Viertes (letztes) Kapitel.

Ende des Jahres 1826 und das Jahr 1827.

Beethovens Krankheit und Tod.

Seit dem 2. Dezember also waren Onkel und Neffe in Wien. Das erste war, daß ein Arzt gesucht wurde. Beethoven selbst schrieb (so erzählt Johann) an seinen alten Arzt Dr. Braunhofer, der aber nicht kam, weil ihm der Weg zu weit war (er wollte wohl nicht kommen!). Dann wurde zu Dr. Staudenheimer geschickt, der auch zu kommen versprach, aber nicht kam.1 Erst dann wandte man sich an den Professor Dr. Wawruch, Arzt am Zivilspital, der auch alsbald kam: »Erst am dritten Tage wurde ich gerufen« erzählt er selbst in seinem ärztlichen Rückblicke; das war also Dienstag den 5. Dezember. Diesen Tag gibt auch der Neffe Karl im Konversationshefte als den an, an welchem Wawruchs erster Besuch stattfand.

Wawruch wurde Beethoven, wie der Bruder Johann in seinen Aufzeichnungen erzählt, von seinen Freunden geschickt. Dabei scheint Holz beteiligt gewesen zu sein. Beethoven hatte Holz gleich nach seiner Rückkehr zu sehen gewünscht; er schrieb an ihn folgenden Brief:2


»Euer beamtliche Majestät.


Gleich nach meiner Ankunft, welche seit wenig Tagen Statt fand, hatte ich Ihnen geschrieben, der Brief ward aber verlegt, darüber bin ich aber unpäßlich geworden, so daß ich es für besser halte das Bett zu hüthen.

Es wird mich also sehr freuen, wenn Sie mich besuchen. Es wird Ihnen jetzt minder beschwerlich werden, da von Döbling alles in der Stadt ist.

[417] Schließlich setze ich nur noch hinzu


4. Kapitel. Ende des Jahres 1826 und das Jahr 1827

3


wie immer

ihr Freund

Beethoven


Holz folgte der Aufforderung und ließ Wawruch zu Beethoven bestellen. Im Konversationsbuch schreibt er:


»ich habe den Professor Wawruch zu Ihnen bestellen lassen; Vivenot ist selbst krank. Ich kenne den Wawruch zwar nicht persönlich; doch ist er als einer der geschicktesten Aerzte hier bekannt. – Er ist bei Bogener Arzt. – Er ist Professor im Spital. – Nach Tische wird er kommen.«


Das war also am 5. Dezember.

Durch diese Angaben, denen den Glauben zu versagen kein Anlaß vorliegt, wird Schindlers Darstellung, wie Wawruch zu Beethoven gekommen sei (Biogr. II S. 132), nach meiner Überzeugung beseitigt.4 Schindler erzählt nämlich, er habe erst nach mehreren Tagen von Beethovens Rückkehr und seinem Zustande erfahren, sei dann gleich zu ihm geeilt und habe dann die Schwierigkeiten wegen der Ärzte erfahren. Es verging jedoch, nach den Konversationen zu schließen, eine etwas längere Reihe von Tagen, ehe er zu Beethoven kam. Er vergißt hinzuzufügen – wußte es vielleicht auch nicht – daß Holz inzwischen bei Beethoven gewesen war und sich seiner angenommen hatte; Beethoven selbst hatte Holz zu sehen gewünscht; die bisherigen Beziehungen bestanden also fort. Wenn aber von jetzt an Schindler wieder öfter bei Beethoven erscheint, so wollen wir gern annehmen, daß ihn Beethoven dazu aufgefordert [418] hatte. Weiter erzählt Schindler, Beethovens Neffe Karl habe, als er einige Tage vorher (!) Billard gespielt, dem Marqueur den Auftrag gegeben, einen Arzt für Beethoven zu suchen, dieser aber habe wegen Unwohlseins diesen Auftrag nicht ausführen können und erst dann, als er selbst ins Krankenhaus gekommen, den Dr. Wawruch ersucht, zu Beethoven zu gehen. Das will Schindler von Wawruch selbst gehört haben. Dem widerspricht Wawruchs eigenes Wort »am 3. Tage wurde ich gerufen«; er kam also nicht zufällig. Auch widerspricht der Erzählung die Kürze der Zeit, welche bis zu Wawruchs erstem Besuch verfloß, und die ausdrückliche Angabe Holzs, daß er es war, der für den Arzt sorgte. Aber auch wenn diese zwingenden Gründe nicht wären, trägt doch die ganze Erzählung Schindlers den Stempel der Unwahrscheinlichkeit. Wenn Schindler sich auf Wawruch selbst als Quelle beruft, so müssen sich dessen Äußerungen in seinem Gedächtnisse wunderlich verschoben haben. Wir halten solche Legenden von Beethovens Geschichte fern.

Wawruch kam also und führte sich mit folgenden Worten im Konversationsbuche bei Beethoven ein:


»Ein großer Verehrer Ihres Namens wird alles Mögliche anwenden, bald Erleichterung zu schaffen. Prof. Wawruch.«


Es werden dann in seiner Gegenwart die erforderlichen Fragen von Karl aufgeschrieben, die sich, soweit wir das beurteilen können, zum Teil auch auf die Unterleibskrankheit beziehen.5 Doch wir lassen hier lieber Wawruch selbst das Wort.6 Nachdem er erzählt hat, daß er am 3. Tage gerufen worden sei, fährt er fort:


»Ich traf Beethoven mit den bedenklichen Symptomen einer Lungenentzündung behaftet an, sein Gesicht glühte, er spuckte Blut, die Respiration drohte mit Erstickungsgefahr und der schmerzhafte Seitenstich gestattete nur eine quälende Rückenlage. Ein streng Entzündungswidriges Heilverfahren schaffte bald die erwünschte Linderung, seine Natur siegte und befreite ihn durch eine glückliche Krise von der augenscheinlichen Todesgefahr, so daß er [419] am fünften Tage sitzend im Stande war, mir sein bisher erlittenes Ungemach mit tiefer Rührung zu schildern. Am siebenten Tage fühlte er sich erträglich wohl, daß er aufstehen, herumgehen, lesen und schreiben konnte.«


G. v. Breuning (S. 83) erhebt Einspruch gegen die Annahme einer Lungenentzündung (von der auch Schindler spricht), es sei vielmehr eine Bauchfellentzündung gewesen; denn nur die letztere könne eine Bauchwassersucht hervorrufen, auch hätten Beethovens Lungen sich später als gesund erwiesen und er habe in seiner Krankheit nicht gehustet und keine Atmungsbeschwerden gehabt. Es hat natürlich Bedenken, gegen eine medizinische Autorität zu sprechen; aber wir haben es doch daher mit dem Zeugnisse eines Arztes zu tun, der Beethoven behandelt, während G. v. Breuning nur als Knabe um ihn war. Wawruch ist uns hier mit Recht Quelle. Es ist zu beachten, daß Wawruch hier nur von dem ersten heftigen Krankheitsanfall spricht, den Beethoven gleich nach seiner so bedenklichen Rückreise erlebte, und der nach Wawruchs Zeugnis nach einigen Tagen wieder vorüberging, so daß Beethoven aufstehen und umhergehen konnte; das war nach den angegebenen Symptomen7 Lungenentzündung, und wir haben kein Recht, Wawruchs Diagnose als eine falsche zu bezeichnen; wie denn ein erfahrener Arzt die Symptome der Lungenentzündung nicht leicht verkennen wird. Daß ihm der Hauptsitz von Beethovens Krankheit nicht verborgen blieb, wird sich noch ergeben, einzelne seiner ersten Fragen und Anordnungen deuten schon darauf hin, daß er von dem wassersüchtigen Zustande wußte.

Über Beethovens neuen Arzt Professor Dr. Wawruch werden einige Angaben gestattet sein.8 Andreas Wawruch war 1771 zu Nemtschütz in Mähren geboren, studierte anfangs in Olmütz Theologie, nahm aber, ehe er geweiht war, eine Stellung als Erzieher an, kam mit seinen Zöglingen nach Wien und wandte sich dort der Medizin zu, wurde Dr. med. und Assistent des Professors von Hildebrand, der auch Direktor des allgemeinen Krankenhauses war; später wurde er dessen Schwiegersohn. Er wurde dann zuerst Professor der allgemeinen Pathologie und Pharmakologie in Prag und später Professor der speziellen Pathologie und medizinischen Klinik für Wundärzte in Wien. Er starb 1842. Wawruch war ein vorzüglicher Lateiner; berühmt waren seine orationes funebres. Als Arzt war er alten Theorien zugetan und verhielt sich ablehnend gegen [420] die neuen Forschungen der pathologischen Anatomie. Eine eingehende Forschung widmete er der Lehre vom Bandwurm. Er trieb eifrig Musik, spielte Violoncell und Kontrabaß und war ein großer Verehrer Beethovens.

Den hauptsächlich gegen ihn gerichteten Vorwurf, er habe Beethovens Krankheit nicht erkannt und fälschlich für eine Lungenentzündung gehalten, glauben wir schon beseitigt zu haben, indem wir darauf hinwiesen, daß seine hierauf bezüglichen Bemerkungen die erste heftige Erkrankung, nicht die Hauptkrankheit Beethovens betrafen. Daß er die Hauptursache der letzteren in einem verjährten Leberleiden und in organischen Fehlern der Unterleibseingeweide fand, ist ausdrücklich in seinem »ärztlichen Rückblick« zu lesen; wann er diese Gewißheit erlangte, sagt er nur andeutungsweise; am achten Tage erkannte er die Wirkungen der fortschreitenden Krankheit (Gelbsucht, geschwollene Füße usw.), und es entwickelt sich von da an die Wassersucht. Dieser »Rückblick« macht durch die hohe Verehrung für Beethoven einen durchaus wohltuenden Eindruck und trägt, trotz einzelnem Irrtümlichen, das er enthält, ganz das Gepräge lauterer Absicht; er will die Wahrheit sagen, ist aber über einiges Tatsächliche nicht genügend unterrichtet. Die Kritik Schindlers an diesem Aufsatze (II S. 295) ist ziemlich gegenstandslos. Sie wendet sich besonders gegen zwei Punkte: daß Wawruch Beethoven als seinen Freund bezeichnet, was er nie gewesen sei (Beethoven liebte ihn nicht, wie wir aus den sonstigen Erzählungen über die Krankheit wissen), und daß er ihm Liebe zu geistigen Getränken nachgesagt, was Schindler geradezu ehrenrührig nennt. Als Freund im allgemeinen hat Wawruch sich nicht bezeichnet, auch ein solches Verhältnis nicht hervortreten lassen, er nennt sich nur einmal den »befreundeten« Arzt und Beethoven den »befreundeten« Dulder; war das auch vielleicht schon etwas zu viel gesagt, so werden wir ihm, nach seiner Gesinnung und nach vielwöchentlicher Behandlung, dies wohl gestatten dürfen und es ihm nicht zum Verbrechen anrechnen. Was aber Beethovens Neigung zu geistigen Getränken betrifft, so ist dieselbe auch anderweitig bezeugt9 und spielt in den Konversationsheften ihre Rolle; wir erinnern an die Zusammenkünfte mit auswärtigen Besuchern. Welche Mühe machte es seinem früheren Arzte Dr. Braunhofer, seiner Vorschrift der Enthaltung vom Weingenusse Nachdruck zu verschaffen! Darum hat ihn aber niemand zum Trinker gemacht, und alles, was wir von seiner Lebensweise[421] wissen, widerspricht dem. Daß einmal ein Übermaß stattgefunden, ist möglich; Schindler gibt das für die letzte Zeit selbst zu und schreibt es dem Einflusse Holzs zu.10 Das ist aber doch weit entfernt von der Eigenschaft eines Trinkers. Beethoven hat sich nie die Begeisterung zum Schaffen im Wein geholt; er komponierte nicht, wenn er getrunken hatte. Also diesen Vorwurf hat Wawruch nicht erheben können und auch tatsächlich nicht erhoben. – Wir halten uns bezüglich der Krankheit an den ärztlichen Rückblick als an eine glaubwürdige Quelle. Auch mag noch hinzugefügt werden, daß nach Johanns Aufzeichnung Dr. Staudenheimer zu einer Konsultation kam (vgl. S. 429) und mit Wawruchs Behandlung einverstanden war.

Wawruch zeigte sich von Anfang als sorgfältiger Arzt. Der Neffe verzeichnet im Konversationsbuch die ersten Besuche Wawruchs, wohl der Berechnung wegen, und es ergibt sich, daß der Arzt vom 5. bis zum 14. Dezember täglich, an einem Tage (den 6.) sogar zweimal bei Beethoven war.11 Da erlebte er denn das Fortschreiten der Krankheit. Wir geben die Fortsetzung seines Berichts, aus welchem oben (S. 419 f.) die Worte über den Anfang seiner Krankheitsbeobachtung angeführt wurden.


»Doch am 8ten Tage12,« fährt er fort, »erschrak ich nicht wenig. Beim Morgenbesuche fand ich ihn verstört, am ganzen Körper gelbsüchtig; ein schreckbarer Brechdurchfall drohte ihn die verflossene Nacht zu tödten. Ein heftiger Zorn, ein tiefes Leiden über erlittenen Undank und unverdiente Kränkung13 veranlaßte die mächtige Explosion. Zitternd und bebend krümmte er sich vor Schmerzen, die in der Leber und in den Gedärmen wütheten, und seine bisher nur mäßig aufgedunsenen Füße waren mächtig geschwollen. – Von diesem Zeitpunkte an entwickelte sich die Wassersucht, die Urinaussonderung wurde sparsamer, die Leber bot deutliche Spuren von harten Knoten, die Gelbsucht stieg.14 Ein liebevolles Zureden seiner Freunde besänftigte bald [422] den drohenden Aufruhr und der Versöhnliche vergaß jede ihm angethane Schmach. Doch rückte die Krankheit mit Riesenschritten vorwärts. Schon in der 3ten Woche stellten sich nächtliche Erstickungszufälle ein; das enorme Volum der Wasseransammlung forderte schnelle Hülfe, und ich fand mich bemüßigt den Bauchstich vorzuschlagen, um dadurch der plötzlichen Berstungsgefahr vorzubeugen.«


Die Fortsetzung lassen wir später folgen. Wir unterbrechen hier, gerade vor der ersten eingreifenden Operation, für eine kurze Zeit die Erzählung von der Krankheit, um einige andere Beethoven berührende Ereignisse zu erwähnen, die gerade in diesen Monat fallen. Durch seine Freunde, durch Briefe und Besuche wurde ihm manches zugetragen, was mit Bezug auf seine Werke oder sonst in der Welt geschah; und insbesondere muß uns das weitere Geschick des Neffen interessieren.

Da kommt z.B. Artaria, erzählt ihm von dem Stich der Fuge (Op. 133) und zeigt ihm den Titel derselben, da sie dem Erzherzog gewidmet wird. Am 10. Dezember waren mehrere Musikaufführungen, so das B-Dur-Quartett (Schuppanzigh), die A-Dur-Symphonie. Holz teilt ihm mit, daß Linke das B-Dur-Quartett mit dem neuen letzten Satze zu seinem Vorteil geben wolle. Die Kapellmeisterstelle in Dresden, erzählt ihm Holz, habe nicht Hummel erhalten, sondern ein »junger Mann Namens Reißiger«. Die Korrespondenz mit Schott in Mainz wegen der dort herauszugebenden Werke dauerte noch fort; am 9. Dezember schrieb Beethoven an ihn (d.h. für ihn der Neffe) und noch einmal im Dezember. An dieser Stelle müssen wir auf Wiedergabe dieser Briefe verzichten; auf Schott haben wir noch zurückzukommen.

Inzwischen war auch der Bruder Johann wieder nach Wien gekommen, am 10., wie er selbst bezeugt. Er besuchte Beethoven gleich und war dann weiterhin an den Sorgen um ihn beteiligt. Die Besprechungen und Verhandlungen wegen des Brillantringes, den er vom König von Preußen erhalten sollte, aber nicht erhielt, fallen auch in diesen Monat Dezember. Wir haben davon schon früher gesprochen (S. 369 f.).

In dieser Zeit erhielt Beethoven einen Brief von dem Grafen Alphonse de Feltre in Paris, datiert vom 12. Dezember 1826, welchen [423] Beethoven aufbewahrt aber wohl nicht beantwortet hat. Er befindet sich in der Sammlung der Berliner Bibliothek. Der Schreiber bekennt sich als großen Bewunderer Beethovens, obwohl er ihm persönlich nicht bekannt. Von früh an (auch jetzt noch jung) habe seine Freude in der Beschäftigung mit Musik bestanden; Beethovens Werke hätten immer das größte Interesse für ihn gehabt. Er sammelt Handschriften von Musikstücken der Komponisten selbst, und bittet ihn um »une ligne de votre musique écrite et signee de votre main«, sie werde die erste Stelle in seiner Sammlung einnehmen.

Daß Beethoven keine Lust hatte, einem Unbekannten gegenüber darauf einzugehen, besonders in seinem gegenwärtigen Zustande, kann man sich denken.

Aber eine andere Sendung erhielt er in diesen Dezembertagen, die ihn hoch erfreute und für ihn von hohem Werte war, die von Händels Werken durch Stumpff in London. Wir haben dieses vortrefflichen Mannes beim Jahre 1824 gedacht (vgl. S. 122 ff.); damals besuchte er Beethoven in Wien und faßte den Entschluß, ihm Händels sämtliche Werke zum Geschenk zu machen. Das führte er jetzt aus, und noch 1826 (s. Schindler II S. 139) kam die Arnoldsche Prachtausgabe in 40 schönen Bänden bei Beethoven an.15 G. v. Breuning (Schwarzsp. S. 94) schildert uns die große Freude Beethovens über dieses Geschenk, welches er selbst, im Vergleich mit dem Ringe des Königs von Preußen, ein königliches nannte; er habe ihm die Bücher, die auf dem Klavier aufgehäuft lagen, aufs Bett reichen müssen, nachdem Beethoven gesagt:


»Schon lange hab ich sie mir gewünscht; denn Händel ist der größte, der tüchtigste Compositeur; von dem kann ich noch lernen.«


Er habe dann die Bände durchblättert, bei einzelnen Stellen länger verweilt, und sich weiter in lebhaften Lobeserhebungen Händels ergangen, den er als den klassischsten und gründlichsten aller Tondichter bezeichnet habe.

Nach Breuning fand das alles gegen Mitte Februar 1827 statt; Beethoven erzählte ihm, er habe dies »heute« geschenkt erhalten. Ein Bericht in Bäuerles Theaterzeitung vom 17. Februar 1827 erzählt von dem Geschenke. Stumpff habe, nachdem er von Beethovens Wunsch Kenntnis erhalten, nach seiner Rückkehr keine Mühe gescheut, die Arnoldsche[424] Prachtausgabe, von welcher die Platten längst vernichtet gewesen, zu erhalten, und nachdem es ihm endlich gelungen, sie in 40 prächtigen Foliobänden an seinen Freund Herrn Streicher Sohn mit dem Ersuchen geschickt, »sie dem größten jetzt lebenden Tonkünstler, Hrn. Ludwig van Beethoven, als ein Zeichen größter Hochachtung und innigster Verehrung zu überreichen.« Trotz dieser an sich so interessanten und wichtigen Zeugnisse hat es doch mit Schindlers Jahresangabe (1826) seine Richtigkeit. Stumpff bewahrte Beethovens Quittung, welche lautet:


»Wien den 14. Dezember 1826.


Herrn J. A. Stumpff in London.


Ich bestätige hiermit den Empfang der mir durch Sie zugesandten sämmtlichen Händelschen Werke, bestehend in 40 Bänden, nebst einem Briefe an mich und Reichardts Taschenbuch für Reisende.


Ludwig van Beethoven.«


Wir müssen also annehmen, daß Beethoven, obgleich er das Geschenk schon erhalten hatte, unter der Einwirkung der Krankheit sich erst einige Wochen später in den rechten Genuß desselben setzte. Es wurde ihm noch einmal darüber von Stumpff geschrieben. Wir kommen daher später noch einmal darauf zurück.

In Beethovens Hauswesen stehen wir in dieser Zeit insofern einer Änderung gegenüber, als nicht mehr »die Alte« (Frau Schnaps) bei ihm ist, sondern eine Magd Thekla in den Konversationen genannt wird, die auch Beethoven warten soll.16 Dieselbe wurde aber unredlich befunden und das Verhältnis zu ihr daher bald wieder gelöst (am Ende des Monats, vgl. S. 430). Dann kam die Alte wieder.

Wichtig vor allem war, daß jetzt die Angelegenheit des Neffen geordnet wurde. Gleich nach der Rückkehr begab sich Karl mit Breuning17 zum Feldmarschallleutnant Stutterheim, der ihn zuvorkommend empfing und seine Zusage erneute, ihn in sein Regiment zu nehmen.


»... er sprach über Verschiedenes, auch von Diretc. – Breuning wird den Tag bestimmen wo ich assentirt werde. Uniformirt werde ich hier gar nicht, sondern erst beim Regiment, die ganze Sache ist also in wenig Tagen abgemacht. Bevor ich gehe, wünscht er mich noch einmal zu sehen. Breuning weiß das alles.«


[425] So erzählt der Neffe Beethoven und schreibt eine Anzahl Bücher auf,18 die er an seinen neuen Bestimmungsort mitnehmen oder sich nachschicken lassen will. Nach einer daran sich anschließenden Unterhaltung schreibt er weiter:


»Du irrst, wenn du glaubst, daß ich wankend geworden bin. – Ich freue mich im Gegentheil, daß die Sache so nach meinem Wunsche sich endigt, und werde mei nen Entschluß nie bereuen.« – – – »Ich werde ärztlich untersucht, dann wird mir die Eidesformel vorgelesen, die ich nachspreche.«


Nicht lange darnach ging er nochmals zu Stutterheim; bei diesem mußte er auf den Adjutanten19 warten:


»... sobald der kam, trug er ihm auf, mich in die Alserkaserne zu begleiten, wo ich zum Regimentsarzt gehen mußte. Dieser ließ sich bloß von mir das Ehrenwort geben, daß ich keinen Leibschaden oder dergleichen habe, worauf er sagte, daß er mir ohne Weiteres das Zeugniß ausstellen werde. Aber um 3 Uhr muß ich es selbst abhohlen, und gleich zum Ftm. Stutterheim bringen. Er war übrigens sehr artig, und sagte, daß ich vor meiner Abreise auch noch zu ihm kommen solle. Die wirkliche Assentirung wird übermorgen Statt haben. – Ich werde heut Nachmittag erst fragen. – 5–6 Tage werde ich noch hier sein. Zusammen können wir auf keinen Fall gehen, weil Du binnen 6 Tagen noch nicht wirst mitgehen dürfen, wie mir der Arzt gesagt hat.«20


Bald darauf (nach dem 10. Dez.) schreibt Karl wieder:


»Er [Breuning?] sprach unter Andern über meine Abreise und die dazu erforderlichen Anstalten. Morgen werde ich zu Stutterheim gehen, der Adjutant wird wieder mit mir, wahrscheinlich zu einem Kriegscom missär, oder vielleicht auch zum General-Kommando gehn. Vor meiner Abreise muß ich aber nochmal zum Fml., der mir einen Brief an den Obersten mitzugeben versprochen hat. Ich gehe erst zu Breuning ins Bureau, um 9 –«


Und weiter:


»Ich werde hier völlig adjustirt, wahrscheinlich werden mir morgen die Uniformen angemessen. Mit der Bezahlung wendet sich der Adjutant an [426] Breuning, dem ich daher alles zu überlassen bitte. – Ich bekomme alles durch den Hauptmann des hiesigen 2ten Grenadier-Bataillons; Hofrath B. wird nachher die Rechnung zugestellt, daher nichts voraus zu entrichten ist.– Bei dem Hauptmann, der die Sache zu besorgen hat. – Ich habe bei der ganzen Geschichte nichts zu thun, als mir die Kleider anmessen zu lassen; alles übrige liegt am Hauptmann, der alles besorgen wird. Ich bekomme 3 Anzüge, die Uniform vom Regiment, einen Mantel, und die Galla-Uniform. Nun steht es bei Dir, die Tuchforte zu bestimmen, von welcher letztere gemacht werden soll. Ueber die Preise wirst Du schon vorläufig unterrichtet werden. Ich habe das alles voraus gewußt. Es geht jedem Grafen und Fürsten so, so lang er Kadet ist. Uebrigens wirst Du sehen, daß die Uniform so schlecht nicht ist; nur muß sie gut gemacht sein, und da wird man dem Schneider ein Trinkgeld extra versprechen müssen.«21


Und etwas später:


»Also soll ich morgen assentirt werden? – Wo soll ich hinkommen? Breuning wird nicht dabei sein?« usw.


Breuning war vielleicht inzwischen bei Beethoven gewesen. Etwa um den 19. (näher vermögen wir es nicht zu bestimmen) schreibt Karl:


»Ich bin schon assentirt.22 Heut muß ich noch zum Regimentsarzt von Gulay, dessen Zeugniß auch erforderlich ist, und morgen wieder zum Feldmarschallleutenant.«


Kurz nachher schreibt dann Breuning:


»Karl ist heute assentirt worden; er braucht jetzt nur dasjenige zu kaufen, was man hier am besten haben kann, dann kann er abreisen, weil alles übrige in Iglau gemacht wird. – Das läßt er sich alles in Iglau machen, hier kauft er nur Czako und Säbel u.s.w. – Die Rechnung wird durch den Hauptmann geschickt, und hier nachher bei den Grenadiers bezahlt. – Der Adjutant von Stutterheim wird ihn deshalb schon anweisen. – Du hast ihm diktirt. – Ich werde schon die Rechnung machen und kann auch die Anschaffungen und Reisekosten für Carl bestreiten, damit Du ja nicht aufstehst, es wäre wahrlich nicht der Mühe werth.«


Nachher schreibt Karl noch einmal:


»Ich bekomme 2 Uniformen, die ordinaire von gröberem, und die Galla Uniform von feinerem. – Von heute an bekomme ich alles vom Regiment. [427] Löhnung, Brot etc. – Ich wollte nur sagen, daß von heut an schon alles gerechnet wird als wenn ich schon dort wäre.«


Und weiter:


»Alles das wird mir anprobirt werden. – Es läßt sich da nichts machen. Man muß es den Herrn überlassen, wie sie es einrichten wollen. Ich glaube gar nicht daß die Sachen aus einem Gewölbe gekauft werden. – Ich glaube immer 800 Fl. W. W.«


Ob Karl damit die Gesamtkosten seiner Ausstattung meint, können wir nicht wissen. Wenn er gleich darauf die Datumsangabe folgen läßt: »am 20ten«, so kann das wohl auf die bevorstehende Operation bezogen werden, die an diesem Tage stattfand.

Aus den weiteren Unterhaltungen sehen wir, daß die Abreise Karls bevorsteht und die Art ihrer Ausführung besprochen wird.


»Ein Platz auf einer Landkutsche. – Mit der Landkutsche fahre ich 2 Tage, und es kostet vielleicht 12 fl., während es auf dem Eilwagen auf 50 fl. kommt. – Beschwerlicher ist gewiß mit den Eilwagen. – Iglau ist noch in Mähren.«


In derselben Zeit geschieht die Operation, von welcher wir gleich sprechen. Nach derselben lesen wir von Karls Hand:


»Eine Uniform ist fertig. – Samstag bekomme ich alles; morgen ist aber sehr viel zu thun; der Bruder muß mit mir das Nöthige kaufen; es ist die höchste Zeit; nach den Feiertagen muß ich in Iglau beim Regiment sein.«


und weiter:


»Um etwas Geld muß ich Dich schon bitten, weil ich dem Schweider ein Geschenk versprechen mußte. Heut wird alles fertig sein,« und Johann sagt, ohne Zweifel mit Bezug auf Karl »du brauchst jetzt nichts mehr zu kaufen, denn er hat alles.«


Wir sehen, daß der Bruder pflichtmäßig mitsorgt und überlegt, wenn er auch zuweilen seine eigenen Ansichten hat. Von dem Hauptmann und der Ausstattung ist noch wiederholt die Rede; Karl hofft zu erfahren, wann er noch einmal zu Stutterheim zu gehen habe. Da gibt er sich auch einmal sanguinischer Hoffnung hin:


»Wir haben Hoffnung, in 3–4 Monathen zu marschiren. Nach Portugall werden Hülfstruppen gesandt. Das wäre der beste Weg zum Avancement.« Weiter erzählt er, daß er mit dem Hauptmann und dem Leutnant gesprochen. »Morgen wird er wahrscheinlich mit mir die Gelegenheit nach Iglau bestellen.«

[428] »Ich muß nochmahl zum Feldmarschalllieutnant. – Am 2. Jänner.– Heut wird der Wagen bestellt, in der Leopoldstadt. – Landkutsche.« »Mit 15 bis 20 fl.,« meint Johann, »ist die Reise in 2 Tagen gemacht.«


Also für den 2. Januar des neuen Jahres war die Abreise Karls festgesetzt.

Noch manches wurde vorher besorgt und erwogen. Breuning erhob seine Stimme für ein auskömmliches Kostgeld. Er besteht, wie Johann erzählt, auf 10 fl CM monatlich,


»denn er wisse, daß er dort nur gutes Mittags Essen mit Trinken an der Offiziers-Tafel um 24 x Rhein. bekomme.«


Außer anderen Dingen wird auch eine Uhr gekauft; die Karl hatte, erschien nicht elegant genug.23 Von den Kosten wird Beethoven in Kenntnis gesetzt; in der Tat, dieser Umzug legte ihm noch einmal große Opfer auf.

Nachdem also Karl seine Abschiedsbesuche gemacht hatte und auch die Neujahrswünsche erledigt waren, reiste er am 2. Januar nach Iglau ab. Von besonderen Szenen bei dem Abschied erfahren wir nichts. Da aber Beethoven gleich die Sorge für die Zukunft des Neffen in die Hand nahm, und der Neffe nicht lange nachher an ihn schrieb, so darf man annehmen, daß alles friedlich und freundlich verlaufen ist. Schindler erzählt ausdrücklich, daß Beethoven nach der Trennung besonders guter Dinge gewesen sei. –

Wir greifen nunmehr etwas zurück und fahren in dem Bericht über die Krankheit fort. Den Rückblick Wawruchs haben wir bis zu der Stelle mitgeteilt, wo er die Notwendigkeit des Bauchstichs erwähnt. Wir folgen vorzugsweise den Konversationsheften. Der Neffe Karl ist noch anwesend.

Wawruch fährt fort, den Kranken genau zu beobachten und seine Vorschriften zu geben. Die Zeit der Operation, die auch Staudenheimer als notwendig bezeichnet hatte, rückte heran. Man sagte es Beethoven; »nach ein paar Augenblicken ernsten Nachsinnens willigte Beethoven in die Operation ein,« um so mehr als auch Staudenheimer sie für nötig erklärt hatte. – Das Konversationsbuch führt mitten in die Szene. Wir erfahren, daß die Verhandlungen wegen Entlassung der Magd (Thekla) mitten in die Vorbereitung der Operation fallen. Dadurch läßt sich denn auch das Datum der letzteren feststellen.

[429] Die Operation soll der Primärwundarzt des allgemeinen Krankenhauses Herr Seibert ausführen, den Wawruch alsbald aufforderte. Wawruch war Vormittags da, stellte die Sachlage fest und sagte:


»Da müssen wir sobald als möglich die Entleerung zu bewerkstelligen trachten. Denn bis Sonntag wäre es unnütz Sie fortleiden zu lassen.24 Ich werde also die gehörige Vorkehrung treffen. Nachmittag komme ich wieder.«


Inzwischen schreibt Schindler:


»Er sagt, daß es schnell dann besser werden wird. Er ladet den Hr. Seybert aus dem Allg. Krankenhaus ein, der sehr geschickt ist.«


Dann bringt Karl den Wechsel der Magd zur Sprache, für die vorübergehend »die Alte« wieder eintreten soll.


