[156] Mozarts Herzensbeichte


Aus Mozarts Briefen an seinen Vater;

Wien, am 15. und 22. Dezember 1781 und 9. Januar 1782


Liebster Vater! Sie fordern von mir die Erklärung der Worte, die ich zu Ende meines letzten Briefes hingeschrieben habe! – O wie gern hätte ich Ihnen nicht längst mein. Herz eröffnet; aber der Vorwurf, welchen [156] Sie mir hätten machen können, auf so was zur Unzeit zu denken, hielte mich davon ab – obwohlen Denken niemalen zur Unzeit seyn kann. – Mein Bestreben ist unterdessen, etwas wenig Gewisses hier zu haben – dann läßt es sich mit der Hilfe des Unsicheren ganz gut hier leben; – und dann – zu heyrathen! – Sie erschröcken vor diesen Gedanken? – Ich bitte Sie aber, liebster bester Vater, hören Sie mich an! – Ich habe Ihnen mein Anliegen entdecken müssen, nun erlauben Sie auch, daß ich meine Ursachen und zwar sehr gegründete Ursachen entdecke. Die Natur spricht in mir so laut wie in jedem andern und vielleicht lauter als in manchem großen, starken Lümmel. Ich kann ohnmöglich so leben wie die meisten dermaligen jungen Leute. – Erstens habe ich zu viel Religion, zweytens zu viel Liebe des Nächsten, als daß ich ein unschuldiges Mädchen anführen könnte und drittens zu viel Liebe zu meiner Gesundheit. Dahero kann ich auch schwören, daß ich noch mit keiner Frauens Person auf diese Art etwas zu tun gehabt habe. – Denn wenn es geschehen wäre, so würde ich es Ihnen auch nicht verhehlen, den Fehlen ist doch immer dem Menschen natürlich genug und einmal zu fehlen wäre auch nur bloße Schwachheit, – obwohlen ich mir nicht zu versprechen getrauete, daß ich bey einmal Fehlen bewenden lassen würde, wenn ich in diesem Punkte ein einzigesmal fehlete. – Darauf aber kann ich leben und sterben. Ich weiß wohl, daß diese Ursache (so stark sie immer ist) doch nicht erheblich genug dazu ist. – Mein Temperament aber, welches mehr zum ruhigen und häuslichen Leben als zum Lärmen geneigt ist – ich, der von Jugend auf niemalen gewohnt war, auf meine Sachen, was Wäsche, Kleidung u.s.w. anbelangt, acht zu haben – kann mir nichts Nötigers denken als eine Frau. – Ich versichere Sie, was ich nicht unnützes öfters ausgebe, weil ich auf [157] nichts acht habe. – Ich bin ganz überzeugt, daß ich mit einer Frau (mit dem nämlichen Einkommen, das ich allein habe) besser auskommen werde, als so. – und wie viele unnütze Ausgaben fallen nicht weg? – man bekommt wieder andere dafür, das ist wahr, allein – man weiß sie, kann sich darauf richten und mit einem Worte, man führt ein ordentliches Leben. – Ein lediger Mensch lebt in meinen Augen nur halb. – Ich hab halt solche Augen, ich kann nicht dafür. – Ich habe es genug überlegt und bedacht – ich muß doch immer so denken. Nun aber wer ist der Gegenstand meiner Liebe? – erschröcken Sie auch da nicht, ich bitte Sie; – doch nicht eine Weberische? – Ja eine Weberische – aber nicht Josepha – nicht Sophie, sondern Costanca; die Mittelste. – Ich habe in keiner Familie solche Ungleichheit der Gemüter angetroffen wie in dieser. – Die Älteste ist eine faule, grobe, falsche Person, die es dick hinter den Ohren hat. – Die Langin ist eine falsche, schlechtdenkende Person und eine Coquette. – Die Jüngste – ist noch zu jung, um etwas seyn zu können. – ist nichts als ein gutes, aber zu leichtsinniges Geschöpf! Gott möge sie vor Verführung bewahren. – Die Mittelste aber, nämlich meine gute, liebe Konstanze ist – die Marterin darunter, und eben deswegen vielleicht die gutherzigste, geschickteste und mit einem Worte die beste darunter. – Die nimmt sich um Alles im Hause an – und kann doch nichts recht tun. O mein bester Vater, ich könnte ganze Bögen voll schreiben, wenn ich Ihnen all die Auftritte beschreiben sollte, die mit uns beyden in diesem Hause vorgegangen sind. Wenn Sie es aber verlangen, werde ich es im nächsten Briefe tun. – Bevor ich Ihnen von meinem Gewäsche frei mache, muß ich Ihnen doch noch näher mit dem Charakter meiner liebsten Konstanze bekannt machen. – Sie ist nicht häßlich, aber auch nichts weniger als [158] schön. – Ihre ganze Schönheit besteht in zwey kleinen schwarzen Augen und in einem schönen Wachstum. Sie hat keinen Witz, aber gesunden Menschenverstand genug, um ihre Pflichten als eine Frau und Mutter erfüllen zu können. Sie ist nicht zum Aufwand geneigt, das ist grundfalsch. – Im Gegenteil ist sie gewohnt, schlecht gekleidet zu seyn. – Denn das wenige, das die Mutter ihren Kindern hat tun können, hat sie den zwey andern getan, ihr aber niemalen. – Das ist wahr, daß sie gern nett und reinlich, aber nicht propre gekleidet wäre. – und das meiste, was ein Frauenzimmer braucht, kann sie sich selbst machen. Und sie frisirt sich auch alle Tage selbst, – versteht die Hauswirtschaft, hat das beste Herz von der Welt – ich liebe sie, und sie liebt mich vom Herzen! – sagen Sie mir, ob ich mir eine bessere Frau wünschen könnte? – ...

