Zwist vor der Ehe

[164] Brief Mozarts an seine Braut Konstanze Weber;

Wien, am 29. April 1782


Liebste, beste Freundin! –


Diesen Namen werden Sie mir ja doch noch wohl erlauben, daß ich Ihnen geben darf? – so sehr werden Sie mich ja doch nicht hassen, daß ich nicht mehr Ihr Freund seyn darf, und Sie – nicht mehr meine Freundin seyn werden? – und – wenn Sie es auch nicht mehr seyn wollen, so können Sie es mir doch nicht verbieten, gut für Sie, meine Freundin, zu denken, wie ich es nun schon gewohnt bin. – Überlegen Sie wohl, was Sie heute zu mir gesagt haben, – Sie haben mir, (ohngeacht allen meinen Bitten) 3mal den Korb gegeben und mir gerade ins Gesicht gesagt, daß Sie mit mir nichts mehr zu tun haben wollten. – Ich, dem es nicht so gleichgültig ist, wie Ihnen, den geliebten Gegenstand zu verlieren, bin nicht so hitzig, unüberlegt und unvernünftig, den Korb – anzunehmen. Zu diesem Schritte liebe ich Sie zu sehr. – Ich bitte Sie noch einmal, die Ursache dieses ganzen Verdrusses wohl zu überlegen und zu bedenken, welche war, daß ich mich darüber aufgehalten, daß Sie so unverschämt unüberlegt waren, Ihren Schwestern – Nota bene in mei ner Gegenwart zu sagen, daß Sie sich von einem Chapeaux haben die Waden messen lassen. – Das tut kein Frauenzimmer, welches auf Ehre hält. – Die Maxime in der Kompagnie mitzumachen ist ganz gut. – Dabey muß man aber viele Nebensachen betrachten. – Ob es lauter gute Freunde und Bekannte beysammen sind? – Ob ich ein Kind oder schon ein Mädchen zum Heyraten bin – besonders aber, ob ich eine versprochene Braut bin? – Hauptsächlich aber, ob lauter Leute meinesgleichen oder niedrigere als ich – besonders aber vornehmere als ich – dabey sind? – Wenn es sich wirklich die Baronin59 selbst [164] hat tun lassen, so ist es ganz was anders, weil sie schon eine übertragene Frau (die ohnmöglich mehr reizen kann) ist. – und überhaupts eine Liebhaberin vom Et caetera ist. – Ich hoffe nicht, liebste Freundin, daß Sie jemals so ein Leben führen wollten wie sie, wenn Sie auch nicht meine Frau seyn wollen. – Wenn Sie schon dem Triebe mitzumachen (obwohl das Mitmachen einer Mannsperson nicht allzeit gutsteht, desto weniger einem Frauenzimmer –) konnten Sie aber ohnmöglich widerstehen, so hätten Sie im Gottes Namen das Band genommen und sich selbst die Waden gemessen (so wie es noch alle Frauenzimmer von Ehre in meiner Gegenwart in dergleichen Fällen getan haben) und sich nicht von einem Chapeau – (ich – ich – würde es niemalen in Beiseyn an derer – Ihnen getan haben – ich würde Ihnen selbst das Band gereicht haben) – destoweniger also von einem Fremden, – der mich gar nichts angeht. – Doch das ist vorbey. – und ein kleines Geständnis Ihrer dortmaligen etwas unüberlegten Aufführung würde Alles wieder gut gemacht haben und – wenn Sie es nicht übel nehmen, liebste Freundin, – noch gut machen. – Daraus sehen Sie, wie sehr ich Sie liebe. – Ich brause nicht auf wie Sie; – ich denke – ich überlege – und ich fühle. – Fühlen Sie – haben Sie Gefühl – so weiß ich gewiß, daß ich heute noch ruhig werde sagen können, die Konstanze ist die tugendhafte, ehrliebende – vernünftige und getreue Geliebte des rechtschaffenen und für sie wohldenkenden

Mozart.

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 164-165.
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