»Er25 will die Alte auf Morgen bestellen, da könnte also die Thekla gleich abgefertigt werden. Die Alte verlangt 1 fl. W. W. und die Kost täglich, ungefähr so viel als sie früher hatte, nur hast Du den Vortheil, daß Du sie nachher an jedem beliebigen Tage wegthun kannst, wenn die andere eintritt. – Kochen kann die Alte nicht mehr, also könnte man noch die Tage abwarten und ihr mit 14 Tagen aufsagen. – Dann kannst Du ihr die übrigen paar Tage, um die sie eher weggeht, Kostgeld geben.« [Beethoven ist offenbar einverstanden.] »Ich sage ihr also auf.« – Am 20ten der Thekla aufgesagt. Donnerstag den 3. Jänner ist ihre Zeit aus. Die neue kommt Dienstag den 1ten Jänner. – Am letzten Dez. thut man sie weg, und dann bekommt sie für 4 Tage Kostgeld, per Tag 30 X.


Daraus geht also hervor, daß die erste Operation am 20. Dezember (Mittwochs) war, nicht wie Schindler schreibt, am 18. Dezember. Auch Karl notiert im Konversationsbuch den ersten Besuch Seiberts auf den 20. Dezember.

Wawruch kam also, wie er versprochen, wieder zurück und Seibert machte den Bauchschnitt »mit der ihm gewöhnlichen Kunstfertigkeit.« Schindler notiert im Konversationsbuch: »1te Operation, wobei der Neffe, Beethovens Bruder und Schindler anwesend waren.« Beethoven gab dabei eine Probe seines Humors, der ihn auch in solchen kritischen Momenten nicht verließ. Rechnungsrat Seib erzählte26 nach einer Mitteilung des Professors Wawruch, daß Beethoven, »nachdem ihm von [430] Prof. Seibert die Sonde an den Bauch gesetzt worden, und das klare Wasser herausgespritzt sei«, gesagt habe:


»Herr Professor, Sie kommen mir vor wie Moses, der mit seinem Stab an den Felsen schlägt.«


Wawruch erzählt in seinem Rückblicke dasselbe.

Im Konversationsbuch sagt dann Wawruch:


»Gott Lob, es ist glücklich vorbei. – Fühlen Sie schon eine Erleichterung? – Wenn Sie sich unwohl befinden, so müssen Sie es mir sagen. – Haben Sie den Stich sehr empfunden. – Von heute an geht ja die Sonne schon immer höher. – God save you! – Laue Mandelmilch. – Fühlen Sie jetzt keinen Schmerz? – Bleiben Sie nur ruhig auf der Seite liegen. – Fünf und eine halbe Maß.27 – Ich hoffe daß Sie heute Nacht ruhiger schlafen werden. – – – Sie haben sich ritterlich gehalten.« – –


Wir schalten hier die Fortsetzung von Wawruchs eigener Erzählung ein:


»Eine Unvorsichtigkeit, die den Wundverband Nachts löste, vermuthlich um alles enthaltene Wasser schnell zu entfernen, hätte beinahe die Freude des Besserbefindens ganz verleidet. Eine heftige rothlaufartige Entzündung stellte sich ein und wies die ersten Brandspuren, doch das sorgfältigste Trockenhalten der Wundlippen setzte dem Uebel bald Schranken. Zum Glück waren die folgenden drei Operationen ohne die geringsten Anstände.« –


Diese Operation machte natürlich fortgesetzt neue Wartung und Pflege nötig, die Nahrung für den Kranken mußte beobachtet und beaufsichtigt werden. Er darf Mandelmilch trinken, nur nicht in zu großer Quantität; auch Kasse nur wenig. Er muß fest liegen, es kommt darauf an zu erkennen, ob eine zweite Operation nötig wird. Seine Umgebung beschäftigt sich mit den Fragen seiner Ernährung und seines Ergehens; wir sehen außer dem Arzte den Bruder und Neffen bei ihm, etwas seltener Holz und Schindler, statt des erkrankten Breuning läßt sich dessen junger Sohn Gerhard öfter sehen; auch andere Freunde suchen ihn auf; in der Stadt beginnt die Teilnahme für ihn sich zu zeigen. Von alledem werden wir noch mehr zu sagen haben; vorher aber müssen wir noch eines auswärtigen Besuchers aus dieser Zeit gedenken, dessen Erwähnung uns etwas weiter führt.

Beethoven erhielt nämlich in diesen Tagen, vor der ersten Operation, (etwa um den 19. Dezember) den Besuch von Joh. Bapt. Jenger, [431] welcher Kanzleibeamter bei dem Generalkommando in Graz und Sekretär des Steiermärkischen Musikvereins gewesen und von dort an den Hofkriegsrat in Wien versetzt worden war. Er war Klavierspieler und ein Freund des Pachlerschen Hauses in Graz. Er hatte Beethoven zwei Briefe der Frau Marie Pachler-Koschak zu bringen, von denen der eine schon im Jahre vorher geschrieben, aber verloren gegangen und erst später wieder aufgefunden war.28 Es wird erlaubt sein, das Gedächtnis dieser verehrungswürdigen Dame, deren Bekanntschaft wir schon früher (IV S. 59 f.) gemacht haben, zu erneuern und die Briefe hier mitzuteilen.29 Der erste, ein Jahr vorher geschriebene, lautet:


»Lieber verehrter H. v. Beethoven!


Sie werden sich vielleicht kaum meiner – noch weniger aber des Versprechens erinnern, welches Sie mir vor zwei Jahren gaben, sich einmal in unserer freundlichen Steiermark ein Bischen umzusehen. Ich habe Sie seitdem oft daran mahnen wollen, allein es fehlte mir immer an Muth, so geradezu an Sie zu schreiben und dazu noch in einer Angelegenheit, wobei ich selbst so sehr interessirt bin. Gegenwärtig dient mir der Wunsch des Ueberbringers dieser Zeilen, Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen – als Vorwand, mich schriftlich an Sie zu wenden. Hr. Joh. B. Jenger ist ein Freund unseres Hauses und ein inniger Verehrer Ihrer Muse. Er ist durch und durch musikalisch, und obgleich ihm als Staatsbeamten nicht vergönnt ist, die Tonkunst zu seiner Hauptbeschäftigung zu machen, so spielt er doch fast alle Instrumente und insonderheit das Klavier sehr brav. Seine Beförderung nach Wien raubt dem hiesigen Musikverein einen Grundpfeiler, und allen die ihn sonst kennen, einen durch Herzlichkeit und frohe Laune angenehmen Gesellschafter. Besitzt er nebst diesen Vorzügen auch den, ein eben so warmer Sprecher für meine Sache zu sein, als ich es für die Seinige bin, so wird er Sie mündlich jenes hohen Grades von Verehrung zu versichern, der allein es entschuldigen kann, daß ich Ansprüche geltend zu machen versuche, wozu außer Ihrem gegebenen Worte, mich nichts berechtigt. Lassen Sie dies nicht unerfüllt und kommen Sie! Der Herbst ist bei uns stets die angenehmste Jahreszeit und der Monat Sept. der schönste im ganzen Jahre. Zudem wohnen wir aber heuer auf einem recht niedlichen Landgute, in einer der herrlichsten Umgebungen unserer Stadt. Ich habe da mehr als 10 Zimmer zu meiner Disposition und also Raum genug, Sie und Ihren Neffen bequem aufzunehmen. Mit dem Eilwagen sind Sie in 24 Stunden hier. Gewiß ein solcher Ausflug wird Ihrer Gesundheit sehr zuträglich sein und zugleich Ihrem Geiste ohne ihn müßig zu lassen, eine wohlthätige Ruhe gewähren. Ich könnte vielleicht noch manches zu Gunsten meines Wunsches anführen, allein ich will nicht alles meinen guten [432] Gründen, sondern auch einiges Ihrer freien Meinung zu danken baden, und füge daher nur schriftlich noch die Bitte hinzu, mir den Tag Ihrer Ankunft hier vorläufig anzuzeigen, damit wir Ihnen entgegen fahren und Sie unverzüglich auf unsern Landsitz geleiten können. Sollten Sie es vorziehen in der Stadt zu wohnen, was ich jedoch bei Ihrer Vorliebe fürs Landleben nicht glaube, so steht Ihnen der ganze zweite Stock in unserem eigenen Hause dort, der nun wähend unsers Sommeraufenthaltes ohnehin unbewohnt ist, zu Gebothe.

Mein Mann und mein Schwager empfehlen sich Ihnen und hoffen mit mir, daß Sie keine abschlägige Antwort geben werden.


Ihre in Verehrung ergebene

Marie L. Pachler-Koschak.

Hallerschloß bei Graz

15. August 1825.

Meine Adresse ist:

Marie L. Pachler

Koschak

Graz

Herrengasse Eigenen

Hause.«


Dieser liebenswürdige, schöne Brief war Jenger durch Privatgelegenheit nachgeschickt worden, ging verloren und fand sich später wieder. So schrieb sie denn später, als sich Beethovens Verhältnisse so ganz verändert hatten, einen zweiten Brief.


»Herr van Beethoven!


Durch ein höchst sonderbares Zusammentreffen von Umständen, welches der Ueberbringer dieser Zeilen Ihnen näher erklären kann, erhalten Sie meinen Brief, der schon vor mehr als einem Jahre in Ihren Händen sein sollte, erst jetzt. Ich nehme ihn nicht zurück, weil der eine Theil seines Inhalts, nähmlich die Ausdrücke meiner Verehrung für Sie, sowie das was zu Empfehlung des Genannten gesagt ist, immer gilt. Was die Einladung angeht, auf deren Annahme ich so freudig rechnete, so übertrage ich sie bloß für das nächste mahl, wo wir wieder einen so angenehmen bequemen Landsitz zum Sommeraufenthalt bekommen, was mir wahrscheinlich auch künftiges Jahr gelingen wird. Wollten Sie sich aber entschließen, in jetziger Jahres zeit zu reisen, so wird es uns sehr angenehm sein, Sie dort in unserem Hause aufzunehmen. Wir haben eine geräumige Wohnung von 12 Zimmern und unsere Familie ist klein. Ueberdenken Sie meinen Vorschlag Hr. v. Beethoven und fügen Sie zu dem Mißvergnügen, welches das unglückliche Schicksal meines Briefes mir verursachte, nicht noch das einer abschlägigen Antwort.


Marie L. Pachler.

Gratz, 5. November 1826.«


Zu spät! Beethoven war in Gneixendorf. Als er zurückkehrte, war an Ausflüge nicht mehr zu denken. Er erhielt die Briefe durch Jenger; [433] er hat sie aber nicht mehr beantwortet. Die Antwort erfolgte indirekt durch Jenger.

Jenger führt sich im Konversationsbuche so ein:


»Herr Jenger mit dem Bruder.« – »Geht es denn noch nicht besser und was spricht davon der Arzt? – Wenn Sie nur bald das Bett verlassen dürften, es ging schneller. – Bach grüßt Sie herzlich und läßt Ihnen sagen, daß er sich bald über einen Zuwachs seiner Familie freuen wird, der auch für die Musik bestimmt ist. – Er ist wie ein Herkules zurückgekommen.« –


Was ihm Beethoven antwortete, erfahren wir aus einem Briefe, den Jenger am 29. Dezember an Frau Pachler schrieb. Aus diesem Briefe waren die auf Beethoven bezüglichen Stellen schon von Thayer ausgezogen und sind seither von Dr. Pachler a.a.O. (S. 24) mitgeteilt. Jenger schreibt:30


(Wien Dec. 29. 1826).


»Nun entrichte ich der lieben guten Ludlams-Herbergs Mutter31 den innigsten, verbindlichsten Dank für das durch Freund Rettig erhaltene Schreiben vom 5ten November d.J., welches mir die lange gewünschte Gelegenheit verschaffte, den großen Ton-Heros van Beethoven kennen zu lernen, leider aber in einem Zustande, der mich tief erschütterte. Durch viele Verdrießlichkeiten und Kränkungen, die sein liederlicher Neffe Karl dem großen Meister verursachte – Zu einem Ausfluge nach Oberoesterreich zu Beethovens Bruder bestimmt, trat er seine Reise mit seinem Neffen an, und blieb über 6 Wochen von hier weg. Üble Behandlung auf dem Lande im Hause des Bruders, wo er für schlechte Kost und schlechtes Quartier täglich 4 fl. C. M.32 dem Bruder – welcher ihn zu sich aufs Land geladen – bezahlen mußte, dann die schon lange angehaltene schlechte Witterung warfen ihn aufs Krankenlager, wo ich ihn vor etwa 10 Tagen fand. Er verlangte nach mir, weil er von meinem Freunde Schindler – welcher bei B. viel gilt33 – gehört hatte, daß ich von Gratz Briefe für ihn habe. Ich erschrak beim Eintreten in sein Zimmer, wo alles durcheinander lag, wie in einer alten Rüstkammer. Er selbst lag sehr leidend im Bette, und da er wenigstens schon 3 Wochen sich nicht rasirt hatte, so mögen Sie gnädige Frau sich leicht vorstellen wie er aussah. Er grüßte mich sehr freundlich und ich mußte mich zu ihm ans Krankenbett set zen. Ich schrieb ihm das nöthige auf und übergab ihm Ihre beiden Briefe, die er aufmerksam durchlas und sich höchlich [sichtlich Pachler] darüber freute. Nachdem er mir für die Briefe gedankt und aufgetragen hatte, [434] Ihnen, hochverehrte gnädige Frau, dafür ebenfalls mit dem Beisatze recht herzlich zu danken, daß er, sowie er im Stande sein werde – selbst an Sie schreiben wolle – so sprach er von Ihren besonderen musikalischen Talenten mit vieler Freude und schloß damit, daß es für ihn gescheidter gewesen wäre, er wäre zu Ihnen nach Gratz als zu seinem Bruder nach Ob. Oestr. gegangen. Indessen hofft er aber doch noch Sie in Gratz ein mal zu sehen, was vielleicht im nächsten Jahr geschehen wird und wozu ich ihm noch öfter rathe, und vielleicht die Reise dahin mit ihm machen werde.

Heute vor 8 Tagen34 wurde er nun das erstemal angezapft, weil er an der Brustwassersucht leidet. Er hält sich nicht gehörig und deßhalb soll er bald noch einmal angezapft werden. Wollte Gott er wäre schon wieder gesund! – Nur so viel von B.«


Im weiteren Verlaufe werden wir noch ein paar Briefe Jengers mitzuteilen haben.

Aus den Konversationsbüchern aus dieser Zeit teilen wir, ehe wir weitergehen, noch folgendes mit. Schuppanzigh besucht ihn, freut sich, daß es ihm »heute« gut geht (es war noch vor der Operation) und sagt u.a.


»Ist sein Bruder hier? – Es war ein unglückseliger Gedanke, es war voraus zu sehen, wie es dort zugehen wird.«


Diese Worte scheinen sich auf Gneixendorf zu beziehen, und geben vielleicht die Anschauung Schindlers wieder, vielleicht die des kranken Beethoven selbst, die wir nun richtiger zu beurteilen in der Lage sind. In derselben Unterhaltung notiert Beethoven, nachdem ihm Schuppanzigh von der Aufführung des B-Dur-Quartetts erzählt, das uns bekannte Motiv:


»Muß es sein? es muß sein«


worauf Schuppanzigh weiter sagt:


»Aber weiß er, daß mich der schmutzige Kerl darum anfeindet?«


Aus der früheren Erzählung über die Entstehung dieses Motivs darf man entnehmen, daß hier Dembscher gemeint war. Da ist nun bemerkenswert eine folgende Unterhaltung mit Schindler, in der es sich um den vom Könige von Preußen geschenkten Ring handelt, den Beethoven von dem Hofrat Wernhard erhalten sollte. Da steht wieder (wie es scheint, von Schindlers Hand) das


»Es muß sein,«


und unter die Noten schreibt Schindler die Worte:


[435] »Die alte braucht wieder ihr Wochengeld.«


Das entspräche der ersten Version über die Entstehung des Themas, welche Schindler neben der anderen (II S. 157) brachte. Hierzu macht nun Thayer unseres Erachtens mit Recht darauf aufmerksam, daß diese Worte im Konversationshefte viel später beigeschrieben sein müssen, weil sie zu dem Zusammenhange nicht stimmen. Das »es muß sein« kann da, wo es steht, nur auf die Worte von dem Erhalten des Ringes bezogen werden, und »die Alte« (Frau Schnaps) war zu der Zeit, da die Worte geschrieben wurden, gar nicht in Beethovens Dienst.

Weiter ermutigt ihn Schindler, der Einladung nach Graz zu folgen. Was wir sonst hier von der Angelegenheit des Ringes lesen, können wir übergehen. –

In den folgenden Unterhaltungen (nach der Operation) ist von einer Pension die Rede, die Karl erheben will; das wird die von Lobkowitz gewesen sein, dessen Name auch einmal genannt wird. Die Geldfrage spielte in dieser schlimmen Zeit natürlich ihre Rolle. Schuppanzigh richtet ihm eine Antwort von Holz aus und sagt, ersichtlich mit Bezug auf diesen:


»Die Heirathsangelegenheiten packen ihn nun ein bischen viel an.«35


Holz schreibt damals einmal auf:


»Was macht der Bruder? Mylord hat ihm neulich gesagt, daß Sie sich wegen schlechter Kost Ihre Krankheit dort geholt haben.«


Diesen sicherlich ganz grundlosen Vorwurf wird Johann wohl leicht abgeschüttelt haben.

Statt des erkrankten Breuning besuchte ihn der Sohn Gerhard öfter und leistete ihm in seiner freien Zeit Gesellschaft, wie er uns selbst in rührender Weise im »Schwarzspanierhaus« erzählt; das Breuningsche Haus nahm, wie die Konversationshefte ergeben, an Beethovens Verpflegung teil und versorgte ihn z.B. mit Suppe. Johann bringt Grüße von Breuning, bleibt also mit bei den Familienbeziehungen. Interessant ist, daß Johann sich mitunter in die Behandlung, wie Wahl der Nahrung, einmischt; es scheint, daß er glaubte, als Apotheker davon etwas zu verstehen. Dem Kranken wird eine leichte Lektüre, z.B. Walter Scott, empfohlen; er begann auch wirklich darin zu lesen, doch hatte dies [436] keine lange Dauer.36 Daß die alte Frau Schnaps wieder zu ihm kam, war auch eine Erleichterung für ihn; Schindler spricht seine Freude darüber aus. Die Heilung der Wunde macht noch Schmerzen. Beethoven scheint zeitweise unruhig und unzufrieden zu sein. Es wird ihm begütigend zugeredet. Stellenweise lesen wir Bemerkungen über Musik von Holz; da steht u.a.:


»Kiesewetter bittet Sie, ihm den Klavierauszug von Saul zurückzusenden. Da Sie jetzt ohnehin die Partitur haben, so würden Sie den Auszug leicht entbehren.«


Saul beschäftigt also noch seine Gedanken, auch sehen wir, daß die Händelausgabe schon in seinen Händen ist. Auch über die Widmung des Cis-Moll-Quartetts schreibt Holz:


»Ich meine es wäre gar nichts zu setzen als: Seinem Freunde Wolfmayer von Beethoven. – Das wird ihm lieber sein als alle Titel.«


Über diese Frage war also damals noch keine Entscheidung getroffen.

Neue Ansammlung des Wassers führt zu Gesprächen über eine zweite Operation, die aber als letzte Zuflucht aufgeschoben bleibt. Aus seiner Umgebung (Schindler) wird die Notwendigkeit eines neuen ärztlichen Konsiliums betont.

Unter so trüben Verhältnissen sah er dieses Mal das neue Jahr herankommen. Zum neuen Jahre erhält er die Glückwünsche der Breuningschen Familie, ver bunden mit dem Wunsche für Wiedererlangung der Gesundheit; auch der Neffe gratuliert, und so noch andere.


Das Jahr 1827.

Das Jahr war angebrochen, ohne die gewünschte Erfüllung seiner Hoffnungen zu bringen. In den Konversationsheften, verbunden mit Breunings Schilderung (Aus dem Schwarzspanierhaus), blicken wir in die lange Leidenszeit Beethovens, in welcher er, ohne viel zu klagen, seine quälende Krankheit ertrug, nicht ohne die Hoffnung auf Besserung. Wir weisen hier vor allem hin auf die teilnahmsvolle rührende Schilderung Gerhards von Breuning (Schwarzsp. S. 86 ff.), der, ein Knabe, seine freie Zeit von 12–2 und von 4–5 bei dem kranken Freunde [437] zubrachte und entweder das Konversationsbuch oder die Schiefertafel zur Unterhaltung mit ihm benutzte.


»Der kranke Beethoven lag,« erzählt Breuning »wie in seinen gesunden Tagen, in dem zweifenstrigen Zimmer (in jenem, bevor man in sein Arbeitszimmer gelangte). Das Bett stand an der der Eingangsthüre gegenüber befindlichen, das große Zimmer von dem Compositionscabinete trennenden Wand, mit dem Kopfende an die hintere Mauer angerückt, so daß Beethoven mit dem Gesichte nach den zwei Fenstern, mit der linken Seite aber der Mitte des Zimmers zugewandt, die ganze Stube übersah.«


Auch die nächste Ausstattung beschreibt er noch; das würde uns hier zu weit führen. Nach der weiteren Erzählung Breunings war Beethovens Abneigung gegen seinen Arzt Dr. Wawruch eine tiefe, er gab ihr öfters drastischen Ausdruck; seine Behandlung, lesen wir, habe eine dauernde Erleichterung nicht gebracht und den Hauptsitz des Leidens nicht getroffen. Auch wirst er ihm vor, daß die Häufigkeit seiner Besuche eigensüchtigen Beweggründen entsprungen sei. Wir können hier Frimmel nicht widersprechen, der (S. 75) diese Vorwürfe für übertrieben hält. Wir begeben uns nicht auf medizinisches Gebiet; aber zweierlei dürfen wir nicht vergessen: Breuning war zu der Zeit ein 13–14jähriger Knabe, und konnte, was sich auf Beethovens Krankheit und Behandlung bezog, nur von andern erfahren haben, so daß neben seinem auch noch so achtungswerten Zeugnisse doch Wawruchs Rückblick seine Beweiskraft behält, und ferner, die Ärzte befanden sich einem unheilbaren Leiden gegenüber und auf den Hauptsitz des Leidens, den Wawruch wohl erkannte, vermochten sie nicht nachhaltig zu wirken; es konnte ihnen nur darauf ankommen, zeitweilige Erleichterung zu schaffen, und das gelang, wie sich ergab, Malfatti besser als Wawruch. Übrigens genoß Wawruch, wie die Konversationshefte er geben, das Vertrauen von Beethovens Umgebung, z.B. Schindlers; nur der Neffe schreibt später, er habe auch Mißtrauen gehegt, aber es wird nicht angegeben, was er in Beethovens Behandlung positiv Unrichtiges getan, wenn auch, was er tat, wirkungslos blieb.37 Aber Beethovens Stimmung war natürlich von solcher momentanen Erleichterung abhängig, und die Abneigung gegen den Arzt, den er früher nicht gekannt hatte, ist uns erklärlich; das darf aber unser Urteil nicht bestimmen.

[438] Das wichtigste Ereignis aus dem Anfange des neuen Jahres haben wir schon erwähnt (S. 429), die Abreise des Neffen nach Iglau, welche am 2. Januar erfolgte, und zwar allem Anscheine nach in freundlicher Form; Beethoven war nach Schindlers Zeugnis nachher besonders heiter. War es doch eine wirkliche Erleichterung für ihn.

Da ist es nun ergreifend, daß Beethoven gleich nach der Trennung von Karl an die Zuwendung seines Nachlasses an denselben denkt. Wir sehen dies aus folgendem Briefe an seinen alten, bewährten Rechtsfreund Dr. Bach, an den er, nach dem Konversationsbuche, schon in den vorherigen Tagen hatte schreiben wollen:38


»Wien, Mittwochs 3ten Jenner

1827.


Hrn. Dr. Bach.


Verehrter Freund!


Ich erkläre vor meinem Tode Karl van Beethoven meinen geliebten Neffen als meinen einzigen Universalerben von allem meinem Hab und Gut, worunter Hauptsächlich 7 Bankactien und was sich an Baarem vorfinden wird.

Sollten die Gesetze hier Modifikationen vorschreiben, so suchen sie selbe so sehr als möglich zu seinem Vortheile zu verwenden. – Sie ernenne ich zu seinem Kurator und bitte sie mit Hofrath Breuning seinem Vormund Vaterstelle bei ihm zu vertreten – Gott erhalte Sie – tausend Dank für ihre mir bewiesene Liebe und Freundschaft. –


(L. S.) Ludwig van Beethoven m. p


Von Außen:


»An Seine Wohlgebohrn Hr: von Bach Doctor der Rechte wohnhaft in der Wollzeil.«


Nach dem Schlusse des Briefes steht, außer dem Aktenzeichen, folgendes:


B.


»Dieses vom Hr. Dr. Bach heute offen zu Gericht gebrachte, in dessen Gegenwart kundgemachte Testament des Herrn Ludwig Beethoven aufzubehal ten, Abschriften zu ertheilen. –


Vom Wiener Magistrate

den 27. März 1827.

Schütz m. p


Das Testament wurde also gleich nach Beethovens Tode vorgelegt, und gleich darauf die letztwillige Anordnung, von der noch zu sprechen [439] sein wird. Den Brief an Bach ließ Beethoven seinen Freund Breuning vorher lesen, der ihm darüber folgendes schreibt:39


»Liebster Freund!


Ich bin noch zu schwach, Dir viel zu schreiben, aber folgende wenige Worte glaube ich aus redlichem Herzen Dir sagen zu sollen. Da Du mir durch Gerhard sagen ließest, daß ich den Brief an Hr. Dr. Bach lesen solle, so habe ich es gethan und schicke ihn Dir vorläufig mit folgender Bemerkung zurück. Daß Du Carln für den hoffentlich noch weit entfernten Fall wo wir alle das Zeitliche verlassen müssen zum Erben ernennst, ist dem was Du schon für ihn gethan hast, es40 Deiner Gesinnung angemessen. Allein da Karl sehr leichtsinnig bis jetzt sich gezeigt hat und man nicht weiß, wie sich sein Charakter in seinem jetzigen Leben gestalten wird, so wäre ich der Meinung, daß Du zu seinem eigenen Besten und zu Sicherheit seiner Zukunft ihm die Befugniß über das Kapital zu disponiren, entweder auf die ganze Lebenszeit oder wenigstens noch mehrere Jahre, nach erlangter Großjährig keit von 24 Jahren beschränktest. Mit dem jährlichen Einkommen würde er vor der Hand jedenfalls genug haben und die Beschränkung würde ihn gegen die Folgen leichtsinniger Handlungen, ehe er zum soliden Manne reist, schützen. Rede darüber mit Hr. Dr. Bach, den Du, wie ich es für das beste halte, zu Dir kommen lassen solltest. Er wird alles am einfachsten berichtigen; lieb würde es mir sein, mit Dir oder mit Hr. Dr. Bach über meine Bemerkung sprechen zu können, denn ich fürchte, daß eine bloß zeitliche Beschränkung kein Mittel ist Carl vom Schuldenmachen abzuhalten, die er nachher mit dem ganzen Erbe bezahlen muß.

Ich umarme Dich mit treue.«41


Übrigens schrieb der Neffe schon nicht lange Zeit nach seiner Abreise an Beethoven42 (Antwort auf einen Brief Beethovens):


»Iglau am 13. Jänner 1827.


Mein theurer Vater,


Deinen durch Schindler geschriebenen Brief habe ich erhalten, nur bitte ich Dich in Zukunft das Datum beisetzen zu lassen, damit ich den Gang der Post ersehe, Deinen Gesundheitszustand betreffend, freut es mich, Dich in guten Händen zu wissen, auch bei mir hatte das Verfahren Deines früheren Arztes (oder noch jetzigen?) einiges Mißtrauen erregt, hoffentlich wird es nun recht gut gehen.

[440] Ich habe vor einigen Tagen an den Hofrath geschrie ben, und dasjenige angezeigt, was ich noch zu haben wünschte. Ich würde Dir selbst deshalb geschrieben haben, wenn ich Dir nicht hätte alle Mühe ersparen wollen. H. von Breuning wird alles auf die beste Art besorgen.

Du wünschest genaue Nachrichten über meine Verhältnisse. Der Hauptmann unter dem ich stehe, ist ein sehr gebildeter Mann, mit dem ich recht wohl auszukommen hoffe. Ich weiß nicht, ob ich schon geschrieben habe, daß ich ein hübsches Zimmer mit dem Feldwebel der Compagnie, einem recht artigen jungen Mann bewohne. – Mit der Offizierstafel ist es hier nichts. Jeder geht essen, wohin es ihm beliebt. Ich selbst habe aus ökonomischen Rücksichten, meinen Speiseort schon ein paar Mahl geändert, jetzt soll aber eine gemeinschaftliche Tafel für Cadeten errichtet werden, – wenn es dazu kommt. Abends aber muß jeder sich außer der Kaserne um etwas umsehen. Ich habe einen Purschen zur Bedienung, der monatlich 1 fl. C. Münze bekommt, nebst den Auslagen für Bleiweiß und Kreide zum Putzen der Uniformen. Die Wäsche kommt auch auf ein paar Gulden, wenn man sie sauber haben will. Ein Theater ist hier ebenfalls, welches ich auch mit Erlaubniß des Hauptmanns besuche. – Dies sind so die Hauptumstände, wovon ich Dir jetzt Nachricht geben kann. – Von dem was ich noch brauche und bereits in dem Brief an den Hofrath angezeigt habe, kann natürlich der Hauptmann nichts besorgen, bevor er nicht die Genehmigung in den Händen hat, ich bitte Dich daher, hierüber mit Hr. v. Breuning zu sprechen. Willst Du mir der Ausgaben wegen, welche ich nicht vermeiden konnte, und ebenfalls angezeigt habe, noch einen Zuschuß schicken, so würde es mir lieb sein. Ich habe auch darauf gerechnet, daß ich meine Gage, von dem Tage meiner Assentierung (12. Dezemb. 1826) erhalten würde, welches aber nicht geschah, da die Assentliste in Wien liegt. Ich muß daher jetzt noch sparsam leben. – Und nun noch eine Bitte. Ein Oberlieutenant vom Regiment, der die Musik und insbesondere Deine Werke liebt, will nächster Tage dasConcert pour le piano-forte dedié a Mr. Charles Nickel, Œvre 19. Vienne chez Hoffmeister Comp. bei sich produziren lassen. Durch einen Zufall ist aber die Flötenstimme verloren gegangen, er hat sich daher an mich gewendet. Ich bitte Dich daher die Flötenstimme besorgen zu lassen, und sie mir aber recht bald zu schicken. – Meine Adresse ist von wenig belang. Ich erhalte die Briefe durch den Regimentsadjutanten. – Schreibe mir recht bald wieder. Ich umarme Dich herzlich. Meine Empfehlungen an Hr. Hofrath.


Dein Dich liebender Sohn

Carl.

P. S.


Glaube ja nicht, daß die kleinen Entbehrungen, denen ich jetzt unterworfen bin, mir meinen Stand zuwider machen, sei vielmehr überzeugt, daß ich wohl zufrieden lebe und nur bedauere, so weit von Dir entfernt zu sein. Mit der Zeit wird aber auch das anders werden.


Für ein Petschaft mit meinen Nahmen

habe ich wie Du siehst selbst gesorgt.«


Beethoven hatte also ausführliche Nachricht von seinem Neffen und durfte im allgemeinen zufrieden sein; Karl hatte offenbar kein Bewußtsein [441] davon, wie schlimm es um den Onkel stand. Aus der nächsten Zeit vermißt man Nachrichten, man deutete dieses dahin, daß der Neffe vielleicht durch die Faschingsfreuden in Iglau in Anspruch genommen sei. Beethoven hatte ihn um eine Gefälligkeit gebeten, wie es scheint Übersetzung eines Briefes an Smart, auch damit ließ er warten; wir lesen namentlich von Schindler bittere Vorwürfe gegen ihn. Doch hatte er gegen Ende Februar den Empfang von Geld angezeigt, und am 4. März haben wir wieder einen Brief von ihm.43


»Iglau am 4. März 1827.


Mein theurer Vater.


So eben erhalte ich die mir überreichten Stiefel und danke Dir recht sehr dafür.

