Wolfgang Amad. Mozart

[13] Wolfgang Amadeus1 Mozart wurde zu Salzburg am 27. Januar 1756 geboren.

Sein Vater Leopold Mozart war der Sohn eines Buchbinders zu Augsburg, studierte zu Salzburg, kam daselbst 1743 als Hofmusikus in die fürstliche Kapelle, und wurde 1752 Vice-Kapellmeister. Er beschäftigte sich neben seinem Dienst am Hof und in der Metropolitankirche mit der Unterweisung auf der Violine und mit Komponieren. Im Jahre 1756 gab er den Versuch einer gründlichen Violinschule heraus, welcher umgearbeitet und mit der Lehre vom guten Vortrage verbunden, 1770 zu Leipzig zum zweiten Mal, und 1792 zu Augsburg zum dritten Mal aufgelegt wurde2.

Die Mutter war Anna Maria Pertlinn. Die Eltern unsers,[13] für die Harmonie so ausgezeichnet organisierten Künstlers galten für das schönste Ehepaar in Salzburg.

Von sieben Kindern aus dieser Ehe blieben nur eine Tochter, Maria Anna, und unser Wolfgang am Leben.

Der Vater gab die Unterweisung auf der Violine und das Komponieren im siebenten Jahre der Tochter auf, um auf die musikalische Erziehung derselben alle, von seinem Dienste freie Zeit wenden zu können.

Sie entsprach der väterlichen Unterweisung so gut, daß sie in der Folge bei den Reisen der Familie die Bewunderung, welche man dem Sohne zollte, durch ihre Geschicklichkeit teilte.

Sie heiratete den Reichsfreiherrn von Berchtold zu Sonnenburg, und lebte von jetzt an, ohne als Künstlerin weiter in der Welt aufzutreten, in anspuchsloser Stille den schönen Pflichen der Gattin und Mutter allein.

In den letzten, im väterlichen Hause zugebrachten Jahren ihres ledigen Standes gab sie einigen jungen Frauenzimmern in der Stadt Salzburg Unterricht im Klavierspielen, und noch jetzt stehen dort die geschickten Schülerinnen der Nanette Mozart allen andern Künstlerinnen durch Nettigkeit, Präzision und wahre Applikatur vor.

Der Sohn Mozart war, als der Vater die Tochter auf dem Klaviere zu unterweisen begann, gegen drei Jahre alt, und zeigte schon damals Spuren seines außerordentlichen Talents. Er unterhielt sich häufig lange mit Zusammensuchen der Terzen beim Klavier, und äußerte, in dem er sie anstimmte, große Freude, die Harmonie gefunden zu haben. Im vierten Jahre des Knaben begann der Vater ihn spielend einige Menuette und größere Stücke auf dem Klavier zu lehren. Zum Lernen eines Menuets wurde eine halbe, zu einem größeren Stücke eine Stunde nötig. Beide konnten nun mit größter Nettigkeit und mit dem festesten Takte gespielt werden.[14]

Der Kleine schritt so eilig vor, daß er in seinem fünften Jahre schon niedliche Stücke komponierte, die er seinem Vater vorspielte, und von diesem zu Papier bringen ließ.

Der Vater wagte noch keine Forderung an ihn, auch andere Instrumente zu lernen; er versuchte aber für sich, auch mit der Geige umzugehen. Diese Versuche trieb er jedoch nur, wenn sein Vater nicht zu Hause war; Herrn von Murr ließ er aber schon in seinem vierten Jahre welche heimlich hören. Wie man den Kleinen wegen seines musikalischen Talents bewundern mußte, so mußte man ihn wegen seiner Guttätigkeit und Herzlichkeit lieben. Er hing sich an alle, die sich mit ihm abgaben, mit Innigkeit, und bat jeden mit Flehen, daß er ihn doch immer gern haben möge. Wurde die Erfüllung dieser Bitte scherzend in Zweifel gestellt, so traten Zähren in des Abgewiesenen Augen.

Vor der Zeit, ehe er Musik lernte, war sein lebhaftes Temperament für jede Kinderei, wenn sie nur mit etwas Witz gewürzt war, so empfänglich, daß er essen und trinken darüber vergessen konnte.

Aber von der Zeit an, da er Musik lieb gewonnen, verlor er allen Geschmack an den bisherigen Spielen. Sollten ihm dieselben noch etwas gewähren, so mußten sie mit Musik begleitet sein. Trugen z.B. er und ein Freund vom Hause, der sich viel mit ihm abgab, Spielzeug aus einem Zimmer in das andere, so mußte der, welcher leerer ging, einen Marsch singen, oder ging er ganz leer, auf der Geige spielen.

Auch ging er nie gern zu Bette, ohne vorher gesungen zu haben. Er komponierte dazu eine eigene Melodie. Sein Vater mußte ihn auf einen Sessel stellen, auf welchem er dieselbe vortrug, während der Vater die Sekunde dazu absang. Ohne daß diese Feierlichkeit vorgegangen war, und er darauf Vater, Mutter und Schwester recht herzlich geküßt hatte, schlief er nie ruhig und bald ein.[15]

Aber nicht bloß in der Musik, sondern auch in anderen Dingen zeigte Wolfgang große Lernbegierde. Was ihm sein Vater aufgab, trieb er mit größtem Eifer. Als er schreiben lernte, schien er alles Andere, selbst die Musik darüber zu vergessen. Die Eile aber, mit der er schrieb, ließ keine schönen Züge entstehen. Er klagte sich selbst darüber an; aber nur die ersten Zeilen der neuen Schrift verrieten den Vorsatz zur Besserung, keineswegs die folgenden. Auch als er rechnen lernte, lebte er durch die ersten Wochen nur in Zahlen, und es wurden Tisch, Sessel, Wände, sogar der Fußboden voll Ziffern geschrieben.

Eines Tages traf sein Vater, als er mit einem Freunde aus der Kirche nach Hause kam, den Kleinen mit der Feder beschäftigt an.

»Was machst Du da?« fragte der Vater.