Ich wünsche also nichts mehr, als daß ich nur etwas weniges Sicheres bekomme, (wozu ich auch, gottlob, wirklich Hoffnung habe), so werde ich nicht nachlassen, Sie zu bitten, daß ich diese Arme erretten – und mich zugleich mit ihr – und ich darf auch sagen, uns alle glücklich machen darf – Sie sind es ja doch auch, wenn ich es bin? – und die Hälfte von dem Sichern, was ich bekommen werde, sollen Sie genießen. Mein liebster Vater! – nun habe ich Ihnen mein Herz eröffnet und Ihnen meine Worte erkläret ... – Nun, haben Sie Mitleiden mit Ihrem Sohne! Ich küsse Ihnen 1000mal die Hände und bin ewig

dero gehorsamster Sohn

W.A. Mozart


*


... Nun aber auf den Ehecontract, oder vielmehr auf die schriftliche Versicherung meiner guten Absichten mit dem Mädchen zu kommen, so wissen Sie wohl, daß weil der Vater (leider für die ganze Familie [159] und auch für mich und meine Konstanze) nicht mehr lebt, ein Vormund vorhanden ist. – Diesem (der mich gar nicht kennt) müssen dienstfertige und nasenweise Herrn wie Herr Winter57 und ihrer mehrere allerhand Dinge von mir in die Ohren geschrieen haben – – daß man sich mit ihr in acht nehmen müsse – daß ich nichts Gewisses hätte – daß ich starken Umgang mit ihr hätte – daß ich sie vielleicht sitzen lassen würde – und das Mädchen hernach unglücklich wäre etc. Dies kroch dem Herrn Vormund in die Nase – denn die Mutter, die mich und meine Ehrlichkeit kennt, ließ es dabey bewenden und sagte ihm nichts davon. – Denn mein ganzer Umgang bestund darin, daß ich – dort wohnte – und nach hero alle Tage ins Haus kam. – Außer dem Hause sah mich kein Mensch mit ihr. – Dieser lag der Mutter mit seinen Vorstellungen so lange in den Ohren, bis sie mir es sagte; und mich bat, mit ihm selbst davon zu sprechen, er wolle die Täge herkommen, – er kam – ich redete mit ihm – das Resultat – (weil ich mich nicht so deutlich explizirte, als er es gewollt) war – daß er der Mutter sagte, mir allen Umgang mit ihrer Tochter zu verwehren, bis ich es schriftlich mit ihm ausgemacht habe. – Die Mutter sagte, sein ganzer Umgang besteht darin, daß er in mein Haus kömmt – und – mein Haus kann ich ihm nicht verbieten – er ist ein zu guter Freund – und ein Freund, dem ich viele Obligation habe. – Ich bin zufriedengestellt, ich traue ihm – machen Sie es mit ihm aus. – Er verbot mir also allen Umgang mit ihr, wenn ich es nicht schriftlich mit ihm machte. – Was blieb mir also für ein Mittel übrig? – Eine schriftliche Legitimation zu geben, oder – das Mädchen zu lassen. – Wer aufrichtig und solid liebt, kann der seine Geliebte verlassen? – Kann die Mutter, kann die Geliebte selbst nicht die abscheulichste Auslegung darüber machen? [160] – Das War mein Fall. Ich verfaßte die Schrift also, daß ich mich verpflichte, in Zeit von 3 Jahren