*275.

[260] Wien 18. Aug 1784.


Ma très chère soeur!


Potz Sapperment; – Itzt ist es zeit, daß ich schreibe, wenn ich will, daß dich mein Brief noch als eine Vestalin antreffen soll! – [260] Ein paar Tage später, und – weg ist's! – Meine Frau und ich wünschen dir alles Glück und Vergnügen zu deiner Standesveränderung und bedauern nur von Herzen, daß wir nicht so glücklich seyn können bey deiner Vermählung gegenwärtig zu seyn; wir hoffen aber dich künftiges Frühjahr ganz gewiß in Salzburg sowohl als in St. Gilgen als Fr. von Sonnenburg sammt deinem H. Gemahl zu umarmen. Wir bedauern nun nichts mehrer als unsern lieben Vater, welcher nun so ganz allein leben soll! – Freylich bist du nicht weit von ihm entfernt und er kann öfters zu dir spatziren fahren – allein itzt ist er wieder an das verfluchte Capellhaus gebunden! – Wenn ich aber an meines Vaters Stelle wäre, so würde ich es also machen; – ich bittete den Erzbischof nun (als einen Mann, der schon so lange gedient hat) mich in meine Ruhe zu setzen – und nach erhaltener Pension ginge ich zu meiner Tochter nach St. Gilgen und lebte dort ruhig. – Wollte der Erzbischof meine Bitte nicht eingehen, so begehrte ich meine Entlassung und ging zu meinem Sohne nach Wien, – und das ist's, was ich dich hauptsächlich bitte, daß du dir Mühe geben möchtest ihn dazu zu bereden; – und ich habe ihm heute in dem Briefe an ihn schon das Nämliche geschrieben. Und nun schicke ich Dir noch 1000 gute Wünsche von Wien nach Salzburg, besonders daß ihr beyde so gut zusammen leben möchtet, als – wir zwey. – Drum nimm von meinem poetischen Hirnkasten einen kleinen Rath an; denn höre nur:


Du wirst im Ehstand viel erfahren,

was dir ein halbes Räthsel war;

bald wirst du aus Erfahrung wissen,

wie Eva einst hat handeln müssen,

daß sie hernach den Kain gebar.

Doch, Schwester, diese Ehstandspflichten

wirst du von Herzen gern verrichten,

denn glaube mir, sie sind nicht schwer.

Doch jede Sache hat zwo Seiten:

der Ehstand bringt zwar viele Freuden,

allein auch Kummer bringet er.

[261] Drum wenn dein Mann dir finstre Mienen,

die du nicht glaubest zu verdienen,

in seiner übeln Laune macht:

so denke, daß ist Männergrille,

und sag: Herr, es gescheh dein Wille,

bei Tag – und meiner in der Nacht.


Dein aufrichtiger Bruder

W.A. Mozart.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 260-262.
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