»Ein Konzert für das Klavier. Der erste Teil ist bald fertig.«

»Das wird was Sauberes sein. Laß sehen!«

»Nein, erst wenn es fertig ist.«

Der Vater nahm das Geschriebene mit Gewalt weg, und zeigte seinem Freunde Noten, die man kaum lesen konnte. Der Kleine hatte jedes Mal bis auf den Grund des Tintenfasses getaucht: der zu vollen Feder waren immer Kleckse entfallen, die Wolfgang weggewischt, und darauf fortgeschrieben hatte. Beide Freunde lachten anfangs über den Galimathias von Noten. Als aber der Vater die Komposition mit mehr Aufmerksamkeit betrachtete, entfielen seinem Auge Tränen der Bewunderung und der Freude.

»Sehen Sie, Freund,« sagte er mit Lächeln und Rührung, »wie alles richtig und nach der Regel gesetzt ist. Leider nur, das man es nicht brauchen kann, weil es so außerordentlich schwer ist, daß es kein Mensch spielen kann.«

»Dafür«, fiel Wolfgang ein, »ist es auch ein Konzert;[16] man muß so lange exercieren, bis man es herausbringt.«

Er setzte sich ans Klavier, fing an zu spielen und sagte: »Sehen Sie, so muß es gehen.« Allein er konnte nur so viel herausbringen, daß man gewahrte, welches seine Ideen gewesen waren. Das Ganze war zu schwer gesetzt.

Als Wolfgang im sechsten Jahre seines Alters in der Kunst so weit gekommen, daß es Unrecht von dem Vater gewesen wäre, wenn er nicht auch andere Städte und Länder zu Zeugen des außerordentlichen Talents desselben hätte manchen wollen, so reiste er mit ihm, seiner Frau und Tochter nach München. Beide Kinder ließen sich vor dem Kurfürsten hören und wurden mit Beifall und Lob überhäuft.

Im Herbst dieses Jahres 1762 ging die Familie nach Wien, wo die beiden kleinen Virtuosen dem kaiserlichen Hofe vorgestellt wurden.

Kaiser Franz und die Kaiserin Maria Theresia sprachen sehr lang und äußerst liebevoll mit den Kleinen.

Kaiser Franz sagte im Scherz zu dem Knaben: »Es ist keine Kunst mit allen Fingern zu spielen; aber nur mit einem Finger oder auf einer verdeckten Klaviatur zu spielen, das verdient Bewunderung.« Wolfgang wurde durch diese Zumutung nicht im mindesten betroffen, sondern spielte sogleich mit einem Finger so nett, als es möglich war; ließ sich dann die Klaviatur bedecken, und spielte mit solcher Fertigkeit, als wäre er schon lange daran gewöhnt.

Als er sich am Tage der eigentlichen Produktion an das Klavier setzte, und der Kaiser sich neben ihm stellte, sagte er zu demselben: »Ist Herr Wagenseil nicht hier? Der soll herkommen; Der versteht es«.

Der Kaiser ließ sogleich Wagenseil an Seine Stelle treten. Wolfgang sagte zu ihm: »Ich spiele ein Konzert von Ihnen; Sie müssen mir umwenden.«[17]

Die Ausführung geschah mit solcher Vollkommenheit, daß alle Zuhörer in Erstauen gesetzt wurden. Die kaiserliche Familie überhäufte die Kleinen mit Gnade.

Wolfgang hatte noch keinen Unterricht auf der Violine erhalten. Bald nach der Rückkehr der Familie nach Salzburg kam ein geschickter Geiger und Anfänger in der Komposition, Wenzl, zu dem Vater Mozart, und bat sich dessen Urteil über sechs Trios aus, welche er während seiner Abwesenheit gesetzt hatte.

Schachtner, ein Trompeter in Salzburg, den der kleine Mozart besonders liebte, war eben gegenwärtig.

» Der Vater «, so erzählt dieser glaubwürdige Augenzeuge, »spielte mit der Violine den Baß, Wenzl die erste Violin und ich sollte die zweite spielen.

Wolfgang hatte in Wien eine kleine Geige geschenkt bekommen. Er kam mit derselben und bat, daß er die zweite Violin spielen dürfe.

Der Vater verwies die Bitte als kindisch. Du hast noch keinen Unterricht auf der Violine gehabt, und würdest Dich nur lächerlich machen. Der Kleine erwiderte: Daß um die zweite Violine zu spielen, man es jawohl nicht gelernt zu haben brauche.

Der Vater halb im Unwillen hieß ihn fortzugehen, und uns nicht weiter zu stören.

Der Knabe fing bitterlich zu weinen an, und lief mit seiner kleinen Geige davon.

Ich bat für ihn, daß er mit mir spielen dürfte, und der Vater willigte endlich ein.

Nun so geige nur mit Herrn Schachtner, sagte er, aber so leise, daß man Dich nicht hört. Höre ich Dich, so mußt Du gleich fort.

Wir spielten, und das Kind geigte mit mir.

Bald bemerkte ich, daß ich ganz überflüßig sei. Ich legte meine Geige weg und sah den Vater an, dem Tränen der Verwunderung und der Rührung über die Wangen rollten.

[18] Wolfgang spielte so alle Trios durch.

Nach Endigung derselben wurde er durch unsern Beifall so kühn, daß er behauptete, auch die erste Violin spielen zu können.

Wir machten zum Scherz einen Versuch, und mußten herzlich lachen, als das Kind auch diese, wiewohl mit lauter unrechten Applikaturen spielte, doch aber wenigstens so, daß es nie stecken blieb.«

Der Vater begann nun, dem Kleinen Unterricht in der Violine zu geben, und er schritt im Spielen derselben so schnell fort, als es beim Klaviere der Fall gewesen war.

Überhaupt zeigte sichs immer mehr, daß Wolfgangs Ohr ganz für die Musik gebaut war.

Er bemerkte die feinsten Unterschiede der Töne, und jeder Mißklang, ja sogar jeder rauhe, durch Zusammenstimmung nicht gemilderte Ton spannte ihn auf die Folter.

So hatte er in dieser Zeit der Kindheit und fast bis in sein zehntes Jahr eine unbezwingliche Furcht vor der Trompete, wenn sie allein, ohne andere Musik geblasen wurde. Wenn man ihm das Instrument nur vorhielt, so tat es schon die Wirkung auf ihn, die eine geladene aufs Herz gesetzte Pistole macht.

