Venuta, per ove partirò giove di Santo; frattanto sono a pregarla d'una grazia: NB (sonst hätte er mir gewiß nichts geschrieben) cio è di mandarmi gli 6 Concerti di Bach x: x: io Sono stato pregato dal Sgr: Hamm per questa finezza xx: Non ardiscona loro stessi di Scriver à V: S: x: Das glaub ich gerne; dann Hl: Hamm hatte die Höflichkeit mir gar keine antwort mehr zu geben, auf mein vor 5 Monath an ihn erlassenes schreiben, da ich doch für die ganze unterhaltung seiner freul: tochter sammt der instruction nur 200 fl jährl. verlangt hatte1. – Nun itzt muste Missliweck für ihn die Concerte verlangen, – auf die mögen sie lang warten – dem Missliwetcek schreib ich die Ursache. am Palmsontag den 12ten war nun die zweyte Liebhaber accademie: so wohl in der ersten als zweyten wurden Sinfonien von Stamitz2 gemacht, die viel gefahlen, weil sie viel Lermen machen. Baron Babbius spielte ein ganz leichtes violin Concertl, wenigst à tempo und gar nicht falsch, er lernt beym Pinzger. – Dann spielte aber hl: Kolb Deine Caßation mit dem erstaunlichsten Beyfahl. graf Czernin der weder iemals den Kolb hat geigen hören, weder Deine Caßation gehört hat, stand hinter und bald neben ihm mit der grössten aufmerksammkeit, und wendete ihm um: da er die Musik erstaunlich lobte und dann hörte, daß sie von Dir[12] wäre, so sagte er 3 bis viermahl mit allem Eyfer zu mir – wenn hat er sie denn gemacht? – – ich muß nicht hier gewesen seyn – und konnte nicht aufhören seine Verwunderung über die Composition und Execution mit dem gewissen feuerrothen gesicht und zitternden Stimme an Tag zu geben. alles hörte mit dem grössten Stillschweigen zu, und nach iedem Stück schrie graf Wolfegg, gr. Zeyl, gr. Spauer und alle bravo il Maestro e bravo il Sgr. Kolb! Die gräfin Lodron, die gräfin Lizow x: alles war dabey aufmerksamm und vergnügt, und die gräfin kannte es erst an den Variationen die Du öfter vorspielen musstest, daß dieß ihre Musik war, sie lief zu mir voll freude her, und sagte mir es – dann ich spielte das an violin, der Kolbstudent die viola, derCassl den Baß, die 2 Durner, die es beym kolb schon öfter geblasen, waren die waldhorn. den schluß der accademie machten die 2 Klözlischen freulein auf dem Clavier sehr elend, die älteste aber unbeschreiblich schlecht, zum davon lauffen; es ist gar nicht auszuhalten, noch schlechter als sie bey der Khünburgischen Commoedie gesungen haben. am oster Sonntag werden die 2 Lodron freulein Singen oder Krähen, das weis ich nicht, ich habs lange nicht gehört. die Nannerl ist schon gebetten ihnen zu accompagnieren. den 16ten, wieder kein Brief von euch. wir hoffen ihr seyd gesund, und wissen wohl, daß man anfangs viel zu thun hat alle Leute aufzusuchen, und neue Bekanntschaften zu machen, und die alten wieder zu erneuern. Der Sohn des hl: Mehofers ist aus dem gebürg hier, und ist nun endlich mit vieler Mühe Bergverweser im Lungauischen worden; wenigst ist er itzt vom Bley und schwefel zum silber und gold gekommen und hat nebst wohnung und andern accidentien iährlich 230 f besoldung. der architect Ha genauer ist fort und kommt nicht mehr. In unserm Hause ist die ältere von den zwo zimmermannstöchtern an der Wassersucht gestorben, die Röck abgeneht haben und deren bruder dem Wolfgang und den Edlknaben die Stiefel gewixt hat. am Mittwoch den 22ten wird die Hochzeit des Oberbereuter seyn. hl: v Mölk wird sie in der frühe im Mirabell zusamm geben, dann fahren sie auf altenötting. die freul: braut [13] sieht sehr schlecht aus, es gehet ihr nun stark zu herzen, wenn sie über das vorhergegangene, gegenwärtige und zu künftige nachdenket. Es ist ein violoncellist hier mit seiner Frau. Er spielt unvergleichlich gut. sein Name ist Xaverio Pietragrua. er hat für 10 accordierte duggatten bey Hof gespielt und giebt den 21ten einConcert. er und seine Frau (die singt, weis aber nicht wie,) empfehlen sich euch unbekannter weise. Sie waren 3 mahl bey mir und kommen morgen zum bölzlschiessen, dann dieß schreibe ich den 19ten am Sonntag.


Montag den 20ten


gestern war abermal die dilettanten accademie, allein ganz kurz, weil sie erst nach dem Regina Coeli im Domb, so der Castrat vortrefflich gesungen, angefangen. Da heut vom Amt nach hauß kamm, fand ich euren Brief vom 5ten diesses3. Ich erstaune daß der brief so späth angekommen. Er ist halt später aufgegeben worden, denn in 9 tägen kann ein Brief von Paris hier seyn. Ich rathe auch darauf zu schreiben –par Strasbourg, augspourg. – Denn euer erster Brief ist auch später und zwar mit der Seytenpost von Mannheimm her kommen; es giebt mehrer Salzburg. Diese Wort müssen aber auf der seite hingeschrieben werden.

par Strasb: x:

augsb:

à Salzbourg.