Die Uebersetzung des Briefes an Smart wirst Du erhalten haben; ich zweifle nicht daß es den günstigen Erfolg haben wird.

Eben heut kehrte auch ein Kadet zum Bataillon zurück der einige Zeit in Wien auf Urlaub war, er berichtet, gehört zu haben, daß Du durch ein gefrornes gerettet worden bist und Dich recht gut befindest. Ich wünsche nur, daß das letztere wahr sei, welches auch immer das Mittel gewesen sei.

Von mir ist wenig neues zu sagen, der Dienst geht seinen gewöhnlichen Gang fort, nur mit dem Unterschied, daß das Wetter weit milder, also auch die Wachen leichter zu bestreiten.

Schreibe mir recht bald, wie es mit der Gesundheit geht; auch an den H. Hofrath bitte ich meine herzliche Empfehlung zu machen. Ich küsse Dich,


Dein Dich liebender Sohn Charl.


P. S.


Deine Briefe bitte ich Dich zu frankiren,44 weil ich hier viel Porto zahlen muß, und aber mit meiner Rechnung schwer auslange.«


Der Neffe war also auch jetzt nicht genau unterrichtet, hatte nur ältere und zufällige Nachrichten.

Wir kehren im Zusammenhange zu der Krankheit Beethovens zurück. Die zweite Operation nahte heran; darüber und über die näheren Umstände unterrichtet uns das Konversationsbuch, aus dem wir hier natürlich nicht alles einzelne mitteilen können. Da treffen wir den Bruder Johann, der verschiedenes anrät und äußert, unter fortgesetzter Berufung auf den Arzt. Am Schlusse seiner Worte steht u.a.:


»Morgen ist Samstag. 3 König Tag.«45


[442] wodurch uns zugleich die Zeit dieser Unterhaltung an gegeben wird. Dann hören wir Schindler, der u.a. fragt:

»Haben Sie denn stets Appetit?« – und zufügt: »und da hat Hr. Seibert wirklich Recht, wenn er die 2te Operation noch aufschiebt, denn wohl wahrscheinlich wird es eher sein, daß er dadurch eine 3te unnöthill macht,«


auch aus der musikalischen Welt allerlei zu erzählen hat und von einem Gespräch mit dem Bruder berichtet, den er nach seinen Absichten mit dem Vermögen ausgefragt hat (Johann scheint sich abwehrend verhalten zu haben). Nach weiteren wegwerfenden Worten über den Bruder sagt Schindler am Schlusse:


»Sie wären ein glücklicher Mensch, wenn Sie vergessen könnten, dall Sie Verwandte haben, und wessen Geistes sie sind.«


Weiter erzählt er:


»Gestern erhielt H. Jenger einen Brief von der Frau Pachler,46 worin sie äußerst beklagt, daß sie nicht im Stande sei Ihnen in diesem kranken Zustande hülfreiche Hand zu leisten, allein vielleicht kommt sie bald nach Wien.«


Auf eine Äußerung des Mißtrauens von Beethoven, wie es scheint, antwortet Schindler:


»Doch ist es besser und gerathener, Sie verlieren noch nicht das Zutrauen zu dem Arzte, denn er hat denn doch schon viel gethan. – Das ist ein ganz bekannter Fall, daß Wassersucht langsam zu heilen ist. – Soll ich kommen, wenn der Arzt hier ist? – Mir ist es lieber!« – usw.47


Schindler stimmt hier in das Mißtrauen gegen Wawruch nicht ein. In einer folgenden Unterhaltung spricht auch er gegen Johanns Versuche, sich einzumischen, der den Arzt zu Mitteln bestimmen wolle (Digitalis), die dieser verwerfen müsse.

Einige Tage nachher, am 8. Januar (nach Schindler) wurde durch Seibert die zweite Operation ausgeführt; Schindler war anwesend. Sie ging leichter vonstatten als die erste; das Wasser, sagte Seibert, war [443] klarer und in größerer Quantität vorhanden als das erste Mal; bei 10 Maaß seien abgeflossen.

Am 11. Januar fand auch das gewünschte neue Konsilium der Ärzte statt, zu welchem, nach einer Bemerkung Johanns, vielleicht Braunhofer oder wieder Staudenheiner, den neben jenem Schindler anrät, sowie Malfatti gerufen wurden. Das Datum erfahren wir aus einem Briefe Jengers an Frau Pachler, den wir hier einrücken:48


(Wien 12. Januar 1827.)


»Hochverehrte gnädige Frau


Gestern ist über Beethoven Consilium gehalten worden, welches ich abwarten wollte, um Ihnen auf Ihr liebes Schreiben vom 1ten d. Mts. so viel als möglich genaue Auskunft über die Krankheit des großen Meisters geben zu können.

Der Professor Wawruch – welcher als Arzt ziemlich gescheidt sein soll – hat B. bisher behandelt. BeimConsilium hat aber der sehr renomirte Dr, Malfatti erklärt daß B. – welcher in früheren Zeiten vonMalf, behandelt worden war und letzterer B.s Naturell sehr gut zu kennen vorgegeben hat – in seiner dermaligen Krankheit bisher ganz falsch behandelt wurde. Er verordnete dem B. hierauf nichts als Obst-Gefrorenes und Einreibung des Bauches mit eiskaltem Wasser, mit welcher Kur Malfatti erst kürzlich einen ähnlichen Patienten völlig hergestellt haben soll.

Ob aber B. diese Cur auch aushaltet? ist eine Frage die die Zeit beantworten wird. Auf die zweite Anzapfung, vor ungefähr 5–6 Tagen, befindet sich B. zwar etwas besser; doch ist für seine gänzliche Herstellung nur wenig – aber doch immer noch Hoffnung vorhanden.

Ich würde Ihrem Wunsche gemäß B. öfter besuchen und sollten darunter wirklich auch andere Bekanntschaften leiden – doch B. läßt Niemand selbst nicht seine vertrautesten Freunde vor sich und so bleibt es blos bei meinem guten Willen für die Sache. Wenn sich etwas besonderes ergiebt, so werde ich Ihnen beste gnädige Frau gleich Nachricht davon geben, weil Sie an B. Schicksal so herzlichen innigen Anteil neh men, was mich und alle Freunde B.s ungemein freut.

Jedenfalls ist jetzt Beeth. in den besten ärztlichen Händen und auch sonst mangelt es ihm an Nichts. Wenn also Rettung noch möglich ist so wird er auch gerettet werden. Schubert läßt Ihnen gnädige Frau unbekannterweise die Hände küssen und auch er freut sich sehr die Bekanntschaft einer so warmen Anhängerin an Beethovens Schöpfungen zu machen.

Gott gebe,49 daß unser allseitiger Wunsch, dieses Jahr nach Gratz kommen zu können, in Erfüllung gehe.«


Das Wichtigste in der Erzählung von diesem Konsilium ist die Erwähnung des dabei anwesenden Dr. Malfatti, der ehemals mit Beethoven [444] befreundet gewesen war und ihn behandelt hatte, aber mit ihm in unfreundlicher Weise auseinander gekommen war, da sich Beethoven von ihm falsch behandelt glaubte. Darüber berichtet uns Schindler (II S. 135) und erzählt, wie schwer es ihm geworden sei, Malfatti zu einem Besuche bei Beethoven zu bewegen, und wie dann eine Aussöhnung zwischen ihm und Beethoven stattgefunden habe.50 Über die Zeit jenes Zerwürfnisses sind wir nicht unterrichtet; »vor zwölf Jahren«, sagt Schindler; über 1817 dürfen aber wir nicht hinabgehen.51

Daß ihn Dr. Malfatti jetzt regelmäßig besuchte, berichtet Schindler, und das läßt sich mit Wawruchs Darstellung wohl vereinigen; festzuhalten ist nur, daß Wawruch immer der dirigierende Arzt blieb, und daß Malfatti keinen Zwiespalt mit Wawruch haben wollte, der auch tatsächlich nicht eintrat. Daß Malfatti ein neues Heilverfahren vorschlug – Punscheis –, erzählt neben Schindler auch Wawruch selbst in seinem Rückblick; wir setzen die Stelle hierher; nachdem Wawruch von der Abnahme der Eßlust und dem Schwinden der Kräfte infolge des Säfteverlustes gesprochen, fährt er fort:


»Daher kam Dr. Malfatti, der von nun an mich mit seinem Rathe unterstützte und als langjähriger Freund Beethoven's vorherrschende Neigung für geistige Getränke zu würdigen verstand, auf den Einfall, Punschgefrorenes anzurathen. Ich muß eingestehen, daß diese Verordnung wenigstens ein paar Tage trefflich wirkte, Beethoven fühlte sich durch das weingeisthaltige Gefrorene so mächtig erquickt, daß er gleich die erste Nacht ruhig durchschlief und mächtig zu schwitzen anfing. Er wurde munter und voll witziger Einfälle und träumte sogar, sein begonnenes Oratorium ›Saul und David‹ endigen zu können.52

Doch dauerte, was vorauszusehen war, seine Freude nicht lange. Er fing an die Verordnung zu mißbrauchen und sprach dem Punsche wacker zu. Das geistige Getränk verursachte bald einen heftigen Andrang des Blutes nach dem Kopfe, er wurde soporös und röchelte gleich einem im tiefen [445] Rausche sich Befindenden, fing an irre zu reden und einige mal gesellte sich ein entzündlicher Halsschmerz mit einer Heiserkeit, ja sogar mit Stimmlosigkeit dazu. Er wurde stürmischer, und als nun von der Verkühlung der Gedärme Kolik und Durchfall entstand, war es hoch an der Zeit ihm diese köstliche Labung zu entziehen.«


Auch Gerhard von Breuning bezeugt (S. 92), daß die Erfrischung »gar zu bald« vorüberging.

Die Bemerkung über Beethovens Neigung zu geistigen Getränken wird Wawruch von Schindler besonders übel genommen und bildet für ihn die Grundlage zu dem Vorwurfe der Verleumdung und Ehrenkränkung; er habe u.a. glauben machen wollen, Beethoven habe durch übermäßigen Genuß von Spirituosen sich seine Krankheit zugezogen. Wir geben zu, daß Wawruchs Äußerung unvorsichtig war, weil daraus unzutreffende Schlüsse gezogen werden konnten; er kannte Beethoven nicht genug, um ein solches Wort allgemein hinzustellen. Aber er beruft sich auf Malfatti und wir können nicht wissen, ob nicht vielleicht Worte Malfattis zu Grunde liegen. Jedenfalls – zum Trinker hat er Beethoven nicht gemacht.

Über die Zeit des ersten Besuchs Malfattis seien noch einige Worte gestattet, da hier, so unwichtig die Sache an sich scheinen mag, ein kleiner Widerspruch beseitigt werden muß. Aus dem Briefe Jengers (s. o. S. 444) entnehmen wir, daß Malfatti am 11. Januar (wenige Tage nach der zweiten Operation) bei dem zweiten consilium der Ärzte anwesend war, und daß von da an die neue Behandlung mit dem Punscheis ihren Anfang nahm; darauf wird sich auch das »von nun an« bei Wawruch beziehen. Das war aber nicht was Beethoven wollte, er wollte Malfatti als eigentlichen Arzt an seinem Krankenbette sehen, und so blieb jener Besuch zunächst vereinzelt. Jetzt erst begannen die Versuche Schindlers (von denen dieser II S. 135 erzählt), Malfatti zu bewegen, zu Beethoven zu kommen; dies war nach der zweiten Operation, wie Schindler ausdrücklich sagt, sie konnten sich aber nicht auf das consilium beziehen; dieses nennt Schindler garnicht, erzählt vielmehr, daß Beethoven ihn allein, ohne Wawruch, sehen wollte; auch erstreckten sich diese Bitten Schindlers über einen etwas längeren Zeitraum. Das entnehmen wir aus seinen eigenen Worten. In seiner Entgegnung auf Wawruchs ärztlichen Rückblick53 sagt er:


[446] »Niemals werde ich die harten Worte jenes Mannes vergessen, die er mir für den todkranken Freund und Lehrer aufgetragen, als ich ihm nach der zweiten Operation [8. Januar] die inständigsten Bitten Beethoven's wiederholt überbrachte, sich seiner anzunehmen, sonst müßte er sterben, Dr. Wawruch kenne seine Natur nicht, ruinire ihn mit zu viel Mediciniren, schon habe er bis dahin 75 Flaschen, ohne die verschiedenen Pulver gerechnet, ausleeren müssen, überhaupt habe er kein Vertrauen zu diesem Arzt u.s.w. Auf alle diese Vorstellungen entgegnete mir Malfatti kalt und trocken: ›Sagen Sie Beethoven, daß er als Meister der Har monie wissen werde, daß ich mit meinen Collegen auch in Harmonie leben muß.‹ Beethoven weinte bittere Thränen, als ich ihm diesen Bescheid brachte, was ich, so schwer es mir fiel, thun mußte, damit er dort keine Hülfe mehr suche. – Schindler kann leider noch keine Einzelheiten geben, ›darum beschränke ich mich (berichtet er), hier zu sagen, daß nachdem Dr. Malfatti sich endlich doch des armen Beethoven erbarmte und Wawruchs Medicinflaschen mit einem Mal beseitigt und ein ganz anderes Verfahren vorgeschrieben54 hatte, doch selbst auf mündliches Bitten des Patienten nicht zu bewegen war sein Ordinarius zu bleiben und ihn öfters zu besuchen; im Gegentheil, er kam nur selten und ließ es sich gefallen durch mich dann und wann von dem Befinden des Kranken benachrichtigt zu werden; nicht einmal wollte er einen seiner Assistenten zu Beethoven schicken – folglich blieb Dr. Wawruch trotz Beethovens Widerwillen der tägliche Besucher.‹« – –55


Als Ergänzung dieser Mitteilung diene ein Brief Schindlers an Beethoven.


»19. Januar 1827.56


Mein großer Meister!


Weil ich heute schon um halb 9 Uhr Probe habe, von der ich nicht wegbleiben kann, so muß ich Ihnen hiermit schriftlich das Resultat meines 2ten Besuches bei Malfatti melden.

Er kommt also heute schon um halb 10 Uhr zu Ihnen. Wohl wissend, daß der Professor bis 10 Collegium hat, sagte ich ihm doch, daß wir ihn bis halb 10 Uhr zu kommen einladen werden. – Um uns beyde in keine Sauce zu setzen, so dürfen Sie sich bei Mals. bloß entschuldigen daß Ihnen erst heute der Prof. habe melden lassen, er könne wegen dem Collegium erst um 10 Uhr kommen. Mals. hat erst um 10 Uhr consilium in der Stadt: Sie haben daher Gelegenheit, mit ihm nach Wunsch allein zu sprechen. –

Was ich aber bitte, bei dieser Gelegenheit nicht außer Acht zu lassen, ist, sich mit ihm über das Vergangene gänzlich auszusöhnen, denn es stößt [447] ihm noch immer auf, obwohl in sehr gelinden Worten; aber er ließ mir doch heute wieder merken, als könne er diese verursachte Kränkung, wie er es nannte, nicht verschmerzen. – Einige Worte Aufklärung von Ihnen werden alles beseitigen, und in das alte freundschaftliche Gleise bringen.

Gegen 2 Uhr werde ich wieder die Ehre haben, bei Ihnen zu sein. Indessen, summa cum reverentia


Ihr dienstfertigster

Ant. Schindler.«


Schindler gibt, außer der Verweisung auf seine Biographie, noch folgende Anmerkung:


»NB. Beethoven war mit Dr. Malfatti einstens sehr befreundet. 1817 behandelte er ihn ärztlich. Da die Krankheit aber nicht so schnell wich, als Beeth. es wollte, so beschuldigte er Dr. Malfatti der schlech ten Behandlung u. noch weit mehr. Ein anderer Arzt, ein Gegner von Malfatti, verleitete Beethoven zu diesem Benehmen. Mals. verließ ihn zur Stelle u.s.w.«


Es fand, wie Schindler erzählt, noch ein dritter Versuch statt. Genug, Malfatti kam nun, nachdem die Aussöhnung mit Beethoven stattgefunden, etwa seit der zweiten Hälfte des Monats Januar in der von Beethoven gewünschten Weise zu ihm ans Krankenbett und behandelte ihn neben Wawruch, mit dem er sich auch über die Krankheit aussprach; sie waren, wie man aus den Angaben anderer im Konversationsbuch entnehmen möchte, nicht immer einer Meinung; doch von einer Beseitigung Wawruchs aus der Tätigkeit des leitenden Arztes ist keine Rede, wenn ihn auch Beethoven weniger gern kommen sah, während ihn Malfattis Erscheinen immer freudig erregte. Das schildert G. von Breuning anschaulich. Ende Februar war Malfatti selbst krank und konnte nicht kommen; in solchem Falle schickte er seinen Assistenten Röhrich. Im allgemeinen mag man sagen: Wawruch behandelte ihn, wenn auch mit Sachkunde, doch mehr geschäftsmäßig, seiner Pflicht entsprechend, während bei Malfattti das Herz mehr mitsprach; wenigstens empfand Beethoven es so. Freilich Heilung konnte auch Malfatti ihm nicht bringen; er wollte ihm aber die Hoffnung nicht zu früh rauben. Wir sind überzeugt, daß er als Arzt recht wohl wußte, daß hier ärztliche Kunst nichts vermöge, daß es vielmehr nur darauf ankommen könne, ihm zeitweilige Erleichterung zu schaffen. Dies und nur dies war sicherlich die Absicht bei der Verordnung des Punschgefrorenen, welches in der Tat, wie es auch Wawruch eingesteht, eine Belebung des Organismus brachte, in höherem Grade, als es Wawruch gelungen war. Malfatti gestattete es in nicht zu großen Quantitäten, beschränkte es später und wünschte, daß es nicht in [448] flüssigem Zustande genommen werde. Nur in der letzten Zeit schrieb er kein Maß mehr vor. Wir lassen hier noch die folgende Stelle aus Schindlers Artikel gegen Wawruch folgen, obgleich wir hierdurch eigentlich schon vorgreifen:


»Die erlaubte Portion von dem Punscheis überstieg in den ersten Wochen nicht ein Glas per Tag; erst nach der vierten Operation [27. Februar], wo man den Kranken rettungslos verloren sah, wurde ihm in dessen Genuß kein Maß mehr vorgeschrieben, indeß der Edle durch die auffallenden Wirkungen des verdoppelten öfters auch verdreifachten Maßes sich schon für halb gerettet hielt, daher an der zehnten Symphonie zu arbeiten verlangte, was wir ihm aber nur wenig gestatteten. Aus jenen, für seine ihn umgebenden Freunde äußerst merkwürdigen Tagen datiren die letzten an mich geschriebenen Zeilen vom 17. März – 9 Tage vor dem Hinscheiden und wirklich auch das allerletzte eigenhändig geschriebene Blatt des unsterblichen Meisters folgenden Inhalts:

›Wunder, Wunder, Wunder! Die hochgelahrten Herren sind beide geschlagen. Nur durch Malfatti's Wissenschaft werde ich gerettet. Es ist nöthig, daß Sie einen Augenblick doch diesen Vormittag zu mir kommen.‹


Der Ihrige

Beethoven.«57.


Hier machen wir Halt. Schindler ist bei der Datierung dieser Zuschrift sichtlich von seinem Gedächtnis verlassen. Dieser Freudenruf einer wieder erwachenden Lebenshoffnung kann nicht aus einer Zeit stammen, in welcher Beethoven selbst keine Hoffnung mehr hatte, sondern gehört in die Zeit der ersten Wirkung von Malfattis neuer Behandlung wie sie uns auch Wawruch schildert (S. 445), also in den Januar. Wawruch erwähnt selbst die wieder erwachende Luft zu arbeiten, nennt allerdings nur das Oratorium Saul und David, nicht die 10. Symphonie. Auf jenen Zettel hatte jemand (Schindler?) nach Nohl (Br. B. S. 340) mit Bleistift das Rezept des Heublumenbades geschrieben, welches Beethoven ohne besonderen Erfolg benutzte; das würde auch noch in den Januar führen, kann aber hierher keinen Bezug haben. Nach der vierten Operation gab er, nach Wawruchs Zeugnis, die Hoffnung auf; zu dem Briefe an Schindler »vom Monat Februar 1827« (S. 470), den dieser den letzten [449] eigenhändigen nennt, bemerkt er, daß Beethoven an diesem Tage nicht mehr zusammenhängend denken konnte.58 Am 16. März, erzählt Johann, erklärten ihn die Ärzte für verloren. Jenes kurze Billet ist also aus Beethovens letzten Tagen auszuscheiden; es gehört in den Januar oder nur wenig später. –

Übrigens stimmt auch Gerh. v. Breuning, was hier nicht verschwiegen werden darf, keineswegs in das unbedingte Lob Malfattis ein. Er war bei seinem ersten Besuche zugegen und schildert uns Beethovens sehnsüchtige Erwartung Malfattis und seine Freude bei seinem Eintritte.59


»Allein,« fährt Breuning fort, »der sonst so geistreiche Arzt scheint bei Beethoven wenig inspirirt gewesen zu sein. Der bei der ersten Visite verordnete Eispunsch ›zur Hebung des durch Wawruchs Arzneiüberladung übermäßig erschlafften Tones der Verdauungsorgane‹ hatte zwar erwünschte, aber gar zu bald vorübergehende Erfrischung zur Folge; dagegen bei einer folgenden, freilich wenige Tage nach der leidiger Weise schon ausgeführten zweiten Punktion,60 gemachten Visite: eine Art Dunstbad verschlimmerte des sehnsüchtig Hoffnenden Zustand derart augenfällig, daß es nach nur einmaliger Anwendung allsogleich weggelassen werden mußte. – Mit heißem Wasser gefüllte Krüge waren in einer Wanne geschichtet, darüber Birkenlaub dicht gelegt, und darauf der Kranke gesetzt worden, während Wanne und Körper – mit Ausnahme des Kopfes – mit einem Laken zugedeckt wurden. Malfatti meinte hierdurch bethätigend auf die Haut einwirken und den Organismus in ergiebigen Schweiß versetzen zu können; doch stellte sich gerade das Gegentheil als unmittelbare Wirkung heraus; der gleich einem Salzblocke den sich entwickelnden Wasserdunst mächtig an sich ziehende Körper, welcher durch die kaum gemachte operative Anzapfung seines Wassers eben erst entledigt worden war, quoll noch im Apparate sichtlich an, und machte schon nach wenig Tagen die erneuerte Einführung der Operationscanüle in die noch nicht verheilte Operationswunde erforderlich.«61


[450] Die Konversationshefte wissen von einer Darlegung Malfattis über die Natur von Beethovens Krankheit zu erzählen, der Wawruch beschämt habe zustimmen müssen, und lassen Malfatti von einem andern (Smetana) erzählen, den er von derselben Krankheit geheilt habe. Wenn er wirklich hoffte, Beethoven ganz heilen zu können: dann können wir doch nicht sagen, daß Malfatti den tieferen Sitz der Krankheit richtiger erkannt hätte als Wawruch. Daß er Wawruchs Diagnose als falsch bezeichnet hatte, glauben wir nicht. Glaublich aber ist, daß es ihm wesentlich auf zeitweilige Erleichterung des Kranken ankam, und daß ihm diese besser gelang als Wawruch; die Abneigung des kranken Beethoven gegen letzteren ist daraus völlig erklärt.62

Die Konversationshefte, die uns sonst so ganz in die Krankenstube führen, sind in dieser Zeit nicht so zusammenhängend und reichhaltig. Es ist zu bemerken, daß nach Breunings Zeugnis nicht nur ins Buch geschrieben wurde, sondern auch auf Tafeln, so daß manches nicht mehr vorhanden ist. Wir müssen uns auch hier Beschränkungen auferlegen, besonders hinsichtlich dessen, was nicht die Krankheit betrifft.

Da spricht z.B. Schindler einmal von dem Testament für Karl mit Bezugnahme auf Bach, welches noch einmal zur Erwähnung kommen wird; am Schlusse seiner Worte sagt er: »Morgen oder übermorgen Mozarts Titus«, der (nach Thayers Feststellung) am 30. Januar aufgeführt wurde. Daß er zurzeit nichts Größeres arbeiten kann, scheint Beethoven einmal zu Schindler zu sagen, wie aus dessen Antwort zu entnehmen ist. In dem Gespräche über die Krankheit wird einmal der 23. Januar (Johann), einmal am Schluß eines Heftes der 24. Januar (Schindler) und bald nachher der 25. Januar genannt. Die Freunde (Schindler, Breuning) [451] sprechen über Karl, das Testament, auch über Politik (Breunings Rede) unterhalten sie ihn. Holz erscheint selten und unterstützt ihn noch in musikalischen Dingen (Abschriften), erzählt ihm von Schuppanzighs Aufführungen63 usw.

Schindler äußert sich hier mehrfach sehr abfällig über Holz, wirft Beethoven vor, daß er ihm zu sehr die Zügel haben schießen lassen, und hatte auch, wie er erzählt, Auseinandersetzungen mit Holz selbst. Es sei uns hier eine kleine Abschweifung gestattet. Schindler hat hier den Konversationen eine längere Bemerkung beigegeben, mit starken Vorwürfen gegen Holz. Darin erzählt er die Entstehung von Holz' Verhältnis zu Beethoven, wie jener zu einer Zeit, als Schindler mit ihm gespannt war, Beethoven in seiner Dreistigkeit durch übergroße Fraternität, auch seine Geschicklichkeit zu imponieren gewußt, wie ihn Beethoven durch übergroße Nachsicht verwöhnt, Holz dagegen, der die Bedeutung des großen Mannes nicht erkannte, andere bei ihm verdächtigt und verleumdet, und Beethoven selbst in unangenehme Intrigen verwickelte habe. Als echter Wiener Lebemann habe er Beethoven in die verschiedenen Weinhäuser gezogen und sei der Major domus seines Haushalts geworden. Dies sei Beethovens Gesundheit sehr nachteilig gewesen. Es sei zu erwarten gewesen, daß Beethoven seiner bald überdrüssig werden würde; auch habe er so seinem Neffen kein gutes Beispiel geben können. Er (Schindler) habe ernstlich gewarnt; erst die Katastrophe mit dem Neffen im August 1826 habe ihn wieder an Beethovens Seite gebracht.64 Die strenge Beurteilung des Neffen durch Holz habe Beethoven verletzt. Dies und die Unzufriedenheit des Vaters Breuning über Holz' dreistes und »oftmals rüdes« Benehmen habe Beethovens Erkaltung gegen Holz hervorgerufen und den Wunsch, ihn nicht mehr zu sehen. Da er aber mit Beethovens Staatspapieren zu tun gehabt und noch mit Abschriften für ihn beschäftigt gewesen, sei er noch einigemal bei Beethoven erschienen; sein seltenes Kommen habe er mit seiner Verlobung bemänteln können. Auch bei Breunings sei er nicht wohl gelitten gewesen. Da er nun gesehen habe, daß er Beethovens Neigung nicht mehr besitze, so habe sich seine Verleumdung auch gegen Beethoven gerichtet; er habe erzählt, daß Beethoven stets viel getrunken habe; das habe Breuning von ihm gehört, dann u.a. Wawruch und die Gesellschaft bei Haslinger, [452] und so sei die Nachricht entstanden, Beethoven liege an der Wassersucht infolge unmäßigen Weintrinkens. Beethoven habe das selbst die Rache genannt, die Holz jetzt an ihm nehme. Schindler bezieht sich hier auf Äußerungen Piringers und Haslingers im Konversationsbuche; Haslinger habe Holz darüber zur Rede gestellt. Beethoven habe nicht geleugnet, von Holz verleitet oft gegen seine Gewohnheit Wein getrunken zu haben; da er aber immer daneben Wasser trank und jenes sich nur über einen kürzeren Zeitraum erstreckte, so habe das nicht die Ursache seiner Todeskrankheit sein können. Diese habe vielmehr zunächst in der vom Arzte übersehenen Richtung gelegen, die die vorangegangene Lungenentzündung nach ihrer Krisis genommen, dann in den Gemütsbewegungen infolge der Aufführung des Neffen, wie Malfatti geäußert habe. Dann spricht sich Schindler noch kurz über Wawruchs ärztlichen Rückblick aus. Er datiert seine Beischrift aus Aachen vom Juni 1845.

Schindler hat von dem Hauptinhalte dieser Anmerkung, besonders von den schweren Vorwürfen gegen Holz in seine Biographie Beethovens nichts aufgenommen, hält sogar (II S. 103) mit der Bezeugung persönlicher Achtung für Holz nicht zurück; wenn er daher meint, seine Anmerkung dürfte in der Folgezeit von Bedeutung sein, so hat er wenigstens selbst eine derartige Konsequenz nicht gezogen. Wir wiederholen hier, daß wir durchaus nicht die Absicht haben, Holz ganz zu reinigen und gegen alles, was man ihm vorwerfen will, zu verteidigen; seine Fehler kennen wir recht wohl, auch Beethoven waren sie nicht unbekannt, und doch enthielt er ihm seine Freundschaft nicht vor. Wir müssen nur immer festhalten, daß Schindler gegen Holz, der ihn für eine Zeitlang aus Beethovens Nähe verdrängt hatte, eine tiefe Abneigung empfand, und daß er daher für die Nachrichten über Holz keine unbefangene und objektive Quelle ist. Beethoven hat Holz bis zuletzt als Freund behandelt, wenn er auch kälter gegen ihn geworden sein mag. Holz war dem Meister sehr viel wert, nicht blos in Geldsachen; bei der Katastrophe mit dem Neffen hat er ihm treu beigestanden. Daß Schindler nach dieser Katastrophe wieder an Beethovens Seite gekommen sei, ist ein Irrtum, wir wollen sagen ein Gedächtnisfehler; das erfolgte erheblich später. Daß Holz Beethovens Größe nicht erkannt hätte, wird durch die Konversationen widerlegt. Von unangenehmen Szenen, von Intrigen, von denen Schindler hier erzählt, erfahren wir sonst nichts. Daß Holz den Meister in verschiedenen Lokalen herumgeführt hat, kann ganz wohl sein, zumal, wie wir wissen, Beethoven selbst gern öffentliche Lokale besuchte; und daß er durch Holz verleitet [453] worden sei, zeitweise mehr als ihm zuträglich war zu trinken, und daß Holz das weiter erzählte, kann auch einzelnes Tatsächliche zum Grunde haben, obwohl Übertreibungen hier obwalten mögen; wir möchten uns Beethoven nicht so unselbständig denken, wie ihn Schindler hier erscheinen läßt. Doch wollen wir hier Holz' lose Zunge nicht in Schutz nehmen. Daß er aber für das Gerede verantwortlich sei, Beethoven habe sich dadurch seine Krankheit zugezogen, sagt Schindler hier nicht und hat es auch in sein Buch nicht aufgenommen. Nach Beethovens Tode soll Holz, nach einer anderen Anmerkung Schindlers, ausgestreut haben, Beethoven habe sich durch Weintrinken die Wassersucht zugezogen. Im allgemeinen darf in dieser Sache gesagt werden, daß Schindler für die Zeit, da er von Beethoven fern war, nicht über alles, was dieser tat und ließ, genau unterrichtet sein konnte. Und daß Holz den Meister durch die Beurteilung seines Neffen verletzt hätte, klingt ganz absonderlich, diese Beurteilung stand bei allen Wohldenkenden fest, und Holz konnte Beethoven darüber nichts anderes sagen, als alle sagten, und als Beethoven sich selbst sagen mußte; wenngleich seine Zärtlichkeit mehr zum Verzeihen geneigt sein mochte; die Tatsachen lagen doch vor. Auch von Schindler lesen wir später im Konversationsbuche sehr scharfe Bemerkungen über den Neffen. Holz war in jenen Tagen immer um Beethoven und erlebte die ganze Sache mit ihm, Beethoven war über das Verhalten des Neffen genügend orientiert; da konnte ihm Holz kaum etwas sagen, was er nicht schon selbst bedacht hätte. Was Breuning betrifft, so lesen wir allerdings im Konversationshefte einmal eine sehr abfällige Bemerkung des Knaben Gerhard, daß Holz für falsch gelte und niemand ihn leiden möge, wobei aber doch dessen tiefe Liebe zu Beethoven hervorgehoben wird. Das kann ja ein Nachklang von Bemerkungen sein, die Gerhard zu Hause gehört hatte. Doch lesen wir, wie der Vater Breuning einmal im Konversationsbuch Holz wegen seiner Dienstwilligkeit lobt; und besonders bemerkenswert ist, daß Gerhard von Breuning im »Schwarzspanierhause« zwar Holz einfach unter den Besuchern Beethovens während der Krankheit nennt, aber niemals auch nur die geringste tadelnde Bemerkung über ihn äußert, während er sich über den Bruder und Neffen stark genug ausspricht. Daß Holz sein selteneres Kommen zu Beethoven, welches ihm Schindler in Beethovens Sinne vorgeworfen zu haben scheint, mit seinem Brautstande65 »bemäntelt« habe,[454] daraus kann ihm doch niemand ernstliche Vorwürfe machen. Daß ihn aber Beethoven später weniger gern sah, wollen wir nicht in Abrede stellen; Holz empfand, daß er für Beethoven in seiner Krankheit nicht mehr wie früher tätig sein konnte, es scheint ihm auch peinlich gewesen zu sein, jetzt immer wieder Schindler dort zu sehen. Das ist menschlich verständlich, und wir brauchen darum nicht die schweren Vorwürfe gegen ihn zu erheben; er fing eben an sich überflüssig zu finden. Darum hat ihm aber Beethoven nicht den »Laufpaß« gegeben, wie vormals Schindler. Er ist bis zuletzt Freund geblieben; wir wissen nichts vom Gegenteil. Zu beachten bleibt immer, daß Schindler die schwersten seiner Vorwürfe nicht oder doch nur ganz verblümt in seine gedruckte Darstellung aufgenommen hat. Wir hätten daher seine Bemerkungen vielleicht der verdienten Vergessenheit überlassen dürfen; nur weil Schindler meinte, sie könnten für die Folgezeit einmal Bedeutung gewinnen, haben wir sie kurz besprochen. Von Holz nehmen wir für jetzt Abschied und haben ihn nur noch einmal kurz zu erwähnen.