Sein Vater wollte ihm diese kindische Furcht durchaus benehmen, und befahl einmal, trotz den flehenden Bitten des Kindes um Änderung des Willens, daß ihm entgegen geblasen werden mußte. Das Kind wurde beim ersten Tone bleich und sank zur Erde, und es würde in Verzuckungen gefallen sein, wenn man fortgefahren hätte.

Von seinem frühen feinen Gefühl noch folgenden Zug.

Noch in seinem sechsten Jahre spielte Wolfgang einmal auf Schachtners Geige, und lobte sie sehr wegen ihres sanften Tons. Er gab ihr dieses Tones wegen den Namen Buttergeige.[19]

Einige Tage darauf traf Schachtner den Knaben, als er sich eben auf seiner eigenen Geige unterhielt.

»Was macht Ihre Buttergeige?« fragte Wolfgang, und fuhr dann in seinen Phantasien fort. Bald darauf dachte er einige Augenblicke nach, und sagte dann zu Schachtnern: »Wenn Sie Ihre Geige doch so, wie sie war, als ich darauf spielte, gestimmt ließen; sie ist um einen Viertelton tiefer, als meine da.«

Man lachte über diese Angabe. Aber der Vater, der schon mehrere Proben von der außerordentlichen Feinheit des Tongefühls, und von dem Gedächtnisse des Kindes hatte, ließ die Geige holen, und die Angabe traf zum Erstaunen der Gesellschaft richtig ein. Der täglichen Erfahrungen von dem Erstaunen und der Bewunderung der Menschen über seine Geschicklichkeit ungeachtet blieb Wolfgang doch das bescheidenste Kind.

Auch war er überaus folgsam und gefällig. Er beachtete jeden Wink seiner Eltern und befolgte ihn. Er nahm nicht das mindeste, von andern ihm angebotene, selbst keine Speise an, ohne Erlaubnis von den Eltern dazu erhalten zu haben. Hatte er sich schon den ganzen Tag hindurch hören lassen müssen, so spielte er doch noch jedem ohne Unwillen vor, wenn sein Vater es begehrte.

Im Juli 1763, also im siebenten Jahre des Knaben, unternahm die Mozartsche Familie die erste große Reise.

Es ging zuerst nach München, wo Wolfgang ein Konzert auf der Violine vor dem Kurfürsten spielte. Er präambulierte dazu, zur allgemeinen Verwunderung aus dem Kopf.

In Augsburg, Mannheim, Frankfurt a.M., Mainz, Coblenz, Köln, Aachen und Brüssel gaben die Kinder entweder musikalische Akademien für das Publikum oder spielten bei verschiedenen Großen mit ausgezeichnetem Beifall.

Im November kamen sie in Paris an.

Sie ließen sich vor der königlichen Familie zur[20] Versailles hören. Auch spielte Wolfgang in der dortigen Kapelle vor dem Hofe die Orgel. Für das Publikum gaben sie zwei große Akademien in einem Privattheater.

Sie fanden hier sehr ihre Welt. Gleich nach der Ankunft waren der Vater und die beiden Kinder in Kupfer gestochen worden. Die Auflage wurde schnell vergriffen und es mußte ein neuer Stich geschehen. Auch wurde die Familie überall aufs Ehrenvollste behandelt.

Wolfgang verfertigte hier in seinem siebenten Jahre seine beiden ersten Werke. Das erste dedicierte er der Madame Victoire, der zweiten Tochter des Königs; das andere der Gräfin Tesse. Beide Stücke wurden in Paris gestochen.

Nachdem sich die Familie einundzwanzig Wochen in Paris aufgehalten hatte, reiste sie am 10. April 1764 über Calais nach England, wo sie sich bis in die Mitte des folgenden Jahres aufhielt.

Am 24. desselben Monats ließen sich die Kinder vor den beiden Majestäten hören; ebenso wieder im folgenden Monat, wo Wolfgang auch die Orgel des Königs spielte.

Sein Orgelspiel wurde mit noch weit mehr Bewunderung aufgenommen, als sein Klavierspiel.

Die Kinder gaben nun eine große Musik, wobei alle Sinfonien von der Komposition Wolfgangs waren, zu ihrem Vorteile; eine andere zum Nutzen des Hospitals der Wöchnerinnen.

Der König und die Königin sprachen mit der Familie deutsch. Der König empfahl aber besonders dem Knaben, während seines Aufenthalts in England auch englisch zu lernen. In Chelsea brachte ein gefährliches Halsweh den Vater an den Rand des Grabes. Während der Krankheit durften die Kinder zu Hause kein Klavier anrühren. Um sich zu beschäftigen, komponierte Wolfgang seine erste Sinfonie mit allen Instrumenten; seine Schwester mußte sie, neben ihm sitzend, abschreiben,[21] und er trug ihr auf, ihn oft dabei zu erinnern, daß er den Pauken, Trompeten und Waldhörnern was rechts zu tun gebe. Als die Krankheit überstanden war, kehrte die Familie nach London zurück.

Als die Kinder noch einmal vor der königlichen Familie spielen mußten, redete sie der König wieder in deutscher Sprache an, Wolfgang aber antwortete zur größten Überraschung und Freude des Monarchen in englischer.

In andern großen Häusern spielten die Kinder Konzerte zusammen auf zwei Klavieren, die besondern Beifall erweckten. Auch sang der Knabe Arien mit einer Empfindung, die ebenfalls Bewunderung erregte.

In Paris und in London legte man ihm verschiedene schwere Stücke von Bach, Händel, Paradies und andern Meistern vor, die er nicht nur vom Blatt spielte, sondern auch aufs erste Mal schon in dem angemessenen Takte und mit aller Nettigkeit vortrug.

Als er zum letzten Mal beim König von England spielte, nahm er eine Baßstimme und spielte eine vortreffliche Melodie darüber.

Johann Christian Bach3, Kapellmeister und Lehrmeister der Königin, nahm darauf den Kleinen zwischen die Knie, und spielte einige Takte, dann ließ er den Knaben fortfahren, und so spielten sie eine ganze Sonate mit solcher Präzision, daß, wer nicht zugesehen, hätte glauben müssen, daß Stück werde von einem gespielt.