Mein lieber Wolfgang ich erfreue mich von Herzen, daß Du schon arbeit hast, nur ist es mir leid, daß Du mit der Composition der Chöre so sehr hast eylen müssen, eine arbeit, die doch um sich Ehre zu machen, seine Zeit erfordert, ich wünsche und Hoffe, daß sie Beyfahl finden. Mit der opera wirst Du Dich wohl nach dem geschmack der franzosen richten. wenn man nur Beyfahl findet und gut bezahlt wird, das übrige hohle der Plunder! wenn Du mit der opera gefahlest, so wird bald etwas in zeitungen seyn. Das möchte ich mit der zeit wünschen der Erzbischof zum trotz. Die Synfonie[14] Concertante möchte mit diesen braven Leuten hören. Wenn Du könntest ein gutes Clavicord, wie unseres, in Paris für Dich austreiben, das würde Dir wohl lieber und anständiger seyn als ein Flügl. Das die Franzosen ihren gusto noch nicht ganz geändert haben, höre nicht gern: allein, glaube mir, es wird doch nach und nach geschehen, denn es ist keine kleine sache eine ganze Nation umzuschmeltzen. Es ist schon genug daß sie das gute auch hören können; sie werden nach und nach auch den unterschied bemerken. Ich bitte Dich, höre nur, bevor Du fürs Theater schreibst, ihre opern, und was ihnen sonderheitl: gefählt. Nun wirst Du ein ganzer franzos werden, und hoffentl: bedacht seyn den wahren accent der sprache Dir anzugewöhnen. Ich und die Nannerl sind, gottlob, gesund, und ich bin nun itzt ausser aller Sorge und recht vergnügt, da ich weis, daß unser bester freund hl: Baron v Grimm, sich Deiner annimmt, und Du an dem Platz bist, der Dich durch Deinen Fleiß, der Dir angebohren ist, von dort aus in der ganzen Welt in grossen Rhum bringen kann. Wenn ich mich nicht so viel für euch zu sorgen habe, dann bin ich gesund: und Du kennest mich, ich halt alles auf Ehre und Rhum. Du hast Dir solchen in der Kindheit erworben – das muß nun so fortgehen. – Das war allzeit und ist immer noch meine Absicht; dieß sind nun Deine Jahre, die Du für Dich und für uns alle benutzen must. gott erhalte euch beyde nur gesund. Mache von mir und der Nannerl unsere Empf: an hl: B: v grimm, an Mr: und Mdme de Noverre, an Mdme genomai. Mdme d'Epinay, Mr: Wendling. Mr: Raff, Mr: Goseck. xx: x: x: von hier habe euch beyden vom ganzen hause, von der ganzen Musique x: vom Bullinger (der für die gesundheits errinnerung zu Clermont danckt4 Salerl, gilowsky Catt: x: Hagenauers hl: Deibl x: x: 100000Compl. zu melden. heut ist das bölzl schüssen, auf der scheibe liegt die gilowsky Catterl in der Wiege, weil gestern ihr geburtstag war, und der Castrat5 steht neben bey und geigt das Kindlwiegenlied. – DerCastrat giebt das beste. – Mein liebes Weib! es ist mir sehr leid, daß Du mit dem Essen so übl daran bist. Sollte es dann nicht möglich seyn iemand [15] zu erfragen, der auf deutsche art kocht. Du must halt um eine bessere Kost umsehen; und mehrer bezahlen. Ich war schon immer desswegen besorgt. und selbst kochen kannst Du Dir auch nicht? – mit der zeit muß man doch auf etwas anderes denken, dann ihr seyd nicht gerade auf etliche Monat in Paris, – dieser ist itzt der sicherste Orth, theils geld zu machen, theils ohne forcht des Krieges zu leben. Mir gefahlt es gar nicht, daß zwischen Russland und den Türken fried bleiben oder viellmehr ein völliger friede solle geschlossen seyn worden. Man muß alsdann sorgen, daß sich Russland zum König in Preussen schlage, und östereich dann mit 2 sehr mächtigen Potenzen zu thun haben werde. Meine antwort auf eueren ersten brief werdet ihr wohl erhalten haben, und dem hl: Baron vgrimm werden meine zween erschröcklich langen briefe auch zu handen gekommen seyn. Der Wolfg: will ein A, B, C er wird aber nicht viel zeit haben damit sich aufzuhalten. hier ist etwas.

a a a b c d e e f f f f g h i k K l l l m n o p p q r s s s t u w v w x x y z t z

A A B B C C D E F G H I K L M M N N O P P Q R S S T U V X Y Z

Ich kann heut nicht schön schreiben, die feder ist nichts nutz, und muß in die Vesper eylen, die Welschen sind auch da, ich hab eben das beste für die Mamma gewonnen. Wir Küssen euch beyde Million mahl und bin der alte getreue

addio lebts gesund.

Mzt


Der Pimperl ist ganz wohl auf, wenn er auf dem Tisch stehet, so krazt er ganz Subtil mit einer prazen an die Semerl, daß man ihm eine geben soll und an das Messer, daß man ihm soll abschneiden. und wenn 4, 5, tobackieren auf dem Disch liegen, so kraez er an die, wo der spannische toback darinnen ist, daß man eine nehmen, und dann ihm soll die finger ablecken lassen.

Fußnoten

1 S. den Brief vom 1. Dezember 1777.


2 Wohl von Johann Stamitz.


3 Antwort auf Wolfgangs Brief vom 5. April.


4 S. den Brief der Mutter vom 24. März.


5 Ceccarelli.


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 16.
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