Von andern Freunden, die Beethoven in der Krank heit besuchten, begegnen uns im Konversationsbuch Tobias Haslinger, Piringer, dann später der alte uns bekannte Genosse Dolezalek, Schickh, Streicher und außerdem Bernard. Piringers Worte: »eine unedle Rache« bezieht Schindler wohl nicht mit Unrecht auf Holz;66 Haslinger schreibt gleich darauf, »Holz hat es gelesen was ich geschrieben.« Weitere Erörterungen mit Bach, Breuning, Schindler über Karls Verhältnisse (Testament usw.) übergehen wir hier. Es wird erzählt (Schindler), daß Weigl zweiter Hofkapellmeister geworden und sich über Beethovens Gratulation sehr gefreut habe. Unter denen, die sich nach seinem Befinden umsahen, war auch Fräulein Schechner, die ihn auch noch später besuchte; ihre Mutter beteiligte sich mit Ratschlägen für die Behandlung von Beethovens Krankheit (vgl. S. 450, Anm. 4).

Von dem Bevorstehen einer neuen Operation war schon vorher gesprochen worden; sie fand, wie aus den Konversationen geschlossen werden darf, am 2. Februar statt, nicht am 28. Januar, wie Schindler angibt.67 Dieselbe ging auch, wie Wawruch bezeugt, ohne Anstände vorüber, wenn auch nachher Sorge und Aufmerksamkeit z.B. wegen des [455] Verbandes erforderlich war. Malfatti läßt sich von dem Wundarzt über die Operation Bericht erstatten. Schindler schreibt im Konversationsheft:


»Es fällt mir eben ein, ob nicht Malfatti heute von dem Zustande der Leber und des Bauches wird sich überzeugen wollen. Es wäre daher sehr gut, wenn man zur Vorsicht doch den Hr. Seybert um 5 Uhr bestellen wollte. Er sagte ja, daß er Sie heute noch besuchen wolle – vielleicht um sich zu überzeugen. Das Wasser geht ja durch die Leber – daher der gute Zustand der Leber der Hebel der ganzen Krankheit ist. – Sie kann sich ja seit dieser wieder gebessert haben. – Es wäre in jeder Hinsicht gut, wenn er hier wäre, weil er vielleicht sich selbst von allem überzeugt hat. So kann Malfatti hierüber die beste Auskunft geben. –«


Also war von der Leber unter Beethovens Freunden damals die Rede. Ob die Erkenntnis von dem Hauptsitze der Krankheit Schindler und auch Malfatti damals aufgegangen war, entscheiden wir nicht.

Neben den Freunden, welche Beethoven in seiner Krankheit besuchten, haben wir hier auch der alten Freunde in der Ferne zu gedenken, die an ihm Anteil nahmen. Wir teilten oben (S. 391) den schönen Brief Beethovens an Wegeler vom 7. Oktober 1826 mit, durch den er Wegelers Brief von 1825 beantwortete. Als Beethoven krank lag, schrieb Wegeler wieder am 1. Februar 1827:68


Koblenz 1/2 1827.


»Lieber alter Freund!


Aus einer Zusendung einiger Musikalien von Schott in Mainz ist uns die freudige Überzeugung geworden daß Du Dich unserer in freundschaftlicher Güte erinnerst. Dein hartnäckiges Stillschweigen auf meine letzten Briefe ließ mich beinahe das Gegentheil fürchten. Nun sage ich mir: Du hast keinen fleißigen Correspondenten haben wollen. Und doch würde Dich keiner so in Deine Jugendjahre zurückgeführt, Dich an hundert Begebenheiten lustiger und trauriger Gestalt haben erinnern können, als ich, besonders da meine Frau meinem Gedächtniß durch Erzählungen von Fräulein Westerhold, Jeanette Hohnrath, und wie die et caeteras alle geheißen haben, treu nachhilft. Ueberhaupt kennen Dich meine beiden Kinder (von 20 und 13 Jahren) so genau daß sie suchen würden, falls Du uns besuchtest, das alles anzuordnen, von dem sie wissen, daß es dir angenehm war. Das Wort: Besuch, erinnert mich aber schmerzlich an Deine Krankheit, obschon ich in derselben ein Mittel sehe, einen meiner sehnlichsten Wünsche zu realisiren. Du wirst von der Krankheit, an welcher Du gegenwärtig leidest in den ersten Monaten genesen, dafür bürgt mir nicht so sehr Dein rüstiges Mannesalter, Deine ganze Constitution, die vorübergehenden Ursachen derselben, als die Natur der Krankheit selbst, die zwar hartnäckig ist und langwierig [456] aber der ungeschwächten Natur und den Bemühungen der Kunst dennoch weicht. Nun aber wird eine Nachkur nothwendig und diese wirst Du, wenn ich Dein Uebel nicht ganz verkenne, in Carlsbad finden. Nun gehen hier zu Lande so viele Schnellwagen daß ich von hier aus in 4, spätestens 5 Tagen in Carlsbad sein kann, oder ich schicke einen meiner Patienten hin und begleite den. N.B. wenn einer sich für Carlsbad vorzüglich paßt. Dort bringen wir dann 3 Wochen zu, und dann soll eine kleine Reise durch einen Theil des südlichen Deutschlands, und zuletzt vaterländische Luft und Jugendbilder und die Besorgung meiner Familie, in welcher Du gut ja jetzt schon einheimisch bist, das Fehlende ergänzen und das Gewonnene stärken. Es ist mir dieses ein liebliches Bild, mit dem meine Fantasie sich gar gern beschäftigt. Wenn der Mensch nur einmal und zwar in der unbefangensten Jugend glücklich ist, so müssen ihm ja die Steine seiner Vaterstadt und jeder Baum der Umgegend und jeder Thurm der benachbarten Dörfer Haken sein, an welchen er aufgehängte Bilder der Jugend wahrnimmt und ihrer sich freut.

Uns geht es wohl; meinem Sohn habe ich falls er recht fleißig sei, die Erlaubniß, einen Besuch in Wien zu machen, versprochen. Du wirst Dich dann über seine athletische Sackträgerstatur freuen. Ueber meine Tochter, die sich fortdauernd an Deinen Werken versündigt, mag Dir Dein alter Nebenbuhler Steffen erzählen; ich kann als Vater, ganz zufrieden mit ihr sein; sie ist geschickt, gescheidt und, was die Hauptsache, immer heiter. Adieu! Sind Dir meine Briefe lieb, so sollen mehrere folgen.«


Wegelers Gattin Eleonore ließ dem Briefe eine Nachschrift folgen, welche wir gleichfalls hier beifügen:


»Allem, was Wegeler Ihnen, mein lieber Beethoven geschrieben, kann ich nur zustimmen – ja ich kann es mir nicht versagen, Sie durch innige Worte recht herzlich zu bitten, alles was über eine Reise hieher, versteht sich zu uns, betrifft, baldmöglichst in Erfüllung zu bringen – ich habe die größte Hoffnung daß Sie sich hier bald ganz erholen würden, und Ihr Besuch gewährte mir die Erfüllung eines meiner größten Wünsche – Warum soll denn die Badereise vorangehen? Kommen Sie und sehen Sie erst was vaterländische Luft vermag.


E. Wegeler.«


Darauf antwortete ihm Beethoven noch einmal am 17. Februar. Der Brief ist längst bekannt;69 doch sollen auch hier die Briefe zusammenstehen. Es ist ergreifend, wie sich Beethovens letzte Lebenstage mit den Erinnerungen an frühe Jugendzeit verweben.


»Wien den 17 Februar 1827.


Mein alter würdiger Freund!


Ich erhielt wenigstens glücklicher Weise Deinen zweiten Brief von Breuning; noch bin ich zu schwach ihn zu beantworten; Du kannst aber denken, [457] daß mir alles darin willkommen und erwünscht ist.70 Mit der Genesung, wenn ich es so nennen darf, geht es noch sehr langsam. Es läßt sich vermuthen, daß noch eine vierte Operation zu erwarten sei, obwohl die Aerzte noch nichts davon sagen. Ich gedulde mich und denke: alles Ueble führt manchmal etwas Gutes herbei. – Nun aber bin ich erstaunt, als ich in Deinem letzten Briefe gelesen, daß Du noch nichts erhalten. Aus dem Briefe den Du hier empfängst, siehst Du daß ich Dir schon am 10. Dezember v.J. geschrieben.71 Mit dem Portrait ist es der nämliche Fall, wie Du, wenn Du es erhälst, aus dem Datum darauf wahrnehmen wirst.72 ›FrauSteffen sprach‹ –73 Kurzum Steffen verlangte Dir diese Sachen mit einer Gelegenheit zu schicken, allein sie blieben liegen, bis zum heutigen Datum, und wirklich hielt es noch schwer, sie bis heute zurück zu erlangen.74 Du erhälst nun das Portrait mit der Post durch die Herrn Schott, welche Dir auch die Musikalien übermachten. – Wie viel möchte ich Dir heute noch sagen, allein ich bin zu schwach; ich kann daher nicht mehr, als Dich mit Deinem Lorchen im Geiste umarmen. Mit wahrer Freundschaft und Anhänglichkeit an Dich und an die Deinen


Dein alter, treuer Freund

Beethoven


In dieser Schmerzenszeit tritt auch der alte Freund Zmeskall noch einmal in unseren Gesichtskreis. Sein schweres Gichtleiden verhinderte ihn Beethoven zu besuchen, er schickte aber nach ihm und ließ nach ihm fragen, wie ihm Schindler erzählt. Vom Krankenbett aus begrüßte ihn Beethoven mit einem kurzen Briefe, auf welchen Zmeskall das Datum des 18. Februar 1827 gesetzt hat:75


(Adresse) »Für Seine Wohlgebohren

Herrn v. Zmeskall.«


»Mein sehr Werther Freund!


Tausend Dank für ihre Theilnahme, ich verzage nicht, mir ist alle Aufhebung meiner Thätig[keit]. das schmerzhafteste, kein Übel, welches nicht [458] auch sein gutes hat – der Himmel verleihe nur ihnen auch Erleichterung ihres schmerzhaften Daseyns, vielleicht kommt uns beyden unsere Gesundheit entgegen, u. wir begegnen u. sehen uns wieder freundlich in der Nähe.


Herzlich ihr alter theilnehmender

Freund

Beethoven


Auch später erkundigt sich Zmeskall wieder.

In diesem Zusammenhange müssen wir auch der englischen Freunde gedenken, deren Teilnahme für Beethoven sich in dieser und der folgenden Zeit tätig erwies. Wir greifen hier schon etwas über die Entwicklung der Krankheit hinaus, wollen aber das Zusammengehörige tunlichst beisammen lassen. Um einen langen Zeitraum handelt es sich ja leider nicht.

Wir erwähnten schon des Geschenks von Händels Werken durch Stumpff aus dem Dezember,76 und mußten aus dem Datum der Quittung entnehmen, daß Beethoven sich erst etwas später in den rechten Genuß des Geschenkes setzte. Jetzt im Februar fand Beethoven Zeit einen Brief an Stumpff zu schreiben (oder schreiben zu lassen).77


»Sein. Wohlgeb. Herrn J. A. Stumpf 90 Portland 18 Portland Place London.


Sehr werther Freund!


Welch großes Vergnügen mir die Uebersendung der Werke von Händel, die Sie mir sogar zum Geschenk machten, für mich ein Königlich Geschenk! dies vermag meine Feder nicht zu beschreiben! Man hat es sogar hier in die Zeitung gebracht, welches ich Ihnen hier mittheile.78 Leider liege ich schon seit dem 3ten December bis jetzt an der Wassersucht darnieder. Sie können denken, in welche Lage mich dieses bringt! Ich lebe gewöhnlich nur von dem Ertrage meiner Geisteswerke, alles für mich und meinen Carl, davon zu schaffen. Leider seit dritthalb Monaten war ich nicht im Stande eine Note zu schreiben.

Mein Gehalt beträgt nur soviel daß ich davon den halbjährigen Wohnungszins bestreiten kann, dann bleiben noch einige hundert Gulden [459] Wiener Währung übrig! Bedenken Sie noch daß sich das Ende meiner Krankheit noch gar nicht bestimmen läßt und es endlich wird möglich gleich in vollen Segeln auf dem Pegasus durch die Lüfte zu segeln! Arzt, Chirurgus, alles muß bezahlt werden. –

Ich erinnere mich recht wohl daß die Philharmonische Gesellschaft vor mehreren Jahren ein Concert zu meinem Besten geben wollte. Es wäre für mich ein Glück wenn sie diesen Vorsatz fassen wollte, ich würde vielleicht aus aller meiner bevorstehenden Noth, doch gerettet werden können. Ich schreibe deswegen an Herrn S[mart]. Und können Sie, werther Freund! etwas zu diesem Zwecke beitragen, so bitte ich Sie nur sich mit Herrn S. zu vereinigen. Auch an Moscheles wird deßhalb geschrieben, und in Vereinigung aller meiner Freunde glaube ich doch daß sich in dieser Sache etwas für mich wird thun lassen.

Rücksichtlich der Händelschen Werke für S. Kaiserliche Hoheit Erzherzog Rudolph kann ich bis jetzt noch nichts gewiß sagen. Ich werde aber in wenig Tagen an ihn schreiben und darauf aufmerksam machen.

Indem ich Ihnen nochmals danke für Ihr herrliches Geschenk, so bitte ich noch mit mir zu befehlen, wo ich Ihnen hier in etwas dienen kann, thue ich's von Herzen gern. – Meine Ihnen hier geschilderte Lage lege ich Ihnen hier nochmals an Ihr menschenfreundliches Herz und indem ich Ihnen alles Schöne und Gute wünsche, empfehle ich mich Ihnen bestens.


Hochachtungsvoll

Ihr Beethoven.

Wien den 8 ten Februar 1827.«


Durch diesen Brief erhielt Stumpff nähere Nachricht über Beethovens Krankheit, von der ihm schon Streicher Mitteilung gemacht hatte. Das ergriff ihn sehr und veranlaßte ihn, gleich in Beethovens Interesse tätig zu sein; wir entnehmen das dem bald nachher erfolgten Antwortbrief Stumpffs vom 1. März:


»London den 1sten März 1827.


Herrn Ludwig van Beethoven, Wien.


Hoch und sehr werthgeschätzter Herr!


Wie sehr mich die Nachricht erschreckt und mit Schmerzen durchdrungen, daß Sie an einer schmerzhaften und langwierigen Krankheit leiden, die Sie nun selbsten in einem Briefe vom 8. Februar mitgetheilt, kann ich mit Worten nicht ausdrücken. Da schon seit der ersten Nachricht davon die ich durch die Güte H.B. Streichers erhielt, vergingen fast wenige Tage, wo ich nicht recht lebhaft an Sie, edler Freund! gedacht; oft stehe ich im Geiste in der Stube, an dem Bette des Leidenden und frage so often, so ängstlich den Arzt, wie es mit dessen Genesung stehe, und möchte ihm gerne die Versicherung abnöthigen, daß die Krankheit nicht gefährlich und daß der Kranke bald gänzlich wieder hergestellt sein würde.

Ja, innigst verehrter Freund! Könnten heiße, herzliche Wünsche eines Freundes die Genesung bewirken, so würden die Herzen Ihrer Verehrer, bald [460] auf den Wegen einer Ihrer Brust entströmten Dank-Symphonie zu dem sich erheben, der nur allein helfen kann, der seine Geschöpfe wunderlich doch väterlich, zu dem von ihm gesteckten Ziele führt.

Daß Ihnen die von mir zugesandten Werke vonHändel eine große Freude gemacht haben, ist Lohn genug für mich, weil solches meine einzige Absicht gewesen ist. – Ihren Wünschen gemäß habe ich, ohne den geringsten Verzug, H. G. Smart und Moshelles für die gute Sache gewonnen, sowohl als die Direktoren der Phil. Gesellschaft davon benachrichtigt, worüber dann sogleich berathschlagt wurde. Daß für's erste eine Summe von 100 Pfund sogleich an den BaronRothschild allhier eingehändigt, mit der Bitte solche mit ersterer Post an Baron Rothschildsche Haus inWien zu remitiren, mit der Anweisung daß das Geld, sowie es Ihre Bedürfnisse verlangten in kleinen oder größern Summen durch Herrn Rau – Hofmeister in Baron Eskelschen Hause, von Ihnen bezogen werden könne. H. Moshelles, der sich für die gute Sache sehr interessirt, hat die Güte gehabt solches zu bewerkstelligen, weil er mit beiden Häusern in Verbindung steht, und auf mein Ansuchen, schon mit heutiger Post Briefe, die Anweisungen enthaltend an die vorgenannten Personen abgehen läßt.

Für Ihr freundschaftliches Anerbieten mir in Wien nützlich zu sein, danke ich Ihnen recht aufrichtig und wage die Bitte, daß nur einige Noten, von Ihren lieben Händen geschrieben, würden als Andenken das Ziel aller meiner Wünsche sein. – Mit dem herzlichen Wunsche, bald von Ihrer Genesung zu hören, habe ich die Ehre zu verharren


mit der größten Hochachtung

Euer Hochwohlgeboren aufrichtigst

ergebenster Diener

J. A. Stumpff.

Great Portland

St. Portland Place


Die Briefe an Moscheles und Smart hatte Beethoven kurz vorher (22. Februar) geschrieben. Daß es damals mit seinen pekuniären Verhältnissen mißlich stand, kann uns nach der Lage der Dinge nicht wundern. In dieser Lage hatte er sich des Versprechens der philharmonischen Gesellschaft in London erinnert, zu seinem Benefiz ein Konzert geben zu wollen, und dahin wollte er sich jetzt auch wenden. Schindler und Breuning hatten Bedenken gegen diesen Schritt, der, wenn er bekannt würde, übeln Eindruck machen könne, und erinnerten ihn an seinen Besitz von Staatspapieren; hierbei aber fanden sie entschiedenen Widerspruch Beethovens, der diese Papiere als unantastbares Erbgut des Neffen ansah.79 So schrieb er denn, nachdem er die Sache [461] schon in dem Briefe an Stumpff erwähnt (der nicht zu den Direktoren der philharmonischen Gesellschaft gehörte), die Briefe an Smart und Moscheles. Der Brief an Smart, von Schindler geschrieben, vom 22. Febr., lautet:80


»Euer Wohlgeboren!


Bereits vor einiger Zeit waren Sie so gütig meinem Neffen Carl ein recht interessantes Geschenk zu machen, wofür ich Ihnen hiermit meinen herzlichen Dank sage. Ich wollte Ihnen diesmal auch, wie sonst in englischer Sprache schreiben, aber mein Neffe, der dies stets besorgte, ist gegenwärtig nicht bei mir, so muß ich denn mich entschließen, für diesmal deutsch zu schreiben.81

Ich erinnere mich daß die Philharmonische Gesellschaft mir schon vor einigen Jahren den Antrag machte, eine Akademie zu meinem Besten geben zu wollen. In Rücksicht dessen geht denn meine Bitte an E. W. daß, wenn die Philharmonische Gesellschaft noch jetzt diesen Entschluß fassen würde, es mir jetzt sehr willkommen wäre; denn leider liege ich schon seit den ersten des December an der Wassersucht darnieder, einer äußerst langwierigen Krankheit, deren Ende noch gar nicht bestimmt werden kann. Wie Sie schon ohnehin wissen, so lebe ich nur von dem Ertrage meiner Geistesprodukte, und jetzt ist noch lange nicht an das Schreiben zu denken. Mein Gehalt ist nun so unbedeutend, daß ich kaum den halbjährigen Wohnungszins davon bestreiten kann. Ich bitte Sie daher freundschaftlich, allen Ihren Einfluß zur Beförderung dieses Zweckes anzuwenden, und bin von Ihren edlen Gesinnungen gegen mich überzeugt, daß Sie meine Bitte nicht übel nehmen werden. Ich werde auch dieserwegen an Herrn Moscheles schreiben, von dem ich ebenfalls überzeugt bin, daß er sich bereitwillig mit Ihnen zur Förderung dessen vereinigen werde. Ich bin so schwach daß ich nicht mehr schreiben kann, und dies nur diktando. Erfreuen mich E. W. baldigst mit einer Antwort ob ich eine Hoffnung zur Realisirung meiner Bitte habe. Indessen genehmigen Sie die Versicherung meiner größten Verehrung mit der ich stets verharre


E. W.«


Dieser Brief war in den an Moscheles eingeschlossen, welcher, von Schindler geschrieben und von Beethoven unterzeichnet, lautete:82


Wien 22 Februar. 1827.


»Mein lieber Moscheles!


Ich bin überzeugt, daß Sie es nicht übel nehmen, daß ich Sie ebenfalls wie Sir G. Smart, an den hier ein Brief beiliegt, mit einer Bitte belästige. [462] Die Sache ist in Kürze diese. Schon vor einigen Jahren hat mir die Philharmonische Gesellschaft in London die schöne Offerte gemacht, zu meinem Besten eine Akademie zu veranstalten. Damals war ich Gottlob nicht in der Lage von diesem edlen Antrage Gebrauch machen zu müssen. Ganz anders aber ist es jetzt, wo ich schon bald volle drei Monate an einer langwierigen Krankheit darniederliege. Es ist die Wassersucht. Schindler wird Ihnen hier beiliegend mehr davon sagen.

Sie kennen seit lange mein Leben, wissen auch wie und von was ich lebe. An's Schreiben ist jetzt lange nicht zu denken, und so könnte ich leider in die Lage versetzt werden, Mangel leiden zu müssen. – Sie haben nicht nur ausgebreitete Bekanntschaften inLondon, sondern auch bedeutenden Einfluß bei der Philharmonischen Gesellschaft. Ich bitte Sie daher, dieses so viel als Ihnen möglich, anzuwenden, daß die Phil. Gesellschaft jetzt von Neuem diesen [Entschluß] fasse und bald in Ausführung bringen möge. Des Inhalts ist auch der beiliegende Brief an Sir Smart, so wie [ich] auch einen bereits an Herrn Stumpff ab schickte. Ich bitte Sie, dem Sir Smart den Brief einzuhändigen, und sich zur Beförderung dieses Zweckes mit ihm und allen meinen Freunden in London zu vereinigen. – Empfehlen Sie mich Ihrer liebenswürdigen Frau Gemahlin, und seien Sie überzeugt daß ich stets sein werde


Ihr Freund Beethoven.


Antworten Sie mir doch bald, damit ich höre, ob ich was zu hoffen habe.«


Diese Briefe kamen bald durch Moscheles zur Kenntnis der Direktion der Philharmonischen Gesellschaft und machten dort großen Eindruck.83 Es wurde eine Generalversammlung auf den 28. Februar berufen und auf Neates Vorschlag einstimmig beschlossen, daß die Gesellschaft sofort durch Moscheles Vermittlung die Summe von 100 Pfund an einen vertrauten Freund Beethovens nach Wien sende, um sie für seine gegenwärtigen Bedürfnisse zu verwenden. Davon wurde Beethoven sofort am 1. März durch Moscheles benachrichtigt, mit dem Hinzufügen, daß ihm die Summe von Herrn Rau vom Hause Eskeles ganz oder in Teilen nach seinem Wunsche ausgezahlt werde, und daß man bereit sei ihn auch ferner zu unterstützen; er möge sie nur benachrichtigen, wenn er wieder hilfsbedürftig sei.

[463] Beethoven war ungeduldig, Antwort zu erhalten; er schrieb am 6. März nochmals direkt an Smart:84


»Wien, 6 März 1827.


E. W.


Ich zweifle nicht, daß E. W. mein Schreiben vom 22. Febr. d.J. durch Herrn Moscheles schon werden erhalten haben, jedoch da ich zufälligerweise unter meinen Papieren die Adresse an Sie gefunden habe, so nehme ich auch keinen Anstand, direkte an E. W. zu schreiben und Ihnen nochmals meine Bitte recht nachdrücklich ans Herz zu legen.

Leider sehe ich bis zu dem heutigen Tage noch dem Ende meiner schrecklichen Krankheit noch nicht entgegen, im Gegentheil haben sich nur meine Leiden, und damit auch meine Sorgen noch vermehrt. Am 27. Febr. wurde ich zum 4ten mal operirt und vielleicht will es das Schicksal, daß ich dies noch zum 5ten Male, oder noch öfter, zu erwarten habe.

Wenn dies nun so fort geht, so dauert meine Krankheit sicher bis zum halben Sommer, und was soll dann aus mir werden? von was soll ich denn leben bis ich meine ganz gesunkenen Kräfte zusammenraffe, um mir wieder mit der Feder meinen Unterhalt zu verdienen. Kurz ich will Ihnen nicht mit neuen Klagen lästig werden und mich nur hier auf mein Schreiben vom 22. Febr. beziehen, und Sie zu bitten, allen Ihren Einfluß anzuwenden, die philharm. Gesellschaft dahin zu vermögen, ihren früheren Entschluß rücksichtlich der Academie zu meinem Besten jetzt in Vollführung zu bringen.«


Beethoven mußte bei dem langsamen Gange der Posten noch länger auf Nachricht warten; er schrieb daher – oder diktierte vielmehr – einen zweiten Brief an Moscheles, den wir hier noch folgen lassen,85 obgleich wir dadurch den Ereignissen noch weiter, als bisher schon geschehen, vorgreifen.


»Wien, 14. März 1827.


Mein lieber Moscheles!


Ich habe dieser Tage durch Herrn Levinger86 erfahren, daß Sie sich in einem Briefe vom 10. Febr. bei ihm erkundigten wie es mit meiner Krankheit stehe, von der man so verschiedenartige Gerüchte ausstreut. Obwohl ich keineswegs zweifle, daß Sie meinen ersten Brief vom 22. Febr. an Sie jetzt [464] schon in Händen haben, der Sie über alles, was Sie zu wissen verlangen, aufklären wird; so kann ich doch nicht umhin, Ihnen hier für Ihre Theilnahme an meinem traurigen Schicksale zu danken, und Sie nochmals zu ersuchen, sich meine Bitte, die Sie aus meinem ersten Schreiben schon kennen, recht angelegen sein zu lassen, und ich bin beinahe im Voraus überzeugt, daß es Ihnen in Vereinigung mit Sir Smart und andern meinen Freunden sicher gelingen wird ein günstiges Resultat bei der philharmonischen Gesellschaft für mich zu erzwecken. An Sir Smart habe ich seit diesem auch nochmals geschrieben, da ich zufällig die Adresse an ihn fand, und ihm auch nochmals meine Bitte ans Herz gelegt. Am 27. Febr. bin ich zum 4ten Male operirt worden und jetzt sind schon wieder sichtbare Spuren da, daß ich bald die 5te zu erwarten habe. Wo soll das hin, und was soll aus mir werden, wenn es noch einige Zeit so fortgeht? Wahrlich ein hartes Loos hat mich getroffen! Doch ergebe ich mich in den Willen des Schicksals, und bitte nur Gott stets, er möge es in seinem göttlichen Willen so fügen, daß ich so lange ich noch hier den Tod im Leben erleiden muß, vor Mangel geschützt werde. Dies wird mir so viel Kraft geben mein Loos, so hart und schrecklich es immer sein möge, mit Ergebenheit in den Willen des Allerhöchsten zu ertragen.

So mein lieber Moscheles empfehle ich Ihnen nochmals meine Angelegenheit und verharre in größter Achtung


Ihr [Freund]87

L. v. Beethoven.


Hummel ist hier und hat mich schon einige Male besucht.«88


Kaum war dieser Brief abgegangen, als die Briefe aus London vom 1. März ankamen. Den Eindruck, den sie auf Beethoven hervorbrachten, behandeln wir später. Für jetzt müssen wir zu den Ereignissen, welche die Krankheit begleiteten, zurückkehren.

Wir waren in der Zeit nach der dritten Operation stehen geblieben, in jener Zeit vieler Sorge, in welcher ihn außer dem Arzt besonders Schindler, Bruder Johann, der junge Breuning (der Vater wie es scheint seltener, er war nicht völlig hergestellt) aber auch andere besuchten. Gerade hier führen uns die Konversationshefte ganz in die Krankenstube. Schindler ist bereit, Moscheles auf seinen Brief über Beethovens Zustand zu unterrichten, und bittet den Artikel aus der Modenzeitung über das Händelgeschenk beilegen zu dürfen. Der Kranke wird gewarnt, sich vor dem [465] Wundliegen zu behüten, und es werden ihm allerlei Ratschläge gegeben. Von dem Tode des preußischen Gesandten Fürsten Hatzfeld (3. Febr.) spricht Schindler. Beim Geldwechseln hat er einmal Schindler im Verdacht Geld weggenommen zu haben, was diesen sehr verletzte.89 Schindler spricht über Ästhetisches, über das B-Dur-Trio u.a., was mehr Interesse haben würde, wenn wir Beethovens Äußerungen hätten.90 Das Trio in D wurde in diesen Tagen (in Schuppanzighs Konzert), wie ihm erzählt wird, gespielt und mit Enthusiasmus aufgenommen; darin spielte Czerny Klavier; alle fragten nach Beethoven. Dolezalek besucht Beethoven; er möchte, sagt er, zehn Jahre von seinem Leben hergeben, wenn Beethoven bald gesund sei. Nach seinen Aufzeichnungen bei O. Jahn brauchte Beethoven ihm gegenüber einen sehr kräftigen Ausdruck gegen die Bourbons in Frankreich, der nicht gut wiederzugeben ist. Mit ihm waren Schuppanzigh und, wie es scheint, Linke; Beethoven zeigt ihnen die Händel-Ausgabe. Die Ärzte sind jetzt hinsichtlich des Weins nachsichtiger; sie wissen wohl, daß er nicht mehr schaden kann. Ein Brief an Schott (nach Thayers Annahme) wird erwähnt; der Briefwechsel mit Schott kommt noch einmal unten zur Sprache. Er wird weiter mit Lektüre versorgt, so durch Gerhard von Breuning; auch Walter Scott liest er weiter. Johann erinnert an die Herausgabe der Werke, »wenn er wieder auf sei;« die Frage wurde also noch im Auge behalten, wenn auch ein Verleger noch nicht bestimmt war. Einzelne Verleger (Haslinger und Diabelli), wie Gerh. Breuning ohne nähere Zeitangabe erzählt, suchen ihn zum Schreiben zu drängen; Beethoven aber erklärt, so lange er krank sei, arbeite er nicht (zu Breuning); er habe oft lange Zeit nichts komponieren können; dann komme es auf einmal wieder. Kurze Zeit außerhalb des Bettes zuzubringen, war ihm gestattet.


