32. An Josef Fischhof.

[371] Leipzig, den 5. September 1839.


Mein lieber Freund,


Diesmal wird mir der Anfang schwer und das Ende vielleicht noch schwerer, denn wo soll ich anfangen und aufhören, Ihnen von so Vielem zu erzählen, was sich seit meinem Abschied von Ihnen um mich herum begeben hat. Sie nahmen ja immerwährend so viel Theil, daß ich Ihnen gern ausführlich berichten möchte, und daß ich hoffen könnte, mit allem Wohlwollen angehört und verstanden zu werden. Aber zur Ausführlichkeit fehlt mir auch jetzt noch die Ruhe und die Zeit und so nehmen Sie wenigstens das Wenige in Freundschaft an und auf.

Was mein Sinnen und Denken am meisten in Anspruch nimmt, wissen Sie. Was ich schon lange vorher geahnt und gefürchtet, ist eingetroffen; wir haben das Gesetz um Schutz anflehen müssen.

K. ist bereits von P. zurück, und die Sache im vollen Gang. Bis spätestens Weihnachten denk ich sind wir vereint. Dann wird wohl wieder Friede und Heiterkeit in mich kommen. Dies Alles theile ich nur Ihnen mit, und wollen Sie so noch Ihrer lieben Mutter und Schwester, an die ich mit großer Liebe immer zurückdenke.

Meinen Bruder fand ich nicht mehr am Leben; Sie wissen es vielleicht schon. Auch dieser Todesfall hat mich viel beschäftigt in seinen Folgen, da die Handlung nun ohne Chef ist und doch nicht vernachlässigt werden darf. Im Uebrigen fanden wir das Geschäft in dem besten Zustand.

Künstlerisches hat sich nur wenig seit April zugetragen. Kl., die sich einige Tage hier aufhielt und vorgestern erst mit ihrer Mutter nach Berlin reiste, hat mir viel und wundervoll gespielt. Das war[371] eine Freude nach so langer Trennung. Componirt hab' ich nur Kleines; im Mozartalbum, das Capellm. Pott herausgiebt, werden Sie eine kleine Fughette finden, die mir viel Freude gemacht. Die Mechetti'schen Sachen und die Novelletten haben Sie wohl schon; meine 2. Sonate erscheint binnen wenigen Tagen.

Nun schenken Sie mir bald ein Wort, d.h. 1000, wie es Ihnen ergangen und den Ihrigen, und ob Sie sich manchmal meiner erinnert. Für so Vieles bin ich Ihnen dankbar und werd' es nicht vergessen.

Haben Sie nichts von..... (unleserlich) gehört und von Rößle, dem Böhmen? Was macht die Pestherin? Wo haben Sie die Sommerferien zugebracht? Was und wen erwartet man im nächsten Winter? Wird Liszt noch kommen?

Nun noch ein Anliegen und Ihre unumwundene Meinung!

Wien ist seit einiger Zeit in der Zeitung vernachlässigt worden; ich kenne jetzt die dortigen Verhältnisse und namentlich die Ihrigen, und wie es Ihnen schwer wird, Zeit für mich herzubekommen. Aber ich muß regelmäßige Correspondenz haben und dachte daher, – versteht sich mit ihrer Einwilligung – mich an Carlo (.....) (unleserlich) zu wenden, der Zeit zu haben scheint, ob er eine regelmäßige, auch mehr als blos referirende Correspondenz übernehmen würde. Wollen Sie dies aber nicht, so benachrichtigen Sie mich davon. Vielleicht könnten wir Carlo engagiren und Sie würden mir trotzdem auch beistehen, so viel es Ihre Zeit zuläßt. Schreiben Sie mir darüber Ihre bestimmte und offene Meinung.

Noch Eines: würde sich Lenau dazu verstehen, zum Mozartalbum ein paar einleitende Verse zu schreiben? Ich glaube, er thut es.

Was macht Walther von Göthe? Sehen Sie ihn, so grüßen Sie ihn und danken ihm für seinen Brief an mich; ich antworte ihm in diesen Tagen des Breiteren.

Grüßen Sie auch Lickl,..... (unleserlich), Sulzer, Hauser, Streicher etc.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – Doch genug; bald hoffe ich auf Nachricht von Ihnen und grüße Sie in herzlicher Zuneigung


Ihr

R. Schumann.[372]

Quelle:
Wasielewski, Wilhelm Joseph von: Robert Schumann. Bonn 31880, S. 371-373.
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