Während des Aufenthalts in England, folglich im achten Jahre Wolfgangs, komponierte er sechs Sonaten, die er in London stechen ließ, und der Königin widmete.

Im Juli 1765 fuhr die Familie wieder nach Calais über, und reiste durch Flandern, wo Wolfgang sich häufig auf den Orgeln der Klosterkirchen und der Kathedralen hören ließ.[22]

Nach einer im Haag überstandenen schweren Krankheit war Wolfgangs erste Arbeit, daß er sechs Sonaten für das Klavier setzte, und mit einer Zuschrift an die Prinzessin von Nassau-Weilburg stechen lie.

Im Anfang des Jahres 1766 brachte die Familie vier Wochen im Amsterdam zu.

Von Amsterdam rief das Installationsfest des Prinzen von Oranien wieder in den Haag. Wolfgang setzte für diese Festlichkeit ein Quodlibet für alle Instrumente, und verschiedene Variationen. Darauf komponierte er einige Arien für die Prinzessin.

Vom Haag ging die Reise wieder nach Paris, und dann wurde die Straße über Lyon und durch die Schweiz zum Weg nach der Heimat eingeschlagen.

In München sang der Kurfürst dem Knaben ein Thema vor, daß er es sogleich ausgeführt zu Papier setze. Er tat es in Gegenwart des Kurfürsten, ohne sich dazu einer Geige zu bedienen. Als er fertig war, spielte er es so vortrefflich, daß der Kurfürst und jeder der es hörte, in Erstauen gesetzt wurde.

Nach einer Abwesenheit von länger als drei Jahren kam die Familie am Ende des Novembers 1766 wieder zu Salzburg an und blieb bis zum Herbst des folgenden Jahres zu Hause.

Wolfgang schritt unter dessen durch stetes Studium dem Ziele der Vollkommenheit, das er so bald erreichte, näher.

Im Jahre 1768 spielten die Kinder in Wien vor dem Kaiser Joseph. Der Monarch trauete der Geschicklichkeit des Knaben gleich so viel zu, daß er ihm den Auftrag gab, die Opera buffa: Finta semplice in Musik zu setzen. Es geschah, und der Kapellmeister Hasse und Metastasio bewunderten das Werk; es wurde jedoch nie aufgeführt.

Bei den Kapellmeistern Bonno und Hasse, bei dem Dichter Metastasio, dem Herzoge von Braganza, dem[23] Fürsten Kaunitz und Andern ließ der Vater nach Gefallen italienische Arien wählen, zu denen der Sohn in Gegenwart der Wählenden die Musik mit allen Instrumenten setzte.

Es sollte eben die Waisenhauskirche eingeweiht werden, und Wolfgang setzte dazu das Amt, das Offertorium und ein Trompetenkonzert. Als zwölfjähriger Knabe dirigierte er diese feierliche Musik in Gegenwart des kaiserlichen Hofes.

Das Jahr 1769 brachte die Familie bis zum Dezember wieder in Salzburg zu. Der Sohn wurde in dieser Zeit, also in seinem dreizehnten Jahre, Konzertmeister beim Salzburgischen Hoforchester.

Im Dezember dieses Jahres trat der Vater mit dem Sohne allein eine Reise nach Italien an.

Hatte Wolfgang in andern Ländern ausgezeichneteste Aufnahme gefunden, so wurde seiner Erscheinung in Italien, wo Musik wie in eigenem Boden gedeiht, und Kunst unter die ersten Verdienste gezählt wird, doch mit noch mehr Enthusiasmus gehuldigt.

Er komponierte in Mailand Verschiedenes, erntete unbeschreiblichen Beifall, und erhielt die Scrittura zur ersten Oper für den Karneval 1771.

In Bologna setzte Wolfgang den großen Kontrapunktisten, den Pater Maestro Martini dadurch, daß er über jedes Fugen-Thema, welches dieser hinschrieb, die dazu gehörigen Risposte nach dem Rigore modi angab, und die Fuge augenblicklich auf dem Klaviere ausführte, außer sich.

In Florenz vermehrte es nicht weniger die Bewunderung, daß der junge Künstler die schwersten Fugen und Themata, welche ihm der dortige Musikdirektor und starke Kontrapunktist, Marchese Ligniville vorlegte, sogleich vom Blatt spielte.

Er machte in Florenz eine Bekanntschaft mit einem[24] Knaben aus einem sehr reichen Hause in England, Thomas Linley, die ihm bis zum Grabe schätzbar blieb. Thomas war ein Schüler des berühmten Violinisten Nardini. Er war wie Wolfgang erst 14 Jahre alt, aber auch schon Virtuos. Die Freundschaft beider Knaben verriet nicht gewöhnliche Knabenanhänglichkeit, sondern die Zärtlichkeit zweier tieffühlenden übereinstimmenden Seelen. Sie achteten sich als Künstler und betrugen sich wie Männer. Am Tage der für beide äußerst bittern Trennung brachte Linley seinem Freunde ein Gedicht, das er von der Dichterin Korilla auf denselben hatte fertigen lassen. Er gab es mit Tränen, und es wurde mit Tränen genommen und erregte noch nach langen Jahren bei Mozarten neue.

In der Karwoche kamen Vater und Sohn zu Rom an, und gingen Mittwochs Nachmittags in die Sixtinische Kapelle, das berühmte zweichörige Miserere des Gregorio Allegri zu hören. Wolfgang hatte sich, da es den päpstlichen Musikern unter der Strafe der Exkommunikation verboten war, diese Musik abkopieren zu lassen, vorgenommen, sie zu Hause aus dem Gedächtnisse aufzuschreiben. Er tat es und nahm sein Manuskript als dieses Miserere am Karfreitage wieder gegeben wurde, mit in die Kapelle, um in demselben, es im Hute haltend noch einige Verbesserungen anzumerken. Dieses wurde bemerkt, bald weiter bekannt und allgemeines aufsehen in Rom erregt. Man drang in ihn, es in einer Akademie beim Klavier zu singen. Es war der Kastrat Christophori, der es in der Kapelle gesungen hatte, zugegen, der durch sein Erstaunen Mozarts Triumph vollkommen machte.

