Eine Spasshafte Historie, von Mozart erzählt

[81] Aus einem Briefe Mozarts an Bäsle;

Mannheim, am 28. Feber 1778


... Nun muß ich Ihnen noch, bevor ich schließe, denn ich muß bald endigen, weil ich Eile habe, denn ich habe jetzt just gar nichts zu tun, und dann auch weil ich keinen Platz habe, wie Sie sehen, das Papier ist schon bald gar, und müd bin ich auch schon, die Finger brennen mich ganz vor lauter Schreiben und endlich auch wüßte ich nicht, wenn auch wirklich noch Platz wäre, was ich noch schreiben sollte als die Historie, die ich Ihnen zu erzählen im Sinn habe. Hören Sie also, es ist noch nicht lange, daß es sich zugetragen hat, es ist hier im Lande geschehen, es hat auch hier viel Aufsehens gemacht, denn es scheint ohnmöglich; man weiß auch, unter uns gesagt, den Ausgang von der Sache noch nicht. Also kurz zu sagen, es war etwa vier Stunden von hier, das Ort weiß ich nicht mehr, es war halt ein Dorf oder so etwas – nu, das ist endlich ein Ding, ob es Tribstrill oder Burmesquiek war; mit einem Wort, es war halt ein Ort. – Da war ein Hirt oder Schäfer, der schon ziemlich alt war, aber doch noch robust und kräftig dabey aussah, der war ledig und gut bemittelt und lebte recht vergnügt, [81] ja das muß ich Ihnen noch vorhersagen, ehe ich die Geschichte auserzähle, er hatte einen schrecklichen Ton, wenn er sprach, man mußte sich allezeit fürchten, wenn man ihn reden hörte. Nu, um kurz von der Sache zu reden, so müssen Sie wissen, er hatte auch einen Hund, den er Bellot nannte, einen sehr schönen großen Hund, weiß mit schwarzen Flecken. – Nu eines Tages ging er mit seinen Schafen daher, davon er 11 Tausend unter sich hatte, da hatte er einen Stock in der Hand mit einem schönen rosenfarbenen Stockband. Denn er ging niemalen ohne Stock. Das war schon so sein Gebrauch. Nun weiter. Da er so eine gute Stunde ging, da träumte ihm er habe seine Schaf verloren und in diesem Schrecken erwacht er und sahe aber zu seiner größten Freude alle seine Schafe wieder, endlich stund er auf und ging weiter, aber nicht lang, denn es wird kaum eine halbe Stunde vorbeigegangen sein, so kam er zu einer Brücke, die sehr lang war, aber auf beiden Seiten gut geschützt war, damit man nicht hinabfallen könne, nun da betrachtete er seine Herde; und weil er dann hinüber mußte, so fing er an, seine 11 Tausend Schafe hinüber zu treiben. Nun haben Sie nur die Gewogenheit und warten, bis die 11.000 Schaf drüben sind, dann will ich Ihnen die ganze Historie auserzählen; ich habe Ihnen vorher schon gesagt, daß man den Ausgang noch nicht weiß; ich hoffe aber, daß, bis ich Ihnen schreibe, sie gewiß drüben sind, wo nicht, so liegt mir auch nichts daran, wegen meiner hätten sie herüben bleiben können. Sie müssen sich schon unterdessen so weit begnügen. Was ich davon gewußt habe, das habe ich geschrieben, und es ist besser, daß ich aufgehört habe, als wenn ich etwas dazu gelogen hätte; da hätten Sie mir etwa die ganze Historie nicht geglaubt; aber so – glauben Sie mir doch – die halbe noch. Nun muß ich schließen, ob es mich tut schon verdrießen, wer anfängt, [82] muß auch aufhören, sonst tut man die Leute stören, an alle meine Freunde mein Compliment ...

Adieu, Bäsle! Ich bin, ich war, ich wär, ich bin gewesen, ich war gewesen, ich wär gewesen, o wenn ich wäre, o daß ich wäre, wollte Gott ich wäre; ich würde seyn, ich werde seyn, wenn ich seyn würde, o daß ich seyn würde, ich würde gewesen sein, ich wäre gewesen, o wenn ich gewesen wäre, o daß ich gewesen wäre, Wollte Gott, ich wäre gewesen – was? – ein Stockfisch! Adieu, ma chère Cousine! wohin? – ich bin der nämliche wahre Vetter.

Wolfgang Amade Mozart.

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 81-83.
Lizenz:
Kategorien: