20. An Josef Fischhof in Wien.

[354] Leipzig, den 4. December 37.


Vorerst meinen herzlichen Gruß nach dem langen Schweigen und Dank für all das Wohlwollen, das Sie mir so oft erzeigten. Ihr Empfohlener ist gut vom Publikum aufgenommen worden, namentlich den Damen – trotz dem Merk'schen Sehnsuchtswalzer inD-dur. Für die Notizen dank' ich ebenfalls – schicken Sie nur immer und mehr! Das über den Groll der Wiener Componisten vermuthete ich – doch dauert's mich auch; ich kann aber nicht anders. Die musikalische Kritik ist namentlich durch die allgemeine Zeitung so heruntergekommen, daß man's gar nicht mehr gewohnt ist, die Wahrheit zu hören. Wüßten Sie überhaupt, mit welchem Widerwillen ich an so miserable Compositionen gehe, Sie würden Mitleid mit mir haben. Da hole ich denn gewöhnlich nach dem Abköpfen meinen alten Bach hervor. Der stärkt wieder zur Arbeit und macht Lust zur Kunst und zum Leben.

Auch für Ihr Bild habe ich Ihnen noch nicht gedankt; es muß ähnlich sein, man sieht's ihm an. Rathen Sie mir, man hat mich hier lithographiren wollen und ich wünschte es selbst zum Andenken für manche Menschen, die ich liebe – hier macht man's aber sehr schlecht – können Sie mir vielleicht sagen, was eine Lithographie, eine ganz gut ausgeführte, in Wien kostet; ich würde dann eine Zeichnung hinschicken. Meine Bitte – geben Sie mir darauf gelegentlich Auskunft!

Und nun noch eine – Clara Wieck wird im Augenblick wohl schon bei Ihnen sein. Sie werden sie sehen, bewundern und lieben. Wollen Sie mich nicht so schnell wie möglich auf direktem Wege durch die Post immer benachrichtigen, ob sie in Wien durchdringt als Romantikerin, wie sie und ihre Concerte aufgenommen werden – wahr und unparteiisch, daran liegt mir. Gewiß wird sie Ihnen von meinen Compositionen vorspielen; da hören Sie sie an der Quelle.

Die Kritik der Gesangsachen gehört nicht in mein Departement. Ihre Gesänge sind meinem Referenten angelegentlich an's Herz gelegt.

Woher haben Sie es, daß Liszt nach Wien kömmt? Käme er, so benachrichtigen Sie mich wohl davon? Ich hab ihm etwas zu schreiben und auch zu danken für einen sehr schön urtheilenden Aufsatz über meine Compositionen in der Gazette.[354]

Und nun tragen Sie mir auch auf und wollen recht viel von mir – ich werde es Ihnen pünktlich machen.

Empfehlen Sie mich Herrn O. Nicolai. Er soll äußerst tüchtig sein – aber Wedel6 hat dann auch Recht.


In Liebe und Freundschaft

Ihr

R. Schumann.


Grüßen Sie Lipinski vor Allen und sagen ihm vielleicht, ich hätte ihm meinen Carneval dedicirt; nach Odessa hätte ich natürlich nicht erst schreiben und schicken wollen. Hier giebt's jetzt immer herrliche Musik – machen Sie sich los und kommen einmal. An Mendelssohn richte ich Ihren Gruß heute aus; er spielt sein Capriccio in H-moll.

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Unter diesem fingirten Namen schrieb Zuccalmaglio öfters für die Neue Zeitschrift für Musik.

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 354-355.
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