die Madelle Constance Weber zu eheligen; wofern sich die Ohnmöglichkeit bey mir ereignen sollte, daß ich meine Gedanken ändern sollte, so solle sie alle Jahre 300 fl. von mir zu ziehen haben. – Ich konnte ja nichts Leichters in der Welt schreiben. – Denn ich wußte, daß es zu der Bezahlung dieser 300 fl. niemalen kommen wird – weil ich sie niemalen verlassen werde – und sollte ich so unglücklich seyn, meine Gedanken verändern zu können – so würde ich recht froh seyn, wenn ich mich mit 300 fl. davon befreien könnte – und die Konstanze, wie ich sie kenne, würde zu stolz seyn, um sich verkaufen zu lassen. – Was tat aber das himmlische Mädchen, als der Vormund weg war? Sie begehrte der Mutter die Schrift – sagte mir – lieber Mozart! ich brauche keine schriftliche Versicherung von Ihnen, ich glaube Ihren Worten so; – und zerriß die Schrift. – Dieser Zug machte mir meine liebe Konstanze noch werter, – und durch diese Cassierung der Schrift und durch das Versprechen auf Parole d'honneur des Vormunds, diese Sache bey sich zu halten, war ich, wegen Ihnen, mein bester Vater einesteils in etwas beruhiget. – Denn für Ihre Einwilligung zur Heyrat (da es ein Mädchen ist, dem nichts als Geld fehlt) war mir nicht bange zu seiner Zeit – denn ich kenne Ihre vernünftige Denkungsart in diesem Falle. Werden Sie mir verzeihen? – ich hoffe es! ...

Mein liebster, bester Vater! – Sie werden sehen, daß es mir nach und nach immer besser gehen wird. Was nutzt der entsetzliche Lärm – das geschwinde Glück – es ist von keiner Dauer. – che và piano và sano. – Man muß sich halt nach der Decke strecken ...

[161] ... Nun bin ich einmal selbst beym Peisser gewesen, um zu sehen, ob kein Brief von Ihnen da ist und hatte wieder hingeschickt – es ist gleich fünf Uhr. – Ich verstehe nicht, daß ich keinen Brief bekomme! Sollten Sie böse seyn über mich? – daß ich Ihnen die Sache so lange verschwiegen, darüber können Sie böse seyn, da haben Sie recht. Doch wenn Sie meine Entschuldigung darüber gelesen haben, so können Sie mir schon verzeihen. – und daß ich mich zu verheyraten wünsche, darüber können Sie doch nicht böse seyn? – Ich glaube, daß Sie hierin meine Religion und gute Denkungsart am besten haben erkennen können. – ...

– Neues weiß ich nichts; mithin leben Sie wohl; – ich bitte Sie noch einmal um Verzeihung und bitte Sie um Nachsicht und Mitleiden für mich; – ohne meine liebste Konstanze kann ich nicht glücklich und vergnügt seyn – und ohne Ihre Zufriedenheit darüber würde ich es nur zur Hälfte seyn. – Machen Sie mich also ganz glücklich, mein liebster, bester Vater! Ich bitte Sie. – Ich bin

Ewig dero

gehorsamster Sohn

W.A. Mozart.

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 156-162.
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