»Seybert sagt auch,« erzählt ihm Schindler, »Sie könnten am Tage nach Belieben 1–2 Mahl aufstehen, aber ja bey der Nacht nicht. Seyb. räth auch die Füße vorzüglich warm zu halten, wenn Sie aufstehen« – nur nicht wenn er im Schweiß ist, schärft Malfatti ein. –


[466] Beethoven scheint einmal nach Holz zu fragen; Schindler sagt: »ich sehe ihn mit keinem Auge, und habe nie Gelegenheit mit ihm zusammen zu kommen.« Auch der Neffe in Iglau scheint wieder Bedenken zu erregen, von denen wir Näheres nichts wissen; Schindler rät zu ernstem Auftreten. Es handelt sich wieder um Geldfragen und daraus erwachsenden Schwierigkeiten. Man erwartet Antwort von ihm auf zwei an ihn gerichtete Briefe:


»Daher vor der Zeit ihn nicht verurtheilen, vielleicht folgt die Antwort auf beide Briefe jetzt zugleich.«


sagt Schindler. Auch Bruder Johann hat auf dergleichen hingedeutet, und mit Bezug auf sein früheres Treiben Strenge für nötig erklärt. Beethoven erscheint im folgenden gedrückt:


»Du mußt bessern Muthes sein, denn die Traurigkeit hemmt deine Genesung. – Der Iglauer Fasching wird ihn abhalten«


sagt ihm Breuning. Also das Ausbleiben von Nachrichten vom Neffen macht ihm Mißstimmung. Doch scheint bald nachher ein Brief gekommen zu sein.

Auch einen Wechsel der Köchin erlebte er noch, wobei Frau von Breuning behilflich war, die auch sonst fortfuhr für ihn zu sorgen.

Ein kurzer Besuch des Grafen Moritz Lichnowsky wird ihm von Wert gewesen sein. Nur wenige Worte sind von ihm eingezeichnet; er erkundigt sich nach Bruder und Neffen, erzählt von Aufführungen und verspricht bald wiederzukommen. Eine besondere Freude aber war ihm sicherlich der Besuch des alten Freundes Gleichenstein, der für kurze Zeit in Wien war. Er kam zu ihm mehrmals, einmal scheint es mit Frau und Sohn, nachdem er vorher bei Malfatti gewesen war. Seine Worte müssen wir übergehen; Beethoven erkundigt sich nach Professor Schmeller in Freiburg und trägt Grüße für ihn auf.

In diesen Tagen (um den 21. Februar) schenkte Beethoven Schindler die Partitur der neunten Symphonie und des E-Moll-Quartetts, wie Schindler in einer Bemerkung zum Konversationshefte erzählt.

Beethoven erhielt noch einmal Gelegenheit, seine Bewunderung für einen großen Kunstgenossen auszusprechen, als ihm Diabelli (Mitte Februar) das bei ihm erschienene Bild von Haydns Geburtshaus schenkte. Beethoven sagte zu Gerhard: »Sieh, das habe ich heute bekommen. Sieh mal dies kleine Haus, und darin ward ein so großer Mann geboren.« G. v. Breuning schildert uns (Schwarzsp. S. 98) den Zorn, in welchen [467] Beethoven geriet, als auf das eingerahmte Bilde von dem Musiklehrer Heller der Name Haydns unrichtig geschrieben wurde.

Um diese Zeit war Malfatti selbst krank und konnte mehrere Tage nicht zu Beethoven kommen. Er schickte seinen Assistenten Rörich.

Holz ist bei ihm und spricht von geschäftlichen Dingen und von Aufführungen.91 Er war, wie zusammentreffende Äußerungen schließen lassen, seit kurzem verheiratet, was sein seltenes Erscheinen bei Beethoven hinlänglich erklärt.92 Noch am 25. Februar schrieb Beethoven folgende Zeilen an ihn:93


»Lieber Holz!


Ich bitte Sie, nachzusehen, ob unter der Quittung für den Erzherzog meine Namensunterschrift stehe.

Ferner bitte ich Sie, mir Ihren Schneider sobald als möglich zu schicken. Wenn es möglich wäre, daß Sie Morgen früh einen Augenblick zu mir kämen, wäre es sehr gut, damit das Geld erhoben werde auch bei dem Erzherzog, weil ich es brauche.


Wie immer

Ihr Freund

Beethoven m/p

Wien den 25. Febr. 1827.


Sr. Wohlgeborn

Herrn v. Holz.«


So viel also ersehen wir doch, daß ein Bruch mit Holz nicht eingetreten war. Holz kommt in den Tagen noch einmal, berührt eine ähnliche Sache (Gehalt von Lobkowitz) und erwähnt ein »morgen« [25. Febr.] stattfindendes Quartett.

Ein Musiker (Musikdirektor?) Jekel aus Wien besucht ihn und bringt ihm Grüße; es scheint ihm ein lästiger Besuch zu sein. Piringer und Haslinger sind wieder bei ihm; ersterer spricht von Aufführungen, [468] letzterer erzählt, daß Ries, Kalkbrenner und Hummel in Wien erwartet werden. Auf Hummel kommen wir noch zu sprechen; von Besuchen der andern erfahren wir nichts. Hier liest man auch das starke Wort des Knaben Gerhard von Breuning gegen Holz, wobei nur zu erinnern bleibt, daß in dem »Schwarzspanierhause« kein hartes Wort Gerhards gegen Holz zu lesen ist, auch der Vater Breuning nichts der Art sagt.

Jetzt besucht ihn auch zum erstenmal Fräulein Schechner (vgl. o. S. 455) kurz vor der letzten Operation. Sie will sich bemühen, ein gutes Buch mit einer für sie passenden Partie zu finden, da sie schon den Fidelio mit Glück gegeben. »Ihre wundervolle Komposition der Adelaide bestimmte mein Glück, und bewog mich die theatralische Laufbahn zu betreten. Ich sang sie in einem Konzert, wo mich Duport hörte und mich gleich engagierte.«

Die Unterhaltungen lassen erkennen, daß die Schwäche Beethovens zunahm, auch Wawruch sagt das ausdrücklich; das Steigen des Wassers machte eine neue Operation nötig. Diese fand, wie Beethoven selbst nach England schrieb, am 27. Februar statt, und entfernte ein ziemlich großes Quantum Wasser. Das Wasser floß noch später aus der Wunde bis in die Mitte des Zimmers, wie Breuning erzählt. Beethoven war noch auf eine fünfte gefaßt, ließ aber jetzt selbst die Hoffnung sinken. Nach der vierten Paracentese, erzählt Dr. Wawruch, prognostizierte sich Beethoven in trüben Stunden seine herannahende Auflösung und er irrte nicht.


»Kein Trost vermochte ihn mehr aufzurichten, und als ich ihm mit der herannahenden belebenden Frühlingswitterung Linderung seiner Leiden tröstend verhieß, entgegnete er mir lächelnd: ›Mein Tagewerk ist vollendet, wenn hier noch ein Arzt helfen könnte,his name shall be called wonderfull! ‹ Diese betrübende Anspielung auf Händels ›Messias‹ ergriff mich so mächtig, daß ich in meinem Innern die Wahrheit des Ausspruches mit tiefer Rührung bestätigen mußte.«


Die Erzählung ist durchaus glaubhaft, da sich Beethoven gerade in jenen trüben Tagen mit Händel beschäftigte, veranlaßt durch das Geschenk Stumpffs.

Daß Franz Brunswick nächstens nach Wien komme, erzählt ihm Schuppanzigh. Schindler räsonniert über die Vielschreiberei des Czerny im Anschluß an eine Aufführung bei Schuppanzigh; Czernys Schüler lernten nur dessen Sachen kennen. – Der treue Freund Johann Wolfmayer [469] begrüßte ihn sehr herzlich und war sehr ergriffen, als er wegging.94

In jenen Tagen muß Schindler selbst krank gewesen sein oder sonst einen Unfall gehabt haben; darauf bezieht sich der folgende kurze rührende Brief Beethovens, der letzte, den er an Schindler geschrieben hat. Derselbe ist undatiert, Schindler schrieb darauf: »vom Monath Febr. 1827.«95


»von ihrem Unfall, da er schon da ist, sobald wir unß sehen – ich kann ihnen ohne alle Unbequemlichkeit durch jemanden zuschicken, nehmen sie dieses an – hier etwas – Moscheles, Cramer96 ohne daß sie wohl noch einen Brief gehabt haben. Es giebt eine neue Veranlassung Mittwoch zu schreiben, u. ihn neuerdings mein anliegen ans Herz zu legen, sind sie bis dahin noch nicht wohl, so kann einer meiner [Dienstboten Sch.] ihn gegen recepisse auf die Post besorgen – Vale et Fave – es braucht keine Versicherung meines Antheils an ihrem Unfall – nehmen sie doch das Essen von mir alles von Herzen gegeben – der Himmel mit ihnen


ihr

aufrichtiger

Freund

Beethoven


Schindler bemerkt zu diesem Briefe, daß Beethoven in diesen Tagen nicht mehr zusammenhängend denken konnte,


»daher die abgebrochenen Sätze und Lücken in seinen Concepten, wie auch hier zu sehen. Es ist sein allerletzter eigenhändig geschriebener Brief.«


Wir sehen aus diesem Briefe mit Befriedigung, daß die frühere Verstimmung gegen Schindler infolge des neuen Verkehrs gewichen war.

Der Name Moscheles veranlaßt uns, die oben unterbrochene Korrespondenz mit England nunmehr abzuschließen. Aus den bereits mitgeteilten Briefen wissen wir, wie Beethoven im Anschlusse an ein früheres Versprechen der Philharmonischen Gesellschaft um die Abhaltung eines Benefizkonzertes bittet, und wie man ihm am 1. März Nachricht sendet, daß sofort 100 Pfund für ihn angewiesen werden sollen. Nachdem [470] Beethoven diese Nachricht erhalten, diktierte er Schindler folgenden Brief an Moscheles:97


»Wien, 18. März 1827.


Mein lieber guter Moscheles,


Mit welchen Gefühlen ich Ihren Brief vom 1. März durchlesen, kann ich gar nicht mit Worten schildern. Der Edelmuth der Philharmonischen Gesellschaft, mit welchem man meiner Bitte beinahe zuvorkam, hat mich in das Innerste meiner Seele gerührt. Ich ersuche Sie daher, lieber Moscheles, das Organ zu seyn, durch welches ich meinen innigsten Dank für die besondere Theilnahme und Unterstützung an die Philharmonische Gesellschaft gelangen lasse.

Ich fand mich genöthigt sogleich die ganze Summe von 1000 Gulden Conv. Mz. in Empfang zu nehmen, indem ich gerade in der unangenehmen Lage war, Geld aufzunehmen, welches mich in neue Verlegenheit gesetzt hätte.

Rücksichtlich der Akademie, welche die Philharmonische Gesellschaft [›zu meinem Benefiz‹ in der englischen Übersetzung] zu geben beschlossen hat, bitte ich die Gesellschaft ja dieses edle Vorhaben nicht aufzugeben, und diese 1000 fl. C. M. welche sie mir jetzt schon übermachen ließ, von dem Ertrage dieser Akademie abzuziehen. Und will die Gesellschaft mir den Überrest noch gütigst zukommen lassen, so verpflichte ich mich der Gesellschaft dadurch meinen wärmsten Dank abzustatten, indem ich ihr entweder eine neue Symphonie, die schon skizzirt in meinem Pulte liegt, eine neue Ouverture oder etwas anderes zu schreiben verbinde, was die Gesellschaft wünscht.

Möge der Himmel mir nur recht bald wieder meine Gesundheit schenken, und ich werde den edelmüthigen Engländern beweisen, wie sehr ich ihre Theilnahme an meinem traurigen Schicksale zu würdigen wissen werde.

Ihr edles Benehmen wird mir unvergeßlich bleiben, so wie ich noch insbesondere Sir Smart und Herrn Stumpff meinen Dank nächstens nachtragen werde.98

[471] Leben Sie recht wohl! [mit den freundlichsten Empfehlungen und der höchsten Achtung


von ihrem Freund

Ludwig van Beethoven.


Die freundlichsten Grüße an ihre Frau. – Ich habe Ihnen und der Philharmonischen Gesellschaft zu danken für einen neuen und sehr liebenswürdigen Freund in H. Rau.]99

P. S. Ich lege die metronomische Bezeichnung meiner letzten [neunten] Symphonie für die Philharmonische Gesellschaft bei.«100


Das war, wie Schindler angibt, Beethovens letzter Brief. Wir verstehen und teilen seine Rührung über das schöne Verhalten der Engländer, welches ihnen die höchste Ehre macht. Ein solches Entgegenkommen hätte er in jener Zeit in Deutschland nicht gefunden.

Ein Brief Schindlers an Moscheles mit dem Datum des 24. März, der die Londoner Freunde auf Beethovens Tod vorbereiten sollte, war nach Schindlers Angabe dem von Beethoven beigefügt;101 danach beschäftigte ihn noch in den letzten Tagen der Gedanke an die zehnte Symphonie, welche die Philharmonische Gesellschaft erhalten sollte.

Außer bei den Engländern fand aber Beethoven auch noch bei andern Teilnahme und Hilfe. Die Firma Schott in Mainz, mit welcher ja die Korrespondenz noch fortdauerte, beschränkt sich auf Beethovens Bitte nicht mehr auf das Geschäftliche, sondern er weist sich auch in anderer Weise hilfreich. Die letzten Briefe, schon aus der Zeit der Krankheit, im wesentlichen S. 313–17 mitgeteilt, bezogen sich auf die Herausgabe der Werke (9. Symphonie u.a.). Beethoven schrieb wieder am 22. Februar 1827, demselben Tage, an dem auch an die Londoner Freunde geschrieben wurde:102


[472] »Wien den 22. Febr. 1827.


Euer Wohlgeboren!


Ihren letzten Brief habe ich durch den Kapellmeister Kreutzer erhalten. Ich beantworte Ihnen jetzt nur das Nöthige. Zwischen Opus (Quart. in Cis moll) was Sie haben, geht das vorher was Math. Artaria hat. Hiernach können Sie leicht das Nummer bestimmen. Die Dedication ist: ›gewidmet meinem Freunde Johann Nepomuk Wolfmayer‹.

Nun komme ich aber mit einer sehr bedeutenden Bitte. – Mein Arzt verordnet mir sehr guten alten Rheinwein zu trinken. So etwas hier unverfälscht zu erhalten, ist um das theuerste Geld nicht möglich. Wenn ich also eine kleine Anzahl Bouteillen erhielt, so würde ich Ihnen meine Dankbarkeit für die Cäcilia bezeigen. Auf der Mauth würde man, glaube ich, etwas für mich thun, so daß mich der Transport nicht so hoch käme. – Sobald es meine Kräfte nur erlauben, werden Sie auch die Messe metronomisirt erhalten, denn ich bin gerade in der Periode, wo die 4te Operation erfolgen wird. – Je geschwinder ich also diesen Rheinwein oder Moselwein erhalte desto wohlthätiger kann er mir in diesem jetzigen Zustande dienen; und ich bitte Sie recht herzlich um diese Gefälligkeit, wofür Sie mich Ihnen dankbar verpflichten werden.

Mit größter Hochachtung geharre ich


Euer Wohlgebohren

ergebenster

Beethoven


Beethoven wiederholte seine Bitte in einem weiteren Briefe vom 1. März.103


»Wien den 1. März 1827.


Euer Wohlgeborn!


Ich bin im Begriff Ihnen neuerdings beschwerlich werden zu müssen, indem ich ein Packet Ihnen für den königl. Regierungsrath Wegeler in Koblenz überschicken werde, welches Sie dann die Gefälligkeit haben werden selbes von Mainz nach Coblenz zu übermachen. Sie wissen ohnehin, daß ich viel zu wenig eigennützig bin, daß ich dies alles umsonst verlangte.

Weßhalb ich Sie schon gebethen habe, wiederhole ich hier noch einmahl, nämlich meine Bitte wegen alten weißen Rhein- oder Moselwein. Es hält unendlich schwer hier dergleichen ächt und unverfälscht selbst für das theuerste Geld zu erhalten. Vor einigen Tagen, den 27. Febr. hatte ich meine 4. Operation, und doch kann ich noch nicht meiner gänzlichen Besserung und Heilung entgegensehen. Bedauern Sie Ihren Ihnen mit Hochachtung ergebensten Freund


Beethoven m. p


Am 8. März antworteten die Schotts wie folgt:104


[473] »Herrn Ludwig van Beethoven in Wien.


Mainz d. 8. März 1827.


Dero sehr geehrte Zuschrift vom 22. Febr. haben wir mit sehr großem Bedauern durchlesen, indem Sie uns damit noch nicht Ihre Wiederherstellung kund thun konnten.

Um Ihrem geäußerten Wunsch sobald als möglich nachzukommen, so haben wir von einem unserer sehr guten Freunde einen kostbaren Rüdesheimer-Berg- Wein von 1806 und von denselben selbst gezogen und ganz rein erhalten, für Ihnen gewählt, und bereits in einem Kistchen Sigl VBW über Frankfurth durch Herrn Emanuel Müller 12 Bouteillen per Fuhrgelegenheit an Ihnen abgesandt, wovon wir den besten Empfang wünschen.

Damit Ihnen jedoch früher eine kleine Labung gereicht werden kann, so sandten wir heute per Postwagen ein kleines Kistchen so wie ein kleines Fäßchen mit Ihrer Adresse ab. Das Kistchen enthält 4 Bouteillen, 2 davon mit reinem Wein von dem oben beschriebenen. 2 andere Bouteillen von demselben Wein sind mit Kräuter angesetzt, welche nach Vorschrift genommen für Ihre Krankheit als Artznei dienen sollen. Nachstehend sehen Sie die Verhaltungsmaßregeln dafür.

Wir haben diesen Wein an einen Freund gesandt gehabt, welcher 10 Stund von hier wohnt und welcher mit seinem Kräuterwein schon viele von der Wassersucht kurirt hat.

Es ist unser sehnlichster Wunsch, daß es auch Ihnen radical kuriren mögte und daß der Kräutersucher seinen Lohn für seine Mühe durch ein Andenken von Ihnen empfangen wird.

Lassen Sie uns doch recht bald von dem Erfolg benachrichtigen.

Von Ihrer Messe sind nun die letzten Bögen in Druck gegeben und solche sind bald fertig zum Versand. – Auch das Quartett in Cis moll ist hier bereits fertig, und wird es nun auch bald in Paris sein. Ueber dieses Quartett haben Sie die Güte mit Bemerkung der Tonart und des Opus einen Schein auszustellen und sogleich zuzusenden, worin Sie uns das alleinige Eigenthum, so wie auch das alleinige Verlagsrecht übertragen, um es sowohl in Paris, als auch inMainz und auch auf allen Orten, wo wir es für gut finden würden, im Stich als unser Eigenthum heraus zu geben, und lassen Sie Ihre Unterschrift gefälligst legalisiren.

Wegen Schlesinger und den andern Pariser Verlegern, kann man sich nicht genug in Achtung und Sicherheit setzen.

Wir rechnen auf diese Gefälligkeit von Ihnen.

Sobald Ihre Kräfte wieder zugenommen haben, hoffen wir auch die Metronomisirung, und werden mit Vergnügen jede Gelegenheit ergreifen um Ihnen nützlich zu sein und von unserer Anhänglichkeit zu überzeugen.


Leben Sie wohl und gesund.

B. Schott's Söhne.


Mittel gegen die Wassersucht.

Gebrauchszettel.


Von dem Kräuterwein wird des Morgens, Mittags und Abends jedesmahl ein Eßlöffel voll genommen, sollte dieses aber zu stark angreifen und [474] man spürte Übel zum Erbrechen, so setzt man immer einen Tag aus und nimmt keinen Kräuterwein; den Tag darauf wieder fortgefahren und das eben gesagte beobachtet.

Wenn das Wasser durch den Urin oder durch den Stuhlgang ganz aus dem Körper fortgegangen ist, so nimmt man des Tages nur 2 Eßlöffel voll. Acht Tage darauf nur einen Eßlöffel voll.

Von der Wurzel (Männertreu) nimmt man 3/4 4. Kapitel. Ende des Jahres 1826 und das Jahr 1827, läßt solche sauber abwaschen und in einer Maß Wasser bis zu 3 Schoppen einkochen, davon trinkt man des Tags 3 bis 4 Tassen.


Essen kann man alles.


Addresse

Sr. Wohlgeboren

Herrn Ludwig van Beethoven

Alservorstadt Nr. 200

in

Wien.«


Das verlangte Dokument wurde, wie wir dem späteren Briefe entnehmen, ausgestellt und in der Caecilia veröffentlicht, es wurde von Breuning und Schindler als Zeugen mit unterschrieben.

Beethoven schrieb noch einmal, ehe die Weinsendung der Firma Schott angekommen war.105


»Wien den 10. März 1827.


Euer Wohlgeborn!


Nach meinem Briefe sollte das Quartett jemanden dedicirt werden, dessen Namen ich Ihnen schon überschickt. Ein Ereigniß findet statt, welches mich hat bestimmen müssen, hierin eine Aenderung treffen zu müssen. Es muß dem hiesigen Feldmarschall-Lieutenant von Stutterheim, dem ich große Verbindlichkeiten schuldig bin, gewidmet werden. Sollten Sie vielleicht die erste Dedication schon gestochen haben, so bitte ich Sie um alles in der Welt, dieß abzuändern, und will Ihnen gerne die Kosten dafür ersetzen. Nehmen Sie dieß nicht als leere Versprechungen allein es liegt mir so viel daran, daß ich gern jede Vergütung zu leisten bereit bin.

Der Titel liegt hier bey.

Was die Sendung an meinen Freund, den Königl. preuß. Regierungsrath v. Wegeler in Coblentz betrifft, so bin ich froh, Sie hiervon gänzlich entbinden zu können. Es hat sich Gelegenheit gefunden, mit welcher alles ihm übermacht wird.

Meine Gesundheit welche sich noch lange nicht einfinden wird, bittet um die erbethenen Weine, welche mir gewiß Erquickung, Stärke und Gesundheit verschaffen werden.

Ich geharre mit größter Hochachtung


Euer Wohlgeboren

ergebenster

Ludwig van Beethoven


[475] Die Weinsendung aus Mainz kam, nach zusammentreffenden Umständen zu schließen, am 24. März an.106

Noch einen anderen alten Freund Beethovens, der ihn in gleicher Weise unterstützte, haben wir hier zu erwähnen, den Baron von Pasqualati, mit dem er so lange zusammengewohnt hatte. Derselbe versorgte ihn mit geeigneten Speisen und mit Wein. Verschiedene kleine Briefe an ihn geben von Beethovens Dankbarkeit Zeugnis.107 Auf dem einen, wohl dem ersten derselben, ist von fremder Hand bemerkt »6. März 1827«.108 Da heißt es:


»Verehrtester alter Freund!


Meinen herzlichen Dank für Ihr Gesundheitsgeschenk; sobald ich von den Weinen den passendsten für mich gefunden, zeige ich es Ihnen an, doch werde ich Ihre Güte so wenig als möglich mißbrauchen; auf die Compote freue ich mich und werde Sie deswegen öfters angehen. – Schon dieses kostet mich Anstrengung – Sapienti pauca – ihr dankbarer Freund


Beethoven


Und weiter, bald nachher109


»Verehrter Freund!


Ich bitte heute wieder um ein Kirschen-Compot, jedoch ohne Citronen, ganz simpel; auch eine leichte Mehlspeise beynahe an Brey erinnernd würde mich sehr freuen, meine brave Köchin ist bis jetzt zu Krankenspeisen noch nicht geschickt. Champagner ist mir erlaubt, nur bitte ich für den ersten Tag mir ein Champagnerglas mitzuschicken. – Nun den Wein betreffend. Malfatti wollte gleich nur Moselwein; allein er behauptete daß kein ächter hier zu haben sei, er gab also selbst Krumbholz-Kirchner110 mehrere Flaßen [sic], u. behauptete, daß dieser der beste sey für meine Gesundheit, da nun einmal kein ächter Moseler zu haben sey. – Verzeihen Sie mir mein beschwerlich fallen, u. schreiben Sie es zum Theil meiner hilflosen Lage zu.


Hochachtungsvoll

ihr Freund

Beethoven


[476] Nicht lange nachher mögen folgende Zeilen geschrieben sein:111


»Verehrter Freund!


Wie soll ich ihnen genug danken für den herrlichen Champagner, wie sehr hat er mich erquickt und wird mich noch erquicken! Für heute brauche ich nichts und danke für alles – was sie sonst noch für ein Resultat in Ansehung der Weine ziehen möchten, bitte ich Sie zu bemerken, ich würde selbst nach meinen Kräften gern vergüten – für heute kann ich nichts mehr schreiben, der Himmel segne Sie überhaupt, und für Ihre liebevolle Theilnahme


an dem Sie hochachtenden

leidenden Beethoven


Ein anderer kleiner Brief, der bei Nohl auch bei diesen späten Briefen steht, stammt wohl aus etwas früherer Zeit:112


»Werther Freund!


Noch immer hüte ich das Zimmer, sagen Sie mir doch gefälligst oder schreiben Sie mirs, wie der heißt und wo er zu finden, der das Hauß schützt? – wenn sie eine Universale Medizin113 besitzen, bitte ich Sie mich zu bedenken Ihren


armen österreichischen Musikanten

und hiesigen Bürger des Bürgerhauses114

L. v. Beethoven.


Für Herrn Baron von Pasqualati.«


Dann haben wir noch folgenden Brief:115


»Verehrter Freund!


Vielen Dank für Ihre gestrige Speise, sie ist auch noch hinlänglich für heute. – Wildpret ist mir erlaubt, Krametsvögel meint der Arzt, seyen gar sehr heilsam für mich. Dies nur zur Nachricht; es braucht unterdessen nicht [477] heut zu seyn. Verzeihen mein gedankenloses Schreiben, ermüdet vom Nachtwachen umarme und verehre ich Sie


als Ihr mit Hochachtung

ergebenster Freund.


Für Seine Hochgebohrn Freiherrn von Pasqualati.«


Und dann noch der folgende, muthmaßlich letzte dieser Briefe:116


»Verehrter Freund!


Meinen Dank für Ihre mir gestern übermachte Speise, wie ein Kind lechzt ein kranker nach so etwas, ich bitte daher heute um das pfirsich compot, andere speisen betreffend muß ich erst den rath der ärzte einhohlen. – Den wein betreffend so finden Sie den Grinzinger vortheilhaft für mich, allen andern aber ziehen sie aber alten Krumpholz Kirchener vor – möge diese Erklärung nur kein Mißdeuten gegen mich bei Ihnen hervorbringen. –


mit herzlicher Hochachtung

ihr Freund Beethoven m/p«117


So unterstützten ihn noch manche; außer Breunings z.B. Streichers, die ihm Wein schickten. Warum sollten ihm die Ärzte länger verwehren, was ihm lieb war? Seine Tage waren gezählt. –

Für die letzte Zeit verlassen uns die Konversationen; in den letzten 14 Tagen wurden Fremde der Regel nach (einzelne Ausnahmen kommen vor) nicht mehr zugelassen. Seine Beschäftigung bildete Lektüre, womit ihn Gerhard von Breuning versorgt, darunter Altklassisches u.a.; dann auch Musikalisches. Wir erwähnten schon seine Beschäftigung mit Händel, im Anschluß an das große Geschenk Stumpffs. Dann machten ihm – wir greifen hier vermutlich in der Zeit etwas zurück – die Kompositionen Franz Schuberts große Freude, mit welchen ihn Schindler damals bekannt machte.118 Schindler hatte früher Schubert als Gesangskomponisten über Beethoven gestellt und dadurch manchen Zorn auf sich geladen; er verteidigte sich dagegen in der Theaterzeitung (3. Mai 1831), [478] wovon Thayer einen Auszug mitteilt, der auch biographisch wichtig ist und der daher hier folgt:


»Da die Krankheit, der Beethoven nach viermonatlichem Leiden endlich doch erlag, ihm vom Anbeginne derselben die gewöhnte Geistesthätigkeit unmöglich machte: so mußte man an eine Zerstreuung für ihn denken, die seinem Geiste und seiner Neigung entsprach. So kam es auch, daß ich ihm eine Sammlung von Schuberts Liedern und Gesängen, ungefähr 60 an der Zahl, und darunter viele damahls noch im Manuskript vorlegte. Dies geschah nicht allein in der Absicht, ihm eine angenehme Unterhaltung damit zu verschaffen, sondern ihm auch Gelegenheit zu geben, Schubert in seiner Wesenheit kennen zu lernen, um eine günstige Meinung von seinem Talente zu bekommen, welches ihm von jenen Exaltirten, die es wohl auch mit andern Zeitgenossen so hielten, verdächtig gemacht wurde. Der große Meister, der früher nicht 5 Lieder von Schubert kannte, staunte über die Zahl derselben, und wollte gar nicht glauben, daß Schubert bis zu jener Zeit (Februar 1827) deren bereits über 500 geschrieben hatte. Aber staunte er schon über die Zahl, so gerieth er in die höchste Verwunderung, als er ihren Inhalt kennen lernte. Mehrere Tage hindurch konnte er sich gar nicht davon trennen und stundenlang verweilte er täglich bey Iphigenias Monolog, den Grenzen der Menschheit, der Allmacht, der Jungen Nonne, der Viola, den Müller-Liedern und andern mehr noch. Mit freudiger Begeisterung rief er wiederholt aus: ›Wahrlich, in dem Schubert wohnt ein göttlicher Funke!‹119 – ›Hätte ich dies Gedicht gehabt, ich hätte es auch in Musik gesetzt!‹, so bey den meisten Gedichten, deren Stoff, Inhalt und originelle Bearbeitung von Seiten Schuberts er nicht genug loben konnte. Ebenso konnte er nicht begreifen, wie Schubert Muße hatte: ›sich über so lange Dichtungen zu machen, wovon manche zehn andere enthält‹, wie er sich ausdrückte. Er wollte damit sagen, Dichtungen, die so lang sind, als zehn andere zusammen; und solche Gesänge im großen Styl hat Schubert allein an hundert geliefert, die keineswegs bloß lyrischen Charakters sind, sondern die weit ausgesponnensten Balladen und dialogischen Szenen enthalten, die, indem sie dramatisch bearbeitet sind, in der Oper selbst am Platze wären, und ihre Wirkung auch dort nicht verfehlen würden. Was hätte wohl der große Meister gesagt, wenn er z.B. die Ossianischen Gesänge, die Bürgschaft, Elysium, den Taucher und andere große, die nun kürzlich erst erschienen sind, zu Gesichte bekommen hätte?120 –Kurz die Achtung, die Beethoven für Schuberts Talent bekam, war so groß, daß er nun auch seine Opern und Klaviersachen sehen wollte; allein seine Krankheit nahm bereits in dem Grade zu, daß er diesen Wunsch nicht mehr befriedigen konnte. Doch sprach er oft von Schubert und prophezeite ›daß dieser noch viel Aufsehen in der Welt machen werde‹, so wie er auch bedauerte, ihn nicht früher kennen gelernt zu haben.«


[479] Das bedauern gewiß alle Nachgeborenen; es ist wirklich ein tragisches Geschick, daß die beiden so hoch begabten Männer, welche dieselbe Stadt in ihren Mauern hegte, sich menschlich und künstlerisch nicht näher getreten sind.

Was nun freilich die menschliche Annäherung betrifft, so haben wir bereits (S. 341) festgestellt, daß sie sich auch schon früher öfter gesehen hatten, als gewöhnlich angenommen wird. Vielleicht war es eine Folge des Eindrucks von Schuberts Kompositionen, was Anselm Hüttenbrenner an Luib schrieb (Mitteilung in Thayers Nachlaß):


»Das weiß ich aber ganz gewiß, daß Professor Schindler, Schubert und ich, ungefähr 8 Tage vor Beethovens Tode, letzterm einen Krankenbesuch abstatteten. Schindler meldete uns beide an, und fragte, wen Beethoven von uns beiden zuerst sehen wollte; da sagte er: ›Schubert möge zuerst kommen‹.«


Warum verschweigt das Schindler?

