Mozart und Christ. Martin Wieland

[87] Mozarts Briefe an den Vater;

Mannheim, am 27. Dezember 1777 und am 10. Jänner 1778


... Nun bin ich mit Herrn Wieland auch bekannt. Er kennt mich aber noch nicht so, wie ich ihn; denn er[87] hat noch nichts von mir gehört. Ich hätte mir ihn nicht so vorgestellt, wie ich ihn gefunden; er kommt mir im Reden ein wenig gezwungen vor. Eine ziemlich kindische Stimme; ein beständiges Gläselgucken, eine gewisse gelehrte Grobheit, und doch zuweilen eine dumme Herablassung. Mich wundert aber nicht, daß er sich hier so zu betragen geruhet, denn die Leute sehen ihn hier an, als wenn er vom Himmel herabgefahren wäre. Man geniert sich ordentlich wegen ihm, man redet nichts, man ist still; man gibt auf jedes Wort acht, was er spricht; – – nur schade, daß die Leute oft so lange in der Erwartung seyn müssen, denn er hat einen Defekt in der Zunge, vermög er ganz sachte redet und nicht 6 Worte sagen kann, ohne einzuhalten. Sonst ist er, wie wir ihn alle kennen, ein vortrefflicher Kopf. Das Gesicht ist von Herzen häßlich, mit Blattern angefüllt, und eine ziemlich lange Nase. Die Statur wird seyn: beyläufig etwas größer als der Papa.


*


Der Herr Wieland ist, nachdem er mich nun 2 mal gehört hat, ganz bezaubert. Er sagte das letztemal nach allen möglichen Lobsprüchen zu mir; es ist ein rechtes Glück für mich, daß ich Sie hier angetroffen habe, und drückte mich bey der Hand. Heut ist die Rosamund32 im Theater probiert worden. Sie ist – – – – gut, aber sonst nichts; denn wenn sie schlecht wäre, so könnte man sie ja nicht aufführen? – –

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 87-88.
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