147.

[3] Munic ce 8 de gbre 1780


Mon trés cher Pére!


Glücklich und vergnügt war meine Ankunft! – glücklich, weil uns auf der Reise nichts widriges zugestossen, und vergnügt, weil wir kaum den Augenblick, an ort und Ende zu kommen, erwarten konnten, wegen der obwohl kurzen doch sehr beschwerlichen Reise; – denn, ich versichere Sie, daß keinem von uns möglich war nur eine Minute die Nacht durch zu schlafen – Dieser Wagen stößt einem doch die Seele heraus! – und die Sitze! – hart wie stein! – Von Wasserburg aus glaubte ich in der that meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können! – er war ganz schwierig – und vermuthlich feuer Roth – Zwey ganze Posten fuhr ich die Hände auf dem Polster gestützt, und den Hintern in lüften haltend – doch genug davon, das ist nun schon vorbey! – aber zur Regel wird es mir seyn, lieber zu sus zu gehen, als in einem Postwagen zu fahren. – Nun von München; ich war, (wir kammen hier erst um 1 uhr Nachmittags an) noch dem Nemlichen Abend beym graf Seeau, alwo ich, weil er nicht zu hause war, ein Billet hinterließ – Den Andern tage Morgens gieng ich hin, Mit Becckè1 welcher sich ihnen allerseits empfehlt; – Seeau ist von den Mannheimern wie War zusamm geschmolzen worden – wegen dem buch sagt der graf ist es nicht Nöthig daß der Abbate varesco2 es nochmal schreibe und hieherschicke – weil es hier gedruckt wird – ich meinte aber, er sollte es gleich zusammen schreiben: und aber die kleinen Noten dabey nicht vergessen, und es so bald möglich mit sammt dem Argument hieher schicken – die Nämme der Singenden Persoñen betreffend, ist es das unöthigste, das kann wohl am leichtesten hier geschehen. es werden so da und dort kleine veränderungen vorgenommen werden – Die Recitativ etwas abgekürzt – doch wird alles gedruckt seyn; Ich habe nur eine bitte an h: Abbate; – Die Aria der Ilia im [3] zweyten Ackt und zweyten Scene möchte ich für das was ich sie brauche, ein wenig verändert haben – se il Padre perdei in te lo ritrovo; Diese stropfe könte nicht besser seyn – Nun aber kömmts was mir immer NB: in einer Aria, unatürlich schien – nemlich das à parte reden. im Dialogue sind diese Sachen ganz Natürlich – Man sagt geschwind ein paar worte auf die Seite – aber in einer aria – wo man die wörter wiederhollen muß – macht es üble Wirkung – und wenn auch dieses nicht wäre, so wünschte ich mir da eine aria – Der anfang kann bleiben wenn er ihm taugt, denn der ist Charmant – eine ganz Natürlich fortfliessende Aria – wo ich nicht so sehr an die worte gebunden, nur so ganz leicht auch fortschreiben kann, denn wir3 haben uns verabredet hier eine aria Andantino mit 4 Concertirenden blas-Instrumenten anzubringen, nemlich auf eine flaute, eine oboe, ein Horn, und ein fagott – und bitte, daß ich sie so bald als möglich bekomme. – Nun eine Hundsfütterey; – ich habe zwar nicht die Ehre den Helden del Prato4 zu kennen; doch der beschreibung nach ist noch fast Ceccarelli besser; – denn mitten in einer Aria ist öfters schon sein odem hin – und – NB: er war noch nie auf keinen theater – und Raaff5 ist eine statue. – Nun stellen sie sich einmal die scene im Ersten Ackt vor. – Nun aber etwas gutes. Madme Dorothea Wendling ist mit ihrer Scene Arci-contentissima – Sie hat sie 3 mal nach einander hören wollen. gestern ist der Groß Deutschmeister angekommen – es wurde auf dem Churf: Hoftheater Esex aufgeführt – und ein Magnifiques Ballet. Das theater war ganzJlluminirt; – den Anfang machte eine ouverture vomCannabich, die ich, weil sie von den lezten ist, nicht gekannt; Ich versichere Sie, wenn sie selbe gehört hätten – Sie würde ihnen so sehr gefallen, und gerührt haben, wie mich! – und wenn Sie es nicht schon vorher gewüst hätten, gewis nicht geglaubt haben daß sie von Cannabich ist – kommen Sie doch bald und hören sie – bewundern sie das Orchestre – Nun weis ich [4] nichts mehr. Heute abends ist grosse ackademie. Mara6 wird 3 arien singen – schneuet es in Salzburg auch so wie hier? – An h: schickaneder7 meine Empfehlung, bitte um verzeihung daß ich die arie noch nicht schicken kann, denn ganz habe ich sie noch nicht zu Ende bringen können –

Ich küsse ihnen tausendmal die hände, und meine schwester umarme ich von ganzen Herzen, und bin


Mon trés chér Pére


gehorsamste Sohn

Wolf: Amdè Mozart8


Vom Cannabich:, Wendl:

tausend Complimenten

und hoffen bald das vergnügen

zu haben sie beyde kennen zu

lernen. Adieu.

Fußnoten

1 Dem Münchener Flötisten.


2 Giambattista Varesco, seit 1766 Salzburger Hofkaplan, der Librettist des »Idomeneo«.


3 Die von Mannheim nach München übergesiedelten Hofmusiker: Wendling, Ramm, Lang und Ritter sowie Mozart.


4 Der Kastrat Vinc. del Prato (1756 bis 1828), der für die Partie des Idamante ausersehen war.


5 In der Titelrolle.


6 Die gefeierte Sängerin G.E. Mara (Schmeling), (1749–1833).


7 Emanuel Schikaneder (1751–1812), der spätere Librettist der »Zauberflöte«, weilte damals mit seiner Theatertruppe in Salzburg und fand Zutritt in den engeren Freundeskreis Mozarts.


8 Antwort des Vaters: 11. November.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 3-5.
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