*282.

[275] Mon très cher Père!


Mir ist es sehr unangenehm, daß durch die Dummheit der Storace mein Brief nicht in Ihre Hände gekommen ist; – ich schrieb Ihnen unter andern darin daß ich hofte Sie würden mein leztes Schreiben erhalten haben – da Sie aber von diesem Schreiben gar keine Meldung machen (es war der 2te Brief von Prag) so weis ich nicht was ich denken soll; – es ist leicht möglich daß so ein Bedienter vom Graf Thun es für gut befunden hat, das Postgeld im Sack zu stecken; – ich wollte doch lieber dopelt Postgeld zahlen, als meine Briefe in unrechten Händen wissen – diese Fasten kammen Ramm, und 2 Fisher hieher – derBassist und der Oboist von London. – Wenn letzterer1 zu der Zeit, als wir ihn in Holland kannten, nicht besser geblasen hat als er izt bläst, so verdient er gewis das Renomée nicht, welches er hat. – Jedoch unter uns gesagt. – ich war damals in den Jahren, wo ich nicht im stande war ein urtheil zu fällen – ich weis mich nur zu erinnern, daß er mir außerordentlich gefiel, so wie der ganzn Welt; – man wird es freylich natürlich finden, wenn man annimt daß sich der Geschmack außerordentlich geändert hat. – Er wird nach einer alten schule Spielen – aber nein! – er Spielt mit einem Wort, wie ein elender scolar – der junge André, der beym Fiala lernte, spielt tausendmal besser – und dann seine Conzerte! – Von seiner eigenen Composition – Jedes Ritornell dauert eine Viertelstunde – dann erscheint der Held – hebt einen bleyernen Fuß nach dem andern auf – und Plumpsst dann wechselweise damit zur Erde – sein Ton ist ganz aus der Nase – und seine tenata ein tremulant auf der Orgel. Hätten Sie sich dieses Bild vorgestellt? – und doch ists nichts als Wahrheit – aber Wahrheit die ich nur Ihnen sage. – Diesen Augenblick höre ich eine Nachricht die mich sehr niederschlägt – um so mehr als ich aus Ihrem lezten vermuthen konnte, daß Sie sich gottlob recht wohl befinden; Nun höre aber daß Sie wirklich krank seyen! wie sehnlich ich einer tröstenden [276] Nachricht von Ihnen selbst entgegen sehe, brauche ich Ihnen doch wohl nicht zu sagen; und ich hoffe es auch gewis – obwohlen ich es mir zur Gewohnheit gemacht habe mir immer in allen Dingen das schlimmste vorzustellen – da der Tod (genau zu nemmen) der wahre Endzweck unsers Lebens ist, so habe ich mich seit ein Paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel beruhigendes und tröstendes! und ich danke meinem Gott, daß er mir das Glück gegönnt hat mir die Gelegenheit (Sie verstehen mich) zu verschaffen, ihn als den Schlüssel zu unserer wahren Glückseeligkeit kennen zu lernen. – Ich lege mich nie zu Bette ohne zu bedenken, daß ich vielleicht (so jung als ich bin) den andern Tag nicht mehr seyn werde – und es wird doch kein Mensch von allen die mich kennen sagn können daß ich im Umgange mürrisch oder traurig wäre – und für diese Glückseeligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer und wünsche sie vom Herzen Jedem meiner Mitmenschen. – Ich habe Ihnen in dem Briefe (so die Storace eingepackt hat) schon über diesen Punkt (bey Gelegenheit des traurigen Todfalles meines liebsten besten Freundes grafen v. Hatzfeld2 meine Denkungsart erklärt – er war eben 31 Jahre alt; wie ich – ich bedauere ihn nicht – aber wohl herzlich mich und alle die welche ihn so genau kannten wie ich. – Ich hoffe und wünsche daß Sie sich während ich dieses schreibe besser befinden werden; sollten Sie aber wieder alles Vermuthen nicht besser seyn, so bitte ich Sie bey ....... mir es nicht zu verhehlen, sondern mir die reine Wahrheit zu schreibn oder schreiben zu lassen, damit ich so geschwind als es menschenmöglich ist in Ihren Armen seyn kann; ich beschwöre Sie bey allem was – uns heilig ist. – Doch hoffe ich bald einen trostreichen brief von Ihnen zu erhalten, und in dieser angenemmen Hoffnung küsse ich Ihnen sammt meinem Weibe und dem Carl3 1000mal die Hände, und bin ewig

Ihr gehorsamster Sohn

W: A: Mozart.


Wien den 4ten April 1787

Fußnoten

1 Der berühmte Oboist J.C. Fischer (1733–1800).


2 Graf August Hatzfeld (†1787 in Bonn).


3 Der 1784 geborene Sohn.

Quelle:
Die Briefe W. A. Mozarts und seiner Familie. 5 Bände, Band 2. München/ Leipzig 1914, S. 275-277.
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