Leopold an Gattin und Sohn

[109] Aus Leopolds Briefen;

Salzburg, am 13. und 20. Juli 1778


Mein liebes Weib, und mein lieber Sohn!


Um Deinen Namenstag, mein liebes Weib, nicht zu verfehlen, schreibe unter heutigem dato, wo der Brief noch sicher einige Täge vorher eintreffen muß37. Ich wünsche Dir Million Glück, solchen abermals erlebt zu haben und bitte den allmächtigen Gott, daß er Dich diesen Tag noch viele Jahre gesund und, soviel es auf diesem veränderlichen Welttheater möglich, auch vergnügt möge erleben lassen. Ich bin vollkommen überzeugt, daß Dir zu Deinem wahren Vergnügen Dein Mann und Deine Tochter mangelt. Gott wird nach seinen ohnerforschlichen Ratschluß und heiligster Vorsehung alles zu unserem Besten wenden. Hättest Du wohl vor einem Jahre geglaubt, daß Du Deinen kommenden Namenstag in Paris hinbringen würdest? – – So unglaublich es damals manchem geschienen hätte, (obwohl uns eben nicht) – eben so möglich ist es, daß wir mit der Hilfe Gottes, eher als wir es vermuten, wieder Alle beysammen sind: denn dieses alleine ist, was mir am Herzen liegt, – von Euch entfernt, und so weit entfernt zu leben; sonst sind wir, Gott sey gelobt, gesund! Wir beide küssen [109] Dich und den Wolfgang millionmal und bitten Euch hauptsächlich, für die Erhaltung Euerer Gesundheit besorgt zu seyn.

... Dieses vorherstehende schrieb ich gestern den 12t. Heute den 13 vormittags, das ist diesen Augenblick vor 10 Uhr erhalte Dein betrübtes Schreiben vom 3. Juli. Du kannst Dir leicht vorstellen, wie uns beyden um das Herz ist. Wir weinten zusamm, daß wir kaum den Brief lesen konnten. – und deine Schwester! – großer barmherziger Gott! Dein allerheiligster Wille geschehe! Mein lieber Sohn! Bey aller meiner immer möglichen Ergebung in den göttlichen Willen wirst Du es doch ganz menschlich und natürlich finden, daß ich durch Thränen fast gehindert werde zu schreiben. Was kann ich endlich für einen Schluß machen? – Keinen andern als itzt, da dieses schreibe, wird sie vermutlich tot – oder sonst muß sie besser seyn ...

... Da ich mein vollkommenes Vertrauen in Deine kindliche Liebe setze, daß Du alle menschenmögliche Sorgfalt für Deine gewiß gute Mutter getragen hast und, wenn Gott sie uns noch schenket, immer tragen wirst; für Deine gute Mutter, deren Augapfel Du warest und die Dich ganz außerordentlich geliebt hat, – und völlig stolz auf Dich war und die (ich weiß mehr als Du) gänzlich in Dir gelebt hat ...

Dieses schreibe um halbe 4 Uhr nachmittag. Ich weiß nun, daß meine liebe Frau im Himmel ist. Ich schreibe es mit weinenden Augen, aber mit gänzlicher Ergebung in den göttlichen Willen! ...


*


... Du hättest mir ja doch eher schreiben können: wir müssen alle wegen Deiner in Ängsten leben. Das Bedauern und Leidwesen war in der ganzen Stadt unbeschreiblich [110] und allgemein: Deine liebe selige Mutter war von Kindheit an bekannt und aller Orten geliebt, dann sie war mit allen freundlich und beleidigte keinen Menschen. Hagenauersche, Rubinische, Schöpfer, andere Kaufleute, die Mitzerl und so gar die Frau von Pelegrini, eine alte Professorswitwe, die ich nicht mehr am Leben glaubte, ließen heil. Messen für die Mama lesen. Von allen unsern recht nahen Freunden will ich gar keine Meldung machen, und was ich mir für Gewalt antun muß, mir es aus dem Kopf zu bringen, davon schweige gänzlich, Deine Schwester muntert mich auf, und nun sind meine angstvollen Gedanken bey Dir ...

Quelle:
Mozart. Zusammengestellt und erläutert von Dr. Roland Tenschert. Leipzig, Amsterdam [1931], S. 109-111.
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