Als er in Neapel in dem Conservatorio alla pietà spielte, fielen seine Zuhörer auf den abergläubischen Gedanken, es müsse in seinem Ringe Zauberei stecken. Als dieses Mozart erfuhr, zog er den Ring ab und nun wurde die Verwunderung grenzenlos. Seine in Erstaunen setzende[25] Fertigkeit und Geschwindigkeit der linken Hand hatte er sich besonders durch das fleißigste Studium der Bachischen Klavierwerke erworben.

Nach dem er in Neapel noch eine große Akademie beim kaiserlichen Gesandten Grafen Kaunitz gegeben hatte, kehrte er nach Rom zurück, wo ihn nun auch der Papst zu hören verlangte4, den er hoch entzückte, und von dem er das Kreuz und Breve als Militiae auratae eques erhielt.[26]

In Bologna wurde er einstimmig als Mitglied und Maestro della Accademia filarmonica aufgenommen. Um dieses werden zu können, hatte man ihn allein eingeschlossen, und ihm eine Antiphona vierstimmig zu setzen gegeben. Er war in einer halben Stunde damit fertig, und erhielt nun das Diplom.

Vater und Sohn eilten jetzt, nach Mailand zurückzukommen, weil sich der Sohn zur Komposition der ersten dortigen Karneval-Oper verbindlich gemacht hatte. Wäre das nicht gewesen, so hätte er die Scrittura zur ersten Oper auch in Bologna, Neapel und Rom erhalten.

Am Ende des Oktobers 1770 kamen sie zu Mailand an. Hier komponierte der Sohn in seinem vierzehnten Jahre die Opera seria Mitridate. Sie wurde zum ersten Mal am 26. Dezember, und dann mehr als zwanzig Mal nacheinander aufgeführt. Der allgemeine Beifall, den diese Arbeit erhielt, erhellt auch noch daraus, daß die Impressa ihm sogleich den schriftlichen Akkord auf die erste Oper für das Jahr 1773 gab.

In Verona überreichte man dem jungen Künstler ebenfalls das Diplom als Mitglied von der philharmonischen Gesellschaft.

So verließ er Italien, allenthalben mit Ehre ausgezeichnet und mit dem ihm beigelegten Namen: Il Cavaliere filarmonico.

Da Mozart mit seinem Vater wieder in Salzburg eintraf, fand er einen Brief vom Grafen Firmian in Mailand, der ihm im Namen der Kaiserin Maria Theresia die große[27] theatralische Serenate zur Vermählung der Erzherzogs Ferdinand zu schreiben auftrug.

Die Kaiserin hatte den ältesten unter den Kapellmeistern, den berühmten Hasse, zur Komposition der Oper: Ruggiero, bestimmt5 für die Serenate: Ascanio in Alba, wählte sie den jüngsten aus.

Mozart übernahm den Auftrag und reiste im August mit seinem Vater wieder auf einige Monate nach Mailand. Obgleich der Vater nicht den mindesten Einfluß mehr auf die Werke des Sohnes nahm, so war er von diesem doch unter dem schmeichelnden Vorwande, daß er nur unter seiner Leitung etwas Gutes leisten könne, dringend zur Begleitung aufgefordert worden; auch suchte der Sohn überall glauben zu machen, daß das Beste, was er liefere, ihm von seinem Vater eingegeben werde. Während den Vermählungs-Feierlichkeiten wurde stets mit der Oper und Serenate abgewechselt.

Im Jahre 1772 setzte Mozart zur Wahl des neuen Erzbischofs von Salzburg die Serenate: Il Sogno di Scipione.

Den Winter darauf brachte er mit dem Vater in Mailand zu, wo er die übernommene Opera seria: Lucio Silla für den Karneval 1773 schrieb, die 26mal nacheinander aufgeführt wurde.

Im Frühling 1773 war er wieder in Salzburg.

Dieses und die drei nächsten Jahre brachte er teils zu München, teils zu Wien, teils zu Salzburg zu. Sein Il re pastore, welchen er 1775 am letzten Orte schrieb, ließ schon den hohen Genius ahnen, der in seinen letzten Werken durchaus herrscht.[28]

Sein Ruhm war jetzt durch alle Länder von Europa verbreitet. Welche der größern Städte er nun auch wählen mochte, um in ihr seine seltenen Talente der Unterhaltung des Publikum zu widmen, so war er einer ihm entgegenkommenden Aufnahme gewiß.

Es schien der damalige große Marktplatz aller ausgezeichneten Talente in den schönen Künsten, Paris, der schicklichste Ort für ihn. Er war dort schon allgemein bekannt, er fand dort ein schon für ihn begeistertes Publikum und er reiste deshalb im September 1777 mit seiner Mutter nach dieser Hauptstadt.

Es würde sehr zu seinem pekuniären Vorteil gewesen sein, wenn er in Paris geblieben wäre; der Tod seiner Mutter im folgenden Jahre verleidete ihm aber die Stadt, und er reiste im Anfang 1779 um so mehr mit Sehnsucht wieder zu seinem Vater zurück, da er an der französischen Musik keinen Geschmack fand. Er hatte in Paris eine Sinfonie für den Concert Spirituel und einige andere Stücke verfertigt.

Im November 1780 schrieb er in München eine Opera Seria für das folgende Karneval: Idomeneo, Re di Creta.

Von München reiste er nach Wien, wohin ihn sein eben dort sich aufhaltender Fürst, der Erzbischof von Salzburg, berufen hatte.

Seit dieser Zeit, also seit seinem vierundzwanzigsten Jahre, lebte er größten Teils in und für Wien. Einige Reisen nach Prag, Leipzig und Berlin entfernten ihn nur auf kurze Zeit.

Er war nicht lange in Wien, so wurde er als Kapellmeister in kaiserliche Dienste aufgenommen, jedoch nur mit Anwartschaft auf einträgliche Stellen, noch nicht mit fixem Gehalt.

