190.

[110] Vienne ce 22 d' Août 1781


Mon trés cher Pére!


Wegen der adreße meiner neuen Wohnung kann ich ihnen Ja noch nichts schreiben, weil ich noch keine habe1; doch bin ich mit zweyerley im Preiszank, wovon eines ganz gewis genommen wird, weil ich künftiges Monath nicht mehr hier wohnen könnte, folglich ausziehen muß. – es scheint, h: v: Auerhammer hätte ihnen geschrieben – und geschrieben daß ich schon wirklich eine Wohnung habe! – ich habe auch wirklich schon eine gehabt; aber, was für eine! – für Ratzen und Mäuse aber nicht für Menschen. – Die stiege müste man Mittags um 12 uhr mit einer laterne suchen. Das zimmer konnte man eine kleine kammer nennen. Durch die küche kamm man in mein zimmer, und da war an meiner kammerthure ein fensterchen; man versicherte mich zwar man würde ein sürhängerle vormachen, doch bat man mich zugleich daß, so bald ich angezogen wäre, ich es wieder aufmachen sollte, denn sonst sähen sie nichts so wohl in der küche als indenanstossenden andernzimmer. – Die frau selbstnennte das haus das Ratzen-Nest; mit einem wort, es war fürchterlich anzusehen. – Das wäre mir eine Noble Wohnung gewesen, wo doch unterschiedliche leute von Ansehen zu mir kommen. – Der gute Mann2 hat halt auf nichts als auf sich selbst und seine tochter3 gedacht: welche die gröste seccatrice ist, die ich kenne. – weil ich in [110] ihren lezten schreiben eine graf Daunische Eloge von diesem hause gelesen, so muß ich ihnen doch auch etwas davon schreiben; ich hätte dies alles was sie lesen werden mit stillschweigen übergangen, und als etwas das nicht kalt und nicht warm macht, weil es nur eineprivat seccatur für mich allein ist, betrachtet. – Da ich aber aus ihrem schreiben ein vertrauen auf dieses haus entdecke, so sehe ich mich gezwungen ihnen sowohl das gute als üble davon aufrichtig zu sagen. – Er ist der beste Mann von der Welt – Nur gar zu gut; denn, seine frau, die dummste und närrischte schwätzerin von der Welt, hat die hofen. so, daß wenn sie spricht, er sich kein Wort zu sagen trauet; er hat mich, da wir öfters zusamm spatzieren gegangen gebeten, ich möchte in seiner frauen gegenwart nichts sagen, daß wir einen fiacre genommen, oder Bier getrunken haben. – Nun, zu so einem Mann kann ich ohnmöglich vertrauen haben; er ist mir in betracht seiner haushaltung zu unbedeutend. – er ist ganz brav, und ein guter freund von mir; ich könnte öfters bey ihm zu Mittage speisen, ich pflege mir aber meine gefälligkeiten niemalen bezahlen zu lassen. – sie wären freylich mit einer Mittag Supe nicht bezahlt – Doch glauben solche leute was sie damit thun. – Ich bin nicht wegen meinem Nutzen in ihren hauß, sondern wegen dem ihrigen. Ich sehe dabey gar keinen Nutzen für mich; – und habe noch keine einzige Person dort angetrofen, die so viel Werth wäre, daß ich sie auf dieses Papier hersetzte. – übrigens gute leute, und sonst weiter nichts; – leute die vernunft genug haben einzusehen wie nützlich ihnen meine Bekanntschaft für ihre tochter ist, welche, wie alle leute die sie vorher gehört haben sagen, seit der zeit da ich zu ihr gehe, sich ganz verändert hat. – von der Mutter will ich gar keine beschreibung machen. genug, daß man über tisch genug zu thun hatum das lachen zu halten; basta; sie können die frau Adlgasserin; und dieses meuble ist noch ärger; denn sie ist dabeyMedisante. also dumm und boshaft. von der tochter also; wenn ein Maler den teufel recht natürlich Malen wollte, so müste er zu ihrem gesicht zuflucht nehmen. – sie ist dick wie eine bauerdirne; schwizt also daß man speien möchte; und geht so blos – daß man ordentlich lesen [111] kann. – ich bitte euch schauet hier her; das ist wahr, zu sehen ist genug; daß man blind werden mochte; aber – man ist auf den ganzen tag gestraft genug wenn sich unglückseeligerweise die augen darauf wenden – da braucht man Weinstein! – so abscheulig, schmutzig, und grauslich! – pfui teufel! – Nun, ich habe ihnen geschrieben, wie sie clavier spiellt. ich habe ihnen geschrieben warum sie mich gebeten, ihr beyzustehen. – mit viellen vergnügen thue ich leuten gefälligkeiten, aber nur nicht secchiren. – sie ist nicht zufrieden wenn ich 2 stundn alle tage mit ihr zubringe; ich soll den ganzen tag dort sitzen. – und da will sie die artige machen! – aber wohl noch mehr; sie ist serieusement in mich verliebt – ich hielte es für spass, aber nun weis ich es gewis; – als ich es merkte – denn, sie namm sich freyheiten heraus – zum beyspielle. – mir zärtliche vorwürfe zu machen, wenn ich etwas spätter kamm als gewöhnlich, oder mich nicht lange aufhalten konnte, und dergleichen sachen mehr, – ich sahe mich also gezwungen um sie nicht zum Narren zu haben ihr mit höflichkeit die wahrheit zu sagen. – Das half aber nichts. sie wurde noch immer verliebter; endlich begegnet ich ihr allzeit sehr höflich, ausgenommen sie kamme mit ihren Possen, dann wurde ich grob – da namm sie mich aber bey der hand, und sagte; lieber Mozart; seyen sie doch nicht so bösesie mögen sagen was Sie wollen, ich hab sie halt doch gern. – in der ganzen stadt sagt man das wir uns heyrathen, und man verwundert sich nur über mich, daß ich so ein gesicht nehmen mag. sie sagte mir daß wenn so was zu ihr gesagt würde, sie allzeit dazugelacht habe; ich weis aber von einer gewissen Person daß sie es bejahet habe, mit dem zusatz, daß wir alsdann zusamm Reisen werden. – Das hat mich aufgebracht. – ich sagte ihr also lezthin die Meynung wacker; und sie möchte meine güte nicht misbrauchen. – und noch komme ich nicht mehr alle tage, sondern nur alle anderte tage zu ihr, und so wird es nach und nach abnehmen. – sie ist nichts als eine verliebte Närrin; – denn bevor sie mich gekannt, hat sie in theater als sie mich gehört, gesagt: Morgen kommt er zu mir, und da werde ich ihm seine variationen mit den nemlichengusto vorspiellen. [112] – aus dieser ursache bin ich nicht hingegangen. weil das eine stolze rede war – und weil sie gelogen hat. denn ich wuste kein wort davon, daß ich den andern tag hingehen sollte. – Nun adieu, das Papier ist voll. Der erste ackt von der opera ist nun fertig. ich küsse ihn 1000 mal die hände und meine liebe schwester umarme ich von herzen u bin Ewig Dero

geh: Sohn

W. A: Mozart

Fußnoten

1 S. hierzu den Brief vom 1. August.


2 Auernhammer.


3 Josephine (s. den Brief vom 27. Juni).

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 110-113.
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