Da Ponte löst endlich sein Versprechen ein

[189] Aus den »Denkwürdigkeiten des Lorenzo Da Ponte von Ceneda«

(Übersetzung ins Deutsche von Dr. E. Burckhardt)


Es lebten um jene Zeit zu Wien nur zwei Maestri, die meiner Ansicht nach dieses Namens würdig waren: Martini82 für den Augenblick der Günstling Josephs II, und Wolfgang Mozart, den ich damals bei seinem Freunde, dem Baron v. Wetzlar, kennen zu lernen Gelegenheit hatte; Wolfgang Mozart hatte obschon von der Natur mit einem musikalischen Genie [189] begabt, das vielleicht alle Componisten der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft weit überstrahlt, in Folge der Kabalen seiner Feinde noch keine Gelegenheit gehabt, sein göttliches Genie in Wien kund zu geben; er lebte hier obscur und verkannt, ähnlich einem Edelsteine, der in der innersten Erde vergraben, hier das Geheimnis seines Glanzes verbirgt ...

Ich fragte ihn, ob es ihm gelegen sei, eine eigens für ihn geschriebene Oper in Musik zu setzen.

»Das würde mit unendlichem Vergnügen geschehen«, antwortete er mir, »allein ich zweifle, daß ich die Erlaubnis dazu erhalte.«

»Ich übernehme es, jede Schwierigkeit zu heben.«

»Gut dann, drauf los!«

... Leicht begriff ich, daß das unermeßliche Genie Mozarts einen großen, vielgestaltigen, erhabenen Stoff eines Dramas erheischte. Als ich mich eines Tages mit ihm unterhielt, fragte er mich, ob ich nicht eine Oper nach Beaumarchais' »Hochzeit des Figaro« schreiben könne. Der Vorschlag gefiel mir und der Erfolg war schnell und allgemein.

Kurz vorher war das Stück Beaumarchais' auf Befehl des Kaisers, als in einem unmoralischen Stil geschrieben verboten worden. Wie konnte man es nun von Neuem in Vorschlag bringen? ... Ich machte mich im Stillen in der Erwartung eines günstigen Augenblicks ans Werk, um es dem Intendanten oder dem Kaiser selbst, falls ich den Mut dazu haben würde, vorzulegen ... Nach Verhältnis wie ich den Text schrieb, setzte ihn Mozart in Musik; in sechs Wochen war alles beendigt83. Mozarts guter Stern wollte, daß ein günstiger Augenblick sich darbot und mir gestattete, mein Manuskript direkt dem Kaiser vorzulegen.

»Was?« sagte Joseph zu mir, »Sie wissen, daß Mozart, wie tüchtig auch immer in der Instrumental-Musik, [190] doch noch nichts für den Gesang geschrieben hat, mit Ausnahme eines einzigen Stückes, das keine große Bedeutung hat.«

»Ich selbst«, erwiderte ich schüchtern, »würde ohne die Gnade des Kaisers auch nur ein Drama in Wien geschrieben haben.«

»Wohl wahr, aber ich habe dieses Stück von Figaro der deutschen Schauspielergesellschaft untersagt.«

»Ich weiß es, allein bei Umformung der Komödie zu einer Oper habe ich ganze Szenen weggelassen, andere gekürzt und mich hauptsächlich beflissen, alles daraus verschwinden zu lassen, was den Anstand und den guten Geschmack verletzen könnte; kurz ich habe ein Werk daraus gemacht, das eines Theaters würdig ist, welches Seine Majestät mit Höchstihrem Schutze beehrt. Was die Musik anlangt, so gleicht sie, so weit ich sie beurteilen kann, einem Meisterwerke.«

»Gut denn, ich verlasse mich auf Ihren Geschmack und Ihre Umsicht; geben Sie die Partitur zum Abschreiben.«

Einen Augenblick darauf war ich bei Mozart; ich teilte ihm aber diese freudige Nachricht nicht eher mit, als bis eine Depesche ihm den Befehl überbrachte, sich mit seiner Partitur in den kaiserlichen Palast zu begeben. Er leistete Folge und trug dem Kaiser einige Bruchstücke vor, die ihn entzückten ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 189-191.
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