Über die Entstehung der Ouvertüre zu »Don Juan«

[213] Aus Franz Xaver Nemetscheks Lebensbeschreibung des k.k. Kapellmeisters W.A. Mozart, Prag. Diese Leichtigkeit, mit der Mozart schrieb, hat er, wie wir gesehen haben, schon als Knabe gezeigt; ein Beweis, daß sie ein Werk des Genies war. Aber wie oft überraschte er damit in den letzten Jahren selbst diejenigen, die mit seinen Talenten vertraut waren? Die genievolle Eingangssinfonie zum Don Juan ist ein merkwürdiges Beyspiel davon. Mozart schrieb diese Oper im Oktober 1787 zu Prag; sie war nun schon[213] vollendet, einstudirt, und sollte übermorgen aufgeführt werden, nur die Ouverture fehlte noch.
Die ängstliche Besorgnis seiner Freunde, die mit jeder Stunde zunahm, schien ihn zu unterhalten; je mehr sie verlegen waren, desto leichtsinniger stellte sich Mozart. Endlich am Abende vor dem Tage der ersten Vorstellung, nachdem er sich satt gescherzt hatte, ging er gegen Mitternacht auf sein Zimmer, fing an zu schreiben und vollendete in einigen Stunden das bewundernswürdige Meisterstück, welches die Kenner nur der himmlischen Sinfonie der Zauberflöte nachsetzen. Die Kopisten wurden nur mit Mühe bis zur Vorstellung fertig und das Opernorchester, dessen Geschicklichkeit Mozart schon kannte, führte sie prima vista vortrefflich aus.
Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 213-214.
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