Von Aufführungen, auch seiner Werke, erzählte man ihm öfter; dabei kamen auch die Aufführungen von Schuppanzigh vor. Da fand einmal Gerhard von Breuning,121 als Beethoven gerade schlief, im Konversationsbuch von irgend einem Besucher die Worte:


»Ihr gestern von Schuppanzigh aufgeführtes Quartett hat nicht angesprochen.«122


Als ihm Gerhard beim Erwachen die Stelle zeigte, sagte Beethoven lakonisch:


»Wird ihnen schon einmal gefallen.«


und fügte dem Sinne nach hinzu, daß er schreibe, wie er es für gut halte und sich durch das Urteil der Gegenwart nicht beirren lasse, mit dem bekräftigenden Worte:


»Ich weiß, ich bin ein Künstler.«


Diese Äußerung des Vertrauens in die Zukunft seiner Werke gewinnt durch die früher einmal getane Äußerung bei dem Andringen der Wirkung der italienischen Musik:


»Nun, den Platz in der Kunstgeschichte können sie mir doch nicht nehmen!«


(Breuning a. a. O. Anm.) eine weitere Verstärkung.

[480] Daß von eigenem Komponieren längst keine Rede mehr war, wissen wir, und erwähnten auch die vergeblichen Versuche der ihn besuchenden Verleger, Haslinger und Diabelli, ihn zum Schreiben zu drängen. Diabelli wird dabei sein Quintett und die vierhändige Sonate im Auge gehabt haben. Nach der Sendung aus England wurde der Entschluß wieder lebendig, eine Symphonie für die Philharmonische Gesellschaft zu schreiben, und er verlangte nach den Skizzen zur 10. Symphonie, besprach sich auch mit Schindler darüber; natürlich wurde daraus nichts. Über eine Notenreihe, die er noch auf dem Todesbette geschrieben haben soll, fehlt uns nähere Nachweisung.

In dem Briefe an Moscheles vom 14. Mai (s. o.) hatte Beethoven geschrieben, daß Hummel in Wien sei und ihn schon einigemal besucht habe. Schindler fügt in seinem Briefe vom gleichen Datum hinzu, daß Hummel mit seiner Frau dort sei, und daß es ein ergreifender Anblick gewesen sei, als die Freunde sich »letzten Donnerstag« [8. März] wiedersahen. Dieser letzte Freundesbesuch wird uns näher gebracht durch die Schilderung des jungen damals 15 jährigen Ferdinand Hiller, welche dieser zunächst in verschiedenen Blättern erscheinen ließ und sie dann in seine gesammelten Aufsätze aufnahm.123 Seine Erzählung ergänzt in rührender Weise, was wir sonst von den letzten Lebenstagen des Meisters wissen, und wird auch von G. v. Breuning als zutreffend anerkannt. Hiller war 1825–27 Schüler Hummels in Weimar, und begleitete 1827 seinen Lehrer auf einer Kunstreise nach Wien. Am 6. März kamen sie dort an. Schon in Weimar hatte man von Beethovens Krankheit gesprochen; in Wien hörten sie die schlimmsten Nachrichten; sein Zustand wurde als hoffnungslos bezeichnet. Am 8. März besuchten sie Beethoven.


»Durch ein geräumiges Vorzimmer, in welchem hohe Schränke dicke, zusammengeschnürte Packen von Musikalien trugen, kamen wir (wie pochte mir das Herz!) in Beethovens Wohnzimmer und waren nicht wenig erstaunt, den Meister, dem Anscheine nach ganz behaglich am Fenster sitzend zu finden. Er trug einen langen, grauen, im Momente gänzlich geöffneten Schlafrock und hohe, bis an die Knie reichende Stiefel.124 Abgemagert von der bösen Krankheit, erschien er mir, als er aufstand, von hoher Statur, er war nicht rasirt, sein volles, halb graues Haar fiel ungeordnet über die Schläfen. Der Ausdruck seiner Züge wurde sehr freundlich und hell, als er Hummels ansichtig[481] wurde, und er schien sich außerordentlich auf ihn zu freuen. Die beiden Männer umarmten einander aufs Herzlichste; Hummel stellte mich vor. Beethoven bezeigte sich durchaus gütig und ich durfte mich ans Fenster ihm gegenüber setzen. – Es ist bekannt, daß die mündliche Unterhaltung mit Beethoven zum Theil schriftlich geführt wurde, er sprach, aber diejenigen mit welchen er sprach, mußten ihre Fragen und Antworten aufschreiben. Zu diesem Ende lagen dicke Hefte gewöhnlichen Schreibpapiers in Quartformat und Bleistifte stets in seiner Nähe. Wie peinvoll mag es für den lebhaften, sogar leicht ungeduldigen Mann gewesen sein, jegliche Antwort abwarten zu müssen, in jeder Minute des Gesprächs eine Pause eintreten zu lassen, während welcher die Denkthätigkeit gleichsam zum Stillstand verdammt war! Auch verfolgte er die Hand des Schreibenden mit begierigem Auge und übersah das Geschriebene mehr mit einem Blick, als daß er es las. Der Lebhaftigkeit des Gespräches that die fortwährende schriftliche Arbeit des Besuchenden na türlich großen Eintrag. – Ich darf es mir selbst kaum übel nehmen, wie sehr ich es auch beklage, alle Aeußerungen Beethovens damals nicht ausführlicher niedergeschrieben zu haben, als es geschehen, ja ich muß mich sogar freuen, daß der 15jährige Knabe, der zum ersten Male sich in einer großen Stadt befand, Ruhe genug behielt, um sich überhaupt Einzelheiten zu notiren. Für die vollkommenste Genauigkeit alles dessen jedoch, was ich wiederzugeben im Stande bin, darf ich mit bestem Gewissen einstehen. – Das Gespräch drehte sich zu Anfang, wie üblich, um Haus und Hof, Reise und Aufenthalt, mein Verhältniß zu Hummel und was dergleichen mehr. Nach Goethes Befinden erkundigte sich Beethoven mit außerordentlicher Theilnahme, und wir durften das Beste melden. Hatte mir doch vor wenigen Tagen noch der große Dichter einige freundliche, auf die Reise bezügliche Verse in mein Stammbuch geschrieben. Ueber sein Befinden klagte der arme Beethoven gar sehr. ›Da liege ich nun schon vier Monat‹, rief er aus ›man verliert zuletzt die Geduld!‹ Auch sonst schien Vieles in Wien nicht nach seinem Sinn und er äußerte sich in der schärfsten Weise über den ›jetzigen Kunstgeschmack‹ und über den ›hier Alles verderbenden Dilettantismus‹. Auch die Regierung, bis in die höchsten Regionen hinauf wurde nicht verschont. ›Schreibe ein Heft Bußlieder und dedicire es der Kaiserin‹, sagte er unmuthig lachend zu Hummel, welcher aber von dem wohlgemeinten Rath keinen Gebrauch machte. – Hummel, der ein praktischer Mann war, benutzte den momentan günstigen Zustand Beethovens zu einer Mittheilung, welche aber längere Zeit erforderte. Es betraf Entwendung eines Konzerts von Hummel, welches unberechtigter Weise vor dem Er scheinen bei dem rechtmäßigen Verleger gedruckt worden war; Hummel wollte sich an den Bundestag wenden, gegen diesen Unfug und da erschien ihm Beethovens Unterschrift von großer Wichtigkeit. Er setzte sich hin, den Gegenstand schriftlich zu erörtern, und mir wurde unterdessen die Ehre zu Theil, das Gespräch mit Beethoven fortsetzen zu dürfen. Ich that mein Bestes und der Meister ließ auch weiterhin seinen wehmüthig-leidenschaftlichen Ergießungen in zutraulichster Weise ihren Lauf. Sie betrafen zum Theil seinen Neffen, den er sehr liebte, der ihm bekanntlich vieles Ungemach bereitete und zu jener Zeit wegen einiger Lappalien (so schien es Beethoven wenigstens anzusehen) – mit den Behörden in Verdrießlichkeiten gerathen war. ›Die [482] kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen!‹ rief er verdrießlich aus.125 Nach meinen Studien sich erkundigend und mich ermunternd sagte er: ›Man muß die Kunst immer fortpflanzen‹, und als ich von dem ausschließlichen Interesse sprach, welches damals die italienische Oper in Wien in Anspruch nahm, brach er in die denkwürdigen Worte aus: ›Man sagt vox populi vox dei, – ich habe nie daran geglaubt.‹

Am 13. März nahm mich Hummel zum zweiten Male mit zu Beethoven. Wir fanden seinen Zustand wesentlich verschlimmert. Er lag zu Bette, schien starke Schmerzen zu haben und stöhnte zuweilen tief auf, trotzdem sprach er viel und lebhaft. Nicht geheirathet zu haben, schien er sich jetzt sehr zu Herzen nehmen. Schon bei unserem ersten Besuche scherzte er mit Hummel hierüber, dessen Gattin er als junges, schönes Mädchen gekannt hatte ›Du‹, sagte er diesmal lächelnd zu ihm ›du bist ein glücklicher Mensch; du hast eine Frau, die pflegt Dich, die ist verliebt in Dich – aber ich Armer!‹ – und er seufzte schwer. Auch bat er Hummel, ihm doch seine Frau zu bringen, die sich nicht hatte entschließen können, den Mann, den sie auf der Höhe seiner Kraft gekannt, so wiederzusehen. Man hatte ihm kurz vorher ein Bild des Hauses geschenkt, in welchem Haydn geboren worden – er hatte es in der Nähe des Bettes und zeigte es uns. ›Es hat mir eine kindische Freude gemacht,‹ sagte er, – ›die Wiege eines so großen Mannes!‹ Ferner wendete er sich mit einem Anliegen an Hummel, den später so viel genannten Schindler betreffend. ›Er ist ein braver Mensch,‹ sagte er ›der sich viel um mich bemühte. Da soll er nächstens ein Concert geben, zu welchem ich ihm meine Mitwirkung versprochen habe. Aber daraus wird nun wohl nichts werden. Nun möchte ich, daß du mir den Gefallen thätest, darin zu spielen. Man muß armen Künstlern immer forthelfen.‹ Hummel gab selbstverständlich seine Zusage. Das Concert hatte denn auch – zehn Tage nach Beethovens Tode – in dem Josephstädter Theater Statt. Hummel phantasirte in offenbar gehobener Stimmung auf das Allegretto derA dur-Symphonie – das Publikum kannte die Veranlassung seines Auftretens, und Leistung und Aufnahme bildeten ein wahrhaft begeisterndes Ganzes.

Kurz nach unserm zweiten Besuche verbreitete sich in Wien die Nachricht, daß die Philharmonische Gesellschaft in London Beethoven hundert Pfund Sterling gesandt habe, um ihm sein Krankenlager zu erleichtern. Man fügte hinzu, daß diese Ueberraschung auf den großen armen Mann einen solchen Eindruck ge macht, daß er sich auch körperlich überaus erleichtert fühle. Als wir am 20sten wieder an seinem Bette standen, ging zwar aus seinen Aeußerungen hervor, wie sehr jene Aufmerksamkeit ihn erfreut, aber er war überaus schwach und sprach nur leise und in abgebrochenen Sätzen. ›Ich werde wohl bald nach oben machen,‹ flüsterte er nach unserer Begrüßung. Aehnliche Ausrufungen kamen öfters wieder; – dazwischen aber sprach er von Entwürfen und Hoffnungen, die sich freilich leider nicht realisiren sollten. Von dem edlen Gebahren der Philharmonischen Gesellschaft redend und die Engländer [483] preisend meinte er, sobald es besser mit ihm stehe, die Reise nach London anzutreten. ›Ich will ihnen eine große Ouvertüre componiren und eine große Symphonie.‹ Und dann wolle er Frau Hummel auch besuchen (sie war mitgekommen) und sich, ich weiß nicht mehr wo überall, aufhalten. Ihm etwas aufzuschreiben, kam uns nicht in den Sinn. Sein Auge, welches das letzte Mal, als wir ihn gesehen, noch ziemlich lebendig gewesen, fiel heute zusammen und es wurde ihm schwer, sich von Zeit zu Zeit aufzurichten. Man konnte sich keiner Täuschung mehr hingeben – das Schlimmste stand zu befürchten.

Trostlos war der Anblick des außerordentlichen Mannes, als wir ihn am 23. März wieder aufsuchten – es sollte das letzte Mal sein. Matt und elend lag er da, zuweilen tief seufzend. Kein Wort mehr entfiel seinen Lippen, – der Schweiß stand ihm auf der Stirn. Als er zufällig sein Schnupftuch nicht gleich zur Hand hatte, nahm Hummels Gattin ihr seines Batistläppchen und trocknete ihm mehrmals das Antlitz damit. Nie werde ich den dankbaren Blick vergessen, mit wel chem sein gebrochenes Auge dann zu ihr hinansah. – Während wir am 26. März im kunstliebenden Hause des Herrn von Liebenberg (der früher Schüler von Hummel gewesen) in heiterer Gesellschaft weilten, wurden wir zwischen 5 und 6 Uhr durch ein starkes Gewitter überrascht. Ein dickes Schneegestöber wurde von heftigen Donnerschlägen und den Saal durchleuchtenden Blitzen begleitet. Wenige Stunden später kamen Gäste an mit der Nachricht, Ludwig van Beethoven sei nicht mehr – er war um 53/4 Uhr verschieden. –«


Es wird dann noch das Begräbnis beschrieben; darauf kommen wir zurück.

Von verschiedenen Seiten sind wir zu Beethovens letzten Tagen gekommen. Die Ärzte wußten längst keine Hilfe mehr; auch die Personen seiner Umgebung konnten sich über die nahende Auflösung nicht mehr täuschen. Es blieb noch einiges zu erledigen. Das Testament mußte seine endgültige Form erhalten. Man hatte Beethoven zu der Erkenntnis gebracht, daß es verhindert werden müsse, daß der Neffe Karl das Vermögen willkürlich etwa zu Gunsten seiner Mutter verwende, während ihm doch nur die Nutznießung verbleiben solle.126 Daher bekam nun der letzte Wille mit Beethovens Zustimmung folgende Fassung:127


[484] »prs. 29. März 1827.


Mein Neffe Karle Soll alleiniger Erbe seyn, das Kapital meines Nachlalaßes soll jedoch Seinen natürlichen oder testamentarischschen Erben zufallen. –


Wien am 23. März 1827.

Ludwig van Beethoven mp


Dieser letzte Wille wurde nach Beethovens Tode gerichtlich niedergelegt, worüber folgender Vermerk aufgenommen wurde:


4. Kapitel. Ende des Jahres 1826 und das Jahr 1827

B


Diese in offenem Umschlage zu Gericht gebrachte von Amtswegen heute kundgemachte letztwillige Anordnung des Ludwig Beethoven aufzubehalten, Abschriften zu ertheilen. –


Vom Wiener Magistrate.

den 29. März 1827.


Schütz mp


Über die Mühe, die die Umgebenden bei den Unterschriften mit Beethoven hatten, erzählt uns Breuning128 näheres.


»Vater, Schindler und Johann bedeuteten dem meist schon in Halbschlummer dahin liegenden somit, daß er etwas zu unterschreiben haben werde, schoben dem nach Möglichkeit aufgerichteten Körper die nöthigen Kissen unter, und, indem mein Vater die eingetauchte Feder ihm jedesmal neu in die Hand richtete, wurden ihm die Schriften, eine nach der anderen, unterbreitet. Der Sterbende, der sonst so kräftig und gleichsam lapidarartig geschrieben, unterschrieb mit wankender Hand mühevoll wiederholt seinen unsterblichen Namen zum letzten Male, zwar leserlich noch, aber jedesmal einen der mittleren Buchstaben seines Namens vergessend, ein Mal das h, ein ander Mal ein e.«


Das war nach Breuning am 24. März.

An jenem 23. März, dem Tage des Testaments, hat Beethoven auch die vielerwähnten Worte gesprochen: Plaudite, amici, finita est comoedia. Nach Schindlers und G. v. Breunings Erinnerung sprach Beethoven diese Worte, als eben die Ärzte nach längerer Beratschlagung weggegangen waren, in Anwesenheit Schindlers, Breunings und des jungen Gerhard, in seiner beliebten sarkastisch-humoristischen Weise, um damit zu verstehen zu geben: »Es ist alles nichts, es ist aus mit dem ärztlichen Latein und wird aus mit dem Leben.« Schindler schreibt in seinem Briefe an Moscheles vom 24. März:


[485] »Gestern sagte er zu mir und Breuning: Plaudite, amici, comoedia finita est


– gestern, also den 23. März. Dieses Datum entzieht der frivolen Verdächtigung, als habe Beethoven diese Worte nach dem Empfang der Sterbesakramente (24. März) gesprochen, allen Boden. Das würde, wie auch G. v. Breuning richtig urteilt, Beethovens geradem Charakter und den wirklich bei diesem Anlasse gesprochenen Worten vollständig widersprechen.129

Auf den 23. März fiel auch der dritte Besuch Hummels und seiner Gattin. Frau Hummel erzählte davon einer jungen Freundin, worüber diese an Thayer berichtet:130


»Frau Kapellmeister Hummel zeigte mir eine Haarlocke u. sprach: 1827 war ich mit meinem Manne in Wien u. schnitt diese Haarlocke eigenhändig Beethoven drei Tage vor seinem Tode ab. Diesen Zweig Lorbeer behielt ich als Andenken aus dem Kranz, den mein Mann das Vorrecht hatte, ihm als Einheimischer u. doch als Fremder auf seinem letzten Gange zu geben.«


Sie zeigte ihr auch eine Feder und erzählte ihr:


»Diese Feder hat Beethoven zuletzt benutzt, als er dem Musikalienhändler Schott in Frankfurt, der ihm Wein geschickt hatte dankte:131 Beethoven hatte kurz vor seinem Tode Appetit nach einem Glase Wein, u. mit der Erlaubniß des Arztes fragte ihn mein Mann: ›Willst du ein Glas Wein?‹ Laut u. vernehmlich antwortete Beethoven ›Ja‹ u. ich schenkte ihm das Glas ein, er konnte es leider nicht mehr hinterschlucken. Mit meinem eigenen Taschentuch wischte ich ihm den Todesschweiß von der Stirn.«132


Beethovens Todesstunde kam sichtlich näher, das war wohl auch das Ergebnis der Besprechung der Ärzte, auf welches jene Worte Beethovens [486] Bezug nehmen sollten.133 Die ihm Näherstehenden wünschten, daß er mit den Sterbesakramenten versehen werde. Über die Frage, durch wen die Aufforderung hierzu an ihn gelangte, haben wir zwei Überlieferungen. Der Bruder Johann erzählt in der früher erwähnten Erinnerung, die Ärzte, die ihn am 16. März verloren gegeben, hätten ihn wenige Tage nachher ersucht, sich mit Gott zu versöhnen, »welches er auch that mit der größten Bereitwilligkeit.« Damit können wir zusammenhalten, was Wawruch in dem ärztlichen Rückblick erzählt. Derselbe hatte ihn auf das Bevorstehen des verhängnisvollen Tages aufmerksam gemacht, »damit er den Pflichten des Bürgers und der Religion Genüge leiste.«


»Mit der zartesten Schonung schrieb ich ihm die mahnenden Worte auf ein Blatt Papier (denn nur so machten wir von jeher uns einander verständlich). Beethoven las das Geschriebene mit einer beispiellosen Fassung langsam und sinnend, sein Gesicht glich dem eines Verklärten; er reichte mir herzlich und ernst die Hand und sagte: ›Lassen Sie den Herrn Pfarrer rufen.‹ Nun wurde er still und nachdenkend und nickte mir sein ›Ich sehe Sie bald wieder‹, freundlich zu. Bald darauf verrichtete Beethoven mit frommer Ergebung, die getrost in die Ewigkeit blickte, seine Andacht und wandte sich zu den ihn umgebenden Freunden, mit den Worten: ›Plaudite amici finita est comoedia!‹«


Daß es ein völliger Irrtum Wawruchs ist, Beethoven habe diese Worte gleich nach dem Empfang der Sterbesakramente gesprochen, wurde schon bemerkt. Wawruch war bei der heiligen Handlung gar nicht zugegen. Doch macht auch Schindler eine Verwirrung.134 Nach seiner Erzählung war auch er bei jener Angelegenheit beteiligt; nach Erledigung des Testaments


»tags vorher« [den 23.] – »blieb uns nur noch ein sehnlicher Wunsch übrig, ihn mit dem Himmel auszusöhnen, um auch der Welt zugleich zu zeigen, daß er als wahrer Christ sein Leben beendigte. Der Professor Ordinarius [Wawruch] schrieb ihm also auf und bat ihn im Namen aller seiner Freunde, sich mit den heiligen Sterbesakramenten versehen zu lassen, worauf er ganz ruhig und gefaßt antwortete: ›Ich wills.‹ – Der Arzt ging fort und überließ mir, dieß zu besorgen.«


[487] Schindler berichtet dann weiter noch von der Handlung selbst, die mit der größten Auferbauung vorüber gegangen sei; jetzt erst schien Beethoven an sein letztes Ende selbst zu glauben:


»Denn kaum war der Geistliche draußen, als er mir und dem jungen Herrn von Breuning sagte: ›Plaudite amici, comoedia finita est!‹ Habe ichs nicht immer gesagt, daß es so kommen wird?«


Das stimmt also mit Wawruchs Erzählung. Die Form der Erzählung, wenigstens des Schlusses derselben, stimmt aber nicht mit den Tatsachen. Schindler hatte am 24. März an Moscheles geschrieben, gestern (also den 23. März) habe Beethoven jene Worte gesprochen; und zu G. v. Breuning135 sagte Schindler, Beethoven habe es gesagt, als eben die Ärzte nach längerer Beratschlagung einmal eben weggegangen waren, und Breuning bestätigt das aus seiner Erinnerung. Wir dürfen hier also Schindler gegen sich selbst als Zeugen anrufen und sehen mit Bedauern, wie die Verwirrung seines Gedächtnisses schon so früh ihren Anfang nimmt. Wir bedürfen aber hier keiner weiteren Erörterung; für uns steht die Überzeugung fest, der auch G. v. Breuning Ausdruck gab, daß Beethoven jene Worte mit Beziehung auf die heilige Handlung nicht gesprochen haben könne, was der Aufrichtigkeit seines Charakters und dem Ernst seines Wesens vollständig widersprochen haben würde.

Wir haben aber noch ein anderes Zeugnis über diese letzten Tage. Anselm Hüttenbrenner aus Gratz, den wir schon aus früherer Zeit kennen,136 war in jener Zeit nach Wien gekommen, um Beethoven noch einmal zu sehen. Im Jahre 1860 schrieb er an Thayer,137 mit dem er befreundet war; da äußert er sich über die uns hier beschäftigende Angelegenheit so:


»Es ist nicht wahr, daß ich Beethoven gebeten haben solle, sich mit den Sterbesacramenten versehen zu lassen; wohl aber veranlaßte ich auf Ersuchen der Gattin des verstorbenen Musikverlegers Tobias Haslinger, daß Beethoven vom Herrn Johann Baptist Jenger und von der Gutsbesitzerin Frau v. Beethoven auf die zarteste Weise gebeten wurde, sich durch den Empfang des h. Abendmahls zu stärken. – Daß Beethoven zu mir (der ich bei dem Ausspenden der Sterbesacramente am 24. März 1827 Vormittag gar nicht zugegen war) die Worte: ›Plaudite amici! Comoedia finita est!‹ gesprochen haben [488] solle, ist eine reine Erfindung. Auch zu Andern hat Beethoven sicherlich solch eine seinem biederen Charakter zuwiderlaufende Äußerung nicht gethan. Wohl aber erzählte mir Frau v. Beethoven am Todestage ihres Schwagers, daß er nach dem Empfange der Sterbesacramente zum Pfarrer gesagt habe: ›Ich danke Ihnen, geistlicher Herr! Sie haben mir Trost gebracht!‹«138


Wir haben zwei Versionen der Erzählung gebracht und müssen dem Leser überlassen, welche ihm die glaublichere scheint. Ein vorheriges Einvernehmen mit den Ärzten kann ja auch in diesem Falle stattgefunden haben; im ganzen ist uns der zweite Bericht wahrscheinlicher, und was seinen Schluß angeht, betrachten wir ihn als authentisch. Mit der Frage, wohin die Worte Plaudite etc. gehören, sind wir nun fertig.

Am 24. März also empfing Beethoven mit wahrer Erbauung, wie Schindler schreibt, die Sterbesakramente. Anwesend waren nach Nohl139 Schindler, G. v. Breuning, Jenger und Frau van Beethoven. Er sprach dann zum Pfarrer die oben angeführten Dankesworte.

Er erinnerte dann noch einmal, was schon vorher geschehen, an das Eigentumsdokument des Cis-Moll-Quartetts für Schott (Schindlers Mitteilung); diese Unterschrift war seine letzte. Schindler und Breuning vollzogen das Dokument als Zeugen mit. Dann erinnerte er noch an den Dank an die philharmonische Gesellschaft in London und gedachte dabei der ganzen englischen Nation; »Gott wolle sie segnen,« sagte er dabei. Gegen 1 Uhr kam der Wein und der Trank aus Mainz durch Breunings Vermittlung bei ihm an. Schindler stellte die Flaschen auf den Tisch vor dem Bett. Beethoven sah sie und sagte: »Schade, Schade, zu spät!« Das waren seine letzten Worte. Nur löffelweise wurde ihm bis zum Tode der Wein noch eingegeben; er verfiel in Agonie und konnte kein Wort mehr hervorbringen. Gegen Abend, schreibt Schindler, verlor er das Bewußtsein und der Todeskampf begann; derselbe dauerte noch die beiden folgenden Tage.140 G. v. Breuning berichtet (Schwarzspanierhaus S. 108):


»Am folgenden und zweitfolgenden Tag lag der gewaltige Mann unter weit hörbarem Röcheln bewußtlos in voller Auflösung begriffen. Sein [489] kräftiger Körper, seine ungeschwächten Lungen kämpften riesenhaft mit dem hereinbrechenden Tode. Der Anblick war ein schrecklicher. Wußte man gleichwohl, daß der Arme nun nicht mehr leide, so war die Erscheinung doch grauenhaft, zu sehen, daß der Edle nunmehr den zersetzenden Mächten unwiderruflich verfallen, aller geistige Verkehr mit ihm aufgehoben war. Bereits am 25. März war zu erwarten, daß er während der folgenden Nacht enden würde; dennoch fanden wir ihn am 26. noch am Leben, – wo möglich noch heftiger röchelnd als Tags zuvor.« –


Am Nachmittage dieses Tages erhob sich das heftige Gewitter, von dem schon F. Hiller erzählt – während dessen Beethovens Ende eintrat. Wir folgen hier im wesentlichen Anselm Hüttenbrenner, der schon einige Tage in Wien war, und Thayer teils mündlich, teils brieflich über diese letzten Augenblicke berichtete.141


»Als ich am 26. März 1827,« schreibt er, »gegen 3 Uhr Nachmittag in Beethovens Schlafzimmer trat, fand ich da den Herrn Hofrat Breuning, dessen Sohn und die Frau v. Beethoven, Gattin des Johann v. Beethoven, Gutsbesitzers und Apothekers aus Linz,142 dann meinen Freund Joseph Teltscher, Portraitmaler. Ich glaube daß auch Herr Professor Schindler anwesend war.«


Gerhard von Breuning nennt auch noch den Bruder Johann und die Wirtschafterin Sali als anwesend, Schindler einen Krankenwärter aus Wawruchs Klinik. Es ist aber nicht festzustellen, ob alle diese Personen fortgesetzt oder nur vorübergehend dort waren. Nach Hüttenbrenners mündlicher Erzählung begann der Maler Teltscher das Antlitz des sterbenden Beethoven zu zeichnen. Das verletzte Breunings Gefühl und er machte ihm Vorstellungen darüber, worauf jener seine Papiere einsteckte [490] und wegging.143 Dann gingen Breuning und Schindler, zum Teil von dem langen Todeskampfe angegriffen, weg, um eine geeignete Grabstätte zu suchen; auch Gerhard v. Breuning ging später weg, nach Hause. Die Fortsetzung geben wir nach Hüttenbrenners Brief an Thayer.


»In den letzten Lebensaugenblicken Beethovens war außer der Frau v. Beethoven und mir Niemand im Sterbezimmer anwesend. Nachdem Beethoven von 3 Uhr Nachmittag an, da ich zu ihm kam, bis nach 5 Uhr röchelnd im Todeskampf bewußtlos dagelegen war, fuhr ein von einem heftigen Donnerschlag begleiteter Blitz hernieder, und erleuchtete grell das Sterbezimmer (vor Beethovens Wohnhause lag Schnee). – Nach diesem unerwarteten Naturereignisse, das mich gewaltig frappirte, öffnete Beethoven die Augen, erhob die rechte Hand, und blickte mit geballter Faust mehrere Secunden lang in die Höhe mit sehr ernster drohender Miene, als wollte er sagen: ›Ich trotze euch feindlichen Mächten! Weichet von mir! Gott ist mit mir!‹ – Auch hatte es den Anschein, als wolle er wie ein kühner Feldherr seinen zagenden Truppen zurufen: ›Muth, Soldaten! Vorwärts! Vertraut auf mich! Der Sieg ist uns gewiß!‹ Als er die erhobene Hand wieder aufs Bett niedersinken ließ, schlossen sich seine Augen zur Hälfte. Meine rechte Hand lag unter seinem Haupte, meine Linke ruhte auf seiner Brust. Kein Athemzug, kein Herzschlag mehr! Des großen Tonmeisters Genius entfloh aus dieser Trugwelt ins Reich der Wahrheit! – Ich drückte dem Entschlafenen die halbgeöffneten Augen zu, küßte dieselben, dann auch Stirn, Mund und Hände. – Frau v. Beethoven schnitt auf mein Ersuchen eine Haarlocke vom Haupt des Dahingeschiedenen, und übergab sie mir zum heiligen Angedenken an Beethovens letzte Stunde. Darauf eilte ich tief bewegt in die Stadt, theilte dem Herrn Tobias Haslinger die Nachricht von Beethovens Tode mit, und kehrte nach einigen Stunden in meine Heimath Steiermark zurück. –«


Gegen den Schluß heißt es noch:


»Wollen Sie nun, verehrter Freund, sich mit dem begnügen, was ich Ihnen, und nur Ihnen über Beethoven in diesem Briefe mittheile.«


Bei dem entscheidenden Ereignisse halten wir einen Augenblick an, um noch einige Worte über Beethovens Krankheit zu sprechen, welche den Tod herbeiführte und bisher allgemein als Wassersucht bezeichnet wurde. Daß er von dieser im hohen Grade heimgesucht war, wissen wir aus [491] der bisherigen Erzählung; es wurde nur in den früheren Darstellungen nicht beachtet, daß diese Krankheit nicht selbständig auftritt, sondern eine Wirkung oder Begleiterscheinung einer anderen, tiefer liegenden Krankheit ist. Wie ich glaube, hat uns Frimmel von dieser falschen Vorstellung befreit. Er gibt an, Beethoven sei an einer Leberentartung, Leber-Cirrhose, gestorben144 (Frimmel, Beethoven S. 91). Beethoven hatte schon Jahre vorher an der Leber gelitten, 1821 hatte er die Gelbsucht gehabt,145 die ja auch in diesem Organe ihren Sitz hat. In seinem ärztlichen Rückblick hatte Dr. Wawruch gesagt, daß die Krankheitsursache in verjährtem Leberleiden, sowie in organischen Fehlern der Unterleibsorgane ihren Sitz hatte; vorher, als er ihn zum ersten Male schlimmer gefunden, hatte er geschrieben:


»Die Leber bot deutliche Spuren von harten Knoten, die Gelbsucht stieg.« –


In dem Obduktionsbericht des Dr. Wagner, den Seyfried146 veröffentlicht, heißt es:


»Die Leber erschien auf die Hälfte ihres Volumens zusammengeschrumpft, lederartig fest, grünlichblau gefärbt und an ihrer höckerichten Oberfläche, so wie an ihrer Substanz mit bohnengroßen Knoten durchwebt; deren sämmtliche Gefäße waren sehr enge, verdickt und blutleer.«


Schrumpfung der Leber ist es, was die Medizin Leber-Cirrhose nennt. Ich glaube daher hier der Ansicht Frimmels folgen zu müssen, wenn ich auch in einer früheren Darstellung mich der alten Theorie angeschlossen hatte.

