1.

[39] Mozart kam auf seiner letzten Reise nach Berlin gegen Abend daselbst an. Kaum war er ausgestiegen, so fragte er den, ihn nicht kennenden Kellner: »Gibt's diesen Abend nichts von Musik hier?«

»O ja«, sagte der Mensch, »so eben wird die deutsche Oper angegangen sein.«

»So? Was geben sie heute?«

»Die Entführung aus dem Serail.«

»Charmant!« rief Mozart lachend.

»Ja« – fuhr der Mensch fort – »es ist ein recht hübsches Stück. Es hat's komponiert – wie heißt er nun gleich?« –

Mozart eilte im Reiserocke fort. Er blieb ganz am Eingange des Parterres stehen und wollte da unbemerkt lauschen.

Aber bald freute er sich zu sehr über den Vortrag einzelner Stellen, bald wurde er unzufrieden mit den Tempos, bald machten ihm die Sänger und Sängerinnen zu viel Schnörkeleien – wie er's nannte; kurz sein immer mehr erregtes Interesse drängte ihn immer näher und näher dem Orchester zu. Indem er bald dieses, bald jenes, bald leiser, bald lauter brummte und murrte, gab er den Umstehenden, die auf das kleine, unscheinbare Männchen im schlichten Überrocke herabsahen, einen Stoff zum Lachen, wovon er nichts bemerkte.

Es kam endlich zu Pedrillos Arie: Frisch zum Kampfe, frisch zum Streite etc. Die Direktion hatte entweder eine unrichtige Partitur, oder – man hatte verbessern wollen[39] und der zweiten Violin bei den oft wiederholten Worten: Nur ein feiger Tropf verzagt – Dis statt D gegeben. Hier konnte sich Mozart nicht länger halten; er rief fast ganz laut:

»Verflucht! – wollt ihr D greifen!«

Alles sah sich um, auch viele aus dem Orchester. Es erkannten ihn einige von den Musikern, und nun ging es wie Lauffeuer durch das Orchester und von diesem aufs Theater: »Mozart ist da!«

Einige Schauspieler, besonders die sehr schätzbare Sängerin Mad. B., welche die Blonde spielte, wollten nicht wieder heraus aufs Theater.

Diese Nachricht lief rückwärts an den Musikdirektor, und dieser sagte in der Verlegenheit Mozarten davon, der nun schon bis hart hinter ihm vorgerückt war.

Im Augenblick war Mozart hinter den Kulissen. »Madame!« sagte er zu B. »Was treiben sie für Zeug? Sie haben herrlich gesungen – und damit Sie's ein ander Mal noch besser machen, will ich die Rolle Morgen mit Ihnen einstudieren!«

Quelle:
Johann Aloys Schlosser: Wolfgang Amad. Mozart. Prag 1828 [Nachdruck Prag 1993], S. 39-40.
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