Mozarts Abneigung gegen Abt Vogler[83] 28

Aus Leopolds Brief an Gattin und Sohn;

Salzburg, am 6. November 1777


... Herr Vogler wird derjenige seyn, der, soviel ich weiß, einen Traktat von der musikalischen Berechnung herausgegeben, er ist ein starker Contrapunktist[83] und Algebraist; er hat die Musikschule oder Accademie der jungen Leute unter sich ... Ich hoffe, der Wolfgang wird sich Mühe geben, sich alle Leute durch vorkommende Höflichkeit zu Freunde zu machen, und Herr ViceCpr: Vogler muß ein sehr geschickter Mann seyn, denn er stehet in vielem Credit beym Churfürsten ...


Aus Wolfgangs Briefen;

Mannheim, am 4., 13., 20. November 1777 und 17. Jänner 1778


... Der Herr Vice-Capellmeister Vogler, der neulich das Amt machte, ist ein öder musikalischer Spaßmacher ...


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... Er ist ein Narr, der sich einbildet, daß nichts Besseres und Vollkommeneres seye als er. Das ganze Orchester von oben bis unten mag ihn nicht. Er hat dem Holzbauer29 viel Verdruß gemacht. Sein Buch dienet mehr zum Rechnen-lernen, als zum Componieren-lernen. Er sagt, er macht in 3 Wochen einen Compositeur und in 6 Monat einen Sänger. Man hat es aber noch nicht gesehen. Er veracht die größten Meister. Mir selbst hat er den Bach30 verachtet.


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... Ich war im Amt, welches ganz funkelnagel neu von Vogler componirt war. Ich war schon vorgestern nachmittag in der Probe, ging aber gleich nach geendigtem Kyrie davon. So hab ich mein Lebtag nichts gehört. Es stimmt oft gar nicht. Er geht in die Töne, daß man glaubt, er wolle einen bey den Haaren hineinreißen, aber nicht, daß es der Mühe wert wäre, etwa auf eine besondere Art, nein, sondern ganz plump. Von der Ausführung der Ideen will ich gar nichts sagen. Ich sage nur das, daß es unmöglich ist, daß ein Voglerisches Amt einem Compositeur gefallen kann. Denn [84] kurz: jetzt höre ich einen Gedanken, der nicht übel ist – – – ja, er bleibt gewiß nicht lange nicht übel, sondern er wird bald – – – schön? – – – Gott behüte! – – übel und sehr übel werden; und das auf zwey oder dreyerlei Manieren, nämlich daß kaum dieser Gedanken angefangen, kömmt gleich was anders und verderbt ihn. Oder er steht nicht am rechten Ort. Oder endlich er ist durch den Satz der Instrumente verdorben. So ist die Musik des Voglers ...


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... Der Herr Vogler hat absolument mit mir recht bekannt werden wollen, indem er mich schon so oft geplagt hat, zu ihm zu kommen, so hat er endlich doch seinen Hochmut besiegt und hat mir die erste Visite gemacht. Ich ging also mit ihm gleich hinauf, da kamen so nach und nach die Gäste und wurde nichts als geschwatzt. Nach Tische aber ließ er zwey Claviere von ihm holen, welche zusammen stimmen, und auch seine gestochenen langweiligen Sonaten. Ich mußte sie spielen und er accompagnirte mir auf dem andern Claviere dazu. Ich mußte auf sein so dringendes Bitten auch meine Sonaten holen lassen. NB. vor dem Tische hat er mein Concert prima vista – herabgehudelt. Das erste Stück ging prestissimo, das Andante allegro und das Rondo wahrlich prestissimo. Den Baß spielte er meistens anders, als er stand und bisweilen machte er eine ganz andere Harmonie und auch Melodie. Es ist auch nicht anders möglich in der Geschwindigkeit; die Augen können es nicht sehen und die Hände nicht greifen. Die Zuhörer können nichts sagen, als daß sie Musik und Clavierspielen – gesehen haben. Sie hören, denken und – empfinden so wenig dabey – als er. Sie können sich leicht vorstellen, daß es nicht zum Ausstehen war, weil ich es nicht geraten konnte, ihm zu sagen: Viel zu geschwind. Uebrigens ist es [85] auch viel leichter, eine Sache geschwind als langsam zu spielen; man kann in Passagen etliche Noten im Stiche lassen, ohne daß es jemand merkt; ist es aber schön? – Man kann in der Geschwindigkeit mit der rechten und linken Hand verändern, ohne daß es jemand sieht und hört; ist es aber schön? Und in was besteht die Kunst, prima vista zu lesen? In diesem: das Stück im rechten Tempo, wie es seyn soll, zu spielen, alle Noten, Vorschläge etc. mit der gehörigen Expression und Gusto, wie es steht, auszudrücken, sodaß man glaubt, derjenige hätte es selbst componirt, der es spielt. Seine Applicatur ist auch miserabel: der linke Daumen ist wie beim seligen Adlgasser und alle Läufe herab mit der rechten Hand macht er mit dem ersten Finger und Daumen. –


Aus Leopolds Brief an seine Gattin;

Salzburg, am 18. Dezember 1777


... Nun ist es einmal so! Dem Wolfgang hat niemand mehrer entgegengearbeitet als der Vogler ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 83-86.
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