Vor der Aufführung des »Mitridate«

[45] Aus Briefen Leopold Mozarts an seine Gattin;

Mailand, am 10. und 17. November 1770


... Wenn unsere guten Freunde zuzeiten einen Spaß in Deine Briefe schreiben, tun sie ein gutes Werk, denn der Wolfgang ist itzt mit ernsthaften Sachen beschäftigt und folglich sehr ernsthaft; ich bin froh, wenn er zuzeiten etwas Lustiges unter die Hände bekommt ...

... Du wirst Dich mit der Zeit verwundern, was für Sturm wir haben abschlagen müssen, dazu Gegenwart des Geistes und ein beständiges Nachdenken nötig ist. Die erste Battaille haben wir gottlob gewonnen und einen Feind geschlagen, welcher der Prima Donna alle Arien ins Haus gebracht, die sie in unserer Opera zu singen hat und sie bereden wollen, keine Arien von Wolfgang zu singen. Wir haben sie alle gesehen, es sind alle neue Arien, weder sie noch wir wissen aber, wer sie componirt hat. Sie hat es aber diesem bösen Menschen abgeschlagen, und ist ganz außer sich für Freuden über die Arien, die ihr der Wolfgang nach ihrem Wille und Wunsch gemacht hat, so wie auch ihr Maestro Sgr. Lampugnani, welcher mit ihr ihre Part repetirt, des Wolfgang Arien nicht genug loben kann. Heut, da wir bey ihr waren, studierte sie eben mit dem Meister die erste Aria. Es stehet aber noch ein ander Sturm am theatralischen Himmel, den wir schon in der Ferne sehen. Allein mit Gottes Hilfe und guter Art werden wir uns wohl durchschlagen. Du mußt Dich aber gar nicht wundern, dies sind unvermeidliche Sachen, die auch den größten Meistern begegnen ...


*


... Einen zweiten Sturm haben wir zwischen gestern und heute abgeschlagen; und obwohl noch eins und das andere vorfallen wird, so hoffe, daß mit der [45] Hilfe Gottes alles gut gehen wird: denn daß eine Opera einen allgemeinen Beyfall erhalte, ist in Italien ein Glückes Zufall, der sich selten ereignet, weil viele Factionen sind und sogar eine mittelmäßige, ja eine schlechte Solotänzerin ihre Parteyen hat, die sich vereinigen, um ihr bravo und Lärmen zu machen. Genug, es ist schon vieles mit uns vorbey; auch dieses wird mit Gottes Beystande sein glückliches Ende erreichen. Des Nachmittags gehen wir gewöhnlich spazieren, denn nach dem Essen will ich nicht, daß Wolfgang schreibe ohne die größte Notwendigkeit ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 45-46.
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