Proben zum »Mitridate«

[46] Aus Leopolds Briefen an die Gattin;

Mailand, am 8. und 15. Dezember 1770


Heut nach Betläuten die 2te Recitativ-Probe. Die erste Probe ging so gut, daß man nur ein einzigesmal die Feder in die Hände nahm, um einen einzigen Buchstaben zu ändern und della in dalla zu verändern. Dies machte dem Copisten Ehre und bey allen erweckte es Verwunderung: indem man sonst an allen Orten eine erstaunliche Menge Worte und Noten ändern mußte. Ich wünsche, daß es bey den Instrumentalproben auch so gehe, die, da Du diesen Brief empfängst, vielleicht schon werden angefangen haben. Soviel ich ohne väterliche Parteylichkeit sagen kann, finde, daß er die Opera gut und mit vielem Geist geschrieben hat. Die Sänger sind gut. Nun kommt es aufs Orchester an; und letztlich auf die Caprice der Zuhörer. Folglich kommt auch vieles aufs Glück an, so wie in einer Lotterie ...


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... Bevor die erste Probe mit dem kleinen Orchester gemacht wurde, hatte es nicht an Leuten gefehlt, welche mit satyrischer Zunge die Musik schon zum Vor aus als etwas Junges und Elendes ausgeschrieen und sozusagen prophezeiet, da sie behaupteten, daß es [46] unmöglich wäre, daß ein so junger Knabe und noch dazu ein Teutscher eine italienische Oper schreiben könnte, und daß er, ob sie ihn gleich als einen großen Virtuosen erkannten, doch das zum Theater nötige Chiaro ed oscuro unmöglich verstehen und einsehen könnte. Alle diese Leute sind nun von dem Abend der ersten kleinen Probe an verstummt und reden nicht eine Sylbe mehr. Der Copist ist ganz voll Vergnügen, welches in Italien eine gute Vorbedeutung ist, indem, wenn die Musik gut ausfällt, der Copist manchmal durch Verschickung und Verkaufung der Arien mehr Geld gewinnt, als der Kapellmeister für die Composition hat. Die Sängerinnen und Sänger sind sehr zufrieden und völlig vergnügt, absonderlich die Prima Donna und Primo uomo wegen des Duetts voller Freude ...

Am heil. Stephanstage, eine gute Stunde nach Ave Maria, könnt Ihr in Gedanken den Maestro Don Amadeo beym Clavier im Orchester, mich aber oben in einer Loge als Zuseher und Zuhörer Euch vorstellen oder einbilden und ihm in Gedanken eine glückliche Production wünschen, auch deswegen ein paar Vater unser beten.

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 46-47.
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