Es scheint, daß Mozart bis zu seiner Niederlassung in Wien sich noch keiner besondern Manier ergeben und noch keinen der großen Komponisten zum Muster seiner[29] Nacheiferung erwählt habe. Von dieser Zeit an nahm er aber Joseph Haydn zu seinem Vorbilde, nannte ihn seinen Lehrer und dedizierte ihm sechs Violinquartette, die zu dem Herrlichsten und Höchsten dieser Gattung gehören. Späterhin studierte er Georg Friedrich Händels Chöre. Die Gelegenheit zur innigen Bekanntschaft dieses Meisters gab der verewigte Baron von Swieten6, zu dessen Privatkonzerten Mozart Händels Acis und Galathea, den Messias, die Cäcilia und das Alexandersfest in den Jahren 1788–1790 instrumentieren und für den Geschmack unsers Zeitalters einrichten mußte. Eine Probe von diesen Bemühungen besitzen wir in den zu Leipzig gedruckten Partituren des Messias und des Alexandersfestes.

Mozart verheiratete sich zu Wien mit Konstanze Weber, einer Schwester der Schauspielerin Lang. Er fand in ihr die würdigste, liebevollste Gattin und eine wahre Mutter von zwei mit ihr erzeugten Kindern.

So groß seine Kunst war, so gering blieb doch bis nahe an seinen Tod sein Einkommen. Zwar erhielt er im Jahre 1788, als ihn Kaiser Joseph zum Kammerkomponisten ernannte, auch einen fixen Gehalt; es konnte ihn aber dieser, da er nur in 800 Gulden bestand, der Sorge um Auskommen nicht überheben, und er blieb genötigt, um seiner Familie Hilfe zu verschaffen, Unterricht in Privat häusern zu geben und für Kunsthändler zu arbeiten. Erst im Jahre 1790 gewann er eine Aussicht in eine von Nahrungssorgen freie Zukunft. Er erhielt ein Anstellungsdekret zum Kapellmeister in der Stephanskirche mit allen Emolumenten, und zugleich Bestellungen für das[30] Wiener und Prager Theater, so wie auf periodische Lieferungen nach Amsterdam und Ungarn.

Diese Aussicht kam aber leider zu kurz vor seinem Tode, als daß er den Seinigen weiter etwas hätte hinterlassen können als den Ruhm seines Namens und die Aufmerksamkeit eines großen Publikums auf sie, das die Schuld für die süßen Freuden seiner Muse noch den Erben mit Dank abzutragen suchte.

Es wird sich kein Forscher der menschlichen Natur wundern, wenn ein großer Künstler, dem man von dieser Seite die allgemeinste Bewunderung zollte, sich über gemeine Verhältnisse des Lebens wegsetzte. Menschen, die Beweise von Mozarts Gleichgültigkeit gegen Dinge, welchen die Alltagswelt eine solche Wichtigkeit beilegt, daß sie für dieselben ihr Dasein berechnet, in seinem Leben aufsuchen, und diese als Fehler an ihm tadeln, kann man nur mit Rezensenten vergleichen, die den Gegenstand ihrer Kritik so wenig zu fassen verstehen, daß sie ihn bloß als ein Exerzitium eines Schülers behandeln, und die fehlenden Kommata oder andere Schreibfehler aufsuchen – um ihren pedantischen Geist beweisen zu können. Ein wirklicher Kunstrichter übersieht solche Dinge, weil er etwas Wichtigeres zu beachten hat.

Allerdings ist es wahr, daß Mozart für häusliche Ordnung, wie sie bei einem Hausvater, der weiter nichts ist als dieses, gefunden werden kann, keinen Sinn hatte; wahr, daß er seinen Vorteil sehr oft aus den Augen verlor; wahr, daß er häufig gegen Konvenienz und Mode verstieß – aber ist denn diese Welt die, in welcher und für welche der Künstler lebt? Mozarts Geist kannte eine höhere Beschäftigung. Und welcher seiner Feinde könnte seine Gleichgültigkeit gegen die Außenwelt eine Liederlichkeit nennen, wodurch sich so mancher Afterkünstler zum wahren stempeln will? – Weder Verschwendung noch Ausschweifung wurde ja seine Gewohnheit.[31]

So schön auch Mozarts Eltern waren, und so vielen Einfluß diese Schönheit auf die glückliche Organisation des Sohnes gehabt haben mag, so zeichnete er sich doch durch keine besonders angenehme Körperbildung aus.

Außerdem war sein Körper in beständiger Bewegung; immer mußte Mozart etwas mit den Händen oder Füßen zu spielen haben. Darum hatte er auch gewöhnlich ein Billard auf seinem Zimmer, auf dem er sich, wenn er keine Gesellschaft hatte, allein unterhielt. Selbst sein Gesicht verriet durch stete Ungleichheit den innern Zustand seiner Seele, in welcher die Phantasie über die weitern Kräfte das Übergewicht hatte.

Erst, wenn er sich ans Klavier setzte, spannte sich sein Geist ungeteilt auf den einen Gegenstand, für den er geboren war, auf die Harmonie der Töne; er schien ein höheres Wesen zu werden. Selbst seine Hände hatten eine so bestimmte Richtung für das Klavier und die Geige, daß er sie für etwas anders nur ungeschickt brauchen konnte. Er schnitt sich sogar mit Mühe und ungern bei Tische das Fleisch und bat darum gewöhnlich seine Frau um diese Gefälligkeit.

Von seiner Kindheit an spielte er am liebsten bei der Nacht. Wenn er sich Abends um 9 Uhr vor das Klavier setzte, so brachte man ihn sicher nicht vor Mitternacht davon. Auch dann mußte man ihn halb zwingen, sonst würde er die Nacht fort phantasiert haben.

Früh von 6 oder 7 Uhr an bis 10 Uhr komponierte er, und zwar mehrenteils im Bette; Dann setzte er durch den Tag nicht mehr, er mußte dann etwas dringendes zu verfertigen seyn.

So ausgezeichnet seine Laufbahn war, so kurz war sie auch. Und wie konnte dies auch anders sein! Zu früh gereifte Früchte haben keine lange Dauer. In dem zarten Alter, wo die Natur noch am Sammeln und Hervorbringen der Lebenskräfte arbeitet, hinderte er[32] ihre Verrichtung nicht nur durch seine sitzende Lebensart, sondern auch dadurch, daß er anhaltend einen Teil seiner Lebensgeister durch sein ununterbrochenes Komponieren verzehrte. Geraume Zeit vor seinem Tode bemerkte er schon eine mächtige Abnahme seiner Kräfte und er schrieb diese Abnahme fälschlich auf erhaltenes Gift. Dennoch mutete er dem geschwächten Körper und Geiste noch die größte Anspannung zu. Er lieferte in den letzten vier Monaten 1) die Kantate: Die ihr des unermeßlichen etc., 2) Die Zauberflöte, 3) La Clemenza di Tito, 4) ein Klarinet-Konzert für Herrn Stadler, 5) eine Freimaurer-Kantate, und endlich 6) sein herrliches Requiem und nicht etwa mit so leichten Partituren wie Pergolese und Hasse, sondern in seiner Manier, d.h. mit der reichen, vollen Behandlung der Stimmen.

