10.

[46] Man hört oft, auch von Personen, welche Mozarten gekannt haben wollen, daß ihn nichts weiter in der Welt interessiert habe, als Musik. Ob diese Beschuldigung sehr demütigend für den Künstler sei, möchte wohl bezweifelt werden dürfen; allein sie hat auch keinen Grund. Sie scheint auf oberflächlicher Beobachtung seines Sinnes und folglich auf einem Mißverständnis zu beruhen. Schönheiten der Natur, anderer Künste als der seinigen usw. interessierten ihn, wie jeden Feinfühlenden, aber sie stellten sich ihm gleichsam nur in der Form seiner Kunst dar und zogen ihn nur so an.

Freilich war er mit der Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse aller Art gar bald und ohne alle Weitläufigkeiten und Umstände fertig; auch übersah er sich in deren Befriedigung, oder viel mehr Abfertigung, allerdings mehr, als ihm gut war. Aber welchen schönen uneigennützigen Sinn er für Freundschaft, für Wohlwollen usw. hatte, davon ist schon Einiges angeführt worden, und davon könnte noch Mehreres angeführt werden, wenn Erlaubnis von andern dabei interessierten Personen gegeben würde.

Wie Vieles arbeitete er bloß aus Gefälligkeit für bloße Bekannschaft! Wie weit Mehreres für seine Freunde! Wie oft verwendete er sich mit Aufopferung für arme reisende Virtuosen! Wie oft schrieb er für solche Konzerte, von denen er selbst keine Abschrift behielt! Wie oft teilte er mit ihnen, wenn sie ohne Geld und Bekannschaft nach Wien kamen, Wohnung, Tisch usw.!

Quelle:
Johann Aloys Schlosser: Wolfgang Amad. Mozart. Prag 1828 [Nachdruck Prag 1993], S. 46-47.
Lizenz:
Kategorien: