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[410] Mon tres cher Pére!


Mir ist es sehr unangenehm daß durch die Dummheit der storace Mein brief nicht in ihre hände gekommen ist; – ich schrieb ihnen unter andern dariñ daß ich hoste sie würden mein leztes Schreiben erhalten haben – da sie aber von diesem Schreiben gar keine Meldung machen (es war der 2te brief von Prag) so weis ich nicht was ich denken soll; – es ist leicht möglich daß so ein bedienter vom graf thun es für gut befunden hat, das Postgeld im Sack zu stecken; – ich wollte doch lieber dopelt Postgeld zahlen, als meine briefe in unrechten händen wissen, – diese fasten kammen Ramm, und 2 Fisher hieher – der Baßist und der Oboist von London. – Wenn lezterer1 zu der zeit als wir ihn in Holland kannten nicht besser geblasen hat als er izt bläst, so verdient er gewis das Renomée nicht welches er hat. – Jedoch unter uns gesagt. – ich war damals in den Jahren wo ich nicht imstande war ein urtheil zu fällen – ich weis mich nur zu erinnern daß er mir ausserordentlich gefiel, so wie der ganzen Welt; – man wird es freylich natürlich finden, wenn man annimt daß sich der geschmack ausserordentlich geändert hat. – er wird nach einer alten schule Spielen. – aber Nein! – er Spielt, mit einem Wort, wie ein Elender scolar – der Junge An drè der beym fiala lernte Spielt tausendmal besser – und dann seine konzerte! – von seiner eigenenComposition – Jedes Ritornell dauert eine Viertelstunde – dann erscheint der Held – hebt einen bleyernen sus nach dem andern auf – und Plumpsst dann wechselweise damit zur Erde – sein ton ist ganz aus der Nase – und seine tenuta ein tremulant auf der orgel. hätten Sie sich dieses bild vorgestellt? – und doch ists nichts als Wahrheit – aber Wahrheit die ich nur ihnen sage. –

Diesen augenblick höre ich eine Nachricht die mich sehr niederschlägt – um so mehr als ich aus ihrem lezten Vermuthen konnte daß sie sich gott lob recht wohl befinden; – Nun höre aber daß sie wirklich [411] krank seyen! – wie sehnlich ich einer tröstenden Nachricht von ihnen selbst entgegen sehe, brauche ich ihnen doch wohl nicht zu sagen; – und ich hoffe es auch gewis – obwohlen ich es mir zur gewohnheit gemacht habe mir immer in allen Dingen das schlimmste vorzustellen – da der tod (genau zu nemmen) der wahre Endzweck unsers lebens ist, so habe ich mich seit ein Paar Jahren mit diesem wahren, besten freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein bild nicht alleine nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel beruhigendes und tröstendes! – und ich danke meinem gott daß er mir das glück gegönnt hat mir die gelegenheit (sie verstehen mich) zu verschaffen, ihn als den schlüssel zu unserer wahren glückseeligkeit kennen zu lernen. – ich lege mich nie zu bette ohne zu bedenken daß ich vielleicht (so Jung als ich bin) den andern tag nicht mehr seyn werde – und es wird doch kein Mensch von allen die mich kennen sagn können daß ich im umgange Mürrisch oder trauerig wäre – und für diese glückseeligkeit danke ich alle tage meinem Schöpfer, und wünsche sie vom Herzen Jedem meiner Mitmenschen. – Ich habe ihnen in dem briefe (so die storace einge Packt hat) schon über diesen Punckt (bey gelegenheit des trauerigen todfalls meines liebsten besten freundes grasen von Hatzfeld2 meine Denkungsart erkläret – er war eben 31 Jahr alt, wie ich – ich bedauere ihn nicht – aber wohl herzlich mich und alle die, welche ihn so genau kannten wie ich. – Ich hoffe und wünsche daß sie sich wehrend ich dieses schreibe besser befinden werden; sollten sie aber wieder alles Vermuthen nicht besser seyn, so bitte ich sie bey ....... mir es nicht zu verhehlen, sondern mir die reine Wahrheit zu schreiben oder schreiben zu lassen, damit ich so geschwind als es menschen möglich ist in ihren Armen seyn kann; ich beschwöre sie bey allem was – uns heilig ist. – Doch hoffe ich bald einen trostreichern brief von ihnen zu erhalten, und in dieser angenemmen hoffnung küsse ich ihnen sammt meinem Weibe und dem Carl3 1000mal die hände, und bin Ewig

ihr gehorsamster Sohn

W: A: Mozart.


Wieñ den 4: april 1787.

Fußnoten

1 Der berühmte Oboist J.C. Fischer (1733–1800).


2 Graf August Hatzfeld († 1787 in Bonn).


3 Der 1784 geborene Sohn († 1859).


Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 4. München/ Leipzig 1914, S. 412.
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