21.

[57] Man hat Mozarten oft den Vorwurf gemacht, er habe sich nur allein mit seinen Werken beschäftigt und nicht um das bekümmert, nicht das gekannt, was andere, gleichfalls verdienstvolle Männer, in seiner Kunst geleistet hätten.

Schränkt man diesen Vorwurf auf mehr oder weniger ein, so kann Mozart allerdings nicht frei davon gesprochen werden. Die Schuld davon lag aber weit weniger an ihm als an seinen Verhältnissen, indem er fast stets auf Reisen oder komponierend, größten Teils nur Neues oder sich selbst hören und kennen lernen konnte. Stieß ihm etwas wirklich Gutes auf, so wußte er es voll Freude zu schätzen.

Nur von der beliebten Mittelmäßigkeit, von der geistlosen Nachahmerei, von dem gedankenlosen Manirierten war er ein abgesagter Feind. Worin er nicht etwas von eigenem Geiste fand, das warf er mit den Worten hin: »Es ist nichts darin!« –

War er nicht der erste, so war er doch einer der ersten, die den Deutschen das Vorurteil benahmen, der Sitz der wahren Musik sei noch jetzt in Italien. Er ereiferte sich oft gegen die meisten neuesten italienischen Komponisten, noch öfter gegen die italienischen Virtuosen, noch mehr gegen die Vorliebe für die italienischen Sänger in Deutschland und am allerhäufigsten gegen den jetzigen herrschenden Geschmack der Hauptstädte Italiens in der Musik – alles, nachdem er es an Ort und Stelle gefunden hatte.[57]

Doch tut man ihm Unrecht, wenn man behauptet, er habe nur kunstvolle Harmonie, nur gelehrte Arbeit an andern geschätzt. – Er ließ der durchsichtigsten Musik – nur mußte sie etwas Geist und Eigentümlichkeit haben – Gerechtigkeit widerfahren. So sprach er z.B. von Paisiello, dessen Arbeiten ihm sehr wohl bekannt waren, sehr vorteilhaft. »Man kann dem«, sagte er, »der in der Musik nur leichtes Vergnügen sucht, nichts Besseres empfehlen als die Kompositionen dieses Mannes.«

Unter den älteren Komponisten schätzte er viele Italiener, die man jetzt leider vergessen hat.

Quelle:
Johann Aloys Schlosser: Wolfgang Amad. Mozart. Prag 1828 [Nachdruck Prag 1993], S. 57-58.
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