Konstanze sucht Nannerls Beistand

[162] Konstanzes Nachschrift zu Wolfgangs Brief an die Schwester;

Wien, am 20. April 178258


Werteste und schätzbareste Freundin!


Niemals würde ich so kühn gewesen seyn, mich so ganz gerade meinem Triebe und Verlangen, an Sie werteste Freundin, zu schreiben, zu überlassen, wenn mich dero Herr Bruder nicht versichert hätte, daß Sie mir diesen Schritt, welcher aus zu großer Begierde mich mit einer obschon unbekannten, doch durch den Namen Mozart mir sehr schätzbaren Person wenigstens schriftlich zu besprechen, geschieht, nicht übel[162] nehmen werden. – Sollten Sie böse werden, wenn ich mich Ihnen zu sagen unterstehe, daß ich Sie, ohne die Ehre zu haben, Sie von Person zu kennen, nur ganz allein als Schwester eines – Ihrer so würdigen Bruders, über Alles hochschätze und – liebe – und es wage – Sie um Ihre Freundschaft zu bitten. – Ohne stolz zu seyn, darf ich sagen, daß ich sie halb verdiene, ganz – werde ich mich sie zu verdienen bestreben! – Darf ich Ihnen die meinige (welche ich Ihnen schon längst heimlich in meinem Herzen geschenkt habe) entgegen anbieten? – o ja! ich hoffe es. – und in dieser Hoffnung verharre ich

werteste und schätzbareste Freundin

dero

gehorsamste Dienerin

und Freundin

Constanze Weber


Bitte meinen Handkuß an dero Herrn Papa! –


Die einbekleidenden Worte Mozarts hiezu


Allerliebste Schwester! –


Meine liebe Konstanze hat sich endlich die Courage genommen, dem Triebe ihres guten Herzens zu folgen – nämlich, Dir, meine liebe Schwester, zu schreiben. – Willst Du sie (und in der Tat, ich wünsche es, um das Vergnügen darüber auf der Stirne dieses guten Geschöpfs zu lesen –) willst Du sie also mit einer Antwort beehren, so bitte ich Dich, Deinen Brief mir einzuschließen. – Ich schreibe es nur zur Fürsorge, damit Du weißt, daß ihre Mutter und ihre Schwestern nichts wissen, daß sie Dir geschrieben hat ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 162-164.
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