Er starb am 5. Dezember 1791, kaum 36 Jahre alt. So früh er aber auch in die Erde ging, so hat er sich doch auf ihr einen Namen gemacht, der nicht untergehen wird, so lange nur ein Tempel der Tonkunst noch stehen wird.

Man feierte sein Andenken zu Wien mit Würde. Noch mehr zeichnete sich Prag aus. Hundert und zwanzig Tonkünstler führten am 24. des Sterbemonats zu seinem feierlichen Exequien das Requiem von Rosetti unter der Direktion des Johann Strobach in der St. Niklaskirche auf. In der Mitte der Kirche stand ein herrlich beleuchtetes Trauergerüste, und um dasselbe ertönten dumpf drei Chöre mit Pauken und Trompeten. Das Zeichen zum Anfange dieser Feierlichkeit gaben eine halbe Stunde hindurch alle Glocken der Pfarrkirche.

Auch im übrigen Deutschland stellten die meisten Theater und musikalischen Gesellschaften ähnliche Feierlichkeiten auf Bühnen und Konzertsälen an, und Herr Wessely, zuletzt Kapellmeister zu Rheinsberg, und Herr Cannabich setzten eigene Trauerkantaten, davon[33] die erste zuerst in Berlin und dann in Hamburg, die zweite aber in Mannheim kurz nach Mozarts Tode unter der Direktion der Komponisten öffentlich aufgeführt wurden. Andere Freunde der Tonkunst feierten auch in der Folge noch den Todestag Mozarts. Es geschieht dies noch jährlich in dem Erlanger Konzertsaale, bei der Freiin von Heedwig zu München und bei dem Kaufmann Herrn Deyerkauf zu Grätz.

Ein Denkmal anderer Art ließ die um ihrer Verehrung der Künste und Wissenschaften ewig verehrt bleibende Herzogin Amalie von Weimar, Mozarten in dem Garten zu Tiefurt bei Weimar errichten.7 Die Zeichnung davon findet man im zweiten Jahrgange der musikalischen Zeitung.

Auch bei der Reise, welche Mozarts Witwe in Jahre 1796 durch Deutschland unternahm, wurde es kund, wie allgemein ihr verewigter Gatte geachtet werde. Wer erinnert sich nicht noch der ausgezeichneten Aufnahme, welche sie zu Prag, Dresden, Leipzig, ja allenthalben, besonders aber in Berlin erhielt, wo ihr König Friedrich Wilhelm II., von dem Mozart für einige übersandte Quartette im Jahre vor seinem Tode eine goldene Dose mit 100 Friedrichsdors erhalten hatte, die Hilfe der königlichen Kapelle und das große Opernhaus zur Aufführung der Clemenza di Tito zu ihrem Vorteile bewilligte. Es hieß in dem Kabinettsschreiben, welches diese Bewilligung gab: »Seine königl. Majestät machen sich ein wahres Vergnügen, durch Gewährung des Wunsches der Witwe Mozart zu beweisen, wie Sie das Talent ihres verstorbenen Mannes geschätzt, und die ungünstigen Umstände bedauert haben, welche ihn die Früchte seiner[34] schönen Werke einzuernten verhinderten.« Bei der Aufführung der Oper war das Haus gedrängt voll, und die ganze königliche Familie zugegen.

Die Angabe des Herrn Hofsekretärs Gerber, daß der Baron v.S. sich der bedürftigen Familie Mozarts angenommen, und auch in der Folge Vatersstelle bei den Waisen vertreten, somit das Andenken Mozarts am höchsten geehrt habe, ist leider unbegründet. Die Kinder wissen wohl, daß der Bar., da er ihrem Vater für viele Gefälligkeiten Dank schuldig gewesen, sich ihrer anzunehmen versprochen habe, auch, daß er Vermögen genug gehabt, was er versprochen, zu halten, sie wissen aber nicht, daß er sein Versprechen erfüllt habe.

Die ehemaliche Steinersche, jetzt Haßlingersche Kunst- und Musikalienhandlung zu Wien forderte vor mehreren Jahren zur Errichtung eines Denkmals aus Marmor zu Wien für Mozarten auf. Es sollte sich zugleich auf seine Zeit- und Kunstgenossen Haydn und Gluck richten. Die Handlung erbot sich, die Subskriptionen dazu anzunehmen. Die Unterzeichnungen, welche bis jetzt geschahen, reichten aber noch nicht zur Ausführung hin, obschon der Kaiser zu derselben eine bedeutende Summe bewilligt hat. Vielleicht, daß der in Zeichnung dem Publikum vorgelegte Entwurf zum Denkmal zu wenig Beifall erhielt, vielleicht auch, daß die bösen Zeiten hinderten. Es sollte das Denkmal in der schönen Karlskirche in der Vorstadt Wieden errichet werden. Die Kosten waren zu 30.000 Gulden C.M. angeschlagen. Noch ist bei weitem nicht der vierte Teil unterzeichnet worden.

Die Witwe Mozarts trat im dritten Jahre ihres Witwenstandes in eine zweite Ehe. Sie verband sich zu Wien sehr glücklich mit dem damals als königl. dänischer Geschäftsträger dort angestellten verdienstvollen Herrn von Nissen, und lebte, als er später zum königl. Staatsrat[35] erhoben wurde, viele Jahre mit ihm zu Kopenhagen. Eine Kränklichkeit führte ihn dazu, daß Gasteiner Bad zu gebrauchen, und sie kam dadurch wieder in ihr Vaterland. Sie verlor ihren geliebten, allgemein verehrten Gatten im April des vorigen Jahres und lebt seit dem mit ihrer, auch zur Witwe geworden, durch Augenschmerzen aufs höchste leidenden Schwägerin, der Reichsfreiin von Berchtold wieder zu Salzburg.

