Mozart lernt Aloysia Weber kennen

[88] Aus Mozarts Briefen;

Mannheim, am 17. Jänner, 4. und 7. Feber 1778


Künftigen Mittwoch werde ich auf etliche Tage nach Kirchheim-Poland zu der Prinzessin von Oranien gehen; man hat mir hier so viel Gutes von ihr gesprochen, [88] daß ich mich endlich entschlossen habe. Ein holländischer Offizier, der mein guter Freund ist, ist von ihr entsetzlich ausgescholten worden, daß er mich, als er hinüber kam, ihr das Neujahr anzuwünschen, nicht mitgebracht habe. Auf das Wenigste bekomme ich doch acht Louisd'or; denn weil sie eine außerordentliche Liebhaberin vom Singen ist, so habe ich ihr vier Arien abschreiben lassen, und eine Symphonie werde ich ihr auch geben, denn sie hat ein ganz niedliches Orchester und giebt alle Tage Akademie. Die Copiatur von den Arien wird mich auch nicht viel kosten, denn die hat mir ein gewisser Herr Weber, welcher mit mir hinübergehen wird, abgeschrieben. Dieser hat eine Tochter, die vortrefflich singt und eine schöne reine Stimme hat, und erst 15 Jahre alt ist. Es geht ihr nichts als die Action ab, dann kann sie auf jedem Theater die Prima donna machen. Ihr Vater ist ein grundehrlicher deutscher Mann, der seine Kinder gut erzieht, und dieß ist eben Ursache, warum das Mädel hier verfolgt wird. Er hat 6 Kinder, 5 Mädel und einen Sohn. Er hat sich mit Frau und Kindern 14 Jahre mit 200 fl. begnügen müssen, und weil er seinem Dienste allezeit gut vorgestanden und dem Churfürsten eine sehr geschickte Sängerin gestellt hat, so hat er nun – ganze 400 fl. Meine Arie von der De Amicis33 mit den entsetzlichen Passagen singt sie vortrefflich; so wird diese auch zu Kirchheim – Poland singen. –

... Abends giengen wir nach hof34, das war Samstag; da sang die Madselle Weber 3 Arien. Ich übergehe ihr Singen – – mit einem Wort vortrefflich! – ich habe ja im neulichen Brief von ihren Verdiensten geschrieben; doch werde ich diesen Brief nicht schließen können, ohne noch mehr von ihr zu schreiben, da ich sie izt erst recht kennen gelernt, und folglich ihre ganze Stärke einsehe. Wir mußten hernach bei der [89] Offizierstafel speisen. Den andern Tag gingen wir ein ziemlich Stück Wege in die Kirche, denn die katholische ist ein bischen entfernt. Das war Sonntag. Zu Mittag waren wir wieder an der Tafel ... Abends hätten wir bey Hofe speisen können, wir haben aber nicht gewollt, sondern sind lieber unter uns zu Hause geblieben. Wir hätten unanimiter von Herzen gerne das Essen bei Hofe hergeschenkt; denn wir waren niemals so vergnügt als da wir allein beysamm waren ... Den andern Tag Montag war wieder Musique, Dienstag wieder, und Mittwoch wieder; die Madselle Weber sang in Allem 13mal, und spielte 2mal Clavier, denn sie spielt gar nicht schlecht. Was mich am meisten wundert, ist, daß sie so gut Noten liest. Stellen sie sich vor, sie hat meine schweren Sonaten, langsam, aber ohne eine Note zu fehlen, Prima vista gespielt. Ich will bey meiner Ehre meine Sonaten lieber von ihr als vom Vogler spielen hören ... Wir haben dabei nichts verloren; ich hab noch 42 fl. Profit, und das unaussprechliche Vergnügen mit grundehrlichen, gut katholischen und christlichen Leuten in Bekanntschaft gekommen zu seyn. Mir ist leid genug, daß ich sie nicht schon lange kenne ... ich hab diese bedrückte Familie so lieb, daß ich nichts mehr wünsche, als daß ich sie glücklich machen könnte; und vielleicht kann ich es auch. Mein Rat ist, daß sie nach Italien gehen sollten. Da wollte ich Sie also bitten, daß Sie je ehender je lieber an unseren guten Freund Lugiati schreiben möchten, und sich erkundigen, wie viel und was das meiste ist, was man einer Prima donna in Verona gibt? – je mehr je besser, herab kann man allezeit – – für ihr Singen stehe ich mit meinem Leben, daß sie mir gewiß Ehre macht. Sie hat schon die kurze Zeit viel profitiert, und was wird sie erst bis dahin profitieren? – Wegen der Aktion ist mir auch nicht bang. Wenn das geschieht, so werden wir, Mr. Weber, [90] seine zwey Töchter und ich die Ehre haben, meinen lieben Papa und meine liebe Schwester im Durchreisen auf 14 Täge zu besuchen. Meine Schwester wird an der Madselle Weber eine Freundin und Cameradin finden, denn sie steht hier im Ruf, wie meine Schwester in Salzburg wegen ihrer guten Aufführung, der Vater wie meiner und die ganze Familie wie die Mozartische. Es gibt freilich Neider, wie bey uns, aber wenn es darzu kommt, so müssen sie halt doch die Wahrheit sagen. Redlich währt am längsten. Ich kann sagen, daß ich mich völlig freue, wenn ich mit ihnen nach Salzburg kommen sollte, nur damit Sie sie hören. Meine Arien von der de Amicis singt sie superb ... Zu Verona will ich gern die Opera um 50 Zechini schreiben; nur damit sie sich Ruhm macht. Bis dahin werde ich mir schon durch andere Reisen, die wir miteinander machen wollen, so viel Geld machen, daß es mir nicht zu wehe tut. Ich glaube, wir werden in die Schweiz gehen, vielleicht auch nach Holland. Schreiben Sie mir nur bald darüber. Wenn wir uns wo lange aufhalten, so taugt uns die andere Tochter, welche die älteste ist, gar zu gut, den wir können eigene Hauswirtschaft führen, weil sie auch kocht. A propos, Sie müssen sich nicht zu viel verwundern, daß mir von 77 fl. nicht mehr als 42 übrig geblieben sind. Das ist aus lauter Freude geschehen, daß einmal wieder ehrliche und gleichdenkende Leute zusammen kommen sind. Ich habe es nicht anderst getan, ich habe halben Teil gezahlt, das geschieht aber nicht auf andern Reisen, das habe ich schon gesagt, da zahl ich nur für mich ...

Das größte Verdienst von der Mdelle Weber habe ich im letzten Briefe vergessen. Das ist, daß sie superbe cantabile singt. Ich bitte vergessen Sie nicht wegen Italien, ich recommandire Ihnen die arme, aber brave Weberin von ganzen Herzen, caldamente, wie die Italiener [91] sagen. Ich habe ihr 3 Arien von der de Amicis, die Szene von der Duschek und 4 Arien von Re Pastore gegeben. Ich habe ihr versprochen, einige Arien von Haus kommen zu lassen. Ich hoffe, Sie werden mir die Gefälligkeit erweisen und mir selbe schicken; aber gratis, das bitte ich Sie, Sie tun wahrlich ein gutes Werk ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 88-92.
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