[492] Damit verlassen wir diesen Gegenstand und wenden uns wieder unserm Zusammenhange zu.

Breuning und Schindler waren, wie bereits erzählt wurde, weggegangen, um eine geeignete Grabstätte für Beethoven zu suchen. Sie fanden solche auf dem Friedhofe des Dorfes Währing, in der Nähe der Ruhestätte der Familie Vering, welcher Breunings erste Gattin angehört hatte. Durch das Gewitter wurden sie an schneller Rückkehr gehindert. Als sie das Krankenzimmer wieder betraten, rief man ihnen entgegen:


»Es ist vollbracht!« –


Was nun für die Angehörigen und Freunde für die nächsten Tage übrig blieb, waren die Sorgen für das Begräbnis, für die äußere, bildliche Bewahrung seines Gedächtnisses, und, soweit es noch geschehen mußte, für den Nachlaß. In letzterer Hinsicht erzählt uns Breuning (S. 111 ff.) von einer unerfreulichen Szene; die am Tage nach Beethovens Tode, den 27. März vorfiel. Breuning, Schindler, Bruder Johann und Holz waren in Beethovens Wohnung, um nach den hinterlassenen Papieren, besonders nach den für den Neffen bestimmten 7 Bankaktien zu suchen. Man fand sie trotz angestrengten Suchens nicht, und der mißtrauische Johann ließ schon Bemerkungen fallen, als suche man nur zum Scheine. Breuning kam aufgeregt nach Hause und ging Nachmittags wieder hin; da zog Holz zufällig an einem aus einem Kasten vorstehenden Nagel, worauf ein Fach und mit ihm die Wertpapiere herausfielen. Zur Erläuterung und Ergänzung dieser Erzählung dient, was Holz O. Jahn mitteilte:


»B. hatte seine Bankaktien in einem verborgenen Fach eines Schranks von dem nur Holz wußte. An seinem Todtenbett suchte sein Bruder vergeblich zu er fahren, wo sie waren.«


Dazu finde ich auf der mir vorliegenden Abschrift Thayers nach O. Jahns Papieren folgende Bemerkung Schindlers (ebenfalls handschriftlich):


»Johann Beethoven suchte zunächst nach dem Verscheiden die Aktien und da er sie nicht fand schrie er: ›Breuning und Schindler müssen sie schaffen.‹ Holz wurde von Breuning ersucht zu kommen, ob er nicht wisse wo sie verborgen. Er kannte die geheime Lade in seinem alten Schranke darin sie aufbewahrt waren.«147


[493] An demselben Tage nahm Dr. Joh. Wagner die Obduktion der Leiche vor, in Gegenwart des Professors Wawruch. Um das Gehörorgan untersuchen zu können, wurden die Felsenteile der Schläfenknochen herausgesägt und mitgenommen (Breuning Schwarzsp. S. 112).

Der junge Maler Joseph Danhauser, der gerade in Wien anwesend war, erhielt durch Breuning die Erlaubnis, den Gipsabdruck von der Leiche Beethovens zu nehmen. Dies geschah am 28. März. Dies hatte aber für die Bewahrung des Bildes Beethovens nur wenig Bedeutung, da die Aufnahme der Maske nach der Obduktion stattfand, welche das Antlitz sehr entstellt hatte. Danhauser zeichnete an demselben Tage (also nicht »unmittelbar nach dem Tode«) den Kopf Beethovens und lithographierte die Zeichnung selbst; die Lithographie trägt die Aufschrift: »Beethoven, den 28. März an seinem Todtenbette gezeichnet 1827« und links die Bezeichnung »Danhauser«. Auch diese Zeichnung stand unter dem ungünstigen Einflusse des Zeitpunktes, in welchem sie entstand; die Obduktion war vorhergegangen. Danhauser hat für eine Büste, die er modelliert hat, die Maske von 1812 (von Klein) zugrunde gelegt. Zu dem lebenden Beethoven ist Danhauser niemals in Beziehung getreten.148

Am 29. März Nachmittags 3 Uhr war das Leichenbegängnis. Es war eine der großartigsten Kundgebungen, welche man in Wien gesehen.149 Breuning und Schindler hatten die Vorbereitungen getroffen; Einladungskarten erhielt man in Haslingers Musikhandlung. Schon Stunden vorher [494] hatte sich eine große Menschenmenge vor dem Schwarzspanierhause versammelt, und immer strömten neue hinzu; an 20000 Menschen sollen auf dem Platze vor dem Hause gewesen sein. Alle Kunstnotabilitäten hatten sich eingefunden. Die Schulen waren geschlossen;150 zur Aufrechterhaltung der Ordnung hatte Breuning Militär erbeten.


»Der Andrang,« schreibt der Sammler, »war so groß, daß, als endlich selbst der geräumige Hof des Wohnhauses Beethovens die Menge nicht mehr fassen konnte, das Hausthor verschlossen werden mußte, bis der Zug begann. Der Sarg mit dem Leichnam des großen Tonsetzers war im Hofe aufgestellt. Nachdem die Geistlichkeit sich eingefunden hatte, um ihr heiliges Amt zu verrichten, reihten sich die zu dieser Feyerlichkeit geladenen Gäste, Tonkünstler, Sänger, Dichter, Schauspieler, sämmtlich in vollständigem Traueranzuge, mit beflorten Fackeln und Blumensträußen am Arm um die Bahre, und die Sänger stimmten das von dem Verewigten componirte Miserere an. Ernst und hehr schwollen die frommen Töne dieser herrlichen Composition in die stillen Lüfte; der Anblick des Ganzen war imposant, der Sarg mit dem reichgestickten Bahrtuche, die Geistlichkeit, die ausgezeichneten Männer, welche das letzte Geleit ihres Kunstverwandten bildeten, und die Menschenmenge ringsum; alles dies zeigte ein höchst großartiges Ganzes.«


Nach Beendigung des Gesanges wurde der Sarg gehoben und das Tor wieder geöffnet; die Sänger nahmen den Sarg auf ihre Schultern, und trugen ihn bis zur Kirche. Es wurde schwer, den Zug zu ordnen, da die Menge ungestüm nachdrängte; auch die nächsten Leidtragenden – Bruder Johann, Breuning Vater und Sohn, Schindler – konnten nur mit Mühe geeignete Plätze einnehmen. Acht Kapellmeister151 – Eybler, Weigl, Hummel, Seyfried, Kreutzer, Gyrowetz, Würfel und Gänsbacher – hielten die Zipfel des Bahrtuches. Auf beiden Seiten gingen Fackelträger, unter denen Schub ert, Castelli, Bernard, Böhm, Czerny, Grillparzer, Haslinger, Holz, Linke, Mayseder, Piringer, Schuppanzigh, Streicher, Steiner, Wolfmayer und noch andere genannt werden. Auch Mosel und die Zöglinge des Konservatoriums, die Schüler Drechslers, sah man im Zuge. Beim Vorübergehen beim Rothen Hause ertönte Beethovens Trauermarsch aus Op. 26. Durch die zahllose Menschenmenge ging der feierliche Zug nach der Pfarrkirche in der Alserstraße. Hier wurde während der kirchlichen Funktion das Libera nos domine von den Sängern 16stimmig a capella gesungen und die Feier geschlossen. –

[495] Das oben erwähnte »Miserere« und dessen Fortsetzung »Amplius lava me« hatte Seyfried nach den 1812 von Beethoven in Linz auf Glöggls Ersuchen für 4 Posaunen, zum Gebrauch am Allerseelentage geschriebenen 3 Equalen mit Worten versehen und durch Männerchor erweitert. Das »Libera me« hatte Seyfried komponiert.152


»Der Sarg wurde nun,« erzählt der Sammler weiter, »in den mit vier Pferden bespannten Leichenwagen gebracht und nach dem Währinger Kirchhof geführt. Auch dort hatte sich eine große Volksmenge versammelt, um dem Hingeschiedenen die letzte Ehre zu erweisen.«


Da auf dem Friedhof nicht gesprochen werden durfte, hielt der Hofschauspieler H. Anschütz am Eingang vor dem Tore, am Sarge die Grabrede, welche Grillparzer verfaßt hatte; die Zuhörer waren tief ergriffen. Diese Rede darf, wie wir glauben, auch hier nicht fehlen; wir lassen sie daher folgen:153


»

Grillparzer's Worte,

gesprochen am Grabe Beethoven's durch Anschütz.


Indem wir hier am Grabe dieses Verblichenen stehen, sind wir gleichsam die Repräsentanten einer ganzen Nation, des deutschen gesammten Volkes, trauernd über den Fall der einen hochgefeierten Hälfte dessen, was uns übrig blieb von dem dahingeschwundenen Glanz heimischer Kunst, vaterländischer Geistesblüte. Noch lebt zwar – und möge er lange leben! – der Held des Sanges in deutscher Sprache und Zunge; aber der letzte Meister des tönenden Liedes, der Tonkunst holder Mund, der Erbe und Erweiterer von Händel's und Bach's, von Haydns und Mozarts unsterblichem Ruhme, hat ausgelebt, und wir stehen weinend an der zerrissenen Saite des verklungenen Spiels.

Des verklungenen Spiels! Laßt mich ihn so nennen! Denn ein Künstler war er, und was er war, war er nur durch die Kunst. Des Lebens Stacheln hatten tief ihn verwundet, und wie der Schiffbrüchige das Ufer umklammert, so floh er in deinen Arm, o du des Guten und Wahren gleich herrliche Schwester, des Leidens Trösterin, von oben stammende Kunst. Fest hielt er an dir, und selbst als die Pforte geschlossen war, durch die du eingetreten bei ihm und sprachst zu ihm, als er blind geworden war für deine Züge, durch sein taubes Ohr, trug er noch immer dein Bild im Herzen, und als er starb, lags noch an seiner Brust.

Ein Künstler war er, und. wer steht auf neben ihm? Wie der Behemoth die Meere durchstürmt, so durchflog er die Grenzen seiner Kunst. Vom Girren der Taube bis zum Rollen des Donners, von der spitzfindigsten Verwebung [496] eigensinniger Kunstmittel bis zu dem furchtbaren Punkt, wo das Gebildete übergeht in die regellose Willkür streitender Naturgewalten, alles hatte er durchmessen, alles erfaßt. Der nach ihm kommt, wird nicht fortsetzen, er wird anfangen müssen, denn sein Vorgänger hörte nur auf, wo die Kunst aufhört.

Adelaide und Leonore! Feier der Helden von Vittoria und des Meßopfers gläubiges Lied! – Kinder ihr der drei- und vier-getheilten Stimmen! Brausende Symphonie: ›Freude, schöner Götterfunken,‹ du Schwanengesang! Muse der Lieder und des Saitenspiels! stellt euch rings um sein Grab und bestreut's mit Lorbeeren!

Ein Künstler war er, aber auch ein Mensch, Mensch in jedem, im höchsten Sinn. Weil er von der Welt sich abschloß, nannten sie ihn feindselig, und weil er der Empfindung aus dem Wege ging, gefühllos. Ach, wer sich hart weiß, der flieht nicht, sondern steht und stößt ab! Gerade die zartesten Spitzen sind es, die am leichtesten sich abstumpfen oder biegen oder brechen. Das Übermaß der Empfindung weicht der Empfindung aus! Wenn er die Welt floh, so war's, weil er in den Tiefen seines liebenden Gemütes keinen Stützpunkt fand, sich ihr zu widersetzen; wenn er sich den Menschen entzog, so geschah's, weil sie nicht hinauf wollten zu ihm, und er nicht herab konnte zu ihnen. Er war einsam, weil er kein Zweites fand. Aber bis zum Tode bewahrte er ein menschliches Herz allen Menschen, ein väterliches den Seinen, Gut und Blut aller Welt.

So war er, so starb er, so wird er leben für alle Zeiten.

Ihr aber, die ihr unserm Begängnisse gefolgt bis hierher, gebietet euerer Trauer. Denn kein niederdrückendes, ein erhebendes Gefühl ist es, zu stehen am Sarge des Mannes, von dem man sagen darf, wie von keinem: er hat Großes geleistet, und kein Tadel war an ihm. Geht von hier trauernd, aber gefaßt. Nehmt mit euch – eine Blume von seinem Grabe – das Andenken an ihn und sein Wirken. Und wenn euch je im Leben, wie der kommende Sturm, die Gewalt seiner Schöpfungen übermannt, so ruft es zurück, das Andenken an heute, das Andenken an ihn, der so großes geleistet, und an dem kein Tadel war.«


Hier darf noch angeführt werden, daß schon im Trauerhause Castelli ein Gedicht hatte verteilen lassen, ebenso Freiherr von Schlechta am Kirchhofe.154


»Bevor das Grab zugeworfen wurde, zog H. Haslinger drei Lorbeerkränze hervor, welche der ihn zunächst stehende Hr. Kapellmeister Hummel auf den Sarg hinabsenkte:« (Sammler.)


Gesprochen und gesungen wurde nun nicht mehr.


»Aber jeder schien den Ernst des Augenblicks tief zu fühlen, und durch die ganze große Volksmasse zog es wie ein Wehen von Ehrfurcht und Trauer.« (Hiller.)


[497] Die Exequien waren am 3. April in der Hofpfarrkirche der Augustiner, bei denselben wurde Mozarts Requiem unter Mitwirkung Lablaches gesungen. Bei einer weiteren Feier in der Karlskirche am 5. April wurde Cherubinis Requiem aufgeführt. Das Grab wurde durch einen einfachen pyramidenförmigen Stein mit der Aufschrift »Beethoven« bezeichnet.

Nur weniges zum Teil Äußeres mag hier noch folgen. Der treue Freund Stefan von Breuning, der ihm mit so vieler Liebe die letzten schweren Wochen überstehen geholfen hatte, folgte ihm nicht lange nachher in den Tod. Infolge der Gemüthsbewegung, die ihm die im Hause vorgenommene Versteigerung von Beethovens Hausgegenständen verursachte,155 erlitt er einen Rückfall in seiner Krankheit, wurde »leberkrank in schleichend entzündlicher Weise« und starb am 4. Juni 1827.

Über die Auktion gibt Breuning einiges bekannt. So wurde das Grafsche Klavier von dem Fabrikanten zurückgenommen, den Broadwoodflügel wollte Vater Breuning nicht kaufen, weil sein Tonumfang zu gering war.156 Gerhard v. Breuning erhielt u.a. zwei Damenporträts, von denen das eine als das der Gräfin Giulietta Guicciardi durch deren Sohn Graf Gallenberg erkannt wurde.

Die Versteigerung von Beethovens schriftlichem usw. Nachlaß fand am 5. November statt. Wir beschränken uns hier darauf, mitzuteilen, was sich in O. Jahns Aufzeichnungen als Erzählung von A. Fuchs (nach Thayers Abschrift) findet:


»Die Auktion von Beethoven's Nachlaß an eigenen und fremden Compositionen, Skizzenbüchern u. Entwürfen etc. fand statt in Wien am 5. November 1827, am Kohlmarkt No. 1149, hinterer Stiege, 2. Stock, unter der Leitung des Schätzmeisters H. Anton Gräfer.

Der gesammte Betrag des ganzen Erlöses dieser Auction war


1440 fl. 18 kr. C. M.


28/9 1852

A. Fuchs.«


Wer sich über den Bestand dieses Teils des Nachlasses genau unterrichten will, den verweisen wir auf Thayers chronologisches Verzeichnis S, 173.157 Schindler ließ 1844 der Theaterzeitung eine Mitteilung zugehen158 (6. April), aus der wir entnehmen, wie er in den Besitz der [498] handschriftlichen Partitur der Oper Leonore gekommen war. Er und Breuning hatten sie noch bei Beethovens Lebzeiten auf sein Geheiß unter seinen Noten hervorgesucht und sie in großer Unordnung gefunden. Dabei machte Beethoven selbst Scherze über seine häusliche Ordnung und äußerte dabei


»daß dieses sein geistiges Kind ihm vor allen andern die größten Geburtsschmerzen, aber auch den größten Ärger gemacht habe und es ihm daher auch am liebsten sei, und daß er es der Aufbewahrung und Benutzung für die Wissenschaft der Kunst vorzugsweise werth halte demnach es auch dem Hofrath Rochlitz zur Benutzung zugestellt werden solle, falls er es wünsche.«


Breuning sollte die Partitur in seinem Besitz behalten. Da sie ganz in Unordnung war, so veranlaßte Beethoven noch selbst, daß sie in Schindlers Wohnung geschickt werde, um sie in Ordnung zu bringen.


»Als hierauf bald nach seinem Hinscheiden das Mögliche damit geschehen war und ich dies Hr. v. Breuning anzeigte, äußerte er den Wunsch ich möge alles bei mir behalten, da er doch selbst zu wenig von Musik verstehe, ja, ich möge diese Partitur als mein Eigentum betrachten, er glaube damit nur den Willen unseres gemeinschaftlichen Freundes auszusprechen, der so oft gegen ihn beklagt hatte nicht im Stande zu sein, eine ihm durch so viele Jahre erwiesene Liebe und Aufopferung zu vergelten.«


Nach Schindler hätten Breuning und Bach Beethoven gebeten, Legatar im Testamente zu werden, er aber habe es abgelehnt und gesagt, er habe nichts als »alte Noten« zu geben, und habe die Freude nicht verstanden, welche Schindler an dem Geschenke der Partitur der neunten Symphonie gehabt habe. Nach dem Tode Breunings gab Frau von Breuning die ganzen Papiere an Schindler.

Vorstehend haben wir die Sache nach Schindler erzählt, da sie einmal mit Beethovens Todeszeit zusammenhängt, können sie aber hier nicht weiter verfolgen. Nur das sei noch erwähnt, daß Schindler in der Biographie (I S. 129) nur erzählt, Beethoven habe ihm »kurz vor seinem Ableben« die ursprüngliche Fidelio-Ouvertüre (in der Reihenfolge die zweite) samt allen vorhandenen Teilen der Oper übergeben, mit dem ausdrücklichen Wunsche, für Aufbewahrung des ganzen Konvoluts an einem sicheren Ort besorgt zu sein. Seit 1845 befinde es sich in der Königlichen Bibliothek zu Berlin.

Nach dem Tode Stephans von Breuning wurde der uns schon aus dem Vormundschaftsprozesse bekannte Jacob Hotschevar wieder gerichtlich bestellter Vormund des Neffen. Unterm 20. September erließ [499] er in der Theaterzeitung (erschienen am 6. Oktober) eine »Nachricht an Ludwig van Beethovens Gönner, Freunde und Verehrer«, welche so beginnt:159


»Die gerechteste Hochachtung, die der Unterzeichnete für die hohen Gönner, vielen Freunde und Verehrer des der musikalischen Welt durch den am 26. März 1827 erfolgten Tod zu früh entrissenen Tonsetzers Hrn. van Beethoven hegt, bewegt ihn, selbst anzuzeigen, daß man berechtigt ist, bald eine der großen Kunsttalente Beethovens würdige Biographie desselben zu erwarten. Dieser Nachricht fügt er die Bemerkung bey, daß die so eben im Druck erschienene Biographie Ludwig van Beethovens von Hrn. Joh. Al. Schlosser (herausgegeben zur Erwirkung eines Monuments für dessen Lehrer Jos. Haydn) mit mancherlei wesentlichen Unrichtigkeiten angefüllt ist.«


Er wendet sich gegen die Behauptung Schlossers, das Begräbnis Beethovens sei auf Kosten der Freunde besorgt worden, damit die Erbschaft des Neffen durch die Kosten nicht vermindert werde.


»Indem,« sagt Holschevar, »die von dem inzwischen auch verstorbenen Vorgänger des Unterzeichneten in der Vormundschaft, dem K. K. Hofrathe von Breuning geführte Rechnung über den aus der Nachlassenschaftsmasse zur Bestreitung der Auslagen erhaltenen Vorschuß, und die dieser Rechnung zum Grunde liegenden, in den Händen des Gefertigten sich befindenden Documente den Beweis liefern, daß er die Leichenbegängniß- und Krankheitskosten, und zwar die erstern allein in einem Betrage von mehr als 350 fl. C. M., aus dem geringen, überdieß mit einer beschränkenden letztwilligen Substitution belasteten Nachlaß L. v. Beethovens bestritten habe, wozu es kommt, daß diesem Nachlasse noch eine andere eben auch nicht geringe Grabmalsauslage nebst manchen andern, jetzt erst in Anspruch genommenen Passiven, drohet.«


Schindler schreibt an Smart am 31. März160, daß Breuning und er aus den 100 Pfund, die aus England an Beethoven gekommen waren, gegen Rückerstattung die Kosten des Leichenbegängnisses bestritten hätten.


»Sonst hätten wir ihn nicht anständig beerdigen lassen können, ohne eine von den 7 Bankaktien, worin der ganze Nachlaß besteht, verkaufen zu müssen.«


Die hier erwähnte Biographie Schlossers erschien in Prag 1828; das Datum der Vorrede lautete aber vom Junius 1827. Der Biograph, den Holschevar hier in Aussicht stellt, könnte Schindler sein; doch können wir hierüber nichts sicheres wissen.161 Schindler schrieb an die Theaterzeitung [500] am 3. August 1827 (erschienen 11. August), daß Beethoven, wohl ahnend, daß manche beanspruchen würden seine Biographen zu werden und dann alle möglichen Anekdoten über ihn erzählen würden, selbst einige seiner vertrauten Freunde angewiesen habe, was für diesen Zweck zu tun sein werde.


»Er übergab ihnen daher Vieles, sein Leben als Künstler und Mensch betreffend, mit dem ausdrücklichen Wunsch, wenn es einst die Zeit gestattet, nach ihrer Einsicht den besten Gebrauch davon zu machen.« – –


Unsere Aufgabe, im Anschluß an Thayer nach den zu Gebote stehenden zuverlässigen Quellen das Leben des großen Mannes zu erzählen, scheint uns hiermit beendet zu sein. Wenn wir dabei auch über die Werke, die in die von uns behandelten Perioden fallen, uns zu äußern hatten, so konnte es doch nicht unsere Absicht sein, danach jetzt ein Gesamtbild seines künstlerischen Schaffens zu versuchen; dieses zu entwerfen und daneben die Quellen seines fortgesetzt steigenden Einflusses aufzudecken, überlassen wir berufenern Händen. Das wissen wir, daß wer nur immer in Deutschland Musik übt, zu Beethoven sein Verhältnis hat, und daß die Wirkung, die derselbe fort und fort auf Tausende ausübt, bei keinem annähernd wiederkehrten. Er kennt die Regungen des menschlichen Gemütes nach allen Richtungen, in Freude und Schmerz, in Leidenschaft und demütiger Ergebung, in Furcht und Hoffnung, und weiß ihnen, als Herrscher im Reiche der Tonwelt, von seiner unerschöpflichen Phantasie unterstützt, immer den treffendsten tonlichen Ausdruck zu geben. Wer sich ihm mit ganzer Hingabe nähert, muß nicht bloß von der hohen Schönheit der Melodie, sondern auch von der vollen Wahrheit des Ausdrucks aufs tiefste ergriffen werden. Denn die Wahrheit, welche ihm im Leben Richtschnur war, beherrscht auch sein künstlerisches Walten. Dabei stehen wir mit immer erneuter Bewunderung vor der Unermüdlichkeit, mit welcher er bis ins Kleinste arbeitet und schafft, vor der Stärke und Festigkeit des Willens, mit welcher er seine künstlerischen Intentionen ins Leben ruft. Der Rückblick auf die Lebensschicksale der letzten Jahre setzt diese nachhaltige Energie des Wollens in noch helleres Licht, wir sehen mit Freude und Genugtuung, wie ihm das Ungemach der letzten Jahre die Wonne des Schaffens nicht hat rauben können.

Das dankt ihm die Nachwelt. Wir haben die Zuversicht, daß Beethovens Schaffen den kommenden Geschlechtern eine dauernde Quelle nicht nur des Genusses, sondern der Erhebung und der Belehrung sein wird. Das herrliche Vermächtnis, welches er uns Deutschen in seinen Werken [501] hinterlassen hat, bleibt uns ein unversieglicher Schatz, an welchem wir unser Gemüt erfrischen und erheben, an welchem wir unsern Schönheitssinn läutern und befestigen, und an welchem auch die Nachschaffenden fort und fort zu lernen haben.

Mit diesen Hoffnungen dürfen wir schließen. Wir scheiden von einem der größten Künstler und edelsten Menschen, die je gelebt haben; uns bleibt die Pflicht, sein Gedächtnis im Sinne dieser Hoffnungen in Ehren zu halten, durch Studium und Hören seiner Werke ihm unsere immerwährende Dankbarkeit zu bewähren und das Bewußtsein seiner Größe bei uns und andern lebendig zu erhalten. Seinesgleichen haben wir, seit er von uns geschieden, nicht gesehen.

Fußnoten

1 Später ist er einmal zum consilium gekommen.


2 Thayer hatte Abschrift einer Abschrift von O. Jahn, der ich folge. Den Brief veröffentlichte Nohl (Br. B. Nr. 385) mit dem Zusatze, daß Baron von Redern in Danzig das Original besitze. – Bis zu dem Striche vor den Noten ist nichts von Beethovens Hand.


3 Ein Zettel auf der K. K. Bibliothek in Wien enthält dasselbe aber etwas abweichend in den Noten und mit Violinschlüssel. Vgl. Thayer chronol. Verz. Nr. 277. Auch Nohl (Beethoven, Lißt und Wagner S. 110) erwähnt das Stück nach einer Mitteilung von Holz an Frau Linzbauer. Er nennt es, wohl auch nach Holz, einen Versöhnungskanon. Dann bezöge es sich auf ein Ereignis, welches wir nicht kennen. Daß das vorhandene kein Kanon ist, sieht Nohl richtig. (Wenn die obige Lesart richtig ist, so kann sie mit einem Takt Abstand als 2stimmiger Kanon im Einklang wohl passieren. H. R.) In Kirnbergers »Kunst des reinen Satzes« steht auf dem Titelblatt ein (ganz verschiedener) dreistimmiger Rätselkanon auf dieselben Worte, der wohl Beethoven in der Erinnerung war.


4 Das war auch Thayers Ansicht, nach einer Bemerkung in seiner Abschrift des Konversationsbuches.


5 In diesem Abschnitte sind aus dem Konversationsbuche wiederholt Blätter entfernt.


6 Wawruchs »ärztlicher Rückblick auf Ludwig van Beethovens letzte Lebensepoche«, bald nach Beethovens Tode geschrieben (vom 20. Mai 1827 datiert), wurde nach Wawruchs Tode durch Aloys Fuchs in der »Wiener Zeitschrift« (30. April 1842, Schindler II S. 296) veröffentlicht und ging dann in andere Blätter über. Wieder abgedruckt ist er bei Nohl, Beethoven nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen, S. 247 ff. In Thayers Nachlaß finde ich eine Abschrift des Aufsatzes.


7 (Bluthusten, Seitenstiche.)


8 Sie stammen aus Mitteilungen von Wawruchs Schwiegersohn, Dr. Mayer, welche Thayer von G. v. Breuning erhalten hatte.


9 Dr. Bertolini an O. Jahn: »Beethoven trank gern ein Glas Wein, aber er war nie ein Trinker, ebensowenig ein Gourmand.«


10 Schindler wollte sogar in seinen handschriftlichen Bemerkungen ein Gerede auf Holz zurückführen, wonach Beethoven sich durch übermäßiges Weintrinken die Wassersucht zugezogen hätte. Das wußte nun wohl Holz besser, der die ganze letzte schwere Zeit bei Beethoven durchgemacht hatte. – Die Worte, die Schindler als noch von Wawruch herrührend anführt: »sedebat et bibebat« finde ich nicht in dem ärztlichen Rückblick.


11 Erst nach dieser Aufzeichnung erscheint Schindler im Konversationsbuch; man sieht aus seinen Worten, daß es sein erster Besuch nach der Reise war.


12 Das wäre also der 12. Dezember gewesen.


13 Nach unserer Kenntnis kann sich das nur auf den Neffen beziehen. Oder hatte vielleicht eine Szene mit dem Bruder stattgefunden, der in diesen Tagen nach Wien gekommen war?


14 Hier muß noch einmal betont werden, daß Wawruch in demselben Aufsatze, in dem er auch von der Lungenentzündung gesprochen, die tiefere Natur der Krankheit richtig bezeichnete. Der Krankheitsstoff, sagt er nach der Operation, habe schon jahrelang in ihm gesteckt. In dem Obduktionsbericht, den wir bei Seyfried (Anh. S. 49) lesen, heißt es: »Die Leber erschien auf die Hälfte ihres Volumens zusammengeschrumpft usw.« Das ist, was die Medizin Leber-Cirrhose nennt. Diese gibt Frimmel nach Kabdebos Kunstchronik als die Todesursache an (S. 91).


15 In dem Auktionskatalog (Thayer chron. Verz. S. 162) waren die »40 Franzbände« aufgeführt. T. Haslinger kaufte sie (Schindler II S. 140).


16 Nach Nohl (III S. 744) war dieselbe aus Gneixendorf mitgebracht. Darüber habe ich in den Konversationen nichts gefunden; es wird aber richtig sein, da der Name sich auch in den Gneixendorfer Unterhaltungen einmal findet. Vgl. auch S. 330.


17 Breuning hat ihn, gleich nachdem er die Ankunft erfahren, besucht, wie auch Gerhard v. B. erzählt. Darin trat nun eine Unterbrechung ein, da Breuning bald nachher selbst erkrankte.


18 Wir glauben im Folgenden von den Konversationsbüchern ausgiebig Gebrauch machen zu dürfen.


19 Dieser Adjutant war, wie wir Schindler entnehmen, Hauptmann von Montluisant, dem Karl zu besonderer Unterweisung übergeben wurde. Das Konversationsbuch nennt keinen Namen. Später nennt Breuning im K.B. den Hauptmann in Iglau Montluisant, das war dann wohl derselbe.


20 Was sonst Persönliches in diesen Einzeichnungen steht, können wir hier nicht eingehend wiedergeben. So möchte Karl einmal ins Theater gehen, Beethoven scheint dagegen, Karl ist bereit, es zu unterlassen. Übrigens scheinen diese Unterhaltungen kurz vor dem 10. Dezember stattgefunden zu haben, an welchem Tage die oben erwähnten Aufführungen stattfanden.


21 Was sonst noch hier steht, muß übergangen werden. Karl erzählt, daß er in einem Bierhause gewesen; da kommt die Bemerkung vor, die wir schon einmal lasen: daß Holz stark trinke. – Es scheint auch wieder zu Vorwürfen von seiten Beethovens zu kommen, gegen welche der Neffe sich zur Wehr setzt. Leider ist gerade hier das Konversationsheft wieder lückenhaft. Insbesondere verteidigt sich Karl dagegen, daß er für die Pflege Beethovens etwas versäumt habe.


22 Am 12. Dezember nach Karls späterem Briefe.


23 Bei diesen Verhandlungen sagt Karl einmal: »Heut ist Samstag.« Das war der 30. Dezember.


24 Karl hatte mit einem andern Chirurgen, Zang, gesprochen, der aber erst am Sonntag (den 24.) kommen wollte. Es wurde ihm ein Absagungsschreiben geschickt.


25 Schindler?


26 Nach einer Aufzeichnung bei Thayer.


27 In seinem Rückblicke sagt Wawruch: »Die Flüssigkeit betrug 25 Pfund, doch der Nachfluß gewiß fünfmal soviel.«


28 Hierüber ist Mitteilung gemacht in der früher schon erwähnten Schrift von Dr. Faust Pachler »Beethoven und Marie Pachler-Koschak« Berlin 1866 S. 22 ff.