Der ältere Sohn Mozarts, Karl, erlernte die Handlung, und hat sich zu Mailand mit einem berühmten Hause verbunden.

Der zweite, die Vornamen seines Vaters führende Sohn hat sich der Tonkunst gewidmet, und ist, wie jeder, der eines seiner gegebenen Klavierkonzerte gehört hat, bekennt, in Hinsicht auf Virtuosität ein trefflicher Nachfolger seines Vaters geworden. Er hat zu Lemberg eine Singschule errichtet, welche sehr geschätzt wird, gibt außerdem auf dem Klaviere Unterricht und komponiert. Im vergangenen Jahre besuchte er seine gute Mutter und hielt sich darauf einige Zeit in Wien auf. Ich erhielt dabei Gelegenheit, ihn persönlich kennen zu lernen.

1

Mozarts Vornamen werden häufig anders angegeben. Hofr. Schlichtegroll, Herr Dr. Reichardt und Herr Hofsekretär Gerber nannten ihn: Johannes Chrysostomus Wolfgang Gottlieb; das Brockhaussche Conversationslexikon: Johannes Chrysostomus Wolfgang Amadeus. Auf manchem seiner Werke steht: Johann Wolfgang Amad. Schlichtegroll und Herr Dr. Reichardt behaupteten, daß die von ihnen genannten Namen authentisch seien. Ich habe vergessen mich in Salzburg darüber zu unterrichten. In der Wiener Zeitung vom Jahre 1791 lautet aber die Nachricht von Mozarts Tode so: »Verstorbene zu Wien in der Stadt: Am 5ten Dezember Herr Wolfgang Amadeus Mozart, k.k. Kapellmeister und Kammerkompositeur, alt 36 Jahre, in der Rauhensteingasse Nro. 970.« Ich nahm diesen Namen auf, da es sehr unwahrscheinlich ist, daß von der Zeitung andere gegeben worden, als bei der Taufe.

2

Außer dieser Violinschule sind von Leopold Mozart noch folgende Werke erschienen: 1) Bastien und Bastienne. Operette. 2) La Cantatrice ed il Poeta. Intermezzo 2 Personne. 3) Musikalische Schlittenfahrt, arrangiert für das Pianoforte.

3

Der jüngste Sohn von Joh. Sebastian Bach, geboren zu Leipzig 1755, gestorben zu London im Anfange des Jahres 1782.

4

Ich erzähle hier nach Schlichtegrolls und Reichardts Angaben, welche andere, denen Mozart selbst erzählte, bestätigten. Hofrat Rochlitz behauptet aber, daß Mozart schon bei seiner frühern Anwesenheit in Rom von dem Papste gehört worden sei. Es geschieht dieses, in dem er die, das bewundernswürdige Gedächtnis Mozarts für Musik beurkundende Geschichte mit dem Miserere folgendermaßen erzählt:

»Als vierzehnjähriger Knabe« (1770) war Mozart mit seinem Vater in Rom. Clemens XIV (Ganganelli) war ihm gewogen und ließ ihn mehrmals auf seinen Zimmern spielen. Es war gegen die Osterzeit. Vater und Sohn hatten viel von der Feier der Stillen Woche auch in Hinsicht auf Kirchenmusik, namentlich von dem unsterblichen Meisterwerke des Gregorio Allegri, dem zweichörigen Miserere, das jedes Jahr dann vorgetragen wird, erzählen gehört, und der Knabe in seiner Unbefangenheit bat den Papst um eine Abschrift. »Das kann nicht sein, mein Sohn«; war die freundliche Antwort: »diese Werke sind nicht mein Eigentum, sondern der Kirche.« Der Knabe ging in die einzige Probe, die gehalten ward, hörte mit größter Aufmerksamkeit, eilte nach Hause und schrieb das Werk nieder. Zur öffentlichen Aufführung nahm er sein Manuskript mit, füllte gleichfalls nach dem Gehör die Lücken aus, verbesserte manchen Gang der Mittelstimmen, besaß nun das Werk, ganz wie es ist, auf dem Papiere, und war keck genug, es dem Papste in Abschrift zu zeigen. ›Nun‹, sagte dieser lächend, ›was du selbst davon trägst, kann ich dir nicht nehmen.‹ – Es ist wahr, da die Strophen einander sehr ähnlich sind, wodurch das Auffassen im Gedächtnis erleichtert wird. Es ist aber auch wahr, daß dies Auffassen durch den eigentümlichen, von neuerer Musik ganz abweichenden Gang der Mittelstimmen erschwert wird. Mozart ließ später mehrere Bekannte Abschrift nehmen. Auch an Doles in Leipzig war durch die dritte Hand eine solche Abschrift gekommen; und dieser ließ nun uns Schüler den Psalm gewöhnlich am Grünen Donnerstage in der Kirche ausführen. Als hernach Burney das Werk nach einer Kopie des Originals – wie er nun dazu gelangt sein mochte – öffentlich bekannt machte; da fand sich's daß auch nicht eine Note anders als bei Mozart sei. S. Ein guter Rath Mozarts im zweiten Bande; »Für Freunde der Tonkunst von Friedrich Rochlitz.«

5

Johann Adolph Hasse, königl. polnisch und kurfürstl. sächs. Oberkapellmeister, geboren am 25. März 1699 zu Bergedorf zwei Stunden von Hamburg, gestorben am 23. Dezember 1783 zu Venedig. Ruggiero war die letzte Oper, welche er schrieb.

6

Gottfried Freiherr van Swieten, k.k. wirklicher geheimer Rat und Präses der Kaiserl. Hofbibliothek, war ein großer Freund der Tonkunst und hatte sehr viel Umgang mit Mozarten und Haydn. Er starb am 29. März 1803 in einem Alter von 69 Jahren.

7

Es ist sehr zu bedauern, daß dieses schöne Denkmal nur aus gebrannter Erde verfertigt, und darum einer frühen Zerstörung unterworfen ist.

Quelle:
Johann Aloys Schlosser: Wolfgang Amad. Mozart. Prag 1828 [Nachdruck Prag 1993], S. 13-36.
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