29 Die Briefe kamen aus Beethovens Nachlaß in Schindlers Besitz und sind jetzt auf der Berliner Bibliothek. Abschrift in Thayers Nachlaß.


30 Ich folge im wesentlichen Thayer.


31 Über die Gesellschaft der »Ludlamshöhle« kann man sich aus Castellis Memoiren unterrichten.


32 »E. sch.« (Einlösungsscheine) bei Pachler. Übrigens steht hier Jenger vermutlich unter dem Einflusse von Schindler, unterstützt vielleicht durch eigene unmutige Äußerungen Beethovens.


33 Wir wissen, daß das in dieser Allgemeinheit nicht richtig ist.


34 Nicht ganz genau, es müßte denn der Brief zwei Tage früher geschrieben sein.


35 Dies in Verbindung mit den nicht lange vorhergegangenen Anspielungen auf Holz' Liebesleben scheinen zu ergeben, daß Holz in dieser Zeit heiratete. Darum kommt er in dieser Zeit auch seltener. Von einem Bruche ist keine Rede.


36 Es wird erzählt, daß er den Walter Scott wegwarf mit den erbitterten Worten: »Zum Teufel mit der Schmiererei! Der Kerl schreibt doch blos um das Geld!«


37 Es wird die Menge Salep-Dekokts angeführt, die Beethoven habe nehmen müssen. Wawruch berichtet, daß Beethoven fast keine Medikamente vertrug, »wenn man die leicht und sanft auflösenden ausnimmt«, und daß seine Eßlust mehr und mehr abnahm.


38 Abschrift des Briefes aus den Gerichtsakten befindet sich in Thayers Nachlaß. Der Brief steht bei Nohl Br. B. Nr. 386; das Original in Schindlers Beethoven-Nachlaß (Berlin).


39 Abschrift in Thayers Materialien, aus Schindlers Nachlaß.


40 So in der Abschrift. Es heißt vielleicht »ist«.


41 Es kam auch zu einer Besprechung, Beethoven befolgte aber den Rat nicht. Man sehe unten die endgültige Fassung des Testaments, wonach Carl wenigstens während seines Lebens das Kapital nicht antasten soll (S. 451. 484). Die Ratgeber wollten vielleicht die Mutter, soweit sie konnten, zurückhalten oder ausschließen.


42 Der Brief aus Schindlers Nachlaß, in Thayers Kopien. Den Brief Beethovens, auf den Karl hier antwortet, haben wir nicht; er selbst aber hatte, wie wir sehen, schon einmal geschrieben.


43 Schindlers Nachlaß. – Abschrift bei Thayer.


44 Beethoven hatte also inzwischen geschrieben; auch Karl hatte noch weiter geschrieben, in Betreff von Geld wie es scheint.


45 Samstag den 6. Januar.


46 Aus Graz vom 1. Januar.


47 Schon am Anfang seiner Äußerung, vor den obigen Worten über Seibert, hatte Schindler über Wawruch gesagt: »Er versteht sein Fach, das ist bekannt, und hat Recht wenn er hier seinen sichern Weg geht. – Ich habe viel Vertrauen auf ihn, allein ich kann hierin nicht aus Erfahrung sprechen. Aber er ist als tüchtiger Arzt bekannt und geschätzt von seinen Schülern. – Da es sich aber hier um ein carum caput handelt, so war mein Rath anfangs gleich, einen Arzt stets mit zu Rathe zu ziehen, der Ihre Constitution aus ärztlicher Behandlung kennt-ein solcher schlägt dann auch gewöhnlich ganz andere Wege ein.«


48 Abschrift in Thayers Nachlaß. Gedruckt bei Dr. Faust-Pachler S. 25 a.a.O.


49 Dieser Satz fehlt bei Thayer.


50 Über die mögliche Zeit dieses Besuches s. S. 446 ff.


51 Über die früheren Beziehungen Beethovens zu Malfatti vgl. II S. 340. Nohl Beeth. II S. 253, 401, 433. Danach war er schon 1813 sein Arzt, die Bekanntschaft aber älter, auch wohl die ärztliche. In dem Briefe an die Gräfin Erdödy vom 19. Juni 1817 (s. IV S. 27, Nohl N. Br. Nr. 165) spricht er von einem Wechsel der Ärzte, der seinige sei »ein pfiffiger Italiener«. Nohl vermuthet, das sei Dr. Malfatti; das wird durch eine Bemerkung Schindlers auf den gleich zu erwähnenden Brief sicher gestellt, der auch das Jahr 1817 nennt. S. u. S. 448.


52 Schindler stellt in Abrede, daß Beethoven damals am Saul arbeitete. Thayer aber betont die Wahrhaftigkeit Wawruchs an dieser Stelle, weil das Geschenk von Händels Werken gerade damals gekommen sei (vgl. auch oben S. 437).


53 Dieselbe steht im Frankfurter Konversationsblatt vom 14. Juli 1842. Ich benutze einen Auszug daraus in Thayers Nachlaß.


54 Nach Wawruchs Rückblick müßte es heißen »angebothen«. In der That blieb Wawruch der anordnende Arzt.


55 Schindler sagt dann weiteres über Malfattis Verordnung, worauf wir noch zurückkommen.


56 Der Brief in Abschrift bei Thayer. Thayer bezeichnet ihn mit Nr. 76. Nach Nohl (Musik. Skizzenbuch S. 248) in Schindlers Beethoven-Nachlaß.


57 Der Zettel befindet sich in Berlin; abgedruckt bei Kalischer Neue Beeth. Br. S. 143. Ich habe ihn ebenfalls kopiert. Darüber ist geschrieben (wohl von Schindler): »Beethovens letzte Zeilen an Schindler vom 17. März 1827«. Er beginnt so: »Wunder ÷ ÷« usw. Als die beiden Herrn bezeichnet Schindler Wawruch und Seibert. Der Zettel trägt, nach meiner Aufzeichnung, von Beethovens Hand kein Datum.


58 Kalischer macht auf den Widerspruch aufmerksam, daß Schindler auch die obigen Zeilen die letzten Beethovens an ihn nennt, und erklärt dies so, daß Schindler nur den Brief vom Februar, im Gegensatz zu obigen kurzen Zeilen, einen Brief nennen wollte.


59 A. d. Schwarzspanierhaus S. 91.


60 Die dritte Operation wird hier offenbar mit der zweiten verwechselt.


61 Das war wohl das sogenannte »Heublumenbad«, dessen bereits Erwähnung geschah, und von dem auch im Konversationsheft gesprochen wird. Von einem andern lesen wir nichts. Bei diesem war Malfatti auch beratend tätig. Ganz genau sehen wir hier nicht. Auch Bruder Johann wird hier genannt, dem man übel nimmt, daß er sein Heu wie es scheint nicht hergeben will, der aber doch Erklärungen zu dem Bade gibt. Zusatz des Herausgebers: Ein K.B. vom Ende Januar (Johann schreibt: heute ist der 25. Jänner) gibt vielleicht einen Anhalt, wie Malfatti auf das Heublumenbad verfallen ist. Schindler schreibt nämlich: »Die Mutter der Schechner ließ mich heute morgens zu sich rufen und bath mich Ihnen 2 Mittel die sie bei ihrem Vater in ähnlicher Krankheit erprobt hat an die Hand zu geben, die außerordentliche Wirkung machen sollen... Das erste ist der Thee von Wachholderbeeren... Der Arzt des verstorbenen Königs von Bayern hat sie der Schechner angeordnet – ihren 70jährigen Vater der durch 3 Wochen das Miserere hatte – hat es ganz gerettet. – Es ist nichts zum Einnehmen, es sind Kräuter, die gesotten werden und deren Dunst die Aftertheile ganz erweichen und heilen. – Die Ärzte werden freilich Nein dazu sagen.


1 süßer Krautkopf

2 handvoll Kümmel

3 handvoll Heublumen.

Dieses zusammen gesotten.«


62 Übrigens erscheint auch Malfatti nicht überall ganz sicher.


63 Derselbe fängt am 28. Januar ein neues Abonnement an.


64 Wir wissen, daß dies nicht richtig ist.


65 Nach Schindlers Bemerkung im K.B. führte er außerdem sein Amt und seine Lektionen an.


66 Holz stand nicht gut mit Piringer.


67 Auch Nohl (Musik. Skizzenb. S. 246) gibt den 2. Febr. an, wie er sagt, nach einer eigenen Einzeichnung Beethovens; ich habe dieselbe nicht gesehen.


68 Auch dieser Brief, nach dem Original im Besitze von Frau van Beethoven, abschriftlich in Thayers Nachlaß. Mitgeteilt von Nohl Musik. Skizzenbuch S. 251.


69 Der Brief steht in Wegelers Notizen S. 52. Abgedruckt auch bei Nohl Br. B. Nr. 387. Er ist von Beethoven nur unterschrieben.


70 Wegeler merkt hier an, er habe ihn »in so weit sein Gedächtniß ihm noch treu sei« an Blumauer erinnert, der nach derselben Krankheit noch lange gelebt habe. Davon steht nichts in Wegelers Brief.


71 Diesen Brief haben wir nicht.


72 Auf dem Porträt steht über seinem Namen von Beethovens Hand: »›Meinem vieljährigen, geehrten, geliebten Freunde F. G. Wegeler‹, ein Datum ist dabei nicht bemerkt.« (Wegeler.)


73 »Anfang des bekannten Lieds: ›Zu Steffen sprach im Traum‹ usw.« (Wegeler.)


74 Mit der Sendung an Wegeler gab es ein wunderliches Mißverständniß, wovon die Konversationshefte berichten.


75 Der Brief, mit Bleistift geschrieben, befand sich nach Thayer im Besitze des Superindenten Bauer in Wien. Thayer hatte Abschrift. Veröffentlicht wurde er von Nottebohm in der Allg. Musik. Ztg. 1870 S. 38, dann von Frimmel Neue Beeth. S. 152.


76 S. o. S. 425.


77 Der Brief nach Stumpffs Papieren abschriftlich in Thayers Nachlaß. Nur zum Teil teilte ihn Nohl mit, Neue Br. Nr. 316, ohne bestimmte Angabe der Quelle, vielleicht nach dem Diktat bei Schindler.


78 Auch diese Zeitungsnotiz schrieb Stumpff ab. Sie war aus der Modenzeitung. (Thayer)


79 So erzählt Schindler II S. 138.


80 Abschrift nach Schindlers Konzept bei Thayer. Nicht vollständig bei Nohl Br. Nr. 388.


81 Die Worte »Ich wollte« bis »deutsch zu schreiben« sind in der vorliegenden Abschrift des Konzepts mit Blei durchstrichen, stehen aber in der noch zu erwähnenden englischen Veröffentlichung, waren also doch wohl geschrieben.


82 Der Brief in Thayers Nachlaß nach einer Abschrift Luibs. Schindler teilte ihn (II S. 139, nicht vollständig) mit, ebenso Nohl Br. B. Nr. 389.


83 Im Jahre 1871 veröffentlichte die Gesellschaft eine Broschüre unter dem Titel: Documents, Letters etc., relating to the bust of Ludwig van Beethoven, presented to the Philharmonic Society of London by Frau Fanny Linzbauer (nee Tonsing). Translated and Arranged for the Society by Doyne C. Bell. London: Published for the Philharmonic Society by Cock and Co. 63., New Bond Street, W. 1871. Dabei befanden sich auch die Briefe an Moscheles usw., in englischer Übersetzung. Ich finde diese Publikation in Thayers Nachlaß.


84 Das Konzept ist von Schindler geschrieben; Abschrift in Thayers Nachlaß. Gedruckt bei Nohl Br. B. Nr. 363, auch nach Schindlers Konzept. Schindler hatte es als an Stumpff gerichtet bezeichnet; Thayer und Nohl sahen richtig, daß der Brief an Smart gerichtet sei. So auch in der oben erwähnten englischen Publikation, der wohl auch Thayer folgte.


85 Abschrift bei Thayer (nicht vollständig). Nohl Br. B. Nr. 396. Englisch in der oben erwähnten Publikation S. 17. Vgl. Schindler S. 140.


86 Nohl gibt hier die seltsame Namensform »Lewisey«, Levinger steht in Thayers Abschrift, Lewinger in der englischen Übersetzung.


87 »Freund«, welches bei Thayer fehlt, ist bei Nohl beigefügt; in der englischen Übersetzung steht »almost your friend«. Der Brief ist doch wohl mit dieser Unterschrift abgegangen.


88 Diese Nachschrift fehlt in der mir vorliegenden Abschrift bei Thayer, steht aber bei Nohl und in der englischen Übersetzung, abgekürzt auch bei Schindler (»Hummel ist hier« II S. 40). Auf Hummels Besuch kommen wir unten zurück.


89 Schindler sagt dies in einer Bemerkung zum Konversationsheft. Wenn das wahr wäre, dann wäre die Neigung zum Mißtrauen bei Beethoven durch die Krankheit sehr gesteigert gewesen.


90 Einiges teilt Schindler in der 2. Aufl. S. 201 mit. Beethoven scheint hier einer Ansicht Schindlers zu widersprechen, daß Zorn und Rache nicht musikalisch seien. »Bon!« schreibt Schindler, »Sie komponiren also nächstens eine zornige Sonate.« – Dazu müsse »die Alte« beitragen, sie werde ihn recht oft zornig machen. Vor solchen Gemütsbewegungen müsse er aber jetzt bewahrt bleiben.


91 Hier macht Schindler die Bemerkung: »H. Holz ward von Beethoven ersucht zu ihm zu kommen, um ihm zur Erhebung der Zinsen von Staatspapieren und in andern Geldangelegenheiten, worüber er Bescheid wußte, behülflich zu sein.«


92 Kurz vorher hatte Schindler gesagt: »Vielleicht wird er jetzt gesetzter im Ehejoche,« was Thayer auf Holz bezieht und was sich auch auf keinen andern beziehen kann.


93 Nach einer Aufschrift auf der bei Thayer befindlichen Abschrift war der Brief im Besitz des Dr. E. Schebek in Prag; nur die mit zitternder Hand geschriebene Unterschrift ist eigenhändig, alles übrige von fremder Hand.


94 Gerhard: »– als er sich empfahl, sagte er, indem ihm Thränen in die Augen kamen: der große Mann, Ach! Ach!«


95 Der Brief aus Schindlers Nachlaß auf der Berliner Bibliothek, wo ich ihn abgeschrieben habe. Gedruckt bei Nohl Br. B. Nr. 390 und bei Kalischer S. 142.


96 Mit Cramers Namen könnte der kranke Beethoven sich geirrt und vielmehr Smart oder Stumpff gemeint haben.


97 Den Brief teilte, nicht ganz vollständig, Schindler II S. 141 mit. Eine Abschrift nach dem Diktat, nach einer Abschrift Luibs, finde ich bei Thayer, der auch eine etwas ausführlichere Abschrift nach einem Konzept Schindlers (in Berlin) hatte. Noch einen andern Entwurf muß Nohl (Br. B. Nr. 398) benutzt haben. Außerdem hatte Moscheles den Brief selbst mitgeteilt in einem Schreiben an den Redakteur der Wiener Theaterzeitung vom 13. April (10. Mai) 1827, auch nicht ganz vollständig. Dann ist er in englischer Übersetzung in Moscheles' Life of Beethoven II S. 69 enthalten, sowie in der S. 463 erwähnten Publikation D. C. Bells. Die Übersetzung ist in diesen beiden nicht gleichlautend, aber die Gedankenfolge ist dieselbe, und es liegt offenbar dasselbe deutsche Original zugrunde. Auf die beiden letztgenannten Veröffentlichungen stützen sich unserer Mitteilung, weil sie doch wohl der Fassung, in der Moscheles den Brief erhielt, an nächsten kommen.


98 Schindler erzählt, daß ihm Beethoven noch später zugeflüstert habe: »an Smart und Stumpff schreiben«. Er kam nicht mehr zur Unterzeichnung dieser Briefe.


99 Die eingeklammerten Worte, nicht in Moscheles' deutscher Veröffentlichung enthalten, habe ich aus den englischen Übersetzungen entnommen und zurück übersetzt. Bei Moscheles (Theaterzeitung) steht unter der Nachschrift die einfache Namensunterschrift»Ludwig van Beethoven.«


100 Diese ist auch in den beiden englischen Übersetzungen beigefügt, außer einigen kleinen Abweichungen gleichlautend mit unserer früheren Mitteilung (S. 394 Brief vom 13. Okt. an Schott) – an sechster Stelle heißt es Finale presto 96 – 4. Kapitel. Ende des Jahres 1826 und das Jahr 1827 statt 66 – 4. Kapitel. Ende des Jahres 1826 und das Jahr 1827 und bei Alla marcia und Allo energico sind die Noten nicht punktiert – wir übergehen sie deshalb hier.


101 Vielleicht Verwechslung. Nach der Publikation Bells S.18 war in Beethovens Brief vom 14. März ein Brief von Schindler an Moscheles beigeschlossen. Darin hatte er auch von dem Wiedersehen mit Hummel »last Thursday« [8. März] erzählt.


102 Der Brief steht bei Nohl, N. Br. Nr. 317. Nach seiner Angabe ist er von Schindler geschrieben, von Beethoven unterschrieben.


103 Nohl a. a. O. Nr. 319. Von Schindler geschrieben, von Beethoven unterschrieben.


104 Auch dieser Brief stammt aus Schindlers Nachlaß, ich benutze eine Abschrift bei Thayer.


105 Nohl, N. Br. Nr. 321.


106 Am 29. März schrieben die Schott noch einmal, in der Annahme daß Beellhoven noch lebe (Abschr. bei Thayer).


107 Nohl teilt sie mit, Br. B. Nr. 391, 392, 394, 395. N. B. Nr. 320, 322.


108 Auf der Hofbibliothek in Wien. Abschr. bei Thayer. Nohl Nr. 391. »An seine Hochgebohren den Baron v. Pasqualati«, mit Bleistift geschrieben. »Alt und zitternd« bemerkt Nohl, vgl. Br. B. Nr. 391.


109 K. K. Bibliothek. Nohl Br. B. Nr. 392. Abschrift bei Thayer. Aufschrift: »An Seine Hochgebohren Freiherr v. Pasqualati.« (Ohne Datum.) Die Handschrift läßt auch Thayer die Nähe des Endes erkennen.


110 Anm. des Herausgebers. Schindler schreibt im K.B. (im Februar)»Malfatti sagt, sie möchten heute oder Morgen zu ihm schicken um einen sehr alten Gumpoldskirchener, für welchen er gutstehe.« Auch sonst rühmt in dieser Zeit Schindler mehrmals den Gumpoldskirchener vor allen andern Sorten, die Beethoven geschickt werden.


111 Abschrift bei Thayer. Nohl N. Br. Nr. 320; nach Nohls Mitteilung im Besitz der Frau v. Beethoven geb. Adamberger in Wien. Überschrift: »Für Seine Hochgebohrn Freiherrn v. Pasqualati.« Kräftige, doch stellenweise unbeholfene Schrift, daher vermutlich im Bette geschrieben (Nohl). –


112 Nohl Br. B. Nr. 394, Musik. Skizzenb. S. 273; auf der Wiener Hofbibliothek. Abschrift bei Thayer.


113 »Universale Medizin« in Thayers Abschrift. Nohl hat etwas Unverständliches »Muterhall«.


114 »Bürgerlump« Thayer, ganz unverständlich.


115 Der Brief hat die Aufschrift: »14. März 1827« und ist mit unsicherer Hand geschrieben. Nohl Br. Nr. 395. Musik. Skizzenb. S. 273. Auf der Wiener Hofbibliothek. Abschr. bei Thayer. Mit allen Zeichen zunehmender Schwäche.


116 Im Besitze der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, in ein Exemplar des »tragischen Gesanges« eingeklebt und bezeichnet als »Ludwig van Beethovens letztes, 10 Tage vor seinem Tode an Johann Freiherrn von Pasqualati gerichtetes Schreiben.« Der Brief, mit Bleistift flüchtig und undeutlich geschrieben, ist schon früher abgedruckt, Neue Zeitschr. f. Musik 1838 S. 164. Nohl N. Br. N. 322. Abschr. bei Thayer. Ich gebe ihn hier nach eigener Abschrift. (In den Schriftzügen meint man die Schwäche zu erkennen.)


117 Dies ist undeutlich. Vielleicht war manu ausgeschrieben.


118 Schindler Beeth. II S. 136. Eine bestimmte Zeit gibt er hier nicht an, was auch wir nicht können, da uns auch hier die Konversationshefte nichts sagen.


119 In der Biographie sagt Schindler: »wahrlich in dem Schubert wohnt der göttliche Funke«, was im Munde Beethovens ausdrucksvoller klingt. Luib hörte von Hüttenbrenner (Mitteilung bei Thayer), Beethoven habe eines Tages von Schubert gesagt: »Der hat den göttlichen Funken.«


120 Einige derselben will ihm Schindler (Biographie) schon früher gebracht haben.


121 »Aus dem Schwarzspanierhaus« S. 95.


122 Das wird das B-Dur-Quartett gewesen sein, welches Schuppanzigh 1826 zuerst gespielt hatte.


123 F. Hiller, Aus dem Tonleben unserer Zeit, Neue Folge (1871) S. 169 ff.


124 Hüttenbrenner erwähnt (Thayer), Beethoven habe, als Hummel kam, gesagt: »ich darf ihn nicht im Bette empfangen«, sei gleich aufgestanden und habe einen Schlafrock angezogen und ihn mit schuldiger Achtung empfangen.


125 Hier war Hiller wohl nicht genauer unterrichtet. Daß neue Verdrießlichkeiten vorgekommen, davon wissen wir sonst nichts. Auch Vancsa weiß davon nichts.


126 Vgl. über die Verhandlungen Schindler II S. 146. S. auch Frimmel S. 93. Das Kapital sollte, nach Breunings Vorschlag, fideikommissarisch angelegt werden und der Zinsgenuß Karl zufließen, nach seinem Ableben aber seinen ehelichen Nachkommen zufallen. Das änderte Beethoven in »natürlichen Erben«. Nachdem er den vorgelegten Entwurf mit Mühe abgeschrieben, sagte er (nach Schindler): »Da! nun schreibe ich nichts mehr!«


127 Dieser letzte Wille in gerichtlicher Ausfertigung in Thayers Materialien. Ich gebe ihn mit den orthographischen Fehlern. Dabei befindet sich auch der gleich folgende gerichtliche Vermerk.


128 G. v. Breuning, Schwarzspanierhaus. Außer dem letzten Willen war es die Vormundschaftsübertragung an Breuning und, wie sich G. v. Breuning zu erinnern meint, der Brief an Dr. Bach vom 3. Januar.


129 Leider hat sich auch Dr. W awruch in seinem ärztlichen Rückblick zum Organ dieser Verdächtigung gemacht; er war offenbar über die letzten Tage [nicht genau unterrichtet.


130 Brief [von Fräulein A. D.] in Thayers Nachlaß.


131 Hier walten Irrtümer ob. Schott wohnte nicht in Frankfurt, sondern in Mainz. – Der Wein kam zu Beethoven erst am 24. März; zu einem Dankschreiben ist es nicht mehr gekommen.


132 Das stimmt zu der Erzählung Ferd. Hillers (S. 485). Nohl (N. Br. S. 304) erweitert das dahin, Beethoven habe den Wein gleich wieder ausbrechen müssen, und da gerade nichts anderes vorhanden gewesen sei, in Frau Hummels Taschentuch; der Wein sei ganz rein wieder hervorgekommen. Er beruft sich dabei auch auf die Erzählung von Frau Hummel. Wir überlassen dem Leser die Entscheidung, welche Form er als die glaublichere annehmen will; besser beglaubigt ist wie uns scheint die erstere. Jedenfalls handelte es sich nicht um die Weinsendung Schotts.


133 S. »Beethovens Tod« im Wiener Fremdenblatt vom 22. Juni 1888: »Diese Worte [Plaudite etc.] wurden nach einem ärztlichen Konsilium gesagt, dessen Erfolglosigkeit der Tondichter illustriren wollte.«


134 Brief vom 12. April 1827 an die Herausgeber der Cäcilia vom Mai 1827. Vgl. Nohl, Beethoven nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen, S. 365.


135 Aus dem Schwarzspanierhaus S. 104.


136 Vgl. Bd. III S. 421 ff.


137 Der Brief ist in Thayers Nachlaß. Auch die Gratzer Tagespost (23. Okt. 1868) erhielt den Brief nach Hüttenbrenners Nachlaß (Abschrift); darnach teilte ihn Nohl (Beethoven nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen S. 268) mit.


138 Johann erzählt in seinem kurzen Rückblick, Beethoven habe dem Geistlichen beim Fortgehen gesagt: »Ich danke Ihnen für diese letzten Dienste« (oder »für diesen letzten Dienst« was die Abschriftbei Thayer ungewiß läßt).


139 Nohl, Beeth, III S. 783, Er gibt seine Quellen nicht an. Von Frau van Beethoven ist es ja auch sonst festgestellt.


140 »Vom 24. gegen Abend bis zum letzten Hauche war er beinahe stets in delirio« schreibt Schindler an Moscheles.


141 Thayer erzählt, daß er 1860 (5. Juni) in Graz bei Hüttenbrenner war und von ihm das einzelne erfuhr. Am 20. August schrieb dann Hüttenbrenner den schon oben erwähnten Brief. – Wenn Schindler (S. 143) schreibt, Hüttenbrenner sei eine für Beethoven ganz unbekannte Person gewesen, so ist das einer seiner vielen Irrtümer.


142 Das hielt Thayer für ein Mißverständnis und eine Verwechselung mit einer andern Frau. Wir haben aber wohl keinen Grund zu zweifeln, da Hüttenbrenner die Frau van Beethoven kannte, wie aus seinen weiteren Angaben hervorgeht (er rühmt ihre und ihres Mannes Gefälligkeit gegen ihn.) In der mündlichen Mitteilung hatte Hüttenbrenner Karls Mutter genannt, was noch weniger möglich ist; es war eine ihrer späteren Klagen, daß sie von Beethovens gefährlichem Zustande erst erfuhr als alles vorüber war. (So erzählt die Frau Johanns zum Beweise, daß Karls Mutter nicht dabei gewesen sein könne.) Dr. Breuning (schreib Thayer; er meint doch wohl den Sohn Gerhard) hatte keine Erinnerung, eine von Beethovens Schwägerinnen je gesehen zu haben. Wir müssen aber an Hüttenbrenners Erinnerung festhalten.


143 Hier macht Thayer ein Zeichen des Zweifels. Jenger schrieb in seinem Briefe an Frau Pachler vom 27. März (bei Thayer, vgl. auch sonst Pachler in der angeführten Schrift S. 26), Teltscher, der in der Todesstunde anwesend gewesen, habe Beethoven gleich nach dem Tode gezeichnet. Auch dies hält Thayer für ein Mißverständnis. In der Tat läßt sich diese Angabe mit Hüttenbrenners Erzählung nicht vereinigen. [Vgl. auch O. E. Deutsch »Aus Beethovens letzten Tagen« in der Österreichischen Rund schau vom 1. Febr. 1307 (die Briefe Jengers an Marie Pachler-Koschak). H. R.]


144 Frimmel nimmt Bezug auf Kabdebos Kunstchronik 1880, wo er in einem Artikel über Beethoven dieser Annahme Ausdruck gegeben hatte; er hatte dies schon in einer Studie »Beethovens Leiden und Ende« wahrscheinlich gemacht (Wiener Presse vom 8. Sept. 1880). Vgl. Kastners musikalische Chronik 1886 S. 53. In der österreichisch-ungarischen Kunstchronik von Kabdebo von 1860, im Maiheft S. 10, äußert sich Dr. v. Frimmel so: »Auf einer Fahrt von Gneixendorf, in der Nähe von Krems dem Gute seines Bruders Johann, nach Wien, Dezember 1826, wurde er von einer Lungenentzündung überfallen, an welche sich bis zu seinem Tode eine Kette von Krankheiten reihte, die, nach den laienhaften Angaben darüber nachträglich zu diagnosticieren, bedeutende Schwierigkeiten bietet. Die nähere Todesursache war eine von Wassersucht gefolgte Leberverhärtung, Cirrhosis hepatis. Daher war auch Beethoven in den letzten Wochen seines Lebens sehr abgemagert, und nur der Unterleib aufgetrieben.« Mitteilung der Abschrift dieser Äußerung verdanke ich Herrn Professor M. Friedländer in Berlin.


145 Brief an den Erzherzog, 18. Juli 1821. Köchel S. 58.


146 Beethovens Studien, Anhang S. 49.


147 Zusatz des Herausgebers. Die widersprechenden Angaben über Ort und Art der Anbringung des geheimen Verstecks (Schindler I S. 97 »in einem geheimen Lädchen einer Kassette«, Breuning, Schwarzsp. S. 112 »in einem geheimen Fache eines Schreibpultes«) erledigen sich durch die Aussage Schindlers gegenüber Gerh. v. Breuning (1863), es sei ein gewöhnlicher Kleiderschrank gewesen. Bei den Aktien fanden sich auch die Briefe an die »unsterbliche Geliebte« und das Bild der Gräfin Therese von Brunswick. Vgl. die Darstellung von La Mara in der Neuen Rundschau, Februarheft 1908. H. R.


148 Vgl. über diese Angelegenheit Frimmel, Neue Beeth. S. 308. 313 ff. Ferner Frimmels Studie »Josef Danhauser und Beethoven« (Wien 1892), worin zugleich die Annahme beseitigt wird, als habe Danhauser den lebenden Beethoven gezeichnet oder modelliert. In Thayers Materialien finde ich noch die Abschriften von zwei Artikeln aus der Österreichischen Revue (1865) und den Sonntagsblättern (von Norbert, von Nohl Musik. Skizzenbuch S. 302 benutzt, der den Wiener Boten von 1847 zitiert), die ich hier nicht benutze, weil sie mir nicht hinlänglich beglaubigt erscheinen und ihr Inhalt im einzelnen durchaus anfechtbar ist.


149 Eine ausführliche Beschreibung gibt G. von Breuning Aus dem Schwarzsp. S. 113, wozu F. Hiller, aus dem Tonleben u. Z. S. 177 ff. zu vergleichen ist. Doch schon am 14. April 1827 gab die Zeitschrift »Der Sammler« eine ausgedehnte Beschreibung. Vgl. auch Seyfried Beethovens Studien Anh. S. 50 ff. Auf alle diese nehmen wir hier Bezug.


150 Das erzählt Frimmel nach persönlicher Mitteilung.


151 Der Sammler gibt zuerst 6 an, später aber 8, wie die übrigen Quellen.


152 Das Nähere findet man bei Seyfried Studien, Anh. S. 52 ff., wo auch die Gesänge selbst mitgeteilt sind. Vgl. auch Nottebohms themat. Verz. S. 161.


153 Die Rede teilte G. v. Breuning Schwarzsp. S. 116 nach einer Abschrift mit, die er von dem von Grillparzer erhaltenen Exemplare seines Vaters genommen hatte. Die Fassung in Grillparzers Werken zeigt einzelnes geändert.


154 Man findet das Gedicht von Castelli bei G. v. Breuning, (Schwarz) p. S. 124 nebst einem andern von Joh. Gabr. Seidl S. 119; das von Schlechta bei Seyfried Anh. S. 85.


155 Vgl. darüber G. v. Breuning Schwarzsp. S. 123 ff. Die Versteigerung war am 5. Mai, s. den Brief Jengers an Frau Pachler bei Faust Pachler a. a. O. S. 27.


156 Später kam der Flügel in den Besitz von Franz Liszt.


157 Ein Verzeichnis des Nachlasses Beethovens nach Fischhoff geben wir im Anhang II.


158 Auszüge daraus in Thayers Nachlaß.


159 Ich entnehme die Stelle aus Thayers Aufzeichnungen.


160 Der Brief in Thayers Materialien.


161 Beethoven hatte noch kurz vorher anscheinend an Rochlitz gedacht; doch ist fraglich, ob Holschevar das wissen konnte. Auch hatte Rochlitz gerade in jener Zeit die Sache schon abgelehnt, s. Schindlers Einleitung.

Quelle:
Thayer, Alexander Wheelock: Ludwig van Beethovens Leben